03. Mai 2017

 

Bundesministerium f Bildung
Minoritenplatz 5
1010 WIEN

 

per E-Mail  begutachtung@bmb.gv.at 

 

 

 

Betreff

 

Bildungsreformgesetz 2017 - STELLUNGNAHME

Bezug

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Zum Begutachtungsentwurf betreffend das Bildungsreformgesetz 2017 erlaube ich mir folgende Stellungnahme:

 

 

Allgemeines

 

Bei dem unter dem Begriff „Autonomiepaket“ vorgelegten Paket zur Bildungsreform handelt es sich -anders als von der Politik der Öffentlichkeit vermittelt- in weiten Teilen um ein Struktur- und Verwaltungspaket, dessen Maßnahmen unter dem Diktat der Kostenneutralität stehen. In kaum einem Bereich ist ersichtlich, wie sich durch dieses Paket die Lernsituation der Schüler/innen verbessern soll.

 

In zahlreichen Punkten (etwa Evaluation und Dokumentationsaufwand) ist

noch mehr Verwaltungsaufwand als bisher zu erwarten bzw. zu befürchten.

Mit keiner Zeile des Entwurfes wird der bisher schon belastende Verwaltungsaufwand reduziert.

 

Zur Lösung der Probleme, mit denen Schule tagtäglich konfrontiert ist, tragen die vorgesehenen Gesetzesänderungen nicht bei.

 

 

 

 

Österreichs Schulwesen ist unverständlicher Weise massiv unterfinanziert. Innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten wurde der Anteil des Brutto-Inlandsprodukts, der dem Schulwesen zur Verfügung steht, drastisch, nämlich von 4,3 % auf 3,2 %, gekürzt.

Im selben Zeitraum wurde in den Niederlanden, einem oft zitierten Vorzeigeland für Schulautonomie, der BIP-Anteil von 3,1 % auf 3,8 % erhöht.

 

Dieses Volumen würde den Bewegungsspielraum schaffen, den Schulen

brauchen, um effektiv autonom gestalten zu können

 

Beispielsweise sei folgendes erwähnt:

Mehr Freiheit in der Methodik und Pädagogik am Standort

            für guten Unterricht durch weniger Verwaltung und Bürokratie

            durch Support für Leiter/innen, Lehrer/innen und Schüler/innen

            durch eine Vielfalt hochwertiger Fortbildungsangebote

            durch mehr Ressourcen für zusätzliche Unterrichtsangebote

            durch verlässliche Rahmenbedingungen

 

Die Gesetzgebung sowie die Schulverwaltung haben im Schulbereich aber bislang

die notwendigen Unterstützungsmaßnahmen und zusätzliche Ressourcen nicht

bereitgestellt. Dennoch haben engagierte Pädagogen/innen die Herausforderungen angenommen und so gut es geht bewältigt.

 

Damit Österreichs Schulwesen über Ressourcen verfügt, die dem OECD-Mittelwert (3,8 %) entsprechen, müssten ihm jährlich zwei Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.

Dieses Volumen würde den Bewegungsspielraum schaffen, den Schulen brauchen, um Autonomie tatsächlich leben zu können.

 

Ich lehne eine „autonome Mangelverwaltung“ -wie sie hier vorliegt- ab.

 

Das Bildungsreformgesetz 2017 gefährdet die wertschätzende, erfolgreiche und vor allem am Kind orientierte Arbeit von Lehrern/innen.

 

Ich halte es für einen Irrglauben, dass eine Struktur- und Verwaltungsänderung den Unterricht direkt am Kind verbessert.

 

Was es für guten Unterricht braucht, sind motivierte Lehrerinnen und Lehrer, ausreichend Mittel und Personalressourcen, respektvoller und achtsamer Umgang, Eingehen auf individuelle Bedürfnisse, und dergleichen mehr.

 

Autonome Schulen, die nur autonom die Mangelressourcen verwalten dürfen, ein wenig flexibler die Dauer der Unterrichtsstunden einteilen dürfen (viele Schulen haben schon lange die Pausenglocken abgeschafft) oder den Unterrichtsbeginn nach vorne oder hinten verlegen dürfen, verdienen diesen Namen meines Erachtens nicht.

 

Autonomie bedeutet für mich auch, einen gesetzlichen wie auch finanziellen Handlungsspielraum zu haben, wo je nach Bedarf z.B. Assistenzpersonal wie Schulsozialarbeiter/innen zusätzlich angestellt werden kann und nicht anstelle von Lehrpersonal.

 

Es ist für mich völlig ungeklärt, wie die versprochene Autonomie mit den bestehenden bescheidenen Ressourcen umsetzbar sein soll.

In vielen Bereichen kann wohl höchstens von einer geduldeten Autonomie die Rede sein. Entscheidungen der Schulpartner können von Clusterdirektoren oder zentral von Mitarbeitern der Bildungsdirektion abgeändert werden.

 

Der vorliegende Gesetzesentwurf ist in weiten Teilen keine Bildungsreform, sondern eine Verwaltungs- und Organisationsreform.

Die viel diskutierten Doppelgleisigkeiten zwischen Bundes- und Landesverwaltung bleiben weiterhin bestehen.

Der bereits existierende hohe Verwaltungsaufwand wird nicht reduziert, sondern vielmehr weiter ausgebaut.

 

Die gesetzten Maßnahmen lassen für mich keine positiven Effekte für das einzelne Kind erkennen.

 

Ich fordere, dass die Ressourcenzuteilung sowohl nach den individuellen Bedürfnissen der einzelnen Schüler/innen als auch nach der Anzahl der Klassen (Kleinstklassen, basale Klassen, Förderklassen, …) gewährleistet sein muss. Die Ressourcenzuteilung ausschließlich nach der Anzahl der Schüler/innen entspricht nicht den vielen individuellen Bedürfnissen der Kinder.

 

Die oftmals geforderte und angekündigte Verwaltungsvereinfachung kann ich durch die Schaffung von Bildungsdirektionen keinesfalls erkennen.

 

Bildungsdirektoren/innen werden Leiter/innen der größten Dienststellen in ganz Österreich. Es können daher wohl nur machtstrategische Überlegungen von Bund und Länder sein, dass diese hohe Funktion nicht nach den Regeln des Ausschreibungsgesetzes besetzt werden soll, das bei der Besetzung aller anderen hohen Bundesfunktionen zur Anwendung gelangt.

 

Ich fordere deshalb die sinngemäße Anwendung des Ausschreibungsgesetzes bei der Besetzung der Bildungsdirektion.

 

Unter der Prämisse der Kostenneutralität für das gesamte Paket ist zu befürchten, dass zusätzliche Kosten für die Bildungsdirektionen zu Lasten der Schulen gehen. Das lehne ich entschieden ab.

 

Die verpflichtende Einrichtung eines elektronischen Postfaches, „welches die Information der Bediensteten und deren Erreichbarkeit ermöglicht“ erscheint mir wenig sinnvoll, solange in den Schulen nicht eigene Computerarbeitsplätze für

alle Lehrer/innen zur Verfügung stehen.

 

Ich befürchte mit der Besetzung der Präsidialabteilung durch Juristen eine massive Verlagerung der Schwerpunktsetzung weg von pädagogischen, hin zu juristischen Sichtweisen.

Meine Meinung ist, dass juristische statt pädagogischer Sichtweisen nicht den Bedürfnissen der Kinder entsprechen.

 

Für einen offenen Dialog, der der Verbesserung unseres Schulsystems dient und den Schülern/innen Perspektiven eröffnet, stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung.

 

Die dringende Notwendigkeit, zusätzliches Supportpersonal bedarfsgerecht an die Schulen holen zu können (Sozialarbeiter/in, mehr Schulpsycholog/innen, …), wird nur über die Einsparung von Unterrichtsstunden und ausschließlich in Clusterschulen ansatzweise möglich und daher von mir abgelehnt.

 

Die plakativ angekündigte Verringerung der politischen Einflussnahme lässt sich aus dem Gesetzesentwurf nicht herauslesen, etwa erfolgt die Bestellung des Präsidenten/der Präsidentin der Bildungsdirektion ohne Objektivierungsverfahren.

Die politische Vertretung hat ein Weisungsrecht gegenüber der Bildungsdirektion. Die politische Einflussnahme auf den einzelnen Schulstandort ist daher leicht möglich und beabsichtigt.

 

Der vorliegende Gesetzesentwurf wäre im Allgemeinen zu begrüßen, wenn es hier um echte Autonomie und den wirklichen Wunsch nach Veränderungen gehen würde. Doch werden hier lediglich Titel und Aufgaben umbenannt, die oft genannten Bildungsdirektionen sind hierbei nur ein Beispiel.

 

Zusätzlich vermisse ich den notwenigen Bürokratieabbau in Sachen

Kompetenzzersplitterung auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene.

 

Bei der Konzeption des nun vorgelegten Schulrechtspakets werden umfassende

Organisations- und Verwaltungsänderungen vorgesehen, welche tief in

schulorganisatorische Verfassungsbestimmungen eingreifen. Zugleich wurde

verabsäumt, die betroffenen Schüler/innen, Lehrer/innen und Eltern gebührend

einzubeziehen.

Durch die mangelnde Teilhabe kann keinesfalls von der Treffsicherheit und auch nicht von der Bereitschaft der Betroffenen zur Umsetzung der vorgegebenen Gesetzesmaßnahmen ausgegangen werden.

 

Direktoren/innen, die in den letzten Jahren mit viel Einsatz ihre Schulen durch alle

notwendigen (und auch weniger notwendigen) Entwicklungen geführt haben, sind die großen Verlierer der Reform und werden zum „Auslaufmodell“.
Zugunsten einiger „Clusterdirektoren/innen“ werden geschätzte zwei Drittel aller Schulen ohne Direktion auskommen müssen (stattdessen werden Lehrer/innen als „Bereichsleiter/in“ eingesetzt). Die dadurch erzielten Einsparungen finanzieren die sogenannte Schulautonomie.

 

Es ist besonders bedenklich und auch enttäuschend, dass mit der

aktuellen Reform ausdrücklich nicht ins Bildungssystem investiert wird.

 

Aus pädagogischer Sicht bringt das vorliegende Gesetzespaket den Schülern/innen und Lehrern/innen nicht die erwarteten Hilfestellungen für die Hauptanliegen der Schulen und bietet die nötigen Freiräume für eine gelingende Schulentwicklung.

Zudem werden in den nächsten Jahren zusätzliche große Kraftanstrengungen zur Umsetzung einer in den pädagogischen Wirkungen höchst zweifelhaften Reform erforderlich.

Es gehen Kräfte verloren, die das Schulsystem zur Bewältigung der bestehenden Aufgaben dringend braucht.

 

Ich lehne das in dieser Fassung vorliegende Gesetzespaket in seiner

Gesamtheit ab.

 

Clusterbildung

BM Mag. Dr. Sonja Hammerschmid hat in den Medien wiederholt betont, der Zusammenschluss von Schulen zu einem Schulcluster erfolge ausschließlich freiwillig. Der Gesetzesentwurf hingegen erlaubt auch eine Verclusterung gegen den Willen der Betroffenen (§ 8f Abs. 3 und Abs. 4 SchOG), was von mir strikt abgelehnt wird.

 

Ich lehne Schulverclusterung ab, weil sie nur zusätzlichen Administrationsaufwand bringt und die Kommunikation zwischen den neuen Leiter/innen und den unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrern deutlich verschlechtert.

Bei derart großen Einheiten ist eine Leitung jedes Einzelbereichs weiterhin unabdingbar, die Cluster-Leiter/innen stellen daher nur eine weitere zusätzliche Verwaltungsebene dar. Sie werden zudem viel schwerer erreichbar sein als die Direktor/innen bisher. Verbesserungen sind im Vergleich zur Ist-Situation für mich nicht erkennbar.

 

Die Einrichtung eines Clusters gegen den Willen der Betroffenen halte ich

für gänzlich inakzeptabel. Der schwammige Begriff „zweckmäßig“ öffnet einer

willkürlichen Interpretation in Zukunft Tür und Tor.

 

An den zum Cluster gehörenden Schulstandorten können die durch Reduktion ihrer Unterrichtsverpflichtung (von der Clusterleitung allenfalls per Weisung) eingesetzten Bereichsleiter/innen in den wenigen Stunden nicht im ausreichenden Maße verantwortungsvoll den schulischen Tagesablauf organisieren und koordinieren, wichtige Ansprechperson vor Ort sein oder Probleme und Konflikte am Standort lösen.

 

Das alles ist aber das Alltagsgeschäft eines/r Leiters/in. Zudem haben sie keinen Anspruch auf administratives Personal, wie dies eine Clusterleitung hat.

Es ist zu befürchten, dass ein Großteil der Verwaltungsaufgaben von ohnehin schon mit einer Vielzahl an administrativen Arbeiten belasteten Lehrern/innen übernommen werden muss.

Die eingesparten Schulleitungsstunden können dann die Clusterleitungen in Verwaltungspersonal umwandeln.

Die Bereichsleitung an Schulstandorten steht im Dilemma, Führungsaufgaben zu übernehmen, aber selbst Teil des Lehrkörpers zu sein. Die geplanten Aufgaben der Bereichsleitung reichen bei weitem nicht aus, um den täglichen Anforderungen an einem Schulstandort gerecht zu werden. Die im Alltag tatsächlich anfallenden Aufgaben in wenigen Stunden pro Woche zu leisten, ist unmöglich.

 

Die Einführung der ebenfalls gelobten "Schulcluster" führt viel mehr zu einem Zentralismus, der verwaltungstechnisch (z.B. Fahrtkosten bei Einsätzen eines/r Lehrers/in an mehreren Schulen) und pädagogisch( z.B. ständiger Wechsel des Lehrumfeldes) vieles komplizierter machen würde.

Außerdem geht die Individualität der einzelnen Schule als Qualitätsmerkmal im Sinne einer gesunden Konkurrenz gegenüber anderen Schulstandorten verloren.

 

Allgemein ist zum Reformpaket zu sagen, dass es überhaupt nicht auf die tatsächlichen Probleme des Schulalltags eingeht.

 

Durch Einsparung von Schulleitern/innen administrative Hilfskräfte zu finanzieren, wird von mir abgelehnt.

Der wichtigen Funktion der Schulleiter/innen als kompetente Entscheidungsträger vor Ort, als Ansprechpartner für Erziehungsberechtigte, Schüler/innen, dem Schulerhalter, sowie als Support für Lehrkräfte wird im vorliegenden Gesetzesentwurf in keiner Weise Rechnung getragen.

Die Arbeit von Schulleitern/innen ist durch administrative Hilfskräfte nicht zu ersetzen. Allerdings benötigen Schulleiter/innen Unterstützung durch professionelle administrative Hilfskräfte, um sich zeitlich für fundamentale Aufgaben der Schule freizuspielen.

 

Meine Forderung ist daher zusätzliches administratives Personal für alle Schulen.

 

Ich fordere zudem eine gesetzliche Gleichstellung von Schulleitung und Clusterleitung, im Hinblick auf administrative Unterstützung.

 

Mit der Zusammenfassung von bis zu acht Schulen zu Clustern (mit einer

Clusterleitung) wird eine Rezeptur aus der Wirtschaft zu Fusions- und

Rationalisierungsmaßnahmen in die Schule hineingetragen, die aber

pädagogischen und erziehungswissenschaftlichen Gesichtspunkten zuwider

läuft. Einen pädagogischen Nutzen kann ich daraus nicht ableiten.

 

Die Clusterung der österreichischen Schullandschaft mit der Schaffung von über- und unterrangigen Schulstandorten bedeutet eine deutliche Schwächung der

kleinen Schulen und führt über kurz oder lang zur Schließung von Kleinschulen (77% aller Pflichtschulen und 16% aller Bundesschulen haben weniger als 200 Schüler/innen  und gelten im Reformpaket sinngemäß als „Kleinschulen“).

Aus wirtschaftspolitischer Sicht mag das ein gewünschter Effekt sein, es ist keinesfalls eine pädagogische Maßnahme! Die Maßnahme läuft auch eindeutig dem Bestreben zuwider, den ländlichen Raum zu beleben und zu erhalten und wird daher von mir  massiv abgelehnt. Ich sehe den vorliegenden Entwurf als einen massiven Anschlag auf das bestehende Salzburger Schulwesen mit seinen durch die regionalen Gegebenheiten erforderlichen kleinen Schuleinheiten.

 

 

Ausweitung der Beaufsichtigung durch „Änderung des Schulzeitgesetzes

 

§3 Abs. 3: „Der Schulleiter oder die Schulleiterin kann nach den beruflichen

Erfordernissen der Erziehungsberechtigten und nach infrastrukturellen

Gegebenheiten vorsehen, dass vor Beginn des Unterrichts und nach dem Ende

des Unterrichts sowie an den gemäß § 2 Abs. 5 schulfrei erklärten Tagen eine

Beaufsichtigung von Schülerinnen und Schülern in der Schule durch geeignete

Personen gemäß § 44a des Schulunterrichtsgesetzes erfolgt.“

 

Die Ausweitung der Beaufsichtigung wird von mir abgelehnt, da das gesamte Paket als aufkommensneutral bezeichnet wird und es nicht erkennbar ist, wie zusätzliche Beaufsichtigungen ohne zusätzliche Ressourcen organisiert werden können. Hier werden den Schulleiter/innen Verantwortlichkeiten auferlegt, ohne dass ihnen die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden.

 

Klassen- und Gruppengröße

 

Die Aufhebung der Klassenschülerhöchstzahlen und der Eröffnungs- und Teilungszahlenverordnung wird von mir abgelehnt.

 

§ 8a SchOG (Festlegung der Klassen- und Gruppengrößen durch die Schulleitung für das nächste Schuljahr) soll mit 1. September 2018 in Kraft treten, also erstmals für das Schuljahr 2018/2019 gelten. Ich fordere, dass entsprechende legistische Vorkehrungen getroffen werden, damit das in § 8a Abs. 2 SchOG vorgesehene Prozedere (Befassung des Schulgemeinschaftsausschusses spätestens vier Wochen vor Ende des Unterrichtsjahres) schon im Juni 2018 wirksam wird und dass neben dem Einvernehmen mit dem Schulforum / SGA auch das Einvernehmen mit dem Dienststellenausschuss notwendig ist.

 

Die Streichung etwa der Klassenschüler-Höchstzahl von 25 stellt keine Verbesserung der Betreuungssituation dar.

 

Durch die Abschaffung der gesetzlichen Regelung der Klassenschülerhöchstzahlen und Klassenteilungszahlen wird tief in die Strukturen jeder Schule eingegriffen. Durch diese Deregulierungsmaßnahmen ergibt sich aber nicht eine Stärkung der Eigenverantwortung und Autonomie an den Schulstandorten, sondern die Abhängigkeit von einer neuen zusätzlichen Verwaltungsebene „Clusterleitung“.

 

Flexibilisierung der 50-Minuten-Stunde

§ 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 6 Schulzeitgesetz sieht die „Flexibilisierung der 50-Minuten-Stunde“ im Bundesschulbereich vor. Im Ministerratsvortrag vom 18. Oktober 2016 heißt es dazu wörtlich:

„Die 50-Minuten-Stunde soll pädagogisch geöffnet werden und sie bleibt Berechnungsgröße für die Personalbewirtschaftung und Ressourcenzuteilung. Für eine entsprechende Öffnung bedarf es der Zustimmung des Dienststellenausschusses.“

 

Die Zustimmung des Dienststellenausschusses ist im Gesetz zu verankern.

 

Ganztägige Schulformen

Die in § 5 Abs. 6 Schulzeitgesetz vorgesehene Änderung (Unterrichts- und Lernzeiten an Freitagen sowie an einem weiteren Wochentag nur bis 13 Uhr) bewirkt, dass Schüler/innen an anderen Tagen 8 Stunden Unterricht haben und an diesen Tagen keine Freizeit bleibt, was zu einer erheblichen Mehrbelastung für die Schüler führt.

Dadurch wird auch die Möglichkeit zur Teilnahme an Unverbindlichen Übungen stark eingeschränkt.

Ich halte es für geradezu skurril, derart einschränkende Bestimmungen in ein „Autonomiepaket“ aufzunehmen und fordere daher, diese einschränkende Bestimmung zu streichen oder „13.00 Uhr“ durch „14.00 Uhr“ zu ersetzen.

 

Schulpartnerschaft

Ich lehne die Eingriffe in die Entscheidungsbefugnisse der Schulpartner

ab. Sowohl die Rechte als auch das Verfahren sollen unverändert bestehen bleiben

Die Verantwortung wird auf die Schulcluster und Schulleiter/innen abgewälzt und die Schulpartnerschaft entdemokratisiert.

Einer Beschneidung der Kompetenzen der Schulpartner stehe ich ablehnend gegenüber.

 

Wegfall § 27a SchOG – Wegfall der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik

 

Die Streichung des §27 a SchOG bewirkt, dass die Zentren für Inklusiv-und

Sonderpädagogik aufgelöst werden. Diese Aufgaben werden von den neuen

Bildungsdirektionen wahrgenommen werden. Damit werden juristische Entscheidungen getroffen und die Pädagogik wird ihren Stellenwert verlieren.

Ein wichtiges und gut funktionierendes Supportsystem wird nicht mehr existieren. Dies betrifft nicht lediglich die Kinder mit sonderpädagogischem

Förderbedarf sondern alle Schulkinder.

 

ZIS und Sonderschulstandorte müssen wegen ihrer administrativen und

pädagogischen Agenden in sonderpädagogischer Kompetenz autonom bleiben und dürfen daher nicht in einem Clusterverband aufgelöst werden. Im vorliegenden Gesetzesentwurf sehe ich keine markante, beim einzelnen Kind ankommende Verbesserung, sondern die Vernichtung der effizienten und hochwertigen Arbeit, die bisher geleistet wurde.

 

Ich fordere die Beibehaltung des Paragraphen 27a SchOG. Nur so kann die regionale Verantwortung für alle inklusiven und sonderpädagogischen Maßnahmen gewährleistet bleiben.

Im Land Salzburg werden zahlreiche Schülerinnen und Schüler von ambulanten Supportsystemen betreut.

Diese hochprofessionelle Tätigkeit muss im Sinne der betroffenen Kinder weiterhin von diesen Experten/innen ausgeübt werden.

Alle Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik (ZIS) müssen daher in ihrer jetzigen Form als Kompetenzzentren erhalten bleiben.

 

Gerade auch bei der Bereitstellung und Koordination sonderpädagogischer Maßnahmen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen ist eine besondere Kenntnis der jeweiligen Situation vonnöten, weshalb die zentrale Ansiedelung auf Bildungsdirektionsebene bei gleichzeitiger Auflösung der ZIS in den Bildungsregionen abzulehnen ist.

Derzeit arbeiten in diesem Bereich Experten/innen aus dem Bereich Sonderpädagogik mit überdurchschnittlich hohen und sehr differenzierten Qualifikationen. Diese Pädagogen/innen unterliegen dem Dienstrecht der Lehrer/innen.

Verantwortungsvolle Arbeit in der Sonderpädagogik und Inklusion ist ohne

pädagogische Kompetenz nicht qualitätsvoll umzusetzen!

 

Ziel der „Reform“ ist, die Anzahl der SPF-Kinder zu senken durch Änderung und Verschlankung des Feststellungsverfahrens, nicht durch Frühförderung oder bessere Betreuung! Das halte ich für zynisch und befürchte, dass es in diesen Verfahren zu rein juristischen bzw. dem Spar-Aspekt dienenden Entscheidungen kommen wird.

Eine Senkung der SPF-Zahlen bei deutlich steigenden erhöhten Bedürfnissen bei vielen Kindern ignoriert die Realität und gleicht einer „Vogel-Strauß-Politik“

 

Der sonderpädagogische Förderbedarf soll in dieser Reform offenkundig abgeschafft werden. Das bewährte System unter Einbindung des schulpsychologischen Dienstes und der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik, Kindern mit besonderen Bedürfnissen Unterstützung angedeihen zu lassen, wird nicht mehr existieren.

Es wird damit ein qualitativ hochwertiges Supportssytem abgeschafft und hoch qualifizierte Sonderpädagogen/innen sollen durch kostengünstigere Assistenzkräfte („Hilfslehrer“) ersetzt werden.
Sowohl Erziehungsberechtigte, als auch Lehrer/innen und Schulleiter/innen verlieren dadurch ihre fachlich hochkompetenten Ansprechpartner/innen in der Region.

Leidtragende sind Kinder mit besonderen Bedürfnissen, da die derzeit individuell abgestimmte Beschulung und Betreuung verloren geht. Diese qualitative Verschlechterung für die SchülerInnen kann von mir nicht unterstützt werden.

 

In den letzten Jahrzehnten wurde mit viel Behutsamkeit ein funktionierendes System der sonderpädagogischen Förderung für Kinder mit besonderen Bedürfnissen aufgebaut, wobei für Eltern eine Wahlmöglichkeit zwischen Sonderschulen und inklusiver Förderung besteht.

Ich spreche mich unmissverständlich gegen die Abschaffung der Sonderschulen und der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik aus. Das bewährte System der individuellen sonderpädagogischen Förderung und die Wahlmöglichkeit für

Eltern müssen erhalten bleiben.

 

Der vorliegende Entwurf erfüllt für mich nicht im Mindesten den Anspruch an eine seriöse Bildungspolitik und der damit einher gehenden Verbesserung der Rahmenbedingungen für Eltern, Schüler/innen und Lehrer/innen und wird daher von mir abgelehnt.

 

Mit freundlichen Grüßen,

 

Petra Achleitner

 

 

In Kopie an:

Präsidium des Nationalrates begutachtungsverfahren@parlament.gv.at 

 

MIT DER VERÖFFENTLICHUNG DER STELLUNGNAHME AUF DER PARLAMENTSHOMEPAGE ERKLÄRE ICH MICH AUSDRÜCKLICH EINVERSTANDENag. Anita Auer
 Szelinger, BEd
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