An das

Bundesministerium für Bildung

begutachtung@bmb.gv.at

 

An das Österreichische Parlament

begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

Betreff: Stellungnahme zum Bildungsreformgesetz 2017- Schulrecht ("Schulautonomiepaket")

                                                                                                                                                            

                                                                                                                                                             Wien, 28.4.2017

 

 

 

MIT DER VERÖFFENTLICHUNG DER STELLUNGNAHME AUF DER

PARLAMENTSHOMEPAGE ERKLÄRE ICH MICH AUSDRÜCKLICH EINVERSTANDEN.

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Ich gebe zu den geplanten Änderungen Folgendes zu bedenken:

 

 

Sonderpädagogik

Zu Z 29 (II. Hauptstück Teil A Z 3 lit. c, § 27a – Zentrum für Inklusiv- und Sonderpädagogik):

 

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf sollen die Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik aufgelöst und deren Aufgaben unmittelbar von den Bildungsdirektionen wahrgenommen werden.

Die ZIS-Standorte erfüllen in der aktuellen Funktion ganz wichtige soziale Aufgaben in den Regionen. Auf diese hoch bewährte Beratungstätigkeit kann unter keinen Umständen verzichtet werden.

Es wird ein qualitativ hochwertiges Supportsystem abgeschafft.

Die Aufrechterhaltung der Zentren für Inklusiv-und Sonderpädagogik ist eine bildungspolitische Notwendigkeit und eine Investition in die Gesellschaft dieses Landes und soll erhalten bleiben.

Im vorliegenden Gesetzesentwurf sehe ich keine markante, beim einzelnen Kind ankommende Verbesserung, sondern die Vernichtung der effizienten und hochwertigen Arbeit, die bisher geleistet wurde.

 

 

Schulcluster, Schulleitung

 

Clusterbildung darf nur auf freiwilliger Basis mit Zustimmung aller Schulpartner erfolgen.

Durch die Einsparung von SchulleiterInnen administrative Hilfskräfte zu finanzieren, bedeutet eine klare Abwertung der geleisteten LeiterInnentätigkeiten. Die Arbeit von SchulleiterInnen ist durch administrative Hilfskräfte nicht zu ersetzen.

Die geplanten Aufgaben der Bereichsleitung reichen bei weitem nicht aus, um den täglichen Anforderungen an einem Schulstandort gerecht zu werden. Die im Alltag tatsächlich anfallenden Aufgaben in wenigen Stunden pro Woche zu leisten, ist nicht möglich.

Der wichtigen Funktion der SchulleiterInnen als kompetente Entscheidungsträger vor Ort, als Ansprechpartner für Erziehungsberechtigte und SchülerInnen sowie als Support für Lehrkräfte ist dringend notwendig. Nur so kann Schulqualität weiter entwickelt werden.

Eine Erhaltung von SchulleiterInnen an den Schulstandorten ist notwendig.

 

Schulversuche:

§ 7. (1) Soweit dem Bund die Vollziehung auf dem Gebiet des Schulwesens zukommt, kann die zuständige Bundesministerin oder der zuständige Bundesminister zur Erprobung besonderer pädagogischer oder schulorganisatorischer Maßnahmen an bestimmten öffentlichen Schulen

Schulversuche durchführen. In Angelegenheiten, die in den schulautonomen

Entscheidungsbereich fallen, dürfen keine Schulversuche durchgeführt werden.

 

Eine ministerielle Anordnung von Schulversuchen entspricht in keiner Form der Autonomie.

Schulversuche sollten an den Schulstandorten entstehen, entsprechend deren Bedarf und vorhandenen individuellen Bedingungen.

Schulversuche benötigen häufig zusätzliche Ressourcen.  Die derzeit für Schulversuche zusätzlich zur Verfügung stehenden Mittel müssen auch weiterhin direkt an den Schulen für Unterricht und Pädagogik zweckgebunden sein. Für autonome Entwicklungen benötigt es auch autonome Ressourcenspielräume.

 

Ressourcenzuteilung:

 

Die Zuteilung von LehrerInnenstunden für Zusatzangebote sind in der Gesetzesvorlage auf die Zahl der SchülerInnen, das Bildungsangebot, den sozio-ökonomischen Hintergrund, den Förderbedarf, den Gebrauch der Bildungssprache und die regionalen Bedürfnisse beschränkt. Dafür bedarf es einer klaren, transparenten Definition.

Ressourcenzuteilung hat sowohl nach den individuellen Bedürfnissen der SchülerInnen, nach der Anzahl der Klassen (Kleinstklassen, basale Klassen, Förderklassen, …), nach gelebten Projekten am Schulstandort gewährleistet zu sein. Die Ressourcenzuteilung ausschließlich nach der Anzahl der SchülerInnen entspricht nicht den vielen individuellen Bedürfnissen der Kinder.

 

 

Klassenschülerhöchstzahl

 

Die maximale und pädagogisch sinnvolle Obergrenze von 25 Schülern fällt durch den Gesetzesentwurf, da Eröffnungs- und Teilungszahlen variabel von der Schulleitung festgelegt werden sollen.

Im Ballungsraum Wien (Brennpunktschulen: viele Kinder mit nichtdeutscher Umgangssprache, viele Kinder mit besonderen Bedürfnissen, ...) ist dadurch mit einer Beeinträchtigung der Unterrichtsqualität zu rechnen.

Eine vom Gesetz festgelegte Beibehaltung der Klassenschülerhöchstzahl ist für eine moderne Pädagogik dringend erforderlich.

 

 

Anna Reichel

Schulleiterin der Volksschule Klenaugasse
1220 Wien