Pressbaum, 28. April 2017

An alle Mitglieder der Österreichischen Bundespolitik!

Als Lehrer und Vater von 4 Kindern, von denen eines schwerstbehindert ist, warne ich vor der Umsetzung dieses Entwurfes. Das Hauptproblem an diesem Maßnahmenbündel liegt daran, dass der Einzelfall zur Norm erhoben werden soll. Im Einzelfall wird es irgendwo sicher vernünftig sein, mehrere Schulen zu „verclustern“. Auch eine höhere Klassenschülerhöchstzahl oder die angestrebte Zentralisierung im Sonderschulbereich mögen vielleicht im Einzelfall adäquat und plausibel erscheinen.

ABER NICHT IM NORMALFALL! All die vorliegenden Abänderungen der Schulorganisation werden im Regelfall zu massiven Verschlechterungen und menschenunwürdigen Zuständen führen, sollten sie in der vorgeschlagenen Form umgesetzt werden. Ganz einfach deshalb, weil die Verantwortlichkeiten nicht mehr von denen wahrgenommen werden, die den notwendigen Einblick dafür haben, und weil die Verantwortlichen nicht mehr vor Ort sind, um auch regulierend eingreifen zu können. Die vorliegenden Gesetzesänderungen würden beispielsweise dazu führen, dass jeder unerwartete Anlass im normalen Schulbetrieb (etwa die Krankmeldung eines Kollegen, der Krankheitsfall eines Schülers, der Besuch von Eltern aus aktuellem Anlass,...) zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in den regulären Unterricht und zu unverantwortlichen Konflikten durch die mehrfache Verantwortlichkeit eines Kollegen führen kann. Der so verursachte Schaden übersteigt den Wert der Einsparungen durch die geringfügige Verwaltungsvereinfachung um ein Vielfaches, auch rein finanziell betrachtet! Die Beifügung nur für die Naiven, die meinen, so könnte im Schulsystem effizient Geld eingespart werden.

Die Gesetze bzw. Regelungen im schulischen Bereich dienen grundsätzlich dem Schutz des menschlichen Lebens und der Zielsetzung eines effizienteren Unterrichtens. Ein Aufweichen dieser Regelungen bedeutet gleichzeitig ein Aufweichen des Sinnes, der hinter den Paragrafen gestanden ist. In Verbindung mit dem schäbigen und verantwortungslosen Vorgehen im Sonderschulbereich der letzten Jahre (Einsparungen im Namen der „Integration“ bzw. „Inklusion“, faktische Abschaffung der Ausbildungsmöglichkeit für Sonderschullehrer) haben die geplanten Regelungen das Potential, die Schulwelt für alle Kinder mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf zu einem Umfeld der besonders menschenverachtenden Note zu machen. Als Vater einer schwerstbehinderten Tochter fürchte ich beispielsweise, dass irgendwann in naher Zukunft ein eben besonders bedürftiges Kind von einem dafür gar nicht ausgebildeten Lehrer in der gemeinsamen übervollen Klasse gerade deshalb nicht gewickelt oder gefüttert werden kann, weil der Kollege wegen der vielen anderen Kindern gerade nicht weiß, welches von den unzähligen Problemen gerade oberste Priorität hat. Natürlich befindet sich kein zweiter Erwachsener im Raum, und gewickelt&gefüttert wird vor allen Mitschülern. Polemik? Ich meine, vorliegende Regelungen haben tatsächlich das Potential, diesen Albtraum wahr werden zu lassen...

Ich ersuche daher alle Verantwortlichen, von einem Beschluss der Regelungen in dieser Form Abstand zu nehmen. Ich verlange im Gegenzug Folgendes:

Alle angestrebten Gesetzesänderungen, ausgenommen die die Sonderpädagogik betreffenden, mögen als Ausnahmefall beschlossen werden. Dabei muss aber dezidiert in den anzupassenden Gesetzestexten verankert werden, dass sie nur im Ausnahmefall und auf freies Ansuchen der Schule von der Behörde genehmigt werden können, wenn dadurch keine Nachteile für die Qualität des Unterrichtes oder die Gefährdung durch einen möglichen Verantwortungskonflikt zu erwarten sind.

Um den drohenden menschenverachtenden Zuständen im Sonderschulwesen Einhalt zu gebieten, fordere ich weiters, unverzüglich die Ausbildung zum Sonderschullehrer wiedereinzuführen. Kinder mit besonderen Bedürfnissen haben eben besondere Bedürfnisse. Schäbig, wer ihnen diese nicht zugesteht! Sie brauchen einfach speziell ausgebildete Fachkräfte als Betreuer. Dies müssen uns die Schwächsten unserer Gesellschaft wert sein!

Um das schulische Umfeld und die Möglichkeiten zu einem qualitativ höheren Unterricht für alle Schüler deutlich und endlich einmal wirksam zu verbessern, fordere ich die Wieder-Anhebung der Wochenstunden für alle Schüler in der Sekundarstufe von 120 auf den ursprünglichen Wert von etwa 138! Auch diese Maßnahme ist entscheidend, um unsere Gesellschaft ordentlich für die Zukunft zu wappnen! Das muss es uns wert sein!

Clemens Bentz

P.S.: Ich erkläre mich mit der Veröffentlichung dieser Stellungnahme auf der Homepage des Österreichischen Parlaments ausdrücklich einverstanden.