Wien, 28. April 2017

 

Betreff: Streichung des § 27a SchOG

Stellungnahme zur geplanten Bildungsreform

 

 

Sehr geehrte Frau Ministerin Hammerschmid –

 

Als Mutter, deren Kinder noch nicht in die Schule gehen, bin ich dennoch bestürzt über die Ansätze, die in der neuen Bildungsreform versucht werden. Welche Qualität der schulischen humanistischen Bildung darf ich mir in einigen Jahren für meine Kinder erwarten? Eine Bildungsreform, die mit Neoliberalismen um sich wirft und sich einem kapitalistschen System unterjocht, welches im Bereich “Menschenbildung” völlig fehl am Platz ist? Es nach Einsparung aus allen Ecken und Enden schreit (ja, die muss sein, nämlich bei Bauprojekten wie Autobahnbauten, die wider jeglichen Klimaschutzgeist geplant werden)? Ich erkenne daraus nur das Aufklaffen einer bewusst in Kauf genommenen Zweiklassen-Gesellschaft, wo Kinder – wenn möglich -  in Eliteschulen gesteckt werden, um ein Bildungsniveau halten zu können, oder auch nur das Engagement der LehrerInnen?

 

Als Elternteil erwarte ich mir vom österreichischen Bildungswesen:

 

Ø  eine Verringerung der Klassenschülerhöchstzahlen – um bessere individuelle Förderung der Kinder zu ermöglichen

Ø  Schulautonomie, die wirkliche Autonomie der einzelnen Schulen bedeutet

Ø  Schulsysteme, die auf etablierten, funktionierenden Schulversuchen aufgebaut sind, und diese nicht wieder ad absurdum führen (zb. Mehrstufenklassen!)

Ø  Speziell für Wien, als smart city und Weltstadt, einen deutlichen Schwerpunkt in der finanziellen Unterstützung des Schulsystems.

Ø  Der Schlüssel ist mehr motiviertes pädagogisches Personal an Schulen – über Wertschätzung, über ein ehrliches System, über gerechte Bezahlung!

 

 

Ad Schulversuche:

Freiheit zu pädagogischer Gestaltung ist nun zwar schulautonom leichter möglich jedoch ohne zusätzliche Ressourcen. Eine ministerielle Anordnung von Schulversuchen entspricht in keiner Form der Autonomie und vermittelt den Eindruck, dass Schulen nicht eigenständig in der Lage sind, Schulversuche zu tätigen. Echte Autonomie bedeutet: Schulversuche entstehen an den Schulstandorten, entsprechend deren Bedarf vorhandenen individuellen Bedingungen und natürlich benötigen Schulversuche

auch häufig zusätzliche Ressourcen.

 

Ad Sonderpädagogik

Zu Z 29 (II. Hauptstück Teil A Z 3 lit. c, § 27a – Zentrum für Inklusiv- und Sonderpädagogik):

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf sollen die Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik aufgelöst und deren Aufgaben unmittelbar von den Bildungsdirektionen wahrgenommen werden. Der sonderpädagogische

Förderbedarf soll abgeschafft werden. Das bewährte System unter Einbindung des schulpsychologischen Dienstes und der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik, Kindern mit besonderen Bedürfnissen Unterstützung angedeihen zu lassen, wird nicht mehr existieren.

 

Es wird ein qualitiativ hochwertiges Supportssytem abgeschafft und hoch qualifizierte SonderpädagogInnen sollen durch billige Assistenzkräfte („Hilfslehrer“) ersetzt werden. Sowohl Erziehungsberechtigte, als auch LehrerInnen und SchulleiterInnen verlieren dadurch ihre fachlich hochkompetenten AnsprechpartnerInnen in der Region. Leidtragende sind Kinder mit besonderen Bedürfnissen, da die derzeit individuell abgestimmte

Beschulung und Betreuung verloren gehen.

 

Echte Autonomie bedeutet: SchülerInnen mit besonderen Bedürfnissen können an JEDER Schule ihrer Wahl mit ausreichend fachlich höchstkompetenter Unterstützung garantiert rechnen, um ihre Schulzeit bestmöglich zu absolvieren – dafür braucht es MEHR sonderpädagogische Ressourcen als bisher, MEHR mobile Fachkräfte, MEHR personeller Unterstützungen für ZIS – KEINE Abschaffungen!

 

 

Ressourcenzuteilung:

Die Zuteilung von LehrerInnenstunden für Zusatzangebote sind in der Gesetzesvorlage auf die Zahl der SchülerInnen, das Bildungsangebot, den sozio-ökonomischen Hintergrund, den Förderbedarf, den Gebrauch der Bildungssprache und die regionalen Bedürfnisse beschränkt. Dafür bedarf es einer klaren, transparenten Definition.

 

Echte Autonomie benötigt: Ressourcenzuteilung sowohl nach den individuellen Bedürfnissen der SchülerInnen, nach der Anzahl der Klassen (Kleinstklassen, basale Klassen, Förderklassen, …), nach gelebten Projekten am Schulstandort gewährleistet sein muss. Die Ressourcenzuteilung ausschließlich nach der Anzahl der SchülerInnen entspricht nicht den vielen individuellen Bedürfnissen der Kinder.

 

Schulcluster, Schulleitung

Durch Einsparung von SchulleiterInnen administrative Hilfskräfte zu finanzieren bedeutet eine klare Abwertung der geleisteten LeiterInnentätigkeiten. Die Arbeit von SchulleiterInnen ist durch administrative Hilfskräfte nicht zu ersetzen.

Die geplanten Aufgaben der Bereichsleitung reichen bei weitem nicht aus, um den täglichen Anforderungen an einem Schulstandort gerecht zu werden. Die im Alltag tatsächlich anfallenden Aufgaben in wenigen Stunden pro Woche zu leisten, ist nicht möglich. Der wichtigen Funktion der SchulleiterInnen als kompetente Entscheidungsträger vor Ort, als

Ansprechpartner für Erziehungsberechtigte und SchülerInnen sowie als Support für Lehrkräfte ist dringend notwendig. Nur so kann Schulqualität weiter entwickelt werden.

 

Echte Schulautonomie benötigt:

Unterstützung durch professionelle administrative Hilfskräfte, damit sich SchulleiterInnen wieder vermehrt für fundamentale Aufgaben wie Schulentwicklung und Qualitätssicherung einsetzen können.

 

Eine Bildungsreform muss und soll bei unseren SchülerInnen und Kindern landen!

MEHR Chancen für unsere SchülerInnen bedeuten MEHR Ressourcen für

- Pädagogisches Unterstützungspersonal für Kinder mit besonderen Bedürfnissen

- Mobile Supportsysteme für SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen

- Administrative Unterstützung für LehrerInnen und LeiterInnen

- KEINE EINSPARUNGEN BEI UNSEREN SCHÜLERINNEN UND KINDERN!

Schulautonomie bedeutet

- Entscheidungen am Schulstandort

- werden von der Schulgemeinschaft im Schulforum

- entsprechend den Bedürfnissen des Standortes

getroffen.

 

Als ehemalige Volksschullehrerin habe ich durch diese geplante Bildungsreform meine gänzliche Motivation für den Wiedereinstieg in den Lehrberuf verloren. Woher wollen sie in Zukunft motivierte LehrerInnen nehmen?

 

Ich hoffe inständig für meine Kinder und das Wohl unserer Gesellschaft, dass  diese Vorschläge nochmals überdacht werden und gemeinsam mit der Lehrergewerkschaft eine gangbare Praxis gefunden werden kann.

 

 

Hochachtungsvoll,

 

Hanna Schwarz

 

 

Volksschullehrerin mit Schwerpunkt Montessoripädagogik, Motopädagogik, Waldpädagogik und Sensorische Integration.