Sehr geehrte Damen und Herren!                                                            Wien, 29.04.2017

 

Es ist mir ein großes Anliegen, hiermit zum Bildungsreformgesetz 2017 –  Schulrecht  und Dienstrechtsnovelle – Bildungsreform – Stellung zu nehmen.

 

Betr.: Aufhebung des § 27a SchOG: Auflösung der sonderpädagogischen Maßnahmen und Eingliederung aller bisher inklusiv geführten Kinder in Volksschulklassen mit einem Klassenlehrer

Seit 11 Jahren habe ich das große Glück, im ZIS Hernalser Hauptstraße unterrichten zu dürfen. Die enge Zusammenarbeit im Team mit meiner Sonderschulkollegin und den Menschen verschiedenster Berufssparten kommt den Bedürfnissen aller Kinder unserer Schule entgegen und macht für mich den Lehrberuf besonders spannend.

In unserem großen Haus ziehen viele bestausgebildete Personen an einem Strang: Direktion, Lehrpersonal, SozialpädagogInnen, TherapeutInnen und viele mehr - zum Wohle all unserer Kinder.

 

Ein Schwerpunkt unserer Schule ist es, JEDEM KIND zu ermöglichen, die größtmögliche Selbständigkeit und Kompetenzen zu erlangen, die auch in Hinsicht auf sein später zu führendes Leben von Belang sind.

 

Dies geschieht einerseits in unseren Integrationsklassen, andererseits in eigens dafür konzipierten Kleingruppen, abgestimmt auf die Bedürfnisse des jeweiligen Kindes.

Der in diesen Gruppen stattfindende Unterricht ist speziell auf die Bedürfnisse von beeinträchtigten Kindern zugeschnitten und beinhaltet zumeist in hohem Maße vom Regelunterricht  abweichende Fördermaßnahmen wie lebenspraktische Übungen uvm. Diese Förderung kann auch in einem perfekt differenziert gestalteten Unterricht einer Integrationsklasse nicht geboten werden.

 

Zudem sind viele in verschiedenster Form beeinträchtigte Kinder mit dem Ordnungsrahmen und der SchülerInnenanzahl eines Regelklassenverbandes schlichtweg überfordert. Ihre Reaktionen auf diese Situation sind naturgemäß unterschiedlich: Manche Kinder stören den Unterricht um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, oder sie agieren aggressiv und gefährden sich und ihre MitschülerInnen. Andere wiederum ziehen sich zurück, zumeist sind es diese Kinder, die durch ihr nicht Auffallen auf der Strecke bleiben.

Eine Auflösung von speziellen Kleinklassen deckt somit keinesfalls die Bedürfnisse dieser schulpflichtigen Kinder ab, sondern dient nur der kostengünstigeren Unterbringung (Aufbewahrung) derselben.

 

In diesem Zusammenhang bereiten mir auch die geplante Abschaffung der KlassenschülerInnenhöchstzahl sowie der Einsatz von pädagogischen AssistentInnen an Stelle von ausgebildeten SonderschullehrerInnen große Sorgen. Damit Bildung und Integration/Inklusion gelingen kann, braucht es „passende Rahmenbedingungen und die besten PädagogInnen“ – zumindest war dies lange Zeit ein Leitspruch – gilt dies nun nicht mehr?

Betr.: Mit dem Zeitpunkt der Errichtung des Schulclusters endet an den Schulen im Schulcluster die Funktion der Direktorin oder des Direktors; diese Funktion ist nicht nachzubesetzen; § 26b Abs. 5 und 7 ist anzuwenden.

LehrerInnen, Eltern, SchülerInnen, TherapeutInnen,... - wir alle schätzen es sehr, in unserer Direktorin eine Ansprechpartnerin vor Ort zu haben. Durch den täglichen Kontakt mit all diesen Berufsgruppen, SchülerInnen usw. kennt man sich und weiß um allfällige Probleme Bescheid. Menschen haben hier ein Gesicht und nicht nur eine Nummer, die es zu verwalten gilt.

Sehr bedenklich finde ich es auch, dass in Hinkunft ein Jurist über die Zuerkennung eines sonderpädagogischen Förderbedarfes befinden soll. Diese heikle Aufgabe gehört in die Hände von Experten, und das sind meiner Meinung nach: SchulpsychologInnen, SonderpädagogInnen und ÄrztInnen.

 

 

Ich appelliere hiermit für den Erhalt dieses bereits seit vielen Jahren bestehenden und hervorragend funktionierenden Systems! Eine flächendeckende Zwangs-Inklusion aller Kinder ohne Rücksicht auf deren besondere Bedürfnisse kann wohl nicht im Interesse eines Bildungsministeriums liegen!

 

 

 

Mit der Bitte, sich in den ZIS–Schulen (gerne auch in unserer!) vor Ort persönlich ein Bild zu machen und Ihre Erkenntnisse in die neue Bildungsreform einfließen zu lassen, verbleibe ich

 

mit freundlichen Grüßen

 

 

 

Angelika Watzl, VS - Dipl. Päd.

 

 

Dieses Schreiben ergeht an:

begutachtung@bmb.gv.at

begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

Einer Veröffentlichung stimme ich ausdrücklich zu.