Sehr geehrte Damen und Herren,

die hier im Entwurf vorliegende und in Begutachtung befindende Bildungsreform 2017 lässt für die Personen, die die Auswirkungen dieses Gesetzes tragen sollen, die angegebenen Ziele in keiner Weise erkennen.

Es weist in den einzelnen Punkten eine reine strukturelle Reform zu Gunsten der Kostenneutralität, bzw. Kosteneinsparung auf.

Jenen Personen, die diese Ideen zu Papier gebracht haben, fehlt scheinbar jeglicher Bezug zu der tatsächlichen Situation und Bedarfsnotwendigkeit in unseren Schulen.

Nicht nur die Vorhaben in den Bereichen Klassen- und Gruppengrößen, Clusterbildung / BereichsleiterInnen, Personaleinsatz und –auswahl, Schulpartnerschaft und Schul- und Unterrichtszeiten, sondern besonders der Bereich der Sonderpädagogik und die Abschaffung des §27a SchOG lässt alle Betroffenen dies erkennen.

Scheinbar ist die Idee „Investition in die Bildung ist Investition in die Zukunft unseres Landes“ kein Thema mehr. Wir, die Pädagoginnen, sind entsetzt über diese Entwicklung, die die Schwächsten in diesem System, die Kinder = zukünftige Gesellschaft dieses Landes, treffen wird.

Ich selbst bin eine Volksschullehrerin im 36. Dienstjahr und habe in diesen Jahren beobachtet, dass die Kinder immer weniger gefördert und vorbereitet in die Grundschulen unseres Systems eintreten. Dies ist ein gesellschaftliches Problem, das daraus resultiert, dass neben dem an vielen Standorten vorliegenden Problem der Fremdsprachigkeit, besonders die zu geringe Information der Eltern vorliegt, wie Kinder im Kleinkindalter spielerisch im täglichen Familienverband betreut und gefördert werden sollen. Es wird sich nicht mehr mit den Kindern beschäftigt, sondern diese werden mit digitalen Medien beschäftigt und ruhiggestellt.

Auch die Betreuung und Vorbereitung im verpflichteten Kindergarten kommt nur spärlich an, da immer wieder in unseren Klassen Kinder sitzen, denen wesentliche basale Förderung fehlt. Dies geschieht einerseits, weil der große Förderbedarf aus dem Kleinkindalter nicht mehr aufholbar ist, andererseits weil immer wieder Kinder, bzw. deren Eltern sich aus der Verpflichtung eines regelmäßigen Besuchs entziehen.

Aber scheinbar ist es sehr wichtig für das Ministerium, dass unsere Kinder von den ersten Wochen ihrer Schullaufbahn an getestet und überprüft werden. Wenn die Ergebnisse nicht entsprechen, dann sind wir Pädagoginnen gefordert „zaubern“ zu können, obwohl es wissenschaftlich bewiesen ist, dass die richtige Förderung im Kleinkindalter die notwendige Basis für unsere Arbeit ist. Das Geld, das für die Kosten dieser Testungen ausgegeben wird, würden wir lieber in die Fördermaßnahmen unserer Bildung investiert sehen!

Ich fordere Sie auf Ihre Sichtweise der realistischen Situation anzupassen und Eltern, die ein Kind erwarten, verpflichtend zu informieren, welche Betreuung und Förderung im Kleinst- und Kleinkindalter nötig sind, damit ihr Kind im Bildungssystem gute Chancen hat.

Ich fordere Sie auf, sich mit Pädagogen aus der Praxis zusammenzusetzen, um sämtliche Punkte dieser Bildungsreform nochmals zu überarbeiten.

Ich fordere Sie auf sich an möglichst vielen Schulstandorten über die realistische Situation der pädagogischen Arbeit zu informieren.

Sollte die Bildungsreform 2017 in der derzeitigen Form umgesetzt werden, wird der österreichische Staat sich damit abfinden müssen, dass er für die zukünftige österreichische Gesellschaft enorme Kosten für die Folgen der Verschlechterung der österreichischen pädagogischen Bildung unserer Kinder zu tragen hat. Kinder, die keine adäquate Förderung mehr erhalten können und dadurch auf ihre besonderen Bedürfnisse nicht mehr – oder nur sehr schlecht eingegangen werden kann. Dadurch wächst uns eine Gesellschaft heran, die mit vielfältigen Defiziten, denen nicht mehr entgegengearbeitet werden kann.

Mit der Bitte um Berücksichtigung der Bedenken in dieser Stellungnahme,

Gerlinde Soyka.

 

Mit der Veröffentlichung meiner Stellungnahme erkläre ich mich ausdrücklich einverstanden!