Sehr geehrte Damen und Herren!

Da ich seit 43 Jahren in Wien im Schuldienst arbeite und damit  Einblick in unterschiedlichen Bereichen gewonnen habe, möchte ich zum vorliegenden Gesetzesentwurf Stellung nehmen:

Grundsätzlich stehe ich einer Gesellschaft, die eine inklusive Haltung lebt sehr positiv gegenüber.  Ich bin auch der Überzeugung, dass es da in unserem Land noch viel Handlungsbedarf gibt. Daher befürworte ich Anstrengungen, die dieses Ziel im Fokus haben. Einen Umbruch allerdings in dieser Form in der Schule zu vollziehen, ohne gesamtgesellschaftliche Maßnahmen und Entwicklungen als Voraussetzungen zu schaffen, halte ich als ein: „das Pferd von hinten aufzuzäumen“ und daher wenig zielführend. Jedes Schulsystem ist ein Spiegel der Gesellschaft, den Spiegel zu „behübschen“ , zu „frisieren“, zu manipulieren kann nicht zum gewünschten Ziel führen, auch ein Verleugnen desselben macht nicht Sinn.

Befremdlich erlebe  ich jene  Darstellung, die uns suggeriert, dass diese gesetzlichen Veränderungen ein Autonomiepaket  darstellen und somit–da Autonomie grundsätzlich positiv bewertet wird- zum Wohl unserer Schüler/innen und Lehrer/innen diene.

Ich nehme da Bezug auf: Z 29 (II. Hauptstück Teil A Z 3 lit. c, § 27a – Zentrum für Inklusiv- und Sonderpädagogik)

Einige Bereiche des Gesetzesentwurfes möchte ich herausstreichen, die ich für nicht praxistauglich halte im Sinne von:

·        Kindern und Jugendlichen die bestmöglichsten Entwicklungsförderungen zukommen zu lassen und

·        Strukturen zu verschlanken um effizienter und kostengünstiger arbeiten zu können

Zuteilungen zentralisieren über eine/n Bildungsdirektor/in:

Derzeit werden die Zuteilungen regional vorgenommen wodurch eine punktgenaue Ressourcenvergabe möglich ist (über Mitarbeiter/innen der ZISen). Die Bedürfnisse der Schüler/innen werden genau ausgelotet werden und entsprechende Möglichkeiten für den jeweiligen Einzelfall entwickelt. An diesem Prozess arbeiten mehrere Personen zusammen.

In einer Stadt wie Wien ist eine derartige Arbeit von einem Bildungsdirektor in dieser Form und Qualität nicht möglich. Die Sorge besteht, dass Lehrer/innen weniger Unterstützung bekommen, Bedarfsklärung so kaum möglich sein wird  und auf diese Weise Kinder und Jugendliche auf der Strecke bleiben.

Auflösung der ZISen:

Durch eine Auflösung der ZISen würden nicht nur die oben genannten Clearing-und Zuteilungstätigkeiten wegfallen sonder auch die intensive Arbeit mit jungen Menschen mit massiven Einschränkungen und jenen Voraussetzungen, die ein individuelles Zugehen benötigen.

Im Bereich der sozial und emotional beeinträchtigten Schüler/innen würde ein europaweit einzigartiges Vernetzungssystem innerhalb des Schulsystems zerschlagen werden, das in den letzten 30 Jahren aufgebaut wurde und sich in Zusammenarbeit mit diversen Institutionen wie Amt für Jugend und Familie, Wohngemeinschaften, Kliniken, Therapieeinrichtungen, Kinder und Jugendanwaltschaft ect.  zu einer multiprofessionellen Plattform entwickelt hat, deren Anliegen die Entwicklungsförderung von jungen Menschen darstellt. Speziell Gewaltprävention und Umgang mit Gewalt sind Themen denen sich die Schule stellt wodurch ein wesentlicher Beitrag zur Sicherheit in der Bundeshauptstadt geleistet wird.

In Wien (und nur hier habe ich genügend Einblick) trägt das vielfältige Schulangebot dazu bei, dass alle Schüler/innen beschult werden, womit im Sinne der Menschenrechtskonvention gehandelt wird.

Wenn wir uns zur Diversität bekennen, so sollten wir eine Vielzahl an Angebote bereitstellen, die die Ressourcen der Schüler/innen ausloten, diese verstärken um so Defizite zu verringern.

Daher ersuche ich den§27a beizubehalten.

Bildung von Clustern:

Unter den derzeitigen Gegebenheiten (1Schulleiter ist für eine Schule verantwortlich) ist die Bewältigung der Leitungsfunktion, also pädagogische und administrative Aufgaben zu erfüllen, eine nahezu unbewältigbare Herausforderung, da sich die administrativen Vorgaben vervielfacht haben. Das bedeutet, dass immer wieder die pädagogischen Notwendigkeiten zugunsten administrativer Vorgaben hintangestellt werden müssen. Eine administrative Kraft würde da Abhilfe schaffen!

Nun wird eine Zukunftsvision gezeichnet, die einer Schulleitung 2 bis 8 Schulen unterstellt mit der Einrichtung eines Sekretariats. Auch wenn nun alle Administration dorthin ausgelagert wird, müsste die Clusterleitung ihrer pädagogischen Leitungsfunktion gerecht werden. Ich selber habe derzeit 48 Lehrer/innen im Stand, 2 Schulen würde bereits 90 bis 100 Lehrer/innen bedeuten, 8 Schulen 300 oder mehr. Wie sollte da eine gute Begleitung der Kollegenschaft, Wahrung der Unterrichtsqualität, Förderung der Schulqualitätsentwicklung, Krisenmanagement und vieles mehr bewältigbar sein?

Schülerhöchstzahl aufheben:

In einem Ballungsraum wie Wien, in dem in den meisten Klassen die Schülerhöchstzahl Realität ist, kann eine derartige Maßnahme nicht als Fortschritt im Sinne von Autonomie verstanden werden, das wird als Zynismus wahrgenommen.

 

Ich ersuche Sie diese Bedenken im  weiteren Entscheidungsprozess zu berücksichtigen.

Ulrike Ressel MSc