Sehr geehrte Damen und Herren,

 

als Mutter und Mitglied des Elternvereins des ZIS Zinckgasse, 1150 Wien nehme ich Stellung zur geplanten Schulreform.

 

Im ZIS Zinckgasse werden VolksschülerInnen und NMS-Kinder mit und ohne Sehbehinderung, und mit und ohne anderen besonderen Bedürfnissen unterrichtet.

 

Das ZIS Zinckgasse ist eine Schule, die für Kinder ein vielfältiges Angebot zur Verfügung stellt: es gibt ein tolles Angebot an unterschiedlichen Klassen, die verschiedene Bedürfnisse der Kinder abdecken: es gibt neben integrativen Klassen für Sehbehinderung, eine Klasse für Hörbehinderung mit Gebärdensprache, eine Klasse für Kinder, die nach ASO-Lehrplan unterrichtet werden, eine Familienklasse, für Kinder, die in einer Kleingruppe unterrichtet werden, ...

Oft war es schwer für die Kinder und die Eltern ein adequates schulisches Angebot zu finden, bevor sie unsere Schule gefunden hatten. Es ist immer schwer für Kinder die richtige Schulform zu finden bzw.  die richtigen Ansprechpersonen, mit den relevanten Informationen.

Besonders Eltern und Kinder mit Schwierigkeiten in der Schule sind stark verunsichert, da nach meinem Wissensstand, im Entwurfspapier der neuen Schulreform weder ZIS noch Sonderschule vorkommen:

 

1      Fortbestand von ZIS und Sonderschule?

Laut der mir vorliegenen Informationen, scheinen Zentren für Inklusion und Sonderpädagogik (ZIS), oder Sonderschulen  im Entwurf zur Schulreform nicht auf.

Stimmt es, dass sich aktuell ZIS und Sonderschule auf folgenden Art unterscheiden:

·         Der Zuständigkeitsbereich von ZIS umfasst Feststellung und Bewilligung von Sonderpädagogischem Sonderbedarf für SchulerInnen, die Zuteilung von Fördermaterial und Lehrmaterial für besondere Bedürfnnisse (Brailleschreibmaschine, Lesegerät, ... zB für Sehbehinderung) und die Admnistration der mobilen Lehrkräfte.

·         Die Sonderschule ist die Institution, in der Kinder mit besondern Bedürfnissen beschult werden und wo bereits heute sehr flexible und kindzentrierte Bildungsangebote möglich sind. An einigen Schulstandorten ist Sonderschule und ZIS zur Zeit vereint.

 

1.1     Stellung der Bildungsdirektion bezüglich ZIS?

Stimmt es, dass  alle administrativen Belange von Kindern mit besonderen Bedürfnissen in Zukunft in der Bildungsdirektion abgedeckt werden? Das wäre unter folgenden Voraussetzungen begrüßenswert. 

Vor allem für Kinder mit besonderen Bedürfnissen und deren Eltern ist es sehr wichtig, dass es kurze und niederschwellige Kommunikationswege aller Beteiligten gibt. Oft ist der Weg ein sehr anstrengender und mühsamer, bis die richtige Beschulung für Kinder mit besonderen Bedürfnissen gefunden wird und die familiäre Situation dieser Kinder und ihrer Familien ist sehr angespannt und schwierig. Wenn nun die neu geschaffene Bildungsdirektion als zentrale Anlaufstelle für alle verschiedenen Bedürfnisse bei Lernschwierigkeiten und Beschulungsschwierigkeiten dient und kompetent und stringent strukturiert ist, wird den Eltern ein oftmals mühseliges Suchen nach der richtigen Ansprechstelle erleichtert. Und das wäre stark zu begrüßen, denn zur Zeit wird diese Aufgabe nur ansatzweise von der aktuellen Stelle im Stadtschulrat wahrgenommen: Es wird zur Zeit nicht über alle verschiedenen Beschulungsmöglichkeiten für Kinder mit Schwierigkeiten beraten. Bsp: bilinguale Gebärdensprachklasse in Zinckgasse, die bei Informationsanfragen nicht genannt wurde; Bsp: Eltern mussen in private Einrichtungen ausweichen, weil Kind nicht schnell genug im Lehrplan vorankommt).

Diese Bildungsdirektion bräuchte eine sehr gute Anlaufstelle und eine große Anzahl an gut geschulten Personen, an die sich die meist stark verunsicherten Familien unkompliziert wenden können. Es sollen die Kinder und Eltern gestärkt werden und bei der Schulwahl und der Wahl der Unterrichtsform kompetent und einfühlsam begleitet werden damit die weitere Schullaufbahn von Kindern mit besonderen Bedürfnissen positiv besetzt ist.

1.2     Wahlmöglichkeit Sonderschule, integrative Beschulung in Pflichtschule

Besteht weiterhin die Wahlmöglichkeit zwischen der Beschulung in einer entsprechenden Sonderschule und der integrativen Beschulung in Pflichtschulen?

 

Schülerinnen/Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf können entweder eine der Behinderung entsprechende Sonderschule besuchen oder integrativ in der Volksschule, der Neuen Mittelschule (NMS) oder der Unterstufe einer allgemein bildenden höheren Schule unterrichtet werden. Die Eltern haben das Recht, sich für eine der beiden Organisationsformen zu entscheiden. Die Kinder bzw. Jugendlichen werden entweder nach Sonderschullehrplänen oder nach adaptierten Lehrplänen der Volksschule oder Neue Mittelschule (NMS) unterrichtet. (-> siehe https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/123/Seite.1230300.html)

 

Diese Wahlmöglichkeit soll aus kompetenzfördernen, finanziellen und sozialen Günden auf jeden Fall bestehen bleiben!

·         An einer Sonderschule wird die Kompetenz der LeherInnen gebündelt, weiterentwickelt und informeller Austausch (pädagogischer Mehrwert!) ist jederzeit möglich.

·         Sollten zB die sehbehinderten Kinder, die zur Zeit in der Zinckgasse (ca. 1-3 sehbehinderte Kinder/Klasse) integrativ beschult werden, auf die Pflichtschulen ihrer Wohnbezirke verteilt werden, müssten wahrscheinlich dreimal so viele Lehrernden als bislang eine Zusatzkompetenz für den Unterricht mit Sehbehinderten haben. Neben der pädagogischen Fertigkeiten müssten dann auch verschiedenes Unterrichtsmaterial (Lupen und Lesegeräte für die Tafel, ...) an vielen Schulstandorten zur Verfügung stehen (-> finanzielle Komponente).

·         Die Schulklassen in der Zinckgasse sind integrativ geführt und das gemeinsame Lernen von sehbehinderten Kinder mit Kindern ohne Sehbehinderung gelebter Alltag. Der Mehrwert für die sehbehinderten Kinder ist allerdings, dass sie keine „Exoten“ innerhalb einer einer sonst ausschließlich gut sehenden SchülerInnengemeinschaft sind, sondern sie sich auch mit anderen Kindern mit ähnlichen (Seh)schwierigkeiten austauschen können. Dieser Austausch von Kindern mit ähnlichen Schwierigkeiten ist sehr wichtig; denn nur so wird die Integration einer Minderheit  zur gelebten Inklusion, die Minderheit der sehbehinderten Kinder stellt vor allem durch den Rückhalt und Austausch mit anderen sehbehinderten Kindern ein ebenbürdiges Gegenüber für die MehrheitsschülerInnenschaft ohne Behinderung dar (sozialer Mehrwert).

 

1.3     Was bedeutet die Auslassung von ZIS bzw Sonderschule im Reformentwurf für die pädagogische Differenzierung?

Die Auslassung von ZIS bzw Sonderschule in der Schulreform kann auf zweierlei Arten gelesen werden:

·         in einer negativen Lesart, dass die flexible und kindfreundliche Beschulung, die bereits heute in diesen Bildungseinrichtungen möglich ist, abgeschafft wird.

·         in einer positiven Lesart, dass diese Art der Beschulung dann ohnehin Standard sein soll und in allen Pflichtschuleinrichtungen stattfinden soll?  In ZIS und Sonderschule sind jetzt schon flexible Klassen- und Lehrmodelle möglich (Kleinstgruppe, Lehrplanwechsel, Adaptation der Lerninhalte und Lehrpläne nach Besonderheiten, ...) und dieses Modell ist bereits jetzt flexibel und geht auf die Kompetenzen und Einschränkungen der einzelnen SchülerInnen ein.

Wir hoffen unbedingt und vertrauen darauf, dass doch die „positive Lesart“ verwirklicht wird.

 

1.4     Auswirkung der in Aussicht gestellten Schulautonomie und des sich daraus erbegenden pädagogischen Schulprofils

Sollte die Lücke, die durch die Abschaffung von ZIS und Sonderschule zu entstehen droht, durch die Schulautonmie und dem selbst gewählten Schulprofil abgefedert werden?

Selbstverständlich begleitet die Aussicht auf Abschaffung der ZIS und Sonderschulen auch Sorge, dass die Kleinstgruppenbeschulung der Kinder mit emotionalen oder sozialen Schwierigkeiten, oder der Kinder mit Lernbehinderung nicht mehr gewährleistet sein wird. Wird dieser Sorge ausreichend durch die flexible Klassenschüleranzahl (Stichwort Aufhebung der Klassenschülerhöchstzahl) entgegengewirkt? Werden weiterhin Klassen möglich sein, um die Beschulung von Kindern, die in Kleinstgruppen arbeiten müssen, zu gewährleisten? Könnten diese Klassen dann eventuell sogar in jeder Pflichtschule bei Bedarf eingerichtet werden, und nicht nur  mehr spezialisierten Bildungseinrichtungen (die dem aktuellen Inspektionsbezirk 17 und 18 unterstellten Schulen) vorbehalten sein?

 

Kurz gefasst, wird das reichhaltige Angebot an Unterrichtsformen, wie es heute schon an unserem Schulstandort in der Wiener Zinckgasse praktiziert wird (siehe oben: Familienklasse für sozial emotional schwache Kinder, ASO Klasse für Lernschwache, intergrativer Unterricht für sehbehinderte Kinder, Mehrstufenklasse mit Unterricht nach Montessori Prinzipien, Mehrstufenklasse für hörbehinderte Kinder) dann in allen Schulstandorten möglich? Das wäre in unseren Augen eine sehr erstrebenswerte schulische Zukunft!

Oder wird diese differenzierte Möglichkeit der Unterrichtsgestaltung mit ZIS und Sonderschule „aus dem Programm genommen“?

 

2      Clusterbildung

Stimmt es, dass DirektorInnen an Wiener Pflichtschulen durch ClusterleiterInnen ersetzt, die bis zu 2500 SchülerInnen verwalten und disloziert tätig sind? Stimmt es, dass die dann ehemaligen DirektorInnen mit 3h/Woche Verwaltungsarbeit weiter am Standort bleiben, und die restliche Arbeitszeit in Klassen unterrichten sollen?

 

2.1     Cluster und Verwaltungsaufgaben

Sofern diese Clustergröße stimmt, und ClusterleiterInnen 2500 SchülerInnen und dann auch mehr als 200 LehrerInnen managen, ist ernsthaft zu bezweifeln, dass 3h Verwaltungsarbeit an einer Schule ausreichen. Schon jetzt ist der Verwaltungsaufwand in Schulen sehr hoch und kann in Pflichtschulen oft nur durch sehr geschickte Stundenzuweisungen einzelner KollegInnen bewältigt werden. Der administrative Aufwand in Schulen ist hoch und im Pflichtschulbereich nicht adequat berechnet. (Im Bereich der weiterführenden Schulen gibt es AdministratorInnen und SekretärInnen, beides Posten, die im Pflichtschulbereich leider fehlen!)

Die administrative Verwaltung und die pädagogische Leitung einer Schule, oder eines Clusters könnten getrennt werden, wobei für erstere Tätigkeit eine Person mit kaufmännischer oder wirtschaftlicher Ausbildung anbietet. Den Bereich der pädagogischen Leitung sollte eine ehemalige Lehrperson bekleiden.

Ist angedacht, dass im Verwaltungsbereich der Pflichtschule administrative Hilfskräfte eingesetzt werden?

 

2.2     Cluster und Kontakt und Austausch zwischen den Schulpartnern

Bei dieser Clustergröße ist zu befürchten, dass sich der persönliche Kontakt zwischen den Schulpartnern Eltern Schüler Lehrer und Direktion stark erschwert. Es ist doch hoffentlich nicht im Sinn, dass die bereits mögliche Nähe zwischen den Schulpartnern vergrößert wird? Das Gegenteil sollte der Fall sein: dass nämlich mit der Möglichkeit der Schulautonomie und des unabhängigen Schulprofils die Nähe und die Kommunikation zwischen den Schulpartnern verbessert und intensiviert werden.

Im „normalen“ Schulleben von Kindern und Eltern ist ein Gespräch mit der SchulleiterIn meist mit recht hohem Stressniveau verbunden. Meist drehen sich diese Gespräche um disziplinäre Vergehen oder handeln von Leistungsdefiziten. Betroffene Eltern, SchülerInnen, LehrerInnen und SchulleiterInnen klagen ihr Leid darüber. .. Um nun bei der Clusteridee anzuknüpfen; wo es eine Clusterleitung für viele Schulen bzw noch mehr SchülerInnen geben soll, ergeben sich folgende Überlegungen.

·         Wie soll die Clusterleitung aus der Distanz die Situation und Persönlichkeit der einzelnen SchülerInnen gut genug kennen, um Elterngespräche pädagogisch sinnvoll zu führen?

·         Die Hemmschwelle über eine schwierige Lern- oder Lebenssituation mit der Schulleitung zu sprechen ist bereits hoch; um wie viel höher ist sie erst, wenn das Gespräch in einer eventuell schulfremden Umgebung (zB in einer anderen Schule, oder in einem Bürohaus) stattfinden soll und man einer (schul)fremden Person (=Clusterleitung) gegenüber sitzt, der man Rechenschaft geben soll, oder sich beraten lassen soll über das sehr persönliche und meist belastende Thema des eigenen Nachwuchses.  

 

FAZIT: Für administrative Belange erscheint eine dislozierte Clusterleitung sinnvoll. Die administrative Clusterleitung sollte über eine kaufmännische oder wirtschaftliche Ausbildung verfügen. Zur Unterstützung im administrativen Bereich auf Schulebene und auf der Assitenzebene eignen sich HASCH oderHAK-AbsolventInnen wahrscheinlich besser als Personen, die mehrheiltlich pädagogische Erfahrungen haben. Im pädagogischen Bereich sollte die Leitung in der Schule verankert sein und  über adequate pädagogische Erfahrung verfügen.

 

2.3     Cluster im ländlichen, wenig besiedelten Gebiet

Schulcluster mit ClusterleiterInnen für adminstrative Belange erscheinen im ländlichen Gebiet, wo nur wenige Klassen pro Schule geöffnet sind und je nach Geburtenjahrgang variieren können, sinnvoller (aus der Sicht einer Person aus dem Ballungsraum Wien).

 

2.4     Clusterbildung vs Schulprofil

Ein Schulcluster, der aus mehreren Schulen besteht und nur durch eine Clusterleitung gemanagt und 3h Verwaltungsarbeit an den einzelnen Schulen administriert wird, kann schwerlich für jede Schule ein eigenes Schulprofil erstellen und umsetzen. Dies illustriert die o.a. Stellung zu Aufspaltung von administrativem disloziertem Cluster und lokaler pädagogischer Leitung.

Im städtischen Bereich, wo eine große Dichte an Schulen besteht, ist eine starke Differenzierung der  Schulprofile sinnvoll und erforderlich und deshalb ein Schulcluster nur schwer vorstellbar. 

 

3      Sonderpädagogischer Förderbedarf

Der sonderpädagogische Förderbedarf wird zur Zeit von LehrerInnen in Absprache mit SchulpsychologInnen beantragt und von einem LeiterInnengremium vergeben. Die Abwicklung kann sich über mehrere Monate ziehen. In Zukunft sollen ÄrztInnen und JuristInnen darüber befinden.

Es sind uns zur Zeit keine weiteren Informationen und Erläuterungen bekannt, warum es zu dieser Änderung kommen soll und welche Zielsetzung dahinter steckt. Insofern bin ich zum gegenenen Zeitpunkt zu keiner differenzierten Stellungnahme imstande.

Wohl aber möchte ich darauf verweisen, dass die Grundlage des Lernerfolges im Verhältnis der Lernenden zu den Lehrenden beruht. Das heißt, dass die Beantragung eines SPF unter keinen Umständen auf die Meinung der Lehrperson verzichten kann. Auch ist die Beratung durch eine schulbekannte weitere Person (Psychogogin, Psychologin, Schulleitung, .. nicht nur sinnvoll, sondern notwendig!

 

Des weiteren stellen sich folgende Fragen:

·         Gibt es gesetzliche Grundlage um den Anspruch auf und das Ausmaß von individualisierter Förderung bei SPF zu reglementieren?

·         Deckt die neue Pädagogische Ausbildung an der PH in der Bacchelor- und später in der Masterausbildung die notwendige Spezialisierung für die verschiedenen Sonderpädagogischen Fachrichtungen ab?

·         Was passiert mit den ambulanten Lehrkräften, die SPF Kinder im gesamten Landesgebiet betreuen. Werden diese Posten weiterhin bestehen, abgebaut oder ausgebaut? Die mobilie Unterstützung von Kindern mit SPF am jeweiligen Schulstandort ist notwendig und sinnvoll und sollte erweitert werden.

 

Mit freundlichem Gruß hoffen wir mit diesem Schreiben an der Schulentwicklung positiv mitwirken zu können!

 

Mag. Dorit Smolka

Obfrau des Elternvereins

ZIS Zinckgasse

Zentrum für Inklusion und Sonderpädagogik

Schule für sehbehinderte Kinder

 

Zinckgasse 12-16

1150 Wien