Stellungnahme zu Bildungsreformgesetz 2017 – Schulrecht (299/ME)

 

Sehr geehrte Frau Dr. Hammerschmied!

 

Bezugnehmend auf das Schulautonomiepaket, möchten wir insbesondere auf den Punkt „Inklusion“ eingehen.

 

In Ihrem Gesetzesentwurf fordern Sie die Auflösung der sonderpädagogischen Zentren, was fatale Auswirkungen auf den Schulalltag, jede einzelne Pädagogin oder Pädagogen, sowie alle Schülerinnen und Schüler mit und ohne besonderen Bedürfnissen, hat.

 

Die momentan existierende Obergrenze von maximal 25 Kindern pro Klasse ist bereits ein veraltetes Relikt, da sich unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten gewandelt hat und ein Senken der Schülerzahl auf  maximal 15 bis 20 Kinder pro Klasse je nach Schulstandort notwendig ist, um ein schülerorientiertes Arbeiten zu ermöglichen.

 

Die Anforderungen und Erwartungshaltungen an Pädagoginnen und Pädagogen haben sich  in den letzten Jahrzehnten vervielfacht.

Das Elternhaus gibt immer mehr an Erziehungsaufgaben an die Schulen ab, die Anzahl der Kinder mit nicht deutscher Erstsprache steigt immer mehr, die Kinder mit  Verhaltensauffälligkeiten nehmen zu. Auch die Problematik mit Schulverweigerern steigt.

 

So erfordern diese Kinder bereits einen erhöhten Ressourcenaufwand (Deutschkurse, Gespräche mit Jugendämtern, etc.) Hierbei fehlt jedoch der Lehrkraft oftmals die rechtliche Grundlage, damit ein Austausch mit Psychagogen und Jugendamt überhaupt effizient erfolgen kann. (Lehrkräfte haben einen Bildungs- und keinen Erziehungsauftrag). Aufgrund der Vielzahl an Kindern mit unterschiedlichem Migrationshintergrund und den damit verbundenen Bedürfnissen, reichen die bereits bestehenden Ressourcen an Brennpunktschulen bei weitem nicht aus.

 

Die grundsätzliche Aufgabe einer Lehrkraft- das Bilden und Unterrichten der Kinder- tritt immer mehr in den Hintergrund, da andere Bereiche zunehmend mehr Aufmerksamkeit, Einsatz und Engagement bedürfen, um ein produktives, effizientes und störungsfreies Arbeitsklima herzustellen, das allen Schülerinnen und Schülern gerecht wird.

 

So befindet sich die Pädagogin/ der Pädagoge in Brennpunktschulen in einem permanenten Spannungsfeld von orientierungslosen Kindern aus bildungsfernen Schichten, vielfältigen Sprachbarrieren und daraus resultierenden, verdeckten Lernbeeinträchtigungen.

 

Auf Grund dieser genannten Punkte ist es essentiell, dass parallel zum Schulwesen mit seinen Bildungsaufgaben, auch in der Familien- und Integrationspolitik der heutigen Gesellschaft entsprechend agiert wird. So können langfristig Veränderungen herbeigeführt werden, die indirekt auch unterstützend auf die Aufgaben der Lehrkräfte wirken und somit in weiterer Folge auch gezielter bei den Kindern ankommen.

Des Weiteren ist anzumerken, dass diese heterogenen Herausforderungen unvereinbar mit homogen gestalteten Bildungsstandardtests, PISA- Tests und dem Lehrplan sind. Neben einem differenziert gestalteten Unterricht erfordern daher  auch  die Österreich weiten Testungen einer Differenzierung.

 

Während Differenzierungsmaßnahmen (im Unterricht) für eine einzelne Lehrkraft sinnvoll, machbar und wichtig ist, würde eine Individualisierung eines jeden einzelnen Schülers/ Schülerin die Grenzen des Machbaren sprengen. Dennoch sind sie auf Grund der Vielzahl unterschiedlicher Bedürfnisse (wie oben erwähnt) notwendig. Zudem soll gesagt werden, dass Individualisierungen in anderen Berufsgruppen tatsächlich nur in Form einer eins-zu-eins- Betreuung stattfinden. (Bankengespräche, Personal Coachings, etc.)

 

Nebenbei soll angemerkt werden, dass Individualisierung (aber auch Differenzierung) seine Grenzen hat und nicht konsequent durchgeführt werden können, da unter anderem Schularbeiten für Regelschulkinder einheitlich gestaltet werden müssen.

 

Bildungseinrichtungen haben den Anspruch Kinder und Jugendliche auf das Leben vorzubereiten. In der Berufswelt findet sich in der Regel aber kaum ein individuell zugeschnittener Arbeitsplatz.

 

Dies soll nur einmal grob veranschaulichen, wie vielfältig der Arbeitsbereich einer Volksschullehrerin/ eines Volksschullehrers ist. Eine etwaige Aufgabenerweiterung durch das Schließen der SPZs und das Integrieren von ASO Kindern in Regelschulen, hätte fatale Auswirkungen auf Lehrkräfte und Kinder. Die erwähnten Anforderungen sind Aufgaben einer klassenführenden Lehrkraft. Auf Grund der oben erwähnten unterschiedlichen Aufgaben (Sprachkurse, Sprachförderkurse, Stützlehrkraft,  Psychagogin, etc.), die parallel während der Unterrichtszeiten stattfinden, besteht bereits jetzt in Schulen (keine moderne Komplexe, sondern alte Schulgebäude) ein eklatanter Platzmangel. Da ASO Kinder nicht nur nach einem anderen Lehrplan unterrichtet werden, sondern auch auf Grund ihrer Beeinträchtigungen gerade eine Betreuungsperson benötigen, stellt sich hier die Frage, wie das eine Lehrkraft alleine bewerkstelligen soll. Erweitert man jedoch die personellen Ressourcen, so ergibt sich das Problem von zu wenigen Gruppenräumen.

 

Abgesehen davon sind derzeit die wenigsten Pädagoginnen und Pädagogen im Volksschul- und im Mittelschulbereich sonderpädagogisch ausgebildet. Dies gilt nicht nur für den Unterricht selbst, sondern auch für die Abdeckung der medizinischen Betreuung (Therapien). Andererseits sind die Pädagoginnen und Pädagogen in vollem Umfang für die Kinder (und deren benötigte Pflege) verantwortlich.  Eine etwaige, erforderliche  Weiterbildung in diesem Bereich in Form von Seminaren, bietet nicht die selbe Qualität wie ein Vollzeitstudium im sonderpädagogischen Bereich an der Pädagogischen Hochschule.

 

Die Pädagogik ist ein sehr weites Feld, die für die momentan existierenden Ausbildungsbereiche (Volksschule, Mittelschule, Sonderschule- und auch Kindergarten) unterschiedliche Eignungen und Anforderungsprofile an zukünftige Pädagoginnen und Pädagogen stellen. So muss nicht unbedingt eine gute Volksschullehrkraft auch eine gute Sonderschullehrkraft und auch umgekehrt sein. (Dies gilt auch für alle anderen pädagogischen Bereiche.) Zudem soll gesagt werden, dass Kinder einen Anspruch auf qualifiziert ausgebildete Pädagogen haben.

 

Durch die derzeitige Situation in Schulen (wie oben beschrieben), sinkt das Leistungsniveau. Eine weitere Nivellierung nach unten und ein völliges Entgleiten der Kinder (Zurechtfinden am Arbeitsmarkt) sind durch eine weitere Einsparungsmaßnahme vorprogrammiert. Gerade Entscheidungen im Bildungsbereich haben langfristige Auswirkungen auf die nächste Generation. Bildung bedeutet Zukunft und dort gilt es nicht einzusparen.

 

Wir ersuchen um nochmaliges Überdenken und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

 

Marion Binggl und Nina Kaiser

 

Mit der Veröffentlichung der Stellungnahme auf der Parlamentshomepageerklären wir uns ausdrücklich einverstanden.

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