Stellungnahme des Bundesverbandes der

 

Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen Österreichs

 

 

 

 

zum Bundesgesetz,

mit dem das Außerstreitgesetz, die Jurisdiktionsnorm, das

Gerichtsgebührengesetz, das Sicherheitspolizeigesetz und das

Auslandsunterhaltsgesetz 2014 geändert sowie das Bundesgesetz vom 09. Juni 1988 zur Durchführung des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung aufgehoben werden (Kinder-RückführungsG 2017 – KindRückG 2017)

 

 

 

 

 

 

Maga. Maria Schwarz-Schlöglmann

Vorsitzende

 

 

 

 

Linz, 26.5.2017

Der Bundesverband der Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen Österreichs nimmt in offener Frist zum o.a. Gesetzesentwurf  wie folgt Stellung:

Die Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen Österreichs sind immer wieder mit gravierenden Fällen von Kindesentziehung konfrontiert.[1] In den meisten Sachverhalten geht es darum, dass gewalttätige Ehemänner im Zuge von Trennungs- und Scheidungsprozessen, nach denen das Sorgerecht bereits der Kindesmutter übertragen ist, sich der Kinder bemächtigen und diese zumeist in das Ausland verbringen, wo sie mitunter jahrelang bei Verwandten verborgen gehalten werden. Rückführungsbemühungen (vor allem aus dem EU-Ausland) erscheinen häufig aussichtslos. Viele Staaten vor allem in Afrika und Asien sind dem Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) nicht beigetreten, was zusätzlich Rückführungen erschwert bis verunmöglicht. Wenn auch statistisch mehr Frauen ausgewiesen sind, die mit ihren Kindern vor Gewalt ins Ausland bzw in ihr Herkunftsland flüchten[2], so ändert das nichts an der Tatsache, dass es hier sehr überwiegend um von Gewalt gegen Frauen geprägte Beziehungen geht, welche betroffene Kinder/Jugendliche oft hautnah und ungeschützt beobachten und erleben mussten.

 

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass die in diesen Fällen äußerst komplexen bürokratischen Abläufe die Bemühungen um Rückführung von Kindern und Jugendlichen die Kapazitäten der Gewaltschutzzentren/ Interventionsstellen überstiegen.

 

Grundsätzlich begrüßt der Bundesverband daher den vorliegenden Gesetzesentwurf, u.a. wegen des Bekenntnisses zur vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls und des Vorrangs- und Beschleunigungsgebots von Rückführungsanträgen und -verfahren.

Nach § 138 Abs 1 Z 8 ABGB ist „die Vermeidung der Gefahr für das Kind, rechtswidrig verbracht oder zurückgehalten zu werden oder sonst zu Schaden zu kommen“, ein Kriterium für das Kindeswohl. Nun gilt die gemeinsame Obsorge nach der Trennung der Eltern ganz generell als Regelfall. Bei der Scheidung muss aber vereinbart oder vom Gericht bestimmt werden, welcher Elternteil das Kind hauptsächlich betreuen soll, in wessen Haushalt es sein Zuhause hat. Dieser Elternteil hat dann nach der ausdrücklichen Anordnung des neuen § 162 Abs 2 ABGB „das alleinige Recht, den Wohnort des Kindes zu bestimmen“, was wohl auch bei einer Übersiedlung ins Ausland gelten sollte. Nach Verbringung von Kindern entspricht dem Kindeswohl grundlegend nur rasches Handeln im Sinne der Suche und Abklärung des Sachverhalts der nunmehrigen Aufenthaltsbestimmung. Eine mögliche Rückführung ist in diesem Zusammenhang allerdings unter Zugrundelegung des bisher anhängigen behördlichen und/ oder gerichtlichen Verlaufs allfälliger Gewaltschutz- und/ oder strafrechtlicher Maßnahmen, pflegschaftsrechtlicher Verfügungen usw nach strikter Maßgabe der Sicherung des Kindeswohls und damit verbundener Berücksichtigung des Willens des Kindes (des/der Jugendlichen) zu betrachten.

 

 

Im Sinne des Gesetzesentwurfs ist insbesondere die Möglichkeit, die Sicherheitsbehörden den Aufenthalt des Kindes erheben zu lassen, auch wenn kein Straftatbestand vorliegt (§ 111c Abs 2 AußStrG) zur rascheren und sachgerechten Erledigung geboten.

 

Psychosoziale Prozessbegleitung gemäß § 111a Abs 3  AußStrG

Bei Kindesentführungen handelt es sich um rechtlich sehr komplexe und emotional stark belastende Fälle, für welche die Möglichkeit der Inanspruchnahme von psychosozialer Prozessbegleitung bei Rückführungsanträgen in das Ausland (§ 111a Abs 3 AußStrG) unabdingbar ist. Oftmals sind die Opfer nicht informiert oder erfahren erst sehr spät, dass sie im Rahmen der psychosozialen Prozessbegleitung Unterstützung erhalten.

 

Beispiel: Dem Gewaltschutzzentrum OÖ ist etwa ein Fall bekannt, bei dem dank eines aufmerksamen Organs der öffentlichen Sicherheitsbehörde eine Kindesentführung an der Grenze zu Oberösterreich verhindert werden konnte. Nur über Umwege hat die betroffene Kindesmutter von der Möglichkeit der psychosozialen Prozessbegleitung erfahren.

 

Beispiel: Die Kinder von Frau A. sind 2012 entführt worden. Über drei Jahre dauerte es, bis die betroffene Kindesmutter erfährt, dass sie Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung hat.   

 

Deshalb halten wir es für wichtig, dass die betroffene Partei von Amts wegen gesichert über die Voraussetzungen der Prozessbegleitung informiert werden soll. Eine diesbezügliche Regelung im Gesetz erscheint unseres Erachtens unbedingt geboten.

 

Gütliche Einigung im Interesse des Kindeswohls § 111c Abs 5 AußStrG

Diese wird wohl in vielen Fällen von zerrütteten Beziehungen eine besondere Herausforderung darstellen und kann vielleicht unter Zugrundelegung der obersten Maxime Kindeswohl am ehesten bewerkstelligt werden. Damit darauf größtes Augenmerk gelegt wird, wird die obligatorische Bestellung eines Kinderbeistands gemäß § 104a AußStrG in solchen Pflegschaftsverfahren angeregt.

 

Recht zum persönlichen Kontakt des zurückgelassenen Elternteils § 111c Abs 6 bzw Kontaktrechtsregelungen Abs 7 AußStrG

Ein Kinderbeistand kann sich jedenfalls auch für Kontaktrechtsregelungen im Sinne des Kindes einbringen und dessen Willen zum Ausdruck bringen. Gerade hier gibt es oft eine große Anspannung, weil Kinder bei diesen Entscheidungen aufgrund belastender bis traumatisierender Erfahrungen innerlich in einen großen Konflikt geraten können.

 

In Fällen von vorangegangener Gewalt in der Beziehung des Vaters gegenüber der Mutter bzw gegenüber dem Kind/den Kindern scheint es allerdings geboten, darauf auch besonderes Augenmerk zu legen, ob überhaupt noch eine Basis für eine tragfähige und förderliche Kontaktregelung vorhanden ist. Hier wäre naheliegender zu prüfen, ob dem Kindeswohl nicht eher ein Aussetzen von Kontakten bzw. allenfalls begleitete Kontakte entsprechen würden, sofern sich das Kind dafür ausspricht.

 



[1]Beispiele (die z.T. bis heute nicht gelöst sind) in einem Vortrag von DSA Mag.a Maria Schwarz-Schlöglmann beim  Internationalen Netzwerktreffen der deutschsprachigen Interventionsstellen und -projekte am 6. Juni 2011 in Landau/Deutschland „Kindesentziehung ins Ausland – Vorkommen, Rechtslage, Intervention“

http://www.gewaltschutzzentrum.at/ooe/down/taetigkeitsbericht2011.pdf.

[2] Anfragebeantwortung „Kindesentführungen in Österreich von 2012 bis 2014“ https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_04981/imfname_444063.pdf.