Betrifft:  Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Strafprozessordnung 1975

               und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden -

               Stellungnahme im Begutachtungsverfahren

 

 

 

An das

 

Präsidium des Nationalrates

 

 

in Wien

 

 

zu 325/ME (XXV. GP)

 

 

              Die Oberstaatsanwaltschaft Wien beehrt sich, zum oben genannten Gesetzesentwurf die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Eisenstadt zu übermitteln und nachstehende Stellungnahme zu erstatten:

              Die mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2017 geplanten Neuerungen und gesetzlichen Klarstellungen, bei denen es sich im Wesentlichen um

·          die vereinfachte Zulässigkeit der Beschlagnahme von Briefen,

·          die Ermöglichung der Überwachung verschlüsselter Nachrichten und

·          die Angleichung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der rein akustischen Überwachung von Personen in Fahrzeugen an jene der Überwachung von Nachrichten gemäß § 135 Abs 3 StPO, sowie um

·          die ausdrückliche gesetzliche Verankerung des bislang teleologisch in den Anwendungsbereich von § 134 Z 2 StPO fallenden Einsatzes des IMSI-Catchers und

·          die Klarstellung handelt, dass es sich auch beim PUK-Code um ein der Herausgabepflicht gemäß § 76a Abs 1 StPO unterliegendes Datum handelt,

werden von der Oberstaatsanwaltschaft Wien im Hinblick auf die in der täglichen Strafrechtspraxis dringend erforderlichen zeitgemäßen Ermittlungsmethoden und der Schließung der durch den technischen Fortschritt (weit verbreitete Nutzung von internetbasierten Nachrichtendiensten anstelle herkömmlicher Telekommunikation) bereits entstandenen Lücke in der faktischen Möglichkeit der Kommunikationsüberwachung ausdrücklich begrüßt und befürwortet. Die geplanten Maßnahmen und Klarstellungen erweisen sich zur Aufrechterhaltung der bislang hohen Ermittlungsqualität in Strafsachen und mit Blick auf die Verpflichtung des demokratischen Rechtsstaates, den Strafverfolgungsbehörden jene Instrumente in die Hand zu geben, die in Zeiten des technischen Wandels und des Auftretens neuer Kriminalitätsformen zum Schutz der Bevölkerung und der Aufklärung von Straftaten notwendig sind, als unerlässlich, wenngleich der Oberstaatsanwaltschaft Wien die besondere Sensibilität des Regelungsbereiches selbstverständlich bewusst ist.

Die vereinfachte Zulässigkeit der Beschlagnahme von Briefen ist aus Sicht der Praxis notwendig, um adäquat auf das immer stärker auftretende Phänomen des Verkaufes verbotener Gegenstände (wie Waffen, Suchtgift oder gefälschter Dokumente) über das Internet - insbesondere über das Darknet - und der Lieferung dieser Gegenstände an den Besteller im Postweg durch das „Abfangen“ der verdächtigen Postsendung reagieren zu können, ohne dass sich der Empfänger der Sendung - wie nach der geltenden Rechtslage - in Haft befinden oder zur Festnahme vorgesehen sein muss. Durch Entfall des Hafterfordernisses kann diese Maßnahme auch wesentlich grundrechtsschonender eingesetzt werden, zumal jene Haftfälle vermieden werden, in denen sich die Postsendungen trotz massiven Tatverdachtes nach dem „Abfangen“ als harmlos herausstellen.

Die vorgeschlagene Überwachung verschlüsselter Nachrichten stellt einen essentiellen Einstieg in den Schluss jener - im Grunde lediglich technischen - Lücke im Bereich der Kommunikationsüberwachung dar, die erst durch die vermehrte Nutzung internetbasierter Nachrichtendienste entstanden ist. Bereits nach dem Wortlaut und der Intention des derzeit in Geltung stehenden Gesetzes ist die Überwachung verschlüsselter Nachrichten vom Anwendungsbereich der Überwachung von Nachrichten gemäß § 134 Z 3 StPO umfasst. Zufolge der bereits vor der Übertragung der Nachricht einsetzenden Verschlüsselung derselben durch den internetbasierten Nachrichtendienst scheitert jedoch die herkömmliche Überwachung („Abfangen“) der verschlüsselten Nachricht auf dem Übertragungsweg nicht an rechtlichen sondern an rein technischen Umständen. Der durch den vorliegenden Entwurf angestrebte Lückenschluss durch Ermöglichung der Einbringung einer Software, die das „Abfangen“ der Nachricht vor der Verschlüsselung ermöglicht, erweist sich - nach dem derzeitigen Stand der Technik - als alternativlos. Der dem Schutz der Bürger verpflichtete Rechtsstaat kann nicht in Kauf nehmen, dass die Aufklärung schwerer Straftaten, die entweder unmittelbar über elektronische Kanäle begangen werden oder deren Begehung stark mit der Nutzung von Telekommunikationsmitteln einhergeht (wie etwa im Bereich organisierter, grenzüberschreitender extremistischer und terroristischer Kriminalität bzw von Cyberkriminalität, Suchtgifthandel, Schlepperei und der Verbreitung von Kinderpornographie) durch die Nichtanpassung der den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stehenden Ermittlungsmethoden an geänderte technologische Verhältnisse wesentlich erschwert und damit ein nahezu vor Strafverfolgung geschützter krimineller Bereich geschaffen wird. Überdacht werden könnte lediglich die im Entwurf in § 135a Abs 3 StPO vorgesehene, gegenüber der „herkömmlichen“ Überwachung von Nachrichten gemäß § 135 Abs 3 StPO deutlich höher angesetzte Zulässigkeitshürde (Aufklärung einer Straftat, die der Zuständigkeit des Landesgerichtes als Schöffen- oder Geschworenengericht unterliegt), die einen vollständigen Lückenschluss hindert.

Auch bei der Angleichung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der rein akustischen Überwachung von Personen in Fahrzeugen an jene der Überwachung von Nachrichten gemäß § 135 Abs 3 StPO handelt es sich um einen notwendigen Lückenschluss. In der Praxis kann bei der Überwachung von Nachrichten vermehrt festgestellt werden, dass sich die Beschuldigten zur weiteren und näheren Erörterung ihres kriminellen Vorhabens zu einer persönlichen Besprechung in einem Fahrzeug verabreden. Bislang sind diese für die Aufklärung oder Verhinderung einer Straftat maßgeblichen Gespräche einer Überwachung entzogen, wenn im Einzelfall zwar die Voraussetzungen für eine Überwachung von Nachrichten gemäß § 135 Abs 3 StPO, nicht jedoch jene - wesentlich strengeren - für eine optische- und akustische Überwachung von Personen gemäß § 136 Abs 1 Z 3 StPO vorliegen, auch wenn im Einzelfall eine rein akustische Überwachung im eng begrenzten Bereich eines bestimmten Fahrzeuges zweck- und verhältnismäßig ist. Durch die Angleichung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der rein akustischen Überwachung in Fahrzeugen an die der Überwachung von Nachrichten kann auch die in diesem Bereich bestehende Maßnahmenlücke geschlossen werden, was wiederum eine effektive Strafverfolgung gewährleistet.

Die ausdrückliche gesetzliche Verankerung des bislang teleologisch in den Anwendungsbereich von § 134 Z 2 StPO fallenden Einsatzes des IMSI-Catchers und die namentliche Erwähnung des PUK-Codes in § 76a Abs 1 StPO werden aus Sicht der Praxis als legistische Klarstellungen ausdrücklich begrüßt, um allfälligen Unsicherheiten bei der täglichen Rechtsanwendung vorzubeugen.

 

Oberstaatsanwaltschaft Wien

Mag. Eva MAREK, Leitende Oberstaatsanwältin

Wien, am 21. August 2017


Elektronische Ausfertigung
gemäß § 79 GOG