1/SPET XXV. GP

Eingebracht am 01.04.2014
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Stellungnahme zu Petition

 

 

 

 

 

Arbeitsrecht und Zentral-Arbeitsinspektorat
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AUSKUNFT

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GZ: BMASK-460.002/0016-VII/B/8/2014

 

 

Wien, 31.03.2014

 

Betreff:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen: Petition Nr. 1 betreffend „Österreich braucht ein Anti-Mobbing-Gesetz“ – Stellungnahme des BMASK

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz nimmt zur Petition Nr. 1I betreffend „Österreich braucht ein Anti-Mobbing-Gesetz“ Stellung wie folgt:

1.      Geltende Rechtslage:

Zwar gibt es in Österreich bislang keine ausdrückliche Norm bzw. Anspruchsgrundlage bei Mobbing, das macht Mobbingbetroffene aber keineswegs recht- oder schutzlos. Vielmehrkennt schon das geltende Arbeits- und Gleichbehandlungsrecht eine Reihe von wirksamen Abhilfemöglichkeiten gegen Mobbing in der Arbeitswelt.


Im Folgenden wird aus arbeitsrechtlicher Sicht das Begriffsverständnis entsprechend der OGH-Judikatur zu Grunde gelegt. So handelt es sich bei Mobbing um eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kolleg/inn/en oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet (zuletzt OGH vom 26.11.2012, 9 Ob A 131/11x, ZAS 2013/46). Typisch und entscheidend für die arbeitsrechtlich relevante Definition von Mobbing ist das systematische, ausgrenzende und prozesshafte Geschehen über einen längeren Zeitraum.

Dass bei Mobbing im Arbeitsverhältnis eine Berufung auf die Fürsorgepflicht gemäß § 1157 ABGB bzw. § 18 AngG angezeigt ist, bestätigen auch mehrere Urteile des OGH, wie z.B. 8 ObA 3/04: „Es gebietet schon die allgemeine Fürsorgepflicht dem Arbeitgeber, dafür zu sorgen, dass die Persönlichkeitssphäre der in seinen Betrieb eingegliederten Arbeitnehmer nicht durch unsachliche Belästigungen durch andere Arbeitnehmer beeinträchtigt wird (vgl dazu Smutny/Hopf, Mobbing - auf dem Weg zum Rechtsbegriff? DRdA 2003, 110 ff mwN insbes. FN 90; ähnlich aber auch Krejci in Rummel ABGB3 § 1157 Rz 4; Pfeil in Schwimann ABGB3 § 1157 Rz 11 ff; vgl allgemein zur Freiheit, seiner sexuellen Orientierung entsprechend zu leben OGH SZ 69/209)“, oder zuletzt  9 Ob A 131/11x: „Die Fürsorgepflicht (§ 1157 ABGB; § 18 AngG) verpflichtet den Arbeitgeber nicht nur dazu, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass das Leben und die Gesundheit der Arbeitnehmer möglichst geschützt und auch andere immaterielle und materielle Interessen der Arbeitnehmer gewahrt werden, sondern auch dazu, die notwendigen Maßnahmen gegen das Betriebsklima gröblich beeinträchtigende Mitarbeiter zu ergreifen, insbesondere wenn deren Verhalten so weit geht, dass die Arbeitsbedingungen für andere Arbeitnehmer nahezu unzumutbar werden (vgl Marhold in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 18 Rz 51 f; 9 Ob A 106/02g ua). Wenn dem Arbeitgeber Gefährdungen zur Kenntnis gelangen, hat er daher unverzüglich auf angemessene Weise Abhilfe zu schaffen (vgl Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 330 f; Krejci in Rummel, ABGB3 § 1157 Rz 31; Schrammel in Klang3 § 1157 Rz 28; 9 Ob A 230/02t; RIS-Justiz RS0029841 ua).“

Der/Die Arbeitgeber/in muss also derzeit schon geeignete Abhilfemaßnahmen treffen, um den/die Arbeitnehmer/in vor weiterem Mobbing zu schützen. Die zur Verfügung stehenden Mittel sind nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzusetzen; entsprechend ergibt sich also die Pflicht zur Ermahnung, zur Verwarnung, Versetzung oder – als ultima ratio - zur Kündigung oder Entlassung des/der Mobbenden.

Verletzt der /die Arbeitgeber/in  schuldhaft seine/ihre Fürsorgepflicht und entsteht dem/der Arbeitnehmer/in ein Schaden, so trifft den/die Arbeitgeber/in eine Schadenersatzpflicht.

Das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) verbietet u.a. Belästigungen im Arbeitsverhältnis. Unter Belästigungen versteht das GlBG eine von einem/einer Vorgesetzten, einem/einer Kollegen/Kollegin oder einer dritten Person gesetzte unerwünschte Verhaltensweise, die mit einem der im GlBG geschützten Gründe (Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung, ethnische Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung) in Zusammenhang steht und die Würde der belästigten Person verletzt und ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld schafft. Belästigung im Sinne des GlBG und Mobbing sind nicht ident, weil Belästigungen im Sinne des GlBG nur vorliegen, wenn sie sich auf bestimmte Gründe beziehen, andererseits aber setzen Belästigungen nicht notwendigerweise eine systematische Vorgangsweise voraus, wie dies bei Mobbing der Fall ist. Belästigungen können aber auch in Form von Mobbing auftreten.

Überschneidungen zwischen Mobbing und Diskriminierung (aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, des Alters, der Religion oder Weltanschauung, der ethnischen Zuge-hörigkeit oder einer Behinderung) in Form der nach den Gleichbehandlungsgesetzen verbo-tenen Belästigung bestehen in der Praxis insbesondere im Zusammenhang mit dem Delikt der Diskriminierung bei den „sonstigen“ Arbeitsbedingungen durch Vorgesetzte, Arbeitskol-legen oder Dritte (z.B. Kunden), z.T. auch im Zusammenhang mit einer Beendigung des Ar-beitsverhältnisses.

Nach dem Gleichbehandlungsrecht ist die Belästigung bei Vorliegen der genannten Voraus-setzungen als Diskriminierung anzusehen, ohne dass es einer bestimmten Dauer der verpön-ten Verhaltensweise bedarf. Belästigung kann schon bei einem einzigen Übergriff vorliegen und geahndet werden, während erst durch Wiederholung der Übergriffe über einen länge-ren Zeitraum von Mobbing gesprochen werden kann. Da ethnische Zugehörigkeit, Alter, Ge-schlecht, sexuelle Orientierung, Religion und Weltanschauung sowie das Vorliegen einer Behinderung wesentliche Persönlichkeitsmerkmale sind, wird im Regelfall wohl davon ausgegangen werden können, dass zumindest eines dieser Persönlichkeitskriterien auch – wenn auch nur in untergeordneter Weise und unbewusst – bei der Motivation für das Mobbing mitspielt.

Ist das Vorhandensein auch eines solchen Motivs prima facie wahrscheinlich, kommen be-reits bei Mobbing in der Arbeitswelt die Sanktionen für Belästigung nach den Antidiskrimi-nierungsvorschriften des Gleichbehandlungsgesetzes bzw. Behinderteneinstellungsgesetzes mit ihren Beweismaßerleichterungen zur Anwendung. So gewährt das GlBG der belästigten Person einen Anspruch auf Ersatz des durch die Belästigung verursachten materiellen Schadens und zusätzlich einen Anspruch auf Ersatz des durch die Belästigung verursachten immateriellen Schadens („erlittene persönliche Beeinträchtigung“); dieser immaterielle Schadenersatzanspruch beträgt – seit 1.3.2011 – mindestens € 1.000,--. Der Anspruch besteht sowohl gegenüber der belästigenden Person als auch gegenüber dem/der Arbeitergeber/in, der/die zwar nicht selbst belästigt, es aber verabsäumt, für eine angemessene Abhilfe zu sorgen. Eine vergleichbare Regelung enthält das Behinderteneinstellungsgesetz für den Fall der Belästigung von Arbeitnehmer/inne/n wegen einer Behinderung.

Außerhalb der Arbeitswelt bietet das Gleichbehandlungsgesetz einen Schutz vor Belästigungen im oben dargestellten Sinn

- beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen einschließlich Wohnraum, in Bezug auf die Merkmale Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit

- darüber hinaus in den Bereichen Sozialschutz einschließlich sozialer Sicherheit und Gesundheitsdienste, soziale Vergünstigungen und Bildung in Bezug auf das Merkmal ethnische Zugehörigkeit.

Um Mobbing hintanzuhalten und einen achtungsvollen Umgang miteinander zu fördern, kommt der vorgelagerten Prävention und Intervention eine große Bedeutung zu. Dazu bietet sich derzeit schon das Instrument  der Betriebsvereinbarung an.  Als Tatbestände nach dem Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) kommen § 97 Abs. 1 Z 1, 8, 9, 20 sowie § 96 Abs. 1 Z 1 ArbVG in Betracht. So können etwa nach § 97 Abs 1 Z 8 und 9 ArbVG Betriebsvereinbarungen über Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer/ innen bzw. zur menschengerechten Arbeitsgestaltung abgeschlossen werden. Unter diesem Titel können betriebliche Regelungen zur Förderung eines gedeihlichen Betriebsklimas und einer guten Personalführung getroffen werden, dies schließt auch Maßnahmen zur Prävention oder Abhilfe bei Mobbing mit ein.

Auch das Arbeitnehmer/innenschutzrecht trägt Erscheinungen wie Stress, Gewalt oder Mobbing am Arbeitsplatz bei Vorliegen eines Arbeitnehmerschutzkonnexes Rechnung.

2.      Schaffung eines Anti-Mobbing-Gesetzes?

Unbestritten ist, dass Mobbing in zwischenmenschlichen Beziehungen ein ernstzunehmendes Problem darstellt und langfristige negative Folgen nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Volkswirtschaft hat.

Die Bekämpfung von Mobbing ist Gegenstand spezifischer interdisziplinärer Maßnahmen. Besonderes Gewicht ist dabei auf die Prävention von Mobbing durch die Führungsspitze der Unternehmen und Verwaltungen zu legen. Daher ist es erforderlich, einerseits bewusstseinsbildende Maßnahmen zu setzen und andererseits den Informationsstand über die derzeit bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen sowie über die Reaktionsmöglichkeiten deutlich zu verbessern.

Aus Sicht des BMASK ergibt sich aus der bestehenden Rechtslage bereits ein breites Spektrum an Anknüpfungspunkten. Damit besteht derzeit kein Bedarf an zusätzlichen, das Mobbing betreffenden Regelungen, insbesondere auch nicht an einem eigenständigen sogenannten „Anti-Mobbing-Gesetz“. Das BMASK wird das Phänomen Mobbing aber weiterhin beobachten und im Bedarfsfall geeignete Maßnahmen prüfen; besonderes Augenmerk wird dabei auf Abhilfemaßnahmen und die Wirksamkeit des Rechtsschutzes zu legen sein.

Mit freundlichen Grüßen

Für den Bundesminister:

Mag.a Dr.in iur. Anna Ritzberger-Moser

Elektronisch gefertigt.