Parlament Österreich

 

 

 

V-4 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

 

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Beratungen des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten

der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Mittwoch, 23. April 2014

 


Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXV. Gesetzgebungsperiode       Mittwoch, 23. April 2014

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

7399/13 LIMITE

Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Ermächtigung der Europäischen Kommission, im Namen der Mitgliedstaaten über die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallenden Bestimmungen eines umfassenden Handels- und Investitionsabkommens mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu verhandeln

(115828/EU XXIV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Angenommene Anträge auf Stellungnahme und Mitteilung

 

Die Mitglieder des EU-Unterausschusses des Nationalrats fordern einhellig, die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) transparenter zu gestalten und die Verhandlungsdokumente der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein entsprechender Antrag auf Mitteilung sowie ein Antrag auf Stellungnahme, eingebracht von den Abgeordneten Christine Muttonen (S) und Werner Amon (V), wurden im Ausschuss einstimmig angenommen.

 

Darüber hinaus wurde ein Antrag auf Stellungnahme mit den Stimmen der Koalitionsparteien beschlossen, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, im Rahmen der Verhandlungen der EU mit den USA weiterhin für die Verpflichtung zur Einhaltung hoher sozialer, datenschutzrechtlicher und ökologischer Mindeststandards einzutreten und eine Absenkung europäischer Standards zu verhindern. Ziel sei es, so die Antragstellerinnen Christine Muttonen (S) und Martina Diesner-Wais (V), bei den Freihandelspartnern der EU die Ratifikation sowie Umsetzung ihrer Verpflichtungen aus dem international anerkannten ILO-Übereinkommen und internationalen Umweltübereinkommen zu erreichen. Dabei sei auch auf ein effizientes Monitoring der Verpflichtungen und einen Mechanismus zur Beilegung von Differenzen bei mangelnder Umsetzung zu achten.

 

 

 

Diskussion

 

Die Abkürzung TTIP steht für Transatlantic Trade and Investment Partnership (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft). Dabei handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, der zwischen den USA und der EU verhandelt wird. Das Abkommen zielt nicht nur auf die Abschaffung noch bestehender Zölle ab, sondern hat vor allem die Beseitigung von nicht-tarifären Handelsbeschränkungen im Fokus – etwa Regelungen hinsichtlich des Datenschutzes und des Konsumentenschutzes, aber auch Sicherheitsauflagen und arbeitsrechtliche Bestimmungen. Der Beschluss des EU-Verhandlungsmandats mit bindenden Verhandlungsrichtlinien erfolgte am 14. Juni 2013.

 

Das geplante Freihandelsabkommen ist in Österreich höchst umstritten, was auch die Diskussion im Ausschuss deutlich machte. Positiv reagierten in erster Linie die Abgeordneten der ÖVP und der NEOS, wobei auch für sie die Gewährleistung hoher österreichischer und europäischer Standards Voraussetzung für einen positiven Abschluss darstellt. Sie plädierten jedoch für einen offenen und unvoreingenommenen Zugang zu den Verhandlungen. Die Befürworter erwarten sich von dem Freihandelsabkommen Vorteile für die exportorientierte Wirtschaft Österreichs, vor allem für Klein- und Mittelbetriebe, ferner mehr Wirtschaftswachstum und die Senkung der Arbeitslosigkeit. Die EU-Kommission betont immer wieder, dass es nicht um Deregulierung geht, sondern um Harmonisierung und verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Regulierungsbehörden bis hin zur Schaffung gemeinsamer internationaler Standards und Normen.

 

Kritiker hingegen befürchten aufgrund des massiven Preisdrucks amerikanischer Produkte, die unter weit weniger strengen Bedingungen erzeugt werden, die Aushöhlung von Standards im Umwelt- und Gesundheitsbereich sowie die Aufweichung heimischer Lebensmittelstandards und Konsumentenrechte. Sie warnen darüber hinaus vor einer Untergrabung des Datenschutzes und sozialer Rechte, insbesondere von Arbeitnehmerrechten. Dem hielt Bundesminister Reinhold Mitterlehner entgegen, dass das Verhandlungsmandat der EU eindeutig und unmissverständlich das Recht der Parteien zur Festlegung von Standards, das so genannte "right to regulate", festschreibe. Außerdem sei die Verankerung von Verpflichtungen für ein hohes Umsetzungsniveau international anerkannter Sozial- und Umweltstandards wesentlicher Bestandteil des Nachhaltigkeitskapitels. Auch müssten die Kernübereinkommen der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) umgesetzt werden.

 

Knackpunkt ist vor allem die geplante Investor-Staats-Schiedsgerichtsbarkeit (ISDS – Investor-to-State-Dispute-Settlement). Diese soll dazu dienen, den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, Staaten auf Schadenersatz zu klagen, wenn durch bestimmte Gesetze die Gewinnerwartungen der Unternehmen beeinträchtigt werden. Aufgrund der großen Bedenken, die gegen ISDS vorgebracht wurden, hat die EU-Kommission entschieden, die Verhandlungen über den Investitionsschutzteil vorläufig auszusetzen, um im Rahmen eines dreimonatigen öffentlichen Konsultationsprozesses auf die Sorgen verstärkt einzugehen. Die Kommission selbst sieht das Schiedsgericht als eine Institution, die den Unternehmen die Sicherheit ihrer Investitionen garantieren soll. Eine Aushöhlung staatlicher Gesetze sei auf diesem Weg nicht möglich. Bundesminister Mitterlehner sah in dieser Frage noch einigen Diskussionsbedarf, grundsätzlich vertrat er aber die Auffassung, dass ein Streitbeilegungsmechanismus eine gute Möglichkeit darstelle, die Interessen der österreichischen Exportwirtschaft durchzusetzen.

 

Die Opposition kritisiert darüber hinaus die mangelnde Transparenz der Verhandlungen, wobei der Minister zusagte, sich um diesbezügliche Verbesserungen zu bemühen. Jedenfalls würden dem Parlament alle Dokumente übermittelt. Irritiert zeigten sich alle von der Aussage von EU-Handelskommissar Karel De Gucht, er wolle den EuGH anrufen, um die Zuständigkeit für den Abschluss von Handels- und Investitionsabkommen zu klären. Das wäre eine Umgehung der Mitgliedstaaten sagte Mitterlehner und bekräftigte die Entscheidung des Rates, solche Abkommen nicht ohne Mitwirkung der nationalen Parlamente zu unterzeichnen. Vor dem Inkrafttreten muss das TTIP-Abkommen von den Mitgliedstaaten, dem Europäische Parlament und den nationalen Parlamenten angenommen bzw. ratifiziert werden.

 

 

Mit Ausnahme der NEOS hegte die Opposition große Bedenken gegen die Verhandlungen. In diesem Sinne legten FPÖ und Grüne Anträge auf Stellungnahme vor, die jedoch keine ausreichende Mehrheit fanden. So ist für die Abgeordneten Johannes Hübner, Reinhard Eugen Bösch und Wendelin Mölzer (alle F) bereits jetzt absehbar, dass das Abkommen vor allem Vorteile für amerikanische Konzerne bringen und zu einer Aufweichung hoher Standards im Bereich der Lebensmittel, der Umwelt und des Arbeitnehmerschutzes führen werde. Nach Auffassung der Freiheitlichen könne es dann auch zu Zwangszulassungen heikler Technologien kommen, die aus gutem Grund bisher weitgehend aus Europa fern gehalten wurden. In ihrem Antrag treten sie daher für einen umgehenden Stopp der Verhandlungen ein, stießen mit ihrer Initiative jedoch auf die Ablehnung aller anderen Fraktionen.

 

Die USA wolle TTIP deshalb unter Dach und Fach bringen, damit die letzten Hemmnisse für ein schrankenloses Wirtschaften der USA innerhalb der EU abgebaut werden, warnte Bösch. Der Einfluss der großen Konzerne der USA sei bei den Verhandlungen spürbar, sie würden sich vor dem Hintergrund des geplanten Investitionsschutzes durchsetzen und damit hohe europäische Standards gefährden. Ein solches Abkommen würde einen Anteil von 50% des weltweiten Bruttosozialprodukts umfassen, jedoch mit einer Schieflage zugunsten der USA, assistierte sein Klubkollege Johannes Hübner. Er warf den USA vor, nicht auf die Bedenken der Europäer eingehen zu wollen, deshalb müssten die Alarmglocken läuten, meinte er. Hübner insistierte auch darauf, zu sagen, was unter einem Wohlstandsgewinn gemeint sei, wobei er klar machte, dass darunter nicht nur ein ökonomischer Gewinn verstanden werden könne. Der FPÖ-Politiker übte grundsätzlich harsche Kritik an den USA und meinte, heute wisse man, dass die USA kein Freund sei sondern die europäische Politik und Wirtschaft systematisch ausspioniere.

 

 

Ihre Bedenken und Kritik legten die Grün-Abgeordneten Christiane Brunner und Werner Kogler in zwei umfassenden Anträgen auf Stellungnahme vor. Zum einen lehnen sie es ab, in dem Freihandelsabkommen einen eigenen Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus ("Sonderklagerechte für Konzerne") zu verankern. Diese Initiative wurde nur von den Grünen, den Freiheitlichen und dem Team Stronach unterstützt und blieb somit in der Minderheit.

 

Zum anderen treten die Grünen dafür ein, die TTIP-Verhandlungen so lange zu stoppen, bis vollständige Transparenz durch die Veröffentlichung aller Verhandlungsdokumente hergestellt ist. Außerdem plädieren sie dafür, Klima-, Umweltschutz- und Gesundheitsstandards sowie Konsumentenrechten, Arbeitnehmerrechten, sozialen Rechten sowie Datenschutzstandards und kulturellen Leistungen den Vorrang vor Investitionsinteressen einzuräumen. Sie unterstreichen bei der Zulassung von Gütern, Produkten und Lebensmitteln das Vorsorge- und Verursacherprinzip und drängen auf nachhaltige Kriterien im öffentlichen Beschaffungswesen. Brunner und Kogler unterstreichen in ihrem Antrag des Weiteren die Notwendigkeit des Ausbaus der erneuerbaren Energie sowie der Aufrechterhaltung hoher Standards in der heimischen Landwirtschaft. Weitere Punkte im Antrag betreffen die Regulierung der Finanzmärkte, das in der EU geltende Subsidiaritätsprinzip bei der Daseinsvorsorge, den Daten- und Urheberrechtsschutz sowie arbeitsrechtliche Standards. Schließlich fordern sie die Aufrechterhaltung der UNESCO-Konvention zum Schutz der Vielfalt der Kultur. Auch dieser Antrag fand nicht die erforderliche Mehrheit und wurde nur von den Grünen und dem Team Stronach unterstützt.

 

In Erläuterung des Antrags hielt es Christiane Brunner (G) für befremdlich, wenn hohe ökologische und soziale Standards als Hemmnisse dargestellt werden. Für sie geht das Abkommen daher in die falsche Richtung, da zu befürchten sei, dass das hohe europäische Niveau unter Druck gerät, weil es nicht um die Regeln geht, unter denen produziert wird, sondern lediglich um die Zulassung. Für Brunner kann daher nur ein Ziel angestrebt werden, nämlich die Wirtschaftsstandorte Österreich und EU abzusichern, und zwar bei gleichzeitiger Beachtung hoher sozialer und umweltpolitischer Standards.

 

Ähnlich argumentierte Werner Kogler (G), der vor allem großen Druck auf die Landwirtschaft befürchtete. Er bezweifelte auch die positiven Erwartungen, die durch Studien unterlegt werden, denn so lange darin nicht die ökologische und soziale Kostenwahrheit berücksichtigt werde, führe das zu falschen Schlüssen, hielt er fest. Der Importdruck und die niedrigen Produktionskosten in den USA würden europäische Standards drücken, die Transportkosten würden verzerrt und Kennzeichnungspflichten schwinden, zeichnete Kogler ein negatives Szenario. Das alles sei pervers und habe mit vernünftigen ökologischen Gesichtspunkten nichts zu tun. Als ein Problem sah er vor allem die Investitionsschutzbestimmungen, zumal es bei diesem Freihandelsabkommen um ganz andere Machtverhältnisse gehe und die Macht der amerikanischen Konzerne durchschlagen werde. Scharf kritisierte Kogler zudem die aus seiner Sicht mangelnde Transparenz der Verhandlungen und mangelnde Information seitens der Bundesregierung. Seiner Meinung nach hätte das österreichische Parlament bereits vor der Zustimmung zum EU-Verhandlungsmandat mitreden müssen.

 

 

Die Ausweitung des Handels und die Schaffung von Arbeitsplätzen sei grundsätzlich positiv, das geplante Freihandelsabkommen mit den USA berge aber zu viele Risiken und zu wenig Chancen in sich, fasste Ulrike Weigerstorfer vom Team Stronach ihre Sicht der Dinge zusammen. Vor allem befürchtet sie Lohndumping und die Vernichtung von Arbeitsplätzen. In Europa und in Österreich habe man um Umwelt- und Lebensmittelstandards gekämpft, man könne nun nicht über die Menschen drüberfahren, meinte sie. Durch die regulatorische Macht werde es zu einer schleichenden Absenkung des hohen europäischen Niveaus kommen, sagte sie und lehnte auch das geplante Schiedsgericht ab.

 

Im Gegensatz dazu sehen die NEOS in den Verhandlungen mehr Chancen als Risiken. Die EU sei ein selbstbewusster Verhandler, hielt Angelika Mlinar fest, als Verhandlungsziel müssten höchste Standards definiert werden. Die NEOS erwarten sich von einem guten Verhandlungsergebnis einen Innovationsboom und einen fairen Wettbewerb über die Höhe der wahren Kosten. Ebenso wie die anderen Oppositionsparteien forderte Mlinar mehr Transparenz im Verhandlungsprozess, der von mündigen BürgerInnen getragen werde. Was das Schiedsgericht betrifft, so schlug sie vor, eine internationale Handelsgerichtsbarkeit einzurichten, mit reformierten Grundlagen und strengeren Streitobergrenzen.

 

 

Freihandel sei gut, wenn der Wettbewerb fair ist, konstatierte EP-Abgeordnete Evelyn Regner (S). Das sei derzeit aber nicht der Fall, weshalb die SPÖ-Delegation das Abkommen nach derzeitigem Verhandlungsstand ablehnen würde. Sie kritisierte die USA auch deshalb, weil man seitens der dortigen Regierung nicht gewillt sei, die Ratifikation von ILO-Bestimmungen vorzunehmen. Große Bedenken hegte sie gegen das angedachte Schiedsgerichtssystem, das weitaus größere Dimensionen habe als alle bisherigen. Außerdem würde ein solches System in ihren Augen eine Art Outsourcing-Modell staatlicher Gerichtsbarkeit darstellen, was rechtsstaatlichen Prinzipien widerspreche. Seitens des Europäischen Parlaments habe man zwar derzeit mehr Einblick in die Verhandlungsunterlagen, aber hier seien noch Verbesserungen möglich, sagte sie.

 

Kritisch äußerte sich auch Christine Muttonen (S) und warnte davor, TTIP als ein Tor zu einer arbeitnehmer- und gewerkschaftsfeindlichen Politik zu konstruieren. Die SPÖ werde keinem Abkommen zustimmen, das sich negativ auf die Beschäftigungsbedingungen auswirkt, sagte Muttonen und forderte, eine klare Linie zu ziehen. Wie ihr Klubkollege Kai Jan Krainer stellte sie fest, dass die Verhandlungen über das Schiedsgericht erst am Anfang stehen und es wichtig sei, am Ende des Tages zu einem vernünftigen Ergebnis zu gelangen. Man solle durchaus die Chancen sehen, aber auch die Risiken beachten. Eine positivere Haltung zeigte Kai Jan Krainer, der darauf hinwies, dass die Gewährleistung hoher Standards Teil des Verhandlungsmandats sei und daher Produkte, die europäische Standards nicht erfüllen, auch nicht in europäischen Geschäften landen. Es sei vernünftig, den Handel zu forcieren, sagte Krainer, für ihn ist es aber auch kein Malheur, wenn das Abkommen nicht zustande kommt.

 

 

Man sollte vorsichtig, wohl überlegt und ohne Jubel in die Verhandlungen gehen, plädierte Werner Amon (V) für eine pragmatische Sichtweise und stellte sich dagegen, von vornherein negative Szenarien an die Wand zu malen. Europa sei bemüht, ein gutes Verhandlungsergebnis zu erzielen und am Ende des Tages werde man beurteilen, ob das Ergebnis Sinn mache oder nicht. Amon wies insbesondere auf die Sensibilität im Hinblick auf die Landwirtschaft hin und meinte, ein mehr an Transparenz täte den Verhandlungen durchaus gut. Ebenso hielt Martina Diesner-Wais (V) fest, es sei wichtig, dass das, was in unser Land kommt, hohen Standards entspricht.

 

Man werde dem Abkommen nicht um jeden Preis zustimmen, bekräftigte auch EP-Abgeordneter Heinz Becker (V). Das Europäische Parlament werde keine Beschlüsse gegen die Interessen der Bevölkerung fassen, das habe man etwa bei der Frage der Saatgutverordnung und der Gigaliner gesehen. Grundsätzlich erwartet sich Becker jedoch große Vorteile für die österreichische Wirtschaft und wies den Vorwurf der Geheimverhandlungen zurück.

 

 

TTIP sei mit Abstand das größte und ehrgeizigste Freihandelsabkommen, sagte Bundesminister Reinhold Mitterlehner, mit dem Ziel, einen transatlantischen Wirtschaftsraum zu schaffen. Die USA sei der drittwichtigste Handelspartner Österreichs, ein Abschluss der Verhandlungen würde, wie Studien untermauerten, mehr Wachstum und zusätzliche Arbeitsplätze bringen. Österreich habe von vornherein unterstrichen, dass hohe Standards gewährleistet bleiben müssen, betonte der Minister. Die Verhandlungsrichtlinien der EU trügen dem auch Rechnung.

 

Der Minister versuchte in seiner Stellungnahme auf die wesentlichen in der Öffentlichkeit diskutierten Kritikpunkte einzugehen. Es würden keine Geheimverhandlungen ohne ausreichende demokratische Legitimierung geführt, konstatierte er, die Kommission führe die Verhandlungen auf der Basis des Mandats, es gebe regelmäßige Koordinierungssitzungen zwischen Kommission und Rat und das Europäische Parlament werde laufend informiert. In Österreich liefen interministerielle Besprechungen unter Einbindung der Sozialpartner, und das Parlament erhalte alle Dokumente.

 

Mitterlehner wies auch den Vorwurf zurück, TTIP höhle europäische Standards aus und wies auf das sogenannte "right to regulate" hin, wonach die Parteien ihre Standards festlegen können. Das sei auch so im Verhandlungsmandat niedergelegt. Auch sei es unrichtig, dass öffentliche Dienstleistungen zwangsweise privatisiert werden, da dies den EU-Verträgen widerspräche. Ebenso wenig würde das Recht auf Internetnutzung unterlaufen, sagte Mitterlehner und erinnerte daran, dass das Europäische Parlament ACTA abgelehnt hat.

 

Beim Schiedsgericht sah der Minister durchaus Verbesserungsbedarf und meinte, man müsse nun das Ergebnis der Konsultation abwarten. Grundsätzlich nütze aber ein derartiger Streitbeilegungsmechanismus eher jenen Unternehmen, die exportieren. Österreich habe bislang 62 derartiger Schutzabkommen unterzeichnet und sei in noch keinem Land geklagt worden. Hingegen habe Österreich 10 Schadenersatzklagen gegen ein Gastland eingebracht.

 

Man müsse genau die Vor- und Nachteile eines solchen Abkommens abwägen, stellte Mitterlehner abschließend fest und bekräftigte, auf sensible Punkte zu achten und die notwendige Transparenz zu gewährleisten. Für Österreich sei die Abschaffung von Zöllen und nicht-tarifärer Hemmnisse wichtig, denn das nütze vor allem den Klein- und Mittelbetrieben, die bei Produkteinführungen in den USA mit hohen Kosten konfrontiert seien. Alle bisherigen Abkommen hätten gezeigt, dass die Entwicklung der Faktenlage weit besser sei als in den Studien angekündigt, so der Minister. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag von SPÖ und ÖVP auf Mitteilung und Stellungnahme wurde einstimmig angenommen:

 

 

I. Antrag auf Mitteilung gemäß Art. 23f Abs 4 B-VG

 

 

der Abgeordneten Muttonen und Amon

 

betreffend 7399/13 Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Ermächtigung der Europäischen Kommission, im Namen der Mitgliedstaaten über die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallenden Bestimmungen eines umfassenden Handels- und Investitionsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu verhandeln (115828/EU, XXIV. GP)

 

eingebracht in der Sitzung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 23.04.2014.

 

 

 

Der Ständige Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

Mitteilung gemäß Art. 23f Abs 4 B-VG

 

Die vierte Verhandlungsrunde zur Transatlantic Trade- and Investmentpartnership (TTIP) zwischen den USA und der EU ging im März zu Ende. Obwohl die Europäische Kommission erste Maßnahmen gesetzt hat, um die Öffentlichkeit einzubinden, wurde erneut die fehlende Transparenz der Verhandlungen europaweit kritisiert. Möglichst umfassende Transparenz der Verhandlungen im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften ist eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz des Abkommens in der Bevölkerung.

 

Die Europäische Kommission wird daher aufgefordert:

·         die Transparenz der Verhandlungen in diesem Sinne weiter zu stärken und Verhandlungsdokumente der Öffentlichkeit zugänglich zu machen;

·         die interessierte Öffentlichkeit verstärkt in die Vor- und Nachbereitung der Verhandlungen einzubinden

 

 

 

II. Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

Der Ständige Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union geht davon aus, dass die Bundesregierung bei Verhandlungen und Abstimmungen über das gegenständliche Vorhaben im Rat in Übereinstimmung mit der Mitteilung gemäß Art. 23f Abs. 4 B-VG unter Punkt I. vorgeht.

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag von SPÖ und ÖVP auf Stellungnahme wurde mit den Stimmen der beiden Koalitionsparteien mehrheitlich angenommen:

 

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

der Abgeordneten Muttonen und Diesner-Wais

 

betreffend

 

7399/13 Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Ermächtigung der Europäischen Kommission, im Namen der Mitgliedstaaten über die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallenden Bestimmungen eines umfassenden Handels- und Investitionsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu verhandeln (115828/EU, XXIV. GP)

 

eingebracht in der Sitzung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 23.04.2014.

 

 

 

 

Das geplante Abkommen zwischen der EU und den USA könnte als bisher größtes Freihandelsabkommen in die Geschichte eingehen. Viele wichtige Lebensbereiche sind potentiell betroffen. Eine Absenkung der hohen sozialen und ökologischen Standards in Österreich und Europa darf keinesfalls akzeptiert werden. Im Gegenteil gilt es, die hohen europäischen Standards im Interesse der Menschen im globalen Handel zu etablieren.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

 

Der Ständige Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen der Verhandlungen der EU mit den USA über ein Freihandelsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership) weiterhin für die Aufnahme der Verpflichtung zur Einhaltung hoher sozialer, datenschutzrechtlicher und ökologischer Mindeststandards einzutreten und eine Absenkung europäischer Standards zu verhindern. Ziel ist es, bei den Freihandelspartnern der EU die Ratifikation sowie Umsetzung ihrer Verpflichtungen aus den international anerkannten ILO-Übereinkommen sowie aus internationalen Umweltübereinkommen zu erreichen. Dabei ist auch auf ein effizientes Monitoring der Verpflichtungen und einen Mechanismus zur Beilegung von Differenzen bei mangelnder Umsetzung zu achten.“

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

 

 

 

Folgender Antrag der FPÖ auf Stellungnahme wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

der Abgeordneten Dr. Hübner, Dr. Bösch und Mölzer

 

betreffend

 

7399/13 LIMITE

Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Ermächtigung der Europäischen Kommission, im Namen der Mitgliedstaaten über die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallenden Bestimmungen eines umfassenden Handels- und Investitionsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu verhandeln

(115828/EU, XXIV. GP)

 

eingebracht in der Sitzung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 23.04.2014

 

 

 

 

Seit Mitte des letzten Jahres verhandelt die Europäische Union mit den USA über das Zustandekommen des sogenannten Transatlantic Trade and Investment Partnership-Abkommens (TTIP) und die Kritik und die Ängste in Bezug auf die zu erwartenden Ergebnisse werden immer lauter.

Es ist bereits jetzt absehbar, dass das Abkommen vor allem Vorteile für amerikanische Konzerne bringen wird. Weiters besteht die berechtigte Befürchtung, dass der Abschluss dieses Abkommens unter anderem zu einer Aufweichung unserer österreichischen Lebensmittelstandards, unseres Umweltschutzes und unseres Arbeitnehmerschutzes führen wird.

 

Industrievertreter freuen sich schon heute hinter vorgehaltener Hand über kommende Zwangszulassungen heikler Technologien, die wir bisher aus gutem Grund weitgehend aus Europa ferngehalten haben. Ob es sich um das umstrittene Fracking zur Schiefergasgewinnung oder Agro-Gentechnik, Hormonfleisch, Produkte von Klon-Tieren und mit Chlor desinfiziertes Geflügel auf unseren Tellern handelt.

Darüber hinaus bedeutet die Übertragung der Kompetenzen für den Marktzugang in Europa an ein außereuropäisches Schiedsgericht den Totalverlust der Eigenkontrolle.

 

Der Investorenschutz könnte es Konzernen ermöglichen, vor Schiedsgerichten gegen die Staaten zu klagen, wenn sie sich durch neue Gesetze benachteiligt oder unfair behandelt fühlen. Auf diese Weise könnten US-Konzerne, die bekanntlich sehr klagefreudig sind, die EU-Staaten in Zukunft allein durch die Androhung juristischer Schritte von neuen Auflagen für den Gesundheits- oder Verbraucherschutz abhalten.

 

Es gibt in diesem Zusammenhang schon derzeit ein sehr negatives Beispiel für ein ähnliches Freihandelsabkommen, nämlich das NAFTA-Abkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko, das jetzt 20 Jahre in Kraft ist.

Mit dem geplanten Abkommen werden private Profitinteressen endgültig dem Gemeinwohl übergeordnet, was mit der Wahrung von Verbraucherinteressen und staatlicher Handlungsfreiheit wie Souveränität unvereinbar ist.

 

Trotz der dargestellten zu erwartenden gravierenden und massiven negativen Auswirkungen auf die Bürger Europas und damit auch Österreichs im Falle eines Abschlusses dieses Abkommens wurden am 14. Juni 2013 im Rat Auswärtige Angelegenheiten / Handel die diesbezüglichen Leitlinien für die Verhandlungen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika beschlossen.

 

Welchen Stellenwert und welche Bedeutung diese Bundesregierung den aufgrund der oben dargestellten negativen Auswirkungen durch das Abkommen bestehenden Ängsten in der Bevölkerung beimisst, zeigt die Tatsache, dass der damals zuständige Außenminister Spindelegger es nicht einmal der Mühe wert fand, persönlich bei dieser entscheidenden Ratssitzung anwesend zu sein. Er schickte als österreichischen Vertreter Botschafter Hubert Heiss, der dort seitens Österreichs seine Zustimmung zu den genannten Verhandlungsleitlinien gab.

 

Dazu kommt, dass die Europäische Kommission im Namen aller Mitgliedstaaten mit den USA verhandelt.

Darüber hinaus erfolgen die Verhandlungen völlig intransparent und unter Ausschluss der Öffentlichkeit hinter verschlossenen Türen. Das heißt, dass es keine offiziellen Dokumente oder Informationen über den tatsächlich aktuellen Verhandlungsstand gibt.

 

Die Enthüllungen über die systematischen und mit dem Status eines befreundeten-geschweige denn-verbündeten Landes unvereinbaren Spionagetätigkeiten der USA (NSA/Snowden) machen den Abschluss derartiger Verträge für Europa generell unzumutbar. Insoweit hat sich die Lage seit der Erteilung des Verhandlungsmandates durch die Mitgliedsländer auch grundlegend geändert.

 

Abschließend ist festzuhalten, dass dieses Abkommen zwischen der EU und den USA somit einmal mehr eines jener Themen ist, bei denen die EU über ihre Bevölkerung gnadenlos drüberfährt. Dass dies darüber hinaus in Geheimverhandlungen erfolgt, passt nur allzu gut in das bekannte Bild dieser Europäischen Union, die die berechtigten Ängste und Sorgen der europäischen und damit auch der österreichischen Bürgerinnen und Bürger seit Jahren ignoriert und jegliche Bürgernähe vermissen lässt.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

 

Der Ständige Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf Europäischer Ebene im Sinne der Wahrung der Interessen der österreichischen Bevölkerung mit Nachdruck für einen umgehenden Stopp der Verhandlungen der EU mit den USA über ein Freihandelsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership) einzusetzen. Die Lage seit der Erteilung des Verhandlungsmandates durch die Mitgliedsländer hat sich grundlegend geändert.“

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

 

 

 

 

Folgender Antrag der Grünen auf Stellungnahme wurde nur von den Grünen und dem Team Stronach unterstützt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

der Abgeordneten Christiane Brunner, Werner Kogler, Freundinnen und Freunde

 

betreffend 7399/13  Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der

Mitgliedstaaten über die Ermächtigung der Europäischen Kommission, im Namen der Mitgliedstaaten über die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallenden Bestimmungen eines umfassenden Handels- und Investitionsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu verhandeln  (115828/EU, XXIV. GP) - Kein Freihandel auf Kosten von Umwelt- und Sozialstandards

 

eingebracht in der Sitzung des ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 23.4.2014

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt die Europäische Kommission seit Juli 2013 über das geplante Transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP), das die größte Freihandelszone der Welt schaffen soll. Das Versprechen von Europäischer Kommission und US-Verhandlern lautet: Wachstum und Arbeitsplätze durch noch mehr Handel und Investitionen zwischen den USA und der EU. Ob dieses Versprechen hält ist mehr als zweifelhaft. Selbst die von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie über das Wachstumspotenzial von TTIP fällt in ihrer Einschätzung bescheiden aus. Das geschätzte BIP-Wachstum liegt demnach lediglich bei 0,5 Prozent in zehn Jahren, also bei gerade einmal 0,05 % pro Jahr.

 

Aber auch das Gewicht des neu entstehenden Handelsblocks soll laut Verhandlern durch TTIP erhöht werden. Es soll der Wirtschaft Wettbewerbsvorteile auf den Weltmärkten bringen und damit auch ihre politische Macht stärken. 44 Prozent der Weltproduktion, knapp 60 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen, 42 Prozent der globalen industriellen Wertschöpfung finden in den USA und der EU statt. In diesem Raum leben und arbeiten aber nur gut 12 Prozent der Weltbevölkerung. Sollte es zu der mit Abstand weltweit größten Freihandelszone kommen, dann wird es für anderen Staaten und Staatengruppen schwer bis fast unmöglich sein, an den dort geltenden Regelungen über Investitionen, Dienstleistungen, Recht am geistigen Eigentum etc. vorbeizukommen. TTIP würde die bisherige Praxis globaler Regelsetzung über multilaterale Abkommen im Rahmen der Welthandelsorganisation aushöhlen. Schwächere und ärmere Staaten müssten sich notgedrungen an neuen Regeln halten, an deren Aushandlung sie nicht einmal beteiligt waren. Es ist davon auszugehen, dass diese Regeln daher nicht zu ihrem Vorteil sind und diese Staaten eher geschwächt werden.

 

Ein Abkommen zwischen zwei oder mehreren Staaten, das Zölle, Quoten oder ähnliche Handelsbarrieren absenkt, führt meist dazu, dass die Preise in den unterzeichnenden Ländern relativ zu den Staaten außerhalb des Abkommens sinken. Diesen Effekt benennt der Ökonom Jacob Viner mit dem Begriff der Handelsablenkung. Durch die relative Preissenkung wird Handel der Vertragspartner untereinander attraktiver und steigt, während das Handelsvolumen mit außenstehenden Staaten in den gleichen Produkten und Dienstleistungen oft sinkt. Dies gilt auch für TTIP. Handel, der zuvor zum Beispiel zwischen der EU und afrikanischen Ländern bestand, könnte durch jetzt attraktiveren EU-USA Handel ersetzt werden.

 

In erster Linie geht es bei dem Abkommen offiziell um den Abbau so genannter nicht-tarifärer Handelshemmnisse, da zwischen den USA und der EU Zölle weitgehend abgebaut sind (durchschnittlich 4 Prozent). In besonders sensiblen Bereichen wie bei landwirtschaftlichen Produkten hätte die vollständige Beseitigung der Zölle jedoch enorme Auswirkungen auf den europäischen Lebensmittelmarkt und die zum Teil kleinstrukturierte Landwirtschaft. So werden in den USA von zehn Konzernen 88 Prozent aller Schweine geschlachtet. Die größte US-Gesellschaft Tyson Foods schlachtet 42 Millionen Hühner, 170.000 Rinder und 350.000 Schweine pro Woche. Mit einer solchen Produktionsweise sind EU-Betriebe rein über den Preis nicht konkurrenzfähig.

 

Nicht-tarifäre Handelshemmnisse betreffen die Sicherheit und Kennzeichnung von Lebensmitteln, die Grenzwerte chemischer und toxischer Belastung, das Gesundheitswesen und die Arzneimittelpreise, das Recht auf Privatsphäre im Internet, Energieversorgung und kulturelle "Dienstleistungen", Patente und Urheberrechte, die Nutzung von Land und Rohstoffen, die Rechte von ArbeitnehmerInnen, die öffentliche Auftragsvergabe und vieles andere mehr. Es geht also um gesetzliche Standards in allen Bereichen, von sozialen Schutzbestimmungen über Menschen- und ArbeitnehmerInnenrechten bis hin zu Umwelt-, Verbraucher-, Gesundheits- und Datenschutzstandards. Diese können unter Druck geraten, wenn sich das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung durchsetzt. Das bedeutet, dass Produkte und Dienstleistungen in der EU und den USA beim jeweils anderen Handelspartner automatisch zugelassen werden. Es zählt dann nicht mehr die Frage, nach welchen Regeln und Kriterien diese erstellt wurden, sondern nur noch ob sie in der EU und den USA zugelassen sind. Das hätte gravierende Auswirkungen auf unser Leben: während Gentechnik, Fracking, Hormonfleisch etc. in den USA erlaubt sind, sind diese in der EU vor dem Hintergrund des vorherrschenden Vorsorgeprinzips derzeit verboten. In der EU gibt es nicht nur strengere Regeln hinsichtlich Produktsicherheit oder was die Zulassung von Arzneimitteln, Kinderspielzeug oder Chemikalien anbelangt sondern auch strengere ökologische Regulierungen wie z.B. Grenzwerte für Treibstoffverbrauch bei Autos oder grüne und nachhaltige Kriterien im öffentlichen Beschaffungswesen. In der EU sind darüber hinaus die Datenschutzstandards viel höher als in den USA. Über TTIP könnte ACTA, das gescheiterte Produktpiraterie-Abkommen, wieder Thema werden.

 

Außerdem stehen Lohn- und Sozialstandards auf dem Prüfstand, die sowohl in den USA als auch in der EU seit Jahren vor dem Hintergrund von Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftskrise zusehends abgebaut werden. Es besteht die Gefahr einer Abwärtsspirale von ArbeitnehmerInnen-Rechten. Die Folgen wären ein Anstieg prekärer Arbeitsverhältnisse, weiter steigende Einkommensunterschiede, verstärkter Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen.

 

Demgegenüber hat die USA strengere Regelungen im Finanzbereich, die der EU ein Dorn im Auge sind. Letztendlich ist zu befürchten, dass sich am Ende die jeweils niedrigsten Standards durchsetzen und das Schlechteste aus beiden Welten übrig bleibt. Dieser Preis, ein "Dumping-Abkommen", ist eindeutig zu hoch.

 

Die Befürchtungen über dieses Abkommen nähren sich auch dadurch, dass die TTIP-Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden und Verhandlungspapier als geheim eingestuft sind. Während sowohl das Europäische Parlament als auch das österreichische Parlament (dieses aufgrund einer Grünen Transparenzinitiative) die EU-Verhandlungsdokumente - unter strenger Vertraulichkeitspflicht - mittlerweile erhalten, sind sie in den Verhandlungsprozess jedoch nicht eingebunden. An den Verhandlungen nehmen aber sehr wohl rund 600 Unternehmens-Lobbyisten teil, die am Verhandlungstisch sitzen und ihre Interessen vertreten, hinter denen aber keinerlei demokratische Legitimation steht.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme gemäß Art 23e B-VG

 

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, wird aufgefordert, im Zuge der Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen der EU mit den USA folgende Vorschläge auf europäischer Ebene einzubringen und sich für eine rasche Umsetzung derselben einzusetzen:

 

1.    Die TTIP-Verhandlungen sollen solange gestoppt werden, bis vollständige Transparenz in dem Sinn hergestellt ist, dass alle Verhandlungsdokumente veröffentlicht sind und damit öffentliche Debatten über die Ziele und Inhalte des Abkommens stattfinden können.

 

2.    Im Vertragstext muss rechtlich verbindlich verankert werden, dass

a.    Klima- und Umweltschutzstandards, KonsumentInnenschutz- und Gesundheitsstandards,  ArbeitnehmerInnen- und soziale Rechte sowie Datenschutzstandards und kulturelle Leistungen etc. Vorrang vor Investitionssinteressen haben und dass diese keinesfalls abgesenkt oder ausgehöhlt werden dürfen, sondern im Gegenteil weiterentwickelt werden sollen; 

b.    bei Zulassungen von Gütern, Produkten und Lebensmitteln nach dem Vorsorge- und Verursacherprinzip vorgegangen wird;

c.    im öffentlichen Beschaffungswesen grüne und nachhaltige Kriterien angewendet werden und regionale Anbieter bevorzugt behandelt werden. Die EU muss die Möglichkeit behalten im öffentlichen Beschaffungswesen, in Kindergärten, Spitälern, Pflegeeinrichtungen, Mensen u.ä. regionale, ökologisch oder tiergerecht erzeugte Produkte zu bevorzugen.

 

3.    Die EU soll ihre Forderung an die USA, Exportrestriktionen für Öl und Gas aufzuheben, fallen lassen und stattdessen den Ausbau der erneuerbaren Energie forcieren. Gleichzeitig sollen die EU und die USA Subventionen auf fossile Energieträger gemeinsam reduzieren. Alles andere käme der Aufgabe einer ambitionierten und nachhaltigen EU-Klimapolitik gleich.

 

4.    Die EU und die USA könnten mit Blick auf die Standards und Regelungen in der Landwirtschaft kaum unterschiedlicher sein.

 

a.    Die EU soll weiterhin am Vorsorgeprinzip festhalten und das Inverkehrbringen von beispielsweise Hormon-, Klonfleisch oder gentechnisch veränderten Pflanzen aufgrund von ökologischen, gesundheitlichen und ethischen Bedenken verbieten können.

b.    Pestizideinsatz oder Pestizidrückstandsgehalte bei Lebensmitteln sollen weiterhin auf Grundlage des Vorsorgeprinzips reguliert werden können.

c.    Es muss sichergestellt sein, dass das derzeit auf EU-Ebene verhandelte Recht der EU-Mitgliedsstaaten selbst zu entscheiden, ob auf ihrem Territorium gentechnisch verändertes Saatgut angebaut wird oder nicht, durch dieses Abkommen nicht ausgehöhlt wird.

d.    Tierschutzstandards dürfen durch das Abkommen nicht eingeschränkt werden. Es soll sichergestellt sein, dass auch künftige, für das Tierwohl verbesserte Regelungen, getroffen werden können, ohne dass darüber ein Einvernehmen zwischen den USA und der EU hergestellt werden muss.

e.    Kennzeichnungsregelungen, die den KonsumentInnen Auskunft über die Herkunft oder Produktionsweise der Produkte liefern, sollen weiterhin getroffen werden können, ohne dass über diese Regelungen ein Einvernehmen zwischen den USA und der EU hergestellt werden muss.

 

5.    Die Regulierung der Finanzmärkte ist im Sinne der Stabilisierung dieses Sektors voranzutreiben. In diesem Zusammenhang müssen die EU und die USA eine gemeinsame und effektive Vorgehensweise gegen Steueroasen und Steuerdumping beschließen.

 

6.    Bei der Liberalisierung von Dienstleistungen ist nach dem Positiv-Listenansatz vorzugehen, d.h. Aufzählung jener Dienstleistungen, die liberalisiert werden sollen. Öffentliche Dienstleistungen sind vom Abkommen auszunehmen. Bisherige EU-Vereinbarungen zum Schutz öffentlicher Dienstleistungen dürfen nicht durch die Hintertür durch das TTIP bedroht werden. Das in der EU geltende Subsidiaritätsprinzip, wonach Kommunen, Länder und Mitgliedsstaaten ihre Daseinsvorsorge weitgehend selbst gestalten, muss strikt beachtet werden.

 

7.    Auch für das öffentliche Beschaffungswesen dürfen keine Regelungen erfolgen, die zu weiterer Liberalisierung oder Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen führen.

 

8.    Die Entscheidung der EU, nicht über audiovisuelle Dienstleistungen als Träger kultureller Vielfalt zu verhandeln, muss ebenso Bestand haben wie die UNESCO-Konvention zum Schutz der Vielfalt der Kultur.

 

9.    Der Schutz von persönlichen Daten und der Schutz von Urheberrechten muss gewährleistet werden.

 

10.  Hinsichtlich der Auswirkungen des TTIP auf Löhne und Sozialstaat ist alarmierend, dass die USA bisher nur zwei der acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert haben. Die EU muss vor einem Verhandlungsabschluss des Abkommens die vollständige Ratifizierung aller ILO-Sozialstandards in der EU wie in den USA gewährleisten. Ebenso ist die Sicherung von Mitbestimmungs- und ArbeitnehmerInnen-Rechten in transatlantischen Unternehmen auf höchstem Standard im TTIP sicher zu stellen.

 

11.  Es darf keine neuer Rat für regulatorische Zusammenarbeit ("Regulatory Cooperation Council") geschaffen werden, der im Falle neuer Gesetzgebung in den Bereichen Umwelt, Konsumentenschutz, Arbeits- und sozialer Rechte, Datenschutz, landwirtschaftliche Belange etc. vor Beschlussfassung auf EU-Ebene hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf Investitionsinteressen konsultiert werden müsste.

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der Grünen auf Stellungnahme wurde nur von den Grünen, der FPÖ und dem Team Stronach unterstützt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

der Abgeordneten Christiane Brunner, Werner Kogler, Freundinnen und Freunde

 

betreffend 7399/13  Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der

Mitgliedstaaten über die Ermächtigung der Europäischen Kommission, im Namen der Mitgliedstaaten über die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallenden Bestimmungen eines umfassenden Handels- und Investitionsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu verhandeln  (115828/EU, XXIV. GP) - Keine Sonderklagerechte für Konzerne

 

eingebracht in der Sitzung des ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 23.4.2014

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt die Europäische Kommission seit Juli 2013 über das geplante Transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP), das die größte Freihandelszone der Welt schaffen soll. Darin sollen Investoren privilegierte Klagerechte gegen Staaten eingeräumt werden. Auf Basis von Investitionsschutzabkommen (Investor-State Dispute Settlement, ISDS) sollen ausländische Unternehmen die Möglichkeit erhalten, Staaten vor undemokratischen Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie der Meinung sind, dass Änderungen der Umwelt-, Verbraucher-, Arbeitsschutzstandards etc. ihre erwarteten zukünftigen Gewinne schmälern. Da sowohl die EU als auch die USA über hochentwickelte Justizsysteme verfügen, werden diese Sonderklagsrechte von ExpertInnen als überflüssig bewertet.

 

Aufgrund zunehmender Proteste gegen ISDS hat die Europäische Kommission die Verhandlungen zu diesem Kapitel ausgesetzt. Bis Ende Juni findet nun eine öffentliche Anhörung der Europäischen Kommission dazu statt. Wie in "Der Zeit" am 3.4.2014 treffend zu lesen ist, "muss man fast über ein juristisches Examen verfügen, um die Fragen beantworten zu können." Diese Vorgehensweise "lässt Zweifel daran aufkommen, was mit der Befragung bezweckt werden soll. … Heißt das im Umkehrschluss, dass die Kommission ihre Pläne gar nicht grundsätzlich überprüfen will. Die Befragung wäre damit nichts weiter als eine nette Beschäftigungstherapie für nervige Kritiker." 

 

Die österreichische Bundesregierung hat in dieser Frage bis heute keine klare gemeinsame Linie. Während BK Faymann den Sonderklagerechten am 27.3.2014 in der Kronenzeitung eine klare Absage erteilte ("Spezielle Investitionsschutzvorschriften sind nicht erforderlich. Die EU und die USA haben einen sehr guten Rechtsschutz. Schiedsgerichte sind nicht dazu da, um über die Hintertür soziale und umweltpolitische Standards auszuhöhlen.") hält Wirtschaftsminister Mitterlehner in einer aktuellen Anfragebeantwortung an die Grünen unmissverständlich fest: "Österreich hat von Beginn weg die Aufnahme eines Investitionsschutzkapitels in den TTIP-Verhandlungen befürwortet." (http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_00646/index.shtml)

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme gemäß Art 23e B-VG

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, wird aufgefordert, im Zuge der Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen der EU mit den USA folgenden Vorschlag auf europäischer Ebene einzubringen und sich für eine rasche Umsetzung derselben einzusetzen:

 

·         Im EU-USA-Freihandelsabkommen darf kein eigener Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus ("Sonderklagerechte für Konzerne") verankert werden.

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.