Parlament Österreich

 

 

 

V-8 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten

der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Dienstag, 11. November 2014

 


Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXV. Gesetzgebungsperiode       Dienstag, 11. November 2014

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

1.    COM(2014) 72 final/2

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen

Internet-Politik und Internet-Governance/Europas Rolle bei der Mitgestaltung der Zukunft der Internet-Governance

(24524/EU XXV.GP)

 

2.    COM(2014) 556 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Arzneifuttermitteln sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/167/EWG des Rates

(37448/EU XXV.GP)

 

3.    COM(2014) 557 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur

(37447/EU XXV.GP)

 

4.    COM(2014) 558 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Tierarzneimittel

(37839/EU XXV.GP)

 

5.    14760/14

Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on organic production and labelling of organic products, amending Regulation (EU) No XXX/XXX of the European Parliament and of the Council [Official controls Regulation] and repealing Council Regulation (EC) No 834/2007 - Presidency compromise text

(43732/EU XXV.GP)

 

 

 

 

 

6.    10972/14

Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von genetisch veränderten Organismen (GVO) auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen

(32809/EU XXV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Internet

 

 

Grundlage für den ersten Diskussionspunkt im EU-Unterausschuss des Nationalrats war die  Mitteilung der Kommission zu Internet-Politik und der "Internet Governance". Dabei wurde der der Fokus darauf gelegt wird, wie sich die EU einbringen kann, die dominante Stellung der USA zurückzudrängen und das System auf breite internationale Füße zu stellen. Kürzlich hat auch der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Telekommunikation als ein zentrales Thema bezeichnet.

 

In der Diskussion sprachen die Abgeordneten vor allem den Vertrauensverlust in Bezug auf das Internet im Zuge der NSA-Affäre sowie die Notwendigkeit eines hohen Datenschutzes an. Allgemein wurde bekräftigt, dass der freie Zugang zum Internet gewährleistet bleiben muss und eine Demokratisierung notwendig sei. Da jedoch nicht alle Staaten die gleichen liberalen und rechtstaatlichen Werte vertreten, sei es notwendig, sich auf einen steuernden Rahmen zu einigen, räumte Infrastrukturminister Alois Stöger ein.

 

Stöger betonte insbesondere auch den wirtschaftlichen Stellenwert der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) und bezeichnete diese als eine tragende Säule der Wirtschaft. Der Anteil der IKT sei innerhalb der EU auf einen Wert von 3,8% des BIP gestiegen, man erwarte ein weiteres Wachstum bis 2016 auf 5,7%, informierte er. Deshalb halte er es für entscheidend, auf EU-Ebene an einem Strang zu ziehen und ein freies, sicheres und nicht fragmentiertes Internet sicherzustellen. In diesem Sinne begrüße er auch den EU-Ansatz.

 

 

Der A-Root-Server befindet sich in den USA. Über ihn und dessen Kopien sind die einzelnen Top-Level-Domains (etwa at., de., fr., uk., com etc.) über nationale Server erreichbar – man nennt das das DNS-System. Das US-Department of Commerce (Handelsministerium) hat die Verwaltung 1998 privatisiert, sodass sie nun bei ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) liegt. Diese Gesellschaft ist nach kalifornischem Recht gestaltet, das US-Handelsministerium hat aber nach wie vor die Aufsicht, womit die US-amerikanische Dominanz bestehen blieb. Die Regierung der USA behält sich weiterhin das letzte Wort bei allen wichtigen Entscheidungen vor.

 

Viele Länder äußern dagegen zunehmend Bedenken und versuchen diese US-amerikanische Dominanz zu Gunsten einer breiteren Einbeziehung anderer Staaten zu relativieren. Zuletzt hat die Netmundial-Konferenz (Global Multistakeholder Meeting on the Future of Internet Governance) am 23. und 24. April 2014 in Sao Paulo im Schlussdokument den Multistakeholder-Ansatz bekräftigt und weitere Schritte zur Internationalisierung begrüßt. Die EU unterstützt diesen Ansatz für die Internet-Governance und befürwortet die Festlegung von globalen und den Grundrechten und demokratischen Werten entsprechenden Grundsätzen unter Einbeziehung aller Akteure. Man favorisiert eine klare Rollenverteilung im Interesse eines offenen, freien Internet. Gleichzeitig muss die Stabilität und Sicherheit des Domänennamensystems weiterhin gewährleistet bleiben, heißt es in der Mitteilung. Konkret tritt die EU auch dafür ein, einen genauen Zeitplan für die Globalisierung der ICANN festzulegen.

 

 

Der EU-Ansatz fand bei den Ausschussmitgliedern breite Unterstützung, wobei Johannes Hübner (F) Skepsis dahingehend äußerte, dass die EU tatsächlich gegenüber den USA energisch genug auftritt. Ähnlich sah die Lage auch der Europaabgeordnete Georg Mayer von der FPÖ. Es werde nicht leicht sein, die USA zurückzudrängen, gab auch Minister Stöger zu bedenken, er gehe aber davon aus, dass die EU die Bedeutung des Themas erkannt hat und alles daran setze, in dieser Frage mit einer Stimme zu sprechen. 

 

Die aktuelle Dominanz der USA sowie der amerikanischen Konzerne bei der Gestaltung des Internet geht den Abgeordneten zu weit, das war aus den Wortmeldungen deutlich zu erkennen, wobei die Bedenken insbesondere auch vor dem Hintergrund des NSA-Skandals geäußert wurden. Wie Christine Muttonen (S) es ausdrückte, ist der Vorwurf, die EU sei eine digitale Kolonie der USA, durchaus berechtigt. Europa sei daher gefordert, am Ausbau seiner digitalen Infrastruktur zu arbeiten, sagte Muttonen. Zudem sei es notwendig, in den Datenschutz zu investieren und auch diesem Bereich der technischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Sie zeigte sich hier eines Sinnes mit dem Minister.

 

Strengere Datenschutzregeln würden das Vertrauen in das Internet wieder stärken, bemerkte Philip Kucher (S), hier könnte sich die EU auch international gut positionieren, meinte er. Albert Steinhauser (G) und Gerald Loacker (N) sprachen in diesem Zusammenhang die Vorratsdatenspeicherung an, worauf der Minister dezidiert festhielt, dass es von seiner Seite keinen Vorstoß zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung geben werde. Wichtig sei, dass Polizei und Justiz Zugang zu Informationen bekommen, dies könne jedoch nur im Rahmen rechtstaatlicher und vom Verfassungsgerichtshof und europäischen Gerichtshof festgelegter Kriterien erfolgen.

 

Aufgrund einiger Wortmeldungen unterstrich Minister Stöger, das Internet habe viele Freiheiten gebracht, berge aber auch viele Gefahren. Der freie Zugang zum Internet sei zu gewährleisten, gleichzeitig habe man die Grenzen der Kommerzialisierung zu erkennen. Um Missbrauch beim freien Zugang hintanzuhalten, brauche es einen steuernden Rahmen, der international festgelegt ist. Er stimmte damit Albert Steinhauser (G) zu, der die Festlegung eines Grundprinzipienkatalogs für unumgänglich hält, damit einzelne Staaten nicht jene Richtung einschlagen, die einem liberalen und rechtsstaatlichen Zugang entgegenstehen. Von einem angedachten Ausschluss einiger Länder in diesem Zusammenhang hält der Minister wenig, denn es sei falsch zu glauben, dass man durch das Fernhalten einiger Staaten Missbrauch verhindern könne. Notwendiger sei es, einen Austausch über die unterschiedlichen Wertvorstellungen zu führen und gemeinsame Positionen zu erarbeiten, hielt er gegenüber Barbara Rosenkranz (F) fest.

 

Die Netzneutralität ist dem Minister ein wichtiges Anliegen, es stelle sich dabei nur die Frage wo die Grenzen des freien Zugangs liegen, merkte er gegenüber den Abgeordneten Gerald Loacker (N) und Albert Steinhauser (G) an. Loacker hatte sich im Vorfeld auch kritisch in Bezug auf Netzsperren geäußert und gemeint, löschen sei besser als sperren. Darauf reagierte der Minister mit der Bemerkung, für Netzsperren gebe es in Österreich keine Rechtsgrundlage und eine solche sei auch nicht geplant. Den Abgeordneten Marcus Franz (T), Philip Kucher (S) und Eva-Maria Himmelbauer (V) gegenüber bekräftigte er, dass die Cyberkriminalität ein Thema darstelle, dem man besondere Aufmerksamkeit widmen müsse.

 

Grundsätzlich versicherte er Eva-Maria Himmelbauer (V) gegenüber, dass im Rahmen des österreichischen Entscheidungsprozesses sämtliche Stakeholder eingebunden werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tierarzneimittel

 

 

Die Zulassung und der Einsatz von Tierarzneimitteln sollen in der Europäischen Union verbessert werden. Konkret will die Europäische Kommission mit einer Verordnung den Zugang zu veterinärmedizinischen Medikamenten erleichtern. Besonders dort, wo derzeit oft Mangel herrscht, etwa bei Tieren mit geringer wirtschaftlicher Bedeutung wie Bienen sowie für bestimmte Krankheiten, führe die Nichtverfügbarkeit von Arzneimitteln zu einem Gesundheitsrisiko für Tier und Mensch, beschrieb Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser den Hintergrund der Initiative. Im EU-Unterausschuss wurde der Vorstoß geteilt aufgenommen. Während SPÖ, ÖVP und Grüne die Regelungen für eine bessere Versorgung mit Tierarzneimitteln grundsätzlich befürworteten, sehen FPÖ und Team Stronach die Entscheidungshoheit darüber lieber in nationaler Hand.

 

 

Die EU-Regelungen für Tierarzneimittel sollen vereinfacht und präzisiert werden, nicht zuletzt, damit Innovationen auf dem Gebiet schneller realisierbar sind, so Ministerin Oberhauser. Es gelte zu vermeiden, dass Versorgungslücken entstehen, weil die Entwicklung eines weniger häufig nachgefragten Arzneimittels – etwa in Nischenbereichen - auf Grund der Zulassungsauflagen zu teuer kommt. Positiv bewertet sie außerdem, dass in dem Vorschlag auch homöopathische Arzneimittel mitbedacht werden. Ganz anders sehen Reinhard Eugen Bösch (F) und Marcus Franz (T) die Überlegung, Arzneimittelgaben an Tiere EU-weit einheitlich zu regeln; dem tat auch Wolfgang Pirklhubers (G) Eintreten für eine Harmonisierung der Tierarzneimittel-Standards keinen Abbruch. Bösch und Franz befürchten, dass aus wirtschaftlichen Interessen mit enormen Kosten ein national gut geregelter Bereich von der EU-Zentrale bestimmt wird.

 

Im Sinne der Tiergesundheit begrüße er die praxisnahen EU-Vorgaben, hielt ÖVP-Abgeordneter Franz Eßl dagegen. Trotzdem, merkte er an, dürften neue Kontrollbestimmungen des Arzneimitteleinsatzes in der Tierhaltung nicht zur vermehrter Bürokratie führen. Bundesministerin Oberhauser betonte daraufhin, die bereits bestehende Antibiotika-Datenbank gewährleiste lediglich den notwendigen Überblick, schon im Interesse der VerbraucherInnen.

 

 

Um der wachsenden Antibiotikaresistenz durch Medikamentenrückstände in Fleischwaren entgegenzutreten, möchte die EU mit ihrem Vorschlag für Tierarzneimittel, dass Tiere nur noch eingeschränkt mit für Menschen vorgesehenen Antibiotika behandelt werden. Zur Vorbeugung von Krankheiten oder Leistungssteigerung bei Nutztieren sollten Antibiotika gar nicht mehr zum Einsatz kommen, erläuterte Oberhauser zufrieden. Ihr Ressort informiere jährlich am Antibiotikatag über aktuelle Daten zur Antibiotikaresistenz, erklärte sie in diesem Zusammenhang, sowohl in der Humanmedizin wie auch im Veterinärbereich.

 

Die zentralisierte Zulassung von Tierarzneimitteln durch die Europäische Arzneimittelagentur wird laut Kommissionsentwurf vom entsprechenden Verfahren für Humanmedikamente abgekoppelt. Bestimmungen über Tiermedizin müssen daher aus dem Gemeinschaftsverfahren zu Genehmigung und Überwachung von Pharmaka herausgenommen und separat behandelt werden, wie es im Legislativvorschlag zur Änderung heißt. Ob ein Medikament von der EU-Behörde oder national zu genehmigen ist, hänge von der Arzneimittelart ab, so die Kommission. Jedenfalls seien in allen Fällen die gleichen Anforderungen an Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität des Produkts zu stellen.

 

Handlungsbedarf sieht die EU-Kommission auch bei den Arzneifuttermitteln. In einem eigenen Verordnungsentwurf sind einheitliche Standards für die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von mit Medikamenten angereichertem Tierfutter festgelegt. Angestrebt wird eine Qualitätssteigerung bei der Behandlung von Krankheiten, speziell in großen landwirtschaftlichen Tierbeständen. Mit der Verordnung will man eine Richtlinie zur gleichen Thematik aktualisieren. Neu sind beispielsweise Regeln zur Zulassung von Betrieben, die Arzneifuttermittel herstellen und vertreiben, und Grenzwerte für die Verschleppung von Tierarzneimitteln in gewöhnliches Futtermittel. Das "Null-Toleranz-Prinzip" bei minimalen Rückständen würde dabei aufgegeben, erläuterte die Gesundheitsministerin, die EU argumentiere hier mit der unvermeidbaren Feststellung von zurückgebliebenen Arzneimittelspuren durch die moderne Labortechnik.

 

Die Vorgaben zu Produktion und Mischen der Arzneifuttermittel werden im Entwurf an den technischen Fortschritt auf diesem Gebiet angepasst. Intention der Kommission ist auch hier, das Risiko der Antibiotikaresistenz zu verringern, die Tiergesundheit durch eine exakte Dosierung von Tierarzneimitteln zu verbessern und Hindernisse bei der Anwendung von neuartigen Arzneifuttermitteln zu beseitigen.

 

 

Insgesamt begrüßte Gesundheitsministerin Oberhauser die Maßnahmen zur besseren Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln. Starke Vorbehalte äußerte sie aber gegenüber Bestimmungen, die den Internetverkauf von rezeptpflichtigen Tierarzneimitteln ermöglichen. Wie im Bereich Humanmedizin wendet Oberhauser sich hier gegen den Fernabsatz von Medikamenten, da dies dem Prinzip der Konsumentensicherheit widerspreche.

 

Angesichts der Überschneidungen in den drei verschiedenen Legislativakten zu Tierarzneimitteln und Arzneifuttermitteln bedauere sie, so Oberhauser weiter, dass sich auf EU-Ebene unterschiedliche Ratsarbeitsgruppen damit befassen. Genauso befanden Michael Ehmann (S) und Wolfgang Pirklhuber (G), das zeitlich und inhaltlich getrennte Vorgehen der Verhandlungsgruppen erschwere Übereinstimmungen in vielen Bereichen. Beispielsweise sei der Begriff "Arzneifuttermittel" Österreich ein Dorn im Auge, präzisierte die Gesundheitsministerin das Missfallen, weil so beschriebene Mischungen folglich wie gewöhnliches Futtermittel behandelt würden. Viel besser wäre es, die seit Jahrzehnten gebräuchliche Bezeichnung "Fütterungsarzneimittel" zu verwenden. Ihre Bedenken untermauerte Oberhauser mit dem Fleischskandal, der in der EU 2013 für Aufregung sorgte, als undeklariertes Pferdefleisch in verarbeiteten Waren aufgetaucht war und in einigen Mitgliedsländern sogar Medikamentenreste in diesen Fleischwaren entdeckt wurden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bio-Landwirtschaft

 

 

Scharf kritisiert wurde im EU-Unterausschuss ein Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission zur Neufassung unionsweiter Bestimmungen für die biologische Landwirtschaft. Schon der EU-Ausschuss des Bundesrats hatte massiven Einspruch gegen die angedachte Verordnung zum ökologischen Landbau und zur Kennzeichnung biologischer Produkte erhoben, da der Entwurf nicht ausreichend die unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten im Unionsraum beachte und die Regelungen unverhältnismäßig seien.

 

Wie die BundesrätInnen stießen sich die Abgeordneten zudem an dem großen Ausmaß delegierter Rechtsakte, mit denen die EU-Kommission die Umsetzung der Verordnung eigenständig regeln kann. "Damit würde das Entscheidungsrecht alleine bei der Kommission liegen", brachte der Landwirtschaftssprecher der Grünen Wolfgang Pirklhuber den Unmut auf den Punkt. Er strebt daher fraktionsübergreifend eine Stellungnahme gegen den Kommissionvorschlag an, um als Parlament bei den Ratsverhandlungen auf EU-Ebene Österreichs Position zu unterstützen.

 

Die Idee eines Protestschreibens des Parlaments gegen den aktuellen Entwurf zur Bio-Landwirtschaft begrüßte Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser. In der derzeitigen Fassung würde die Verordnung nämlich zu wenig die geographischen, klimatischen und wirtschaftlichen Unterschiede im biologischen Landbau einzelner Mitgliedsländer berücksichtigen. Daher sei hier nationalen bzw. regionalen Einschränkungen der Vorzug zu geben, zumal ernste Bedenken in Bezug auf das Subsidiaritätsprinzip bestünden. Die Kommission behält sich im Entwurf vor, mit Durchführungsrechtsakten detaillierte Regelungen zu einzelnen Aspekten von Produktion, Kennzeichnung, Vermarktung, Lagerung, Transport und Kontrolle zu erlassen.

 

Ursprüngliches Ziel des EU-Vorschlags war eine Stärkung der Rechtssicherheit für die biologische Landwirtschaft, damit biologische Produkte im Wettbewerb leichter reüssieren, so Oberhauser. Für stringentere Vorschriften in der Erzeugung sollten verschiedene Sonderregelungen und Ausnahmen aufgehoben werden, beispielsweise will die Kommission das Nebeneinander von ökologischer und herkömmlicher Landwirtschaft verbieten. Den Abgeordneten Franz Eßl (V) und Wolfgang Pirklhuber (G) geht dieses Parallelverbot aber zu weit. Die Almwirtschaft etwa würde sehr unter einheitlich vorgegebenen Einschränkungen der Produktion leiden, mahnte Eßl. Pirklhuber verdeutlichte die negativen Auswirkung für die ökologisch orientierte Landwirtschaft mit dem Beispiel eines Bio-Bauern, der nicht mehr das Bio-Label nutzen dürfte, falls er nebenbei auch konventionellen Weinbau betreibt.

 

Generell bedürfe es im Unionsraum einer Revision der Bio-Etikettierung, meinte Pirklhuber, sodass Produkte aus Drittstaaten nicht mehr automatisch wie EU-Lebensmittel als ökologisch nachhaltig gekennzeichnet werden. Das würde die Bio-Landwirtschaft in der Europäischen Union tatsächlich stärken.

 

SPÖ-Mandatar Maximilian Unterrainer führte ins Treffen, die geltende Bio-Verordnung der EU sei erst 2009 in Kraft getreten. Eine Änderung des Rechtsakts in dieser kurzen Zeitspanne sei deswegen zu hinterfragen, wiewohl er eine Anhebung des Verbrauchervertrauens durch neue Umweltschutzregelungen für Verarbeitungsbetriebe sowie Groß- und Einzelhändler grundsätzlich begrüßte. Um die Kritikpunkte am Verordnungsentwurf bei der nächsten Sitzung in einer Stellungnahme an Brüssel zu artikulieren, beschloss der Ausschuss einstimmig die Vertagung des Kommissionsvorschlags

 

 

 

 

 

Gentechnik

 

 

Für die Mitgliedstaaten der EU soll es in Zukunft eine bessere rechtliche Absicherung für Entscheidungen geben, den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zu verbieten. Sie können zwar nicht von vornherein festlegen, gentechnikfrei zu bleiben, dennoch soll ein neues System de facto das Selbstbestimmungsrecht der einzelnen Länder in dieser Frage gewährleisten. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser begrüßte den EU-Vorschlag als einen Kompromiss, der die Möglichkeit bietet, ein Land nachhaltig gentechnikfrei zu halten.

 

Das Thema ist insofern hoch aktuell, als sich am selben Tag auch der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments mit der Materie befasst hat. Nach derzeitigem Stand ist ein zweistufiges Modell vorgesehen. So können die Firmen einen Antrag auf Zulassung von Saatgut für ganz Europa stellen. Die EU-Kommission verhandelt daraufhin mit dem Konzern über Ausnahmen für einzelne Länder. Stimmt das Unternehmen nicht zu, kann in einem zweiten Verfahren erneut von einem Mitgliedstaat eine Ausnahme beantragt werden, indem nationale Besonderheiten angeführt werden.

 

Dieser Vorschlag wurde auch heute im EU-Unterausschuss allseits begrüßt. Österreich brauche eine ausgewogene und nachhaltige Landwirtschaft, mit dem neuen Richtlinienentwurf könne man das nun selbst entscheiden, freute sich Christine Muttonen (S). "Das nun festgelegte Selbstbestimmungsrecht ist in unserem Sinne", zeigte sich auch Franz Leonhard Eßl (V) zufrieden. Gerald Loacker (N) sprach von einem Schritt in die richtige Richtung, auch wenn er Verständnis für geäußerte Bedenken zeigte.

 

Diese Bedenken wurden vor allem von Wolfgang Pirklhuber (G) artikuliert, wobei auch er die vorliegende Einigung nicht grundsätzlich ablehnte. Ihm ist jedoch die Tatsache ein Dorn im Auge, dass noch immer einem Konzern zugebilligt wird, seine Zustimmung zu einer staatlichen Entscheidung zu geben, in diesem Fall gentechnikfrei zu bleiben. Durch das zweistufige Verfahren wird aber dennoch, wenn auch über den Umweg der Kommission, die Entscheidung des Staates abgesichert. Das sei "zynisch", ärgerte sich Pirklhuber und wies auf den Umweltausschuss des Parlaments hin, der festgehalten habe, dass Konzerne nicht in die Entscheidungskompetenz von Staaten eingebunden werden dürfen. Auch Marcus Franz vom Team Stronach hielte es für besser, wenn die Entscheidungskompetenz direkt bei den Staaten liegen würde und nicht der Umweg über die Kommission gesucht werden müsste. Johannes Hübner (F) bezweifelte, dass der Vorschlag WTO-konform ist, da die Zulassung über die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) läuft. Diesen Einwand konnte Ministerin Oberhauser entkräften, indem sie darauf hinwies, dass eine Prüfung die Übereinstimmung mit den Regeln der WTO ergeben habe.

 

Hannes Weninger (S) appellierte daraufhin, dieses Fenster, das die EU nun eröffnet, zu erkennen und zu nutzen. Er habe Verständnis für die Kritik, aber Österreich versuche seit vielen Jahren aus der "GVO-Falle" herauszukommen, daher dürfe man diese einmalige Chance nicht vergeben. 

 

Nach geltender Regel darf innerhalb der EU grundsätzlich ein Saatgut angebaut werden, wenn die EFSA nach eingehender Prüfung und Risikoeinschätzung die Genehmigung erteilt. Die EU-Mitgliedstaaten haben aufgrund einer Schutzklausel in der entsprechenden EU-Regelung die Möglichkeit, den Anbau gentechnisch veränderter Produkte auf ihrem Gebiet zu verbieten. Sie müssen diese Entscheidung begründen und zeigen, dass diese GVO Menschen und Umwelt schaden. Österreich würde aber nach jetziger Rechtslage einer Klage von einem Konzern nicht standhalten können, gab Gesundheitsministerin Oberhauser zu bedenken.

 

Derzeit wird nur ein genetisch verändertes Saatgut in der EU angebaut, nämlich der insektenresistente Mais MON 810 von Monsanto. Österreich hat jedoch genauso wie Deutschland, Bulgarien, Griechenland, Ungarn, Italien, Luxemburg und Polen von der Schutzklausel Gebrauch gemacht und ist bislang, auch im Sinne des innerstaatlichen Konsens, gentechnikfrei geblieben.

 

Nun haben einige Mitgliedsländer mehr Freiheit und Flexibilität eingefordert mit der Begründung, dass es sich um ein "Thema mit ausgeprägter nationaler, regionaler und lokaler Bedeutung handelt, weil es mit der Bodennutzung, den lokalen landwirtschaftlichen Strukturen und dem Schutz oder der Erhaltung von Lebensräumen, Ökosystemen und Landschaften verknüpft ist" heißt es in dem vorliegenden Dokument. Dem kommt nun die EU durch den Änderungsvorschlag zur bestehenden Richtlinie nach und hebt in diesem Zusammenhang auch das Subsidiaritätsprinzip hervor. Es soll vor allem auch die Entscheidungsfreiheit der VerbraucherInnen, der LandwirtInnen und der WirtschaftsteilnehmerInnen gewahrt und auch mehr Klarheit für alle Beteiligten geschaffen werden, bekräftigt die EU-Kommission. Gleichzeitig hält die Kommission fest, dass das gemeinsame Zulassungsverfahren und insbesondere der Evaluierungsprozess durch diese Flexibilität nicht beeinträchtigt werden soll.

 

Der Tagesordnungspunkt wurde schließlich einstimmig vertagt.