Parlament Österreich

 

 

 

V-11 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten

der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Dienstag, 17. Februar 2015

 


Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXV. Gesetzgebungsperiode       Dienstag, 17. Februar 2015

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

1.    5322/15

"Paris Declaration" of 11 January 2015

(52806/EU XXV.GP)

 

2.    13287/14 LIMITE

EU resettlement initiative - "Save Lives"

Discussion paper/Note from Austrian delegation

(38204/EU XXV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kampf gegen den Terrorismus – "Paris Declaration"

 

 

Der Plan der EU-InnenministerInnen, im Rahmen des verstärkten Kampfes gegen den Terrorismus auch Fluggastdaten zwischen den EU-Ländern auszutauschen, entzweite im EU-Unterausschuss Opposition und Regierungsparteien. FPÖ, Grüne, Team Stronach und NEOS sprachen sich entschieden dagegen aus, SPÖ und ÖVP sowie Innenministerin Johanna Mikl-Leitner unterstrichen hingegen, dass man eine grundrechtskonforme und dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechende Lösung anstrebe. Anträge der FPÖ und der NEOS, die Innenministerin seitens des Ausschusses zu verpflichten, gegen die Fluggastdatenspeicherung auf europäischer Ebene aufzutreten und auch innerstaatlich kein derartiges System aufzubauen, fanden im Ausschuss nicht die erforderliche Mehrheit.

 

Die Fluggastdatenspeicherung ist einer von acht Punkten der Pariser Erklärung der Innen- und JustizministerInnen (Paris Declaration) vom 11. Jänner dieses Jahres. Der Wunsch danach ist nicht neu, er ist bislang aber am Widerstand des EU-Parlaments gescheitert. Nach den grausamen Morden an Journalisten der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris Anfang Jänner dieses Jahres ist jedoch die Ablehnungsfront unter den EU-ParlamentarierInnen abgebröckelt. Bis Jahresende soll ein Gesetz über die EU-Fluggastdatensätze (Passenger Name Records - PNR) ausgearbeitet werden, mit dem Ziel, TerroristInnen leichter aufspüren zu können. Bereits jetzt gibt es ein Abkommen, auf Grund dessen die Daten von jenen Passagieren, die zwischen Europa und den USA bzw. Kanada reisen, gespeichert werden können.

 

 

Die Opposition befürchtete geschlossen eine massive Verletzung der EU-Grundrechtecharta sowie eine Aushebelung der Unschuldsvermutung durch Formen der Massenüberwachung, wie dies die Fluggastdatenspeicherung PNR vorsieht. Diese stelle eine Unverhältnismäßigkeit dar und gehe an der tatsächlichen Aufgabenstellung vorbei, hielt Reinhard Eugen Bösch seitens der FPÖ fest und sah sich darin eines Sinnes mit Europa-Abgeordneter Barbara Kappel (F).

 

Die Massenüberwachung bringe im Kampf gegen den Terrorismus und das organisierte Verbrechen gar nichts, zeigten sich auch Peter Pilz (G) und der Grüne Europa-Abgeordnete Michel Reimon überzeugt. Man könne mit den bereits vorliegenden Daten erfolgreich ermitteln, meinte Reimon. Pilz wies darauf hin, dass die bisherigen erfolgreichen Fahndungen auf Zufallstreffern beruhen. Es sei bemerkenswert, dass alle Täter schon vor den Anschlägen polizeibekannt gewesen seien, bemerkte Pilz, woraus er den Schluss zog, dass es vor allem an personellen Ressourcen der Fahndungsbehörden mangelt. Dem schloss sich auch Nikolaus Alm von den NEOS an. Auch er bezweifelte, ob alle Mittel bereits ausgeschöpft sind, und sah die Notwendigkeit, das Personal der Fahndungsbehörden aufzustocken. PNR ist seiner Meinung nach ein Überwachungssystem ohne jeglichen Anlass, das die Menschen unter Generalverdacht stelle. Privatsphäre, Meinungsfreiheit und Grundrechte seien Werte, die unsere Gesellschaft ausmachten und diese dürften daher in keiner Weise ausgehöhlt werden, unterstrich Alm. Er verwies auch auf den Europäischen Gerichtshof sowie auf den Verfassungsgerichtshof, die beide die Vorratsdatenspeicherung gekippt haben. Ebenso skeptisch äußerte sich Rouven Ertlschweiger (T) hinsichtlich der Erfolgsaussichten einer Massenüberwachung im Kampf gegen den Terror. Seine Bedenken galten auch der Datensicherheit, zumal immer wieder sensible Daten an die Öffentlichkeit gelangen.

 

Peter Pilz (G) warf der Innenministerin vor, bei ihrer Zustimmung zur Pariser Deklaration die Stellungnahme des EU-Unterausschusses vom 5. April 2011 missachtet zu haben. Dem hielt Wolfgang Gerstl von der ÖVP entgegen, dass es sich dabei um eine Erklärung der MinisterInnen handle und um keinen EU-Rechtsakt. In der Deklaration sei ausdrücklich festgehalten, dass die Fluggastdatenspeicherung nur unter Berücksichtigung der Grundrechtecharta und der Datenschutzrichtlinie erfolgen könne, womit die Verhältnismäßigkeit und die Achtung der Grundrechte gewahrt bleibe.

 

Man befinde sich derzeit im Stadium der Diskussion auf europäischer Ebene, unterstrich auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die mehrmals bekräftigte, dass eine Lösung dieser Frage außerhalb der geltenden Grundrechte für sie nicht denkbar sei. Aus diesem Grund sei bei der Erarbeitung der PNR auch die Europäische Grundrechte-Agentur miteinbezogen, die ihrerseits 12 Punkte für eine grundrechtskonforme Lösung vorgelegt habe. Außerdem würden auch die höchstgerichtlichen Erkenntnisse zur Vorratsdatenspeicherung beachtet, stellte sie klar. Sie sehe daher in keiner Weise einen Widerspruch zur Stellungnahme des EU-Unterausschusses aus dem Jahr 2011, vielmehr gehe sie damit völlig konform.

 

Man warte nun auf konkrete Vorschläge, die dann einer Bewertung unterzogen würden. Europa-Abgeordneter Heinz Becker (V) wies darauf hin, dass 80% der Europa-ParlamentarierInnen für die Speicherung der Fluggastdaten eingetreten seien und auch Bundeskanzler Faymann im Rat die Forderung nach einer strikten und wirksamen Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung unterstützt habe.

 

Der Sicherheitssprecher der SPÖ Otto Pendl appellierte an alle, in der Diskussion Sachlichkeit walten zu lassen und die Emotionen herauszunehmen. Es gehe immer um Verhältnismäßigkeit, sagte er, es habe sich aber gezeigt, dass man mit Präventionsmaßnahmen allein nicht auskomme. Auch gehe der Vorwurf von Peter Pilz, die gefassten Täter seien alle amtsbekannt gewesen, insofern ins Leere, als es sehr schwierig sei, im Vorfeld strafrechtliche Maßnahmen zu setzen. Es seien daher weitere Schritte in der Ausbildung, aber auch in technischer und wissenschaftlicher Hinsicht notwendig, um die analytischen Aufgabenstellungen zu bewältigen und rechtzeitig die richtigen Schlüsse zu ziehen. Bei allen Maßnahmen müsse man sich dessen bewusst sein, dass es nicht nur um den Schutz der Bevölkerung gehe, sondern auch um den Schutz jener Beamtinnen und Beamten, die täglich im Einsatz für die Sicherheit der Bevölkerung tätig sind, betonte Pendl.

 

Im Kampf gegen den Terrorismus, der nicht nur Opfer in Paris, sondern auch in London, Madrid, Brüssel und jüngst in Kopenhagen gefordert hat, beabsichtigen die EU-InnenministerInnen eine verstärkte Koordination. Die oben genannte Pariser Erklärung spricht von einem solidarischen Vorgehen. In Europa sei nun Entschlossenheit und Geschlossenheit spürbar, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die Mitgliedstaaten seien sich darin einig, jenen keinen Spielraum zu lassen, die unsere Freiheit und Demokratie untergraben wollen. Die Stoßrichtung sehe zwei Pfeiler vor, einerseits Prävention und andererseits Repression.

 

Eine wichtige Rolle falle dabei der gemeinsamen Kommunikationsstrategie zu. So sei geplant, mit gezielten Maßnahmen der zunehmenden Radikalisierung junger Muslime über das Internet entgegenzuwirken, etwa durch die Entwicklung positiver zielgerichteter und leicht zugänglicher Informationen, die geeignet sind, radikaler Propaganda und Indoktrination entgegenzuwirken und die Grundrechte und Werte der EU zu fördern. Die Wertschätzung der Grund- und Freiheitsrechte sei die beste Waffe gegen den Terror, sagte dazu die Innenministerin. Die Strategie werde von der EU-Kommission gemeinsam mit der Grundrechte-Agentur ausgearbeitet. In die Strategie werden auch Maßnahmen zur Bekämpfung des Antisemitismus aufgenommen, bemerkte sie gegenüber Angelika Winzig (V).

 

Die Mitgliedstaaten sind auch aufgerufen, das "Syria Strategic Communication Advisory Team - SSCAT)" mehr zu nutzen. Diese neuartige Einrichtung dient als Netzwerk und Unterstützung bei der Ausarbeitung von Kampagnen zur strategischen Kommunikation und Prävention von Terrorismus. Zudem will man die Kooperation mit Internetprovidern hinsichtlich der Möglichkeit suchen, Aufrufe zu Terror und Hass löschen zu können.

 

Ferner soll die Zusammenarbeit im Bereich der Strafverfolgung, unter anderem mit Hilfe von Europol, Eurojust und Interpol, intensiviert werden. Vor allem soll die Rolle von Europol gestärkt und dessen Informationssystem besser genutzt werden. Als wichtige Maßnahme will man extremistische Seiten besser analysieren und an die Mitgliedstaaten weitergeben.

 

Gleichzeitig ist angedacht, die EU-Außengrenzen effektiver zu schützen und in diesem Sinne das Schengener Informationssystem mehr als bisher zur Überwachung der Reisebewegungen von EuropäerInnen über die EU-Außengrenzen heranzuziehen. Man werde Risikoindikatoren definieren, um sogenannte "foreign fighters" identifizieren zu können, erklärte die Innenministerin. Auch will man mit jenen Ziel- und Transitländern enger kooperieren, die viele "foreign fighters" nutzen, um von Europa in den Krieg zu ziehen.

 

Geht es nach den Innen- und JustizministerInnen der EU, soll ferner ein verbesserter Informationsaustausch zwischen den Geheimdiensten dazu beitragen, die Verbreitung illegaler Waffen stärker begrenzen zu können.

 

Dem Vorwurf von Abgeordnetem Reinhard Eugen Bösch (F), Österreich habe seine Hausaufgaben nicht gemacht, hielt die Ministerin entgegen, dass man innerstaatlich sehr wohl wesentliche Schritte gesetzt habe. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang an das Grenzkontrollgesetz, an das Symbole-Gesetz sowie an die Änderungen im Staatsbürgerschaftsgesetz. Außerdem habe man die Polizeipräsenz verstärkt und die Sicherheitsoffensive werde Schritt für Schritt umgesetzt, bekräftigte sie. Die Beratungsstelle gegen Extremismus, die im Familienministerium angesiedelt ist, habe sich gut etabliert, berichtete die Ministerin, bisher seien 115 Anrufe eingegangen, 28 davon von besorgten Angehörigen. Außerdem sei sie im Gespräch mit der Unterrichtsministerin, da man das Wissen von PräventionsexpertInnen im Rahmen der LehrerInnenausbildung den Pädagogischen Hochschulen zur Verfügung stellen wolle.

 

Seitens der FPÖ unterstrich Europa-Abgeordnete Barbara Kappel (F) die Notwendigkeit einer verstärkten Behördenzusammenarbeit und eines besseren Schutzes der EU-Außengrenzen. Priorität hat ihr zufolge auch die geplante EU-Strategie zur Sicherheitspolitik sowie die Unterbindung der Terrorfinanzierung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Asyl – Initiative "Save Lives"

 

 

Den EU-Unterausschuss beschäftigte auch das Thema Asyl. Angesichts der stark steigenden Zahl an Asyl suchenden Menschen hatte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner beim Rat der Justiz- und Innenminister am 8. Juli 2014 unter dem Titel "Save Lives" einen europäischen Asylschlüssel vorgeschlagen. Der Schlüssel soll eine faire und ausgewogene Verteilung sicherstellen. Vorgesehen ist, dass der UNHCR bereits in den Drittstaaten die Schutzbedürftigkeit der AsylwerberInnen prüft, das tatsächliche Asylverfahren nehmen dann die Mitgliedstaaten vor. Seitens der EU-Kommission wird derzeit intensiv an der Ausarbeitung dieses von Österreich initiierten Pilotprojekts gearbeitet, insbesondere müssen Kriterien definiert werden, nach welchen die Quote in den einzelnen Ländern festgelegt wird.

 

Im Vordergrund stehe der humanitäre Gedanke der Rettung schutzbedürftiger Flüchtlinge, betonte die Innenministerin gegenüber den Ausschussmitgliedern, es gelte, den Flüchtlingen eine legale und sichere Einreise in die EU zu ermöglichen. Gebot der Stunde sei es, den Schleppern den Nährboden zu entziehen und die Menschen vor einer lebensgefährlichen Flucht zu bewahren. Die Notwendigkeit eines gerechten Verteilungsschlüssels sieht Mikl-Leitner auch angesichts der Tatsache, dass über 90% aller Asylanträge von nur 10% der Mitgliedstaaten abgearbeitet wird. Die Solidarität werde derzeit nur von einigen wenigen gelebt, sagte sie.

 

Ihre Initiative gewinne immer mehr an Unterstützung, freute sich Mikl-Leitner, die konkrete Vorschläge der EU-Kommission für das Pilotprojekt in den nächsten Wochen erwartet. Die positive Aufnahme auf europäischer Ebene wurde auch von Europa-Abgeordnetem Heinz Becker (V) bestätigt. Er konnte über große Zustimmung aller Fraktionen im Sicherheitsausschuss des Europäischen Parlaments berichten. Die Initiative zeige einen Weg vor, der eine zukünftige solidarische Regelung beschleunigen könne, ist er überzeugt.

 

Auch unter den Ausschussmitgliedern rief die österreichische Initiative weitgehend positive Reaktionen hervor, lediglich die FPÖ äußerte sich negativ. So meinte etwa Josef Cap (S), der Vorschlag der Ministerin stelle einen "schlauen Versuch" dar, zu einem Verteilerschlüssel zu gelangen, dies könne aber nur ein Teil eines Gesamtkonzepts sein. Diese Meinung vertrat auch Tanja Windbüchler-Souschill (G), die sich für eine solidarische Flüchtlingspolitik stark machte. Ebenso meinte Nikolaus Alm (N), die Asylproblematik könne nur auf europäischer Ebene gelöst werden.

 

Etwas kritischere Töne kamen vom Team Stronach. Man müsse zwischen tatsächlich Verfolgten einerseits und Wirtschaftsflüchtlingen andererseits unterscheiden, betonte Rouven Ertlschweiger. In der Asylfrage vermisst er derzeit eine europäische Solidarität, weshalb er sich einmal mehr dafür aussprach, temporäre Grenzkontrollen zu überlegen. EU-Mitgliedstaaten müssten sensibilisiert werden, ihre Asylquoten zu erfüllen, sagte Ertlschweiger, der zudem darauf drängte, die innerstaatlichen Asylverfahren zu beschleunigen.

 

Auf völlig negative Resonanz fiel die Asylinitiative bei den Abgeordneten der FPÖ. Es könne nicht sein, dass man die Einwanderungspolitik an den UNHCR ausgliedert und somit einen Kernbereich der Souveränität abgibt, kritisierten Johannes Hübner und Barbara Rosenkranz (beide F). Das Asylproblem müsse dort gelöst werden, wo es entsteht, hielten beide fest. Den Wirtschaftsflüchtlingen müsse man klarmachen, dass sie nicht bleiben können, und sie auch wieder in ihre Heimatländer zurückschicken.

 

In der Debatte griff Josef Cap (S) das grundsätzliche Problem der aktuellen Flüchtlingsströme auf und kritisierte dabei scharf die Außenpolitik der EU und der USA. Man habe die revolutionären Bewegungen in Nord-Afrika und im Nahen Osten unterstützt und danach getrachtet, die Diktatoren loszuwerden, an Lösungen danach habe man nicht gedacht, meinte Cap. Eine Außenpolitik, die so handelt und nicht die Frage des Danach stellt, sei ein blanker Wahnsinn und erzeuge die Wanderbewegungen, vor denen wir heute stehen. Man dürfe sich daher über die Flüchtlingsströme nicht wundern, stellte er fest und wurde in seiner Analyse auch von der Innenministerin bestätigt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der FPÖ auf Stellungnahme wurde auch von den Grünen, dem Team Stronach und den NEOS unterstützt, von SPÖ und ÖVP jedoch mehrheitlich abgelehnt:

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

 

der Abgeordneten Dr. Hübner, Dr. Bösch, B. Rosenkranz und Mölzer

 

betreffend

 

5322/15

"Paris Declaration" of 11 January 2015 (52806/EU XXV.GP)

 

eingebracht in der Sitzung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 17.02.2015

 

 

 

Angesichts des brutalen Anschlages auf die Redaktion des französischen Satireblattes Charlie Hebdo und der darauf folgenden Geiselnahme ist in Europa die Debatte über Anti-Terror-Maßnahmen neu entfacht. Es gilt, auf nationalstaatlicher Ebene kohärente Strategien (weiter) zu entwickeln, um terroristisch motivierte Attentate zu verhindern.

 

"Charlie Hebdo" steht im Diskurs fast schon synonym für einen Angriff auf unsere Werte, wie Rechtsstaatlichkeit, Meinungs- und Redefreiheit sowie Menschenrechte, Toleranz und Demokratie.

Dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Verteidigung dieser Werte nicht mit einer Einschränkung derselben einhergehen darf: Grundrechte dürften nicht einem vermeintlichen Sicherheitsgewinn geopfert werden.

 

Die vorliegende Erklärung formuliert gleichermaßen Ziele wie konkrete Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. Neben der Intensivierung der Zusammenarbeit und Präventionsmaßnahmen im Internet durch Awareness-Kampagnen sowie die gezieltere Bekämpfung terroristischer Aktivitäten soll auch eine anlasslose und massenhafte Fluggastdatenspeicherung (PNR) in der EU forciert werden.

PNR umfasst die Daten, die von Passagieren bei Flügen angegeben werden. Also 19 Datensätze mit bis zu 60 Einzeldaten, die neben Name, Alter, Adresse, Bezahldaten beispielsweise auch die Flugroute oder eventuelle Speisewünsche enthalten. Fluggastdatenspeicherung ist in vielerlei Hinsicht problematisch: Sie hebelt die Unschuldsvermutung aus, indem sie Personen unter Generalverdacht stellt, und verstößt gegen die EU-Grundrechtecharta.

 

Die 2011 in Folge einer Forderung des Europäischen Rats präsentierte Richtlinie stieß im selben Jahr im EU-Unterausschuss auf fraktionsübergreifende Skepsis:

 

"Die geplante Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR-Daten) innerhalb der EU als zusätzliches Mittel im Kampf gegen Terrorismus und schwere Kriminalität wird von österreichischer Seite mit großer Skepsis gesehen. Das machten Abgeordnete aller Fraktionen sowie Innenministerin Maria Theresia Fekter im heutigen EU-Unterausschuss des Nationalrats klar. Vor allem äußerten die Ausschussmitglieder Sorge wegen unverhältnismäßiger Grundrechtseingriffe, die mit der Umsetzung des Vorhabens verbunden wären." PK Nr. 342 vom 05.04.2011

 

Auch wenn die Richtlinie in der Form von 2011 überarbeitet bzw. durch einen neuen Vorschlag ersetzt wird, muss grundlegend an der Verhältnismäßigkeit einer solchen Regelung gezweifelt werden. Der konkrete Nutzen sowie die Notwendigkeit von PNR ist - vergleichsweise mit der vom EuGH als grundrechtsverletzend eingestuften Vorratsdatenspeicherung - nicht nachgewiesen.

 

Schon 2011 hat sich der Nationalrat in einer Stellungnahme dafür ausgesprochen, dass weitere Nachweise für Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der PNR von der Kommission vorgelegt werden sollen. Dies ist bislang nicht überzeugend geschehen. Der Kostenfaktor von PNR wird seitens der Kommission auf ca. 500 Millionen Euro geschätzt, eine Summe, bei der es gilt, über ihren Einsatz und den Kosten-Nutzen-Faktor zu beraten. Auch wenn manche Mitgliedsstaaten bereits ein nationales PNR-System eingerichtet haben und seitens Vertretern  der Kommission und des Europäischen Parlaments betont wird, dass durch eine Europäische Regelung der Schutz von Grundwerten eher garantiert wäre, als bei nationalen Alleingängen, ist derzeit nicht überzeugend dargelegt, wie dieser Schutz garantiert werden soll.

 

Nach den Anschlägen am 11. September 2001 wurden von EU-Staaten insgesamt 239 Anti-Terror-Maßnahmen gesetzt; wie effektiv diese Maßnahmen sind, wurde jedoch nicht systematisch ausgewertet.

 

Weiters wäre es Ermangelung einer modernen Datenschutzgrundverordnung auf Europäischer Ebene fahrlässig, Verhandlungen zu PNR zu konkretisieren.

Grundrechte müssen sichergestellt sein: In diesem Sinne sollen bestehende Maßnahmen zur Terror-Bekämpfung ausgeschöpft und evaluiert, sowie grundrechtsschonende Alternativen forciert werden.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

 

Der Ständige Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Inneres, wird aufgefordert, im Zuge der Verhandlungen zu Anti-Terror-Maßnahmen und hinsichtlich einer EU-Regelung zur Fluggastdatenspeicherung folgende Punkte zu vertreten:

 

·         Angesichts der Tatsache, dass PNR eine massive Verletzung der EU-Grundrechtecharta darstellen kann, muss die österreichische Bundesregierung auf Europäischer Ebene dieser eine klare Absage erteilen.

 

·         Aus diesen Gründen soll die österreichische Bundesregierung auch kein nationales PNR-System aufbauen."

 

 

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde

 

 

Folgender Antrag der NEOS wurde auch von den Grünen und dem Team Stronach unterstützt, von SPÖ, ÖVP und FPÖ jedoch mehrheitlich abgelehnt:

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gem. Art. 23e Abs.3 B-VG

 

 

Des Abgeordneten Niko Alm

 

betreffend Paris Declaration (52806/EU)

 

eingebracht in der Sitzung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 17.2.2015

 

 

 

Angesichts des brutalen Anschlages auf die Redaktion des französischen Satireblattes Charlie Hebdo und der darauf folgenden Geiselnahme ist in Europa die Debatte über Anti-Terror-Maßnahmen neu entfacht. Es gilt, auf europäischer Ebene kohärente Strategien (weiter) zu entwickeln, um terroristisch motivierte Attentate zu verhindern. "Charlie Hebdo" steht im Diskurs fast schon synonym für einen Angriff auf unsere Werte, wie Rechtsstaatlichkeit, Meinungs- und Redefreiheit sowie Menschenrechte, Toleranz und Demokratie. Dass die Europäische Union und ihre Institutionen dementsprechend die Zusammenarbeit bei Präventionsmaßnahmen intensivieren will, ist selbstredend ein konsequenter Schritt. Dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Verteidigung dieser Werte nicht mit einer Einschränkung derselben einhergehen darf: Grundrechte dürften nicht einem vermeintlichen Sicherheitsgewinn geopfert werden.

 

Die vorliegende Erklärung formuliert gleichermaßen Ziele wie konkrete Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. Neben der Intensivierung der Zusammenarbeit und Präventionsmaßnahmen im Internet durch Awareness-Kampagnen sowie die gezieltere Bekämpfung terroristischer Aktivitäten soll auch eine anlasslose und massenhafte Fluggastdatenspeicherung (PNR) in der EU forciert werden.

 

PNR umfasst die Daten, die von Passagieren bei Flügen angegeben werden. Also 19 Datensätze mit bis zu 60 Einzeldaten, die neben Name, Alter, Adresse, Bezahldaten beispielsweise auch die Flugroute oder eventuelle Speisewünsche enthalten. Fluggastdatenspeicherung ist in vielerlei Hinsicht problematisch: Sie hebelt die Unschuldsvermutung aus, indem sie Personen unter Generalverdacht stellt, und verstößt gegen die EU-Grundrechtecharta. Die 2011 in Folge einer Forderung des Europäischen Rats präsentierte Richtlinie stieß im selben Jahr im EU-Unterausschuss auf fraktionsübergreifende Skepsis:

 

"Die geplante Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR-Daten) innerhalb der EU als zusätzliches Mittel im Kampf gegen Terrorismus und schwere Kriminalität wird von österreichischer Seite mit großer Skepsis gesehen. Das machten Abgeordnete aller Fraktionen sowie Innenministerin Maria Theresia Fekter im heutigen EU-Unterausschuss des Nationalrats klar. Vor allem äußerten die Ausschussmitglieder Sorge wegen unverhältnismäßiger Grundrechtseingriffe, die mit der Umsetzung des Vorhabens verbunden wären." PK Nr. 342 vom 05.04.2011

 

Auch wenn die Richtlinie in der Form von 2011 überarbeitet bzw. durch einen neuen Vorschlag ersetzt wird, muss grundlegend an der Verhältnismäßigkeit einer solchen Regelung gezweifelt werden. Der konkrete Nutzen sowie die Notwendigkeit von PNR ist - vergleichsweise mit der vom EuGH als grundrechtsverletzend eingestuften Vorratsdatenspeicherung - nicht nachgewiesen. Schon 2011 hat sich der Nationalrat in einer Stellungnahme dafür ausgesprochen, dass weitere Nachweise für Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der PNR von der Kommission vorgelegt werden sollen. Dies ist bislang nicht überzeugend geschehen. Der Kostenfaktor von PNR wird seitens der Kommission auf ca. 500 Millionen Euro geschätzt, eine Summe, bei der es gilt, über ihren Einsatz und den Kosten-Nutzen-Faktor zu beraten. Auch wenn manche Mitgliedsstaaten bereits ein nationales PNR-System eingerichtet haben und seitens Vertreter_innen der Kommission und des Europäischen Parlaments betont wird, dass durch eine Europäische Regelung der Schutz von Grundwerten eher garantiert wäre, als bei nationalen Alleingängen, ist derzeit nicht überzeugend dargelegt, wie dieser Schutz garantiert werden soll.

 

Nach den Anschlägen am 11. September 2001 wurden von EU-Staaten insgesamt 239 Anti-Terror-Maßnahmen gesetzt; wie effektiv diese Maßnahmen sind, wurde jedoch nicht systematisch ausgewertet. Weiters wäre es Ermangelung einer modernen Datenschutzgrundverordnung auf Europäischer Ebene fahrlässig, Verhandlungen zu PNR zu konkretisieren. Grundrechte müssen sowohl off-, als auch online sichergestellt sein: In diesem Sinne sollen bestehende Maßnahmen zur Terror-Bekämpfung ausgeschöpft und evaluiert, sowie grundrechtsschonende Alternativen forciert werden.

 

Das bezieht sich in Folge auch auf den Bereich Entwicklungszusammenarbeit: Um nachhaltig und insbesondere präventiv zu agieren, dürfen Sicherheitsmaßnahmen nicht ausschließlich auf das Schengengebiet beschränkt werden. Die Wurzeln der terroristischen Aktivitäten liegen unter anderem in der Ermangelung rechtsstaatlicher Strukturen. Österreich hinkt hier eigenen Zielsetzungen weit hinterher: Die im Regierungsprogramm festgelegte Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds von 5 auf 20 Millionen Euro ist immer noch ausstehend und die Mittel, die für internationale EZA veranschlagt werden, müssen aufgestockt werden. Als Beispiel dafür, weswegen humanitäre Hilfe und institutioneller Aufbau im EU-Ausland essentielle Instrumente sind, lässt sich die Rekrutierung von Vertriebenen in Flüchtlingscamps durch den IS ins Feld führen. 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Antrag auf Stellungnahme gem. Art. 23e Abs.3 B-VG

 

 

Der Ständige Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

"Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Inneres werden aufgefordert, im Zuge der Verhandlungen zu Anti-Terror-Maßnahmen und hinsichtlich einer EU-Regelung zur Fluggastdatenspeicherung folgende Punkte zu berücksichtigen:

 

·         Analog zu den Verhandlungen über weitere Schritte in Hinsicht der Forcierung von Anti-Terror-Maßnahmen sollen insbesondere Sicherheitsmaßnahmen, die auf Initiativen außerhalb des Schengen-Raumes abzielen, erwogen werden. Über Intensivierung der internationalen Entwicklungszusammenarbeit muss beraten werden, um eine nachhaltige und vor allem präventive europäische Sicherheitspolitik zu ermöglichen.

 

·         Angesichts der Tatsache, dass PNR eine massive Verletzung der EU-Grundrechtecharta darstellen kann, muss die österreichische Bundesregierung auf Europäischer Ebene vehement gegen eine solche Regelung auftreten.

 

·         Aus diesen Gründen soll die österreichische Bundesregierung auch kein nationales PNR-System aufbauen.

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.