Parlament Österreich

 

 

 

V-16 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten

der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Dienstag, 17. November 2015

 


Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXV. Gesetzgebungsperiode       Dienstag, 17. November 2015

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

1.    12165/15

Schlussfolgerungen des Rates zu den Vorbereitungen für die 21. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien (COP 21) des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) und für die 11. Tagung der Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls (CMP 11) (Paris, 30. November - 11. Dezember 2015)

(77150/EU XXV.GP)

 

 

2.    12809/15

"Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung" und ihre umweltpolitischen Perspektiven - Gedankenaustausch

(80069/EU XXV.GP)

 

 

3.    COM(2013) 920 final

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verringerung der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe und zur Änderung der Richtlinie 2003/35/EG

(7999/EU XXV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Umweltschutz war das zentrale Thema des EU-Unterausschusses am 17. November 2015. Im Vorfeld der Klimaschutzkonferenz in Paris zeigte sich Bundesminister Andrä Rupprechter zuversichtlich, dass ein Abkommen zustande kommt. "Die Vorzeichen für einen Erfolg stehen gut", sagte er. Über 150 Staaten hätten ihre Beiträge bereits übermittelt, das betreffe rund 90% der Emissionen. Ohne Zweifel sei aber das, was vorliegt, nicht ausreichend, räumte der Umweltminister ein. Notwendig sei jedenfalls ein verpflichtendes Abkommen. Grundsätzlich sprach sich Rupprechter im Hinblick auf den Umweltschutz für ambitionierte, aber verhältnismäßige und erreichbare Zielsetzungen aus und kreierte dafür das Wort "Ambitionsrealismus".

 

Zur Diskussion standen im Ausschuss drei Dokumente der EU:

 

·         Zum einen lag die allgemeine Verhandlungsposition der EU für die kommende Klimaschutzkonferenz in Paris vor,

·         zum anderen stellt sich die EU der Frage, wie konkret die von der UNO im September 2015 beschlossene Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung umgesetzt werden kann, wobei es insbesondere auch um umweltpolitische Aspekte geht.

·         Drittes Thema war das "Luftpaket" der EU, das eine Reduktion von Schadstoffen vorsieht.

 

Die Grünen brachten zum dritten Tagesordnungspunkt einen Antrag auf Stellungnahme ein, der jedoch nicht die erforderliche Mehrheit fand.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Klimaschutzkonferenz in Paris

 

 

Als "Knackpunkte" für die Verhandlungen in Paris nannte Bundesminister Rupprechter zunächst die Differenzierung zwischen ärmeren und reicheren Ländern, wobei er sich für eine "offene und flexible Differenzierung" aussprach. Ferner sollte nach Vorstellungen der EU ein dynamischer Klimaschutzmechanismus eingesetzt werden, der es ermöglicht, auf der Basis eines Monitorings nach fünf Jahren eine Anpassung vorzunehmen. Auch die Transparenz stelle noch einen heiklen Punkt dar, so der Ressortchef, denn es gehe darum, die Versprechungen einfordern und auf eine einheitliche Datenlage zurückgreifen zu können. Kritisch sei auch die Klimafinanzierung, erklärte der Minister. Der Rat der Finanzminister (ECOFIN) habe aber ein klares Bekenntnis abgelegt, einen Beitrag von 100 Mrd. € leisten zu wollen, derzeit komme man auf 62 Mrd. €. Die Finanzminister der EU hätten damit eine wichtige Vorentscheidung für die Klimakonferenz getroffen, indem sie es der EU ermöglichen, aktiv auf die Entwicklungsländer zuzugehen, betonte Rupprechter. Verständnis für die Entwicklungsländer äußerte auch Hannes Weninger (S), denn die Industriestaaten hätten seit Jahrzenten über dem Level gelebt und nun müssten dies die Entwicklungsländer büßen, meinte er. Rupprechter hielt zudem fest, dass die EU derzeit für die Hälfte der Klimafinanzierung aufkomme.

 

Um den österreichischen Beitrag zur Klimafinanzierung entspann sich in der Debatte eine Kontroverse im Hinblick auf die zugesagten 25 Mio. €, was vor allem seitens der Grünen und der NEOS als viel zu gering angesehen wird. Christiane Brunner (G) nannte diese Summe "peinlich" und forderte einen fairen Beitrag Österreichs. Ihr zufolge ist es notwendig, frisches Geld aufzustellen, damit das Versprechen von Kopenhagen auch erfüllt werde. Gerald Loacker (N) spielte in diesem Zusammenhang darauf an, dass Österreich immer gerne die Rolle des Vorzeigelandes spiele, und dafür sind 25 Mio. € seiner Meinung nach viel zu gering.

 

Österreich gebe jährlich aus den verschiedenen Ressorts 130 Mio. € für klimarelevante Projekte aus. Die 25 Mio. € für den Green-Climate-Fund der UNO würden dazukommen, 6 Mio. € davon seien bereits überwiesen worden, verteidigte der Minister das heimische Vorgehen. Er stehe auch mit den Bundesländern in Verhandlung, dass diese ihren Beitrag entsprechend erhöhen, erläuterte er und stellte insgesamt eine mögliche Aufstockung der österreichischen Mittel in Aussicht.

 

 

Alle Abgeordneten waren sich mit dem Minister einig, dass der Klimawandel kommen wird und die Politik national und international vor große Herausforderungen stellt. Die Hoffnungen an die kommende Klimakonferenz sind seitens der Abgeordneten groß, wobei in den Wortmeldungen durchaus auch Befürchtungen herauszulesen waren, dass die Verhandlungen scheitern könnten. Es gebe in Paris wie auch in Österreich verschiedene Player, die unterschiedliche wirtschaftliche und politische Interessen verfolgen, umschrieb Hannes Weninger (S) die Schwierigkeit der Verhandlungen. Der Erfolg werden vor allem von China, Russland und den USA abhängen, stimmte dem Franz Leonhard Eßl (V) zu. Waltraud Dietrich vom Team Stronach äußerte Zweifel, dass sich nun etwas ändern werde, nachdem Jahrzehnte lang nichts passiert sei.

 

Hannes Weninger (S) und Franz Leonard Eßl (V) sowie Gerald Loacker (N) begrüßten, dass die EU geschlossen auftritt. Österreich und die EU seien auch in Hinblick auf ihre Vorbildfunktion gefordert, ergänzte Hannes Weniger (S) und gab wie andere auch zu bedenken, dass das, was auf dem Tisch liegt, nicht ausreichend ist.

 

"Es braucht einen Meilenstein", sagte Christine Muttonen (S) und unterstrich, man müsse ein System schaffen, mit dem man auch den Kurs kontrollieren kann. Sie wies insbesondere auch auf die Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebensgrundlagen der Menschen hin, die etwa in den sich ausbreitenden Dürregebieten leben. Hier erhöhe sich der Sozialdruck, es entstünden intensive Konflikte in den Regionen um die knappen Ressourcen, was letztendlich auch zu den Migrationsbewegungen führe, wie dies der Syrienkonflikt zeige.

 

Breiter Konsens bestand darin, dass nur ein verbindliches Abkommen zu einer Kehrtwende und damit zur Erreichung der Ziele führen kann, wobei seitens der FPÖ Reinhard Eugen Bösch davor warnte, dass Österreich und die EU sich als Musterschüler geben könnten, während andere Länder das nicht allzu genau nehmen. Damit würde Europa ins Hintertreffen gelangen, warnte er. Bundesminister Rupprechter hielt dem entgegen, das erklärte Ziel sei, zu verhindern, dass die Industrie abwandert, man strebe daher eine Balance an.

 

Die EU-Position ist so stark, wie sie von den einzelnen Mitgliedstaaten mitgetragen wird, meinte dazu die Umweltsprecherin der Grünen Christiane Brunner und kritisierte scharf, dass Österreich sich zum Ziel gesetzt habe, seine Emissionen bis zum Jahr 2020 auf das Niveau von 1990 zu stabilisieren. Das sei keine Reduktion, sagte sie und drängte darauf, bereits jetzt die Ziele bis 2030 bzw. 2050 festzulegen. Ihr schwebt eine innerstaatliche Reduktion von 40 % bis 2030 vor, und je früher man das anpackt, umso verträglicher fallen die Maßnahmen aus, argumentierte sie.

 

Dem hielt der Minister entgegen, Österreich strebe eine integrierte Klima- und Energiestrategie sowie Klima- und Mobilitätsstrategie an. Seit dem Jahr 2005 habe man eine Reduktion der Emissionen erreichen können, für 2013 seien es drei Millionen Tonnen gewesen, 2014 fünf Millionen Tonnen, womit man eine Reduktion um 10% in diesen beiden Jahren erreicht habe. Die von der EU vorgegebenen Ziele werde man wahrscheinlich im Voraus erreichen, und zwar ohne Zukauf von Verschmutzungszertifikaten. Österreich sei auf gutem Weg, die Ziele "überzuerfüllen", bekräftige er auch gegenüber Reinhard Eugen Bösch (F) und Waltraud Dietrich (T). Dietrich hatte zuvor die oft schwierigen, bürokratischen Rahmenbedingungen für die Betriebe thematisiert, wenn sie umweltschonende Projekte umsetzen wollen.

 

 

In der Verhandlungsposition der EU für die Pariser Klimaschutzkonferenz, mit dem Ziel ein globales Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2020 zu erreichen, bekräftigen die Mitgliedstaaten, die EU-internen Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40% im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Die EU drängt auf ein rechtsverbindliches Übereinkommen, das eine "langfristige Vision des notwendigen Wandels hin zu emissionsarmen und klimaresistenten Volkswirtschaften im Laufe dieses Jahrhunderts bietet". Wesentlich wäre es, den politischen Willen in Form eines Protokolls festzuschreiben, damit Berechenbarkeit und Dauerhaftigkeit gegeben sind, heißt es im Ratspapier. Geht es nach den Vorstellungen der EU soll das Pariser Übereinkommen unter anderem ein langfristiges globales Klimaschutzziel festlegen, das mit dem "Unter-2°C-Ziel" in Einklang steht und faire, ehrgeizige und quantifizierbare Klimaschutzverpflichtungen aller Parteien enthält, die mit den Grundsätzen des UNO-Klimaübereinkommens (UNFCCC) vereinbar sind.

 

Alle Parteien müssen eine Klimaschutzverpflichtung eingehen, aufrechterhalten und umsetzen, so das Ziel des Rats. Ein dynamischer fünfjähriger Klimaschutzmechanismus soll alle Parteien verpflichten, entweder neue oder aktualisierte Verpflichtungen vorzulegen – ohne dabei unter das Niveau der bisherigen Verpflichtungen zurückzufallen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Agenda 2030 der UNO

 

 

Diskutiert wurde im Zusammenhang mit der Klimaschutzkonferenz auch die Agenda 2030. Die von der UNO auf ihrem Gipfel Ende September 2015 angenommene Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ("Transformation unserer Welt") legt eine Reihe einheitlicher globaler Ziele für nachhaltige Entwicklung fest, die an die Stelle der Millenniums-Entwicklungsziele treten werden. Der Beschluss zielt darauf ab, Armut und Hunger zu beseitigen, und befasst sich mit den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung.

 

Die 17 neuen Ziele für nachhaltige Entwicklung und die 169 damit verbundenen Zielvorgaben erstrecken sich auf zentrale Bereiche wie Armut, Ungleichheit, Ernährungssicherheit, Gesundheit, nachhaltiger Verbrauch und nachhaltige Produktion, Wachstum, Beschäftigung, Infrastruktur, nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen, Meere, Klimawandel und Gleichstellung der Geschlechter.

 

In dem der Diskussion im EU-Unterausschuss zugrundeliegenden Hintergrundpapier wurden zur konkreten Umsetzung durch die EU drei Fragen ausgearbeitet, wobei umweltpolitische Perspektiven eine zentrale Stellung einnehmen. So geht es um die wichtigsten Prioritäten der EU für die Umsetzung der Agenda 2030, ferner darum, wie die Kohärenz zwischen der nationalen Ebene und der EU-Ebene gewährleistet werden kann, und schließlich, wie die EU am wirksamsten über Maßnahmen und Fortschritte berichten kann. Die EU müsse bei der Weiterverfolgung und Überwachung auch in Zukunft eine führende Rolle spielen, so der Wille der EU.

 

Allgemein bezeichnete Bundesminister Andrä Rupprechter auch die Ziele der Agenda 2030 als außerordentlich ambitioniert. Die Koordinierung der Strategie obliege seinem Ressort, sagte er nach einer Anfrage von Martina Diesner-Wais (V) und Gerald Loacker (N), der die Notwendigkeit einer Nachhaltigkeitsstrategie unterstrich und einen entsprechenden Umsetzungsplan in Österreich einforderte. Selbstverständlich seien internationale politische Maßnahmen sinnvoll, meinte dazu Hannes Weninger (S), man müsse auch in Österreich ambitioniert vorgehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Luftpaket

 

 

Ambitioniert nannten die Abgeordneten auch den Vorschlag der Kommission zur Verbesserung der Luftqualität. Wie EU-Abgeordnete Karin Kadenbach (S) darlegte, betragen für die gesamte EU die Kosten für die Gesundheitsschäden durch Luftverschmutzung 330 bis 940 Mrd. € pro Jahr. Für Österreich wird der Betrag in einer Höhe von 4,39 bis 13,17 Mrd. € beziffert.

 

Um diese Risiken für die Umwelt und die Gesundheit zu beseitigen und das EU-Recht mit den neuen internationalen Verpflichtungen in Einklang zu bringen, sollen die nationalen Emissionshöchstmengen für Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffoxide (NOx), flüchtige organische Verbindungen außer Methan (NMVOC) und Ammoniak (NH3) überarbeitet, das heißt weiter gesenkt werden. Der Richtlinienvorschlag der Kommission enthält Reduktionsziele für jeden einzelnen Mitgliedstaat. Wie es dazu in den Erläuterungen des Umweltressorts heißt, stellen die vorgelegten nationalen Reduktionziele für 2030 für fast alle EU-Mitgliedstaaten eine große Herausforderung dar. Österreich begrüße das Luftpaket im Allgemeinen und trete für ambitionierte, aber realistische Reduktionsziele für 2030 ein.

 

Bundesminister Andrä Rupprechter berichtete, dass die Verhandlungen auf EU-Ebene nur sehr langsam und zäh vor sich gehen, da die Reduktionspotentiale in den EU-Staaten sehr unterschiedlich seien. So gebe es auch größere Bedenken.

 

Der Vorschlag der Kommission ziele explizit nicht auf maximale Emissionsreduktion sondern auf eine kosteneffiziente Reduktion der Emissionen ab, kritisierte die Umweltsprecherin der Grünen, Christiane Brunner. Auch EU-Abgeordnete Karin Kadenbach (S) ist mit dem, was der Umweltausschuss des EU-Parlaments nun vorgelegt hat, nicht ganz zufrieden. Sie hält es aber für unbedingt erforderlich, dass die EU etwas gegen die Luftverschmutzung unternimmt. Ebenso erachtet Claudia Angela Gamon (N) im Hinblick auf Gesundheit und Umweltschutz ambitionierte Ziele für unabdingbar.

 

Die Ziele in Österreich für 2030 würden erst dann festgelegt werden, wenn man mit den Stakeholdern verhandelt habe, erläuterte Umweltminister Andrä Rupprechter und handelte sich damit Kritik seitens der Grünen ein. Christiane Brunner befürchtete, Österreich könne hinter die Position des Europäischen Parlaments zurückfallen. Demgegenüber vertraten Angelika Winzig (V) und Reinhard Eugen Bösch (F) die Auffassung, man brauche vernünftige Regelungen auf nationaler und regionaler Ebene, man müsse einen Spagat schaffen, damit die Industrie nicht auswandere. Schon derzeit würden die meisten Investitionen im Ausland getätigt, warnte Angelika Winzig (V). 

 

Österreich müsse sich ambitionierte Ziele setzen, stellte Minister Rupprechter klar, diese müssten aber auch verhältnismäßig und erreichbar sein. Rupprechter sprach in diesem Zusammenhang von einem "Ambitionsrealismus". Oft habe die Umweltgesetzgebung positive Impulse auf die Wirtschaft, wenn die Gesetzgebung auch planbar ist. Grundsätzlich seien von den Zielsetzungen alle Sektoren betroffen, auch die Landwirtschaft, hielt Rupprechter fest.

 

 

Der von den Grünen eingebrachte Antrag auf Stellungnahme fand nicht die erforderliche Unterstützung, dafür stimmten nur die Grünen selbst und die NEOS. Christiane Brunner (G) unterstrich mit Bedauern, dass es sich dabei ohnehin um einen für die Grünen schwachen Antrag handle. Darin verlangen sie unter anderem die Reduktionsverpflichtungen in der genannten Richtlinie zumindest auf das Niveau der Emissionsreduktionsverpflichtungen des Göteborg Protokolls von 1999 festzulegen.

 

 

Folgender Antrag der Grünen auf Stellungnahme wurde nur von den Grünen und den NEOS unterstützt. Er wurde damit abgelehnt.

 

 

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e B-VG

 

 

der Abgeordneten Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde

 

 

betreffend TOP 3 - Österreichs Beitrag für eine saubere Luft in Europa

 

eingebracht in der Sitzung des Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am  17.11.2015.

 

 

 

 

Die Luftverschmutzung ist das größte gesundheitsrelevante Umweltproblem in Europa. Jährlich sterben über 400.000 EU-BürgerInnen vorzeitig aufgrund von Luftschadstoffen wie Feinstaub, Ozon oder Stickstoffdioxid. Damit fordert die Luftverschmutzung zehn Mal mehr Todesopfer als der Straßenverkehr. Die Gesundheitsschäden durch Luftverschmutzung kosten Österreich laut EU-Kommission jedes Jahr zwischen 4,39 und 13,17 Milliarden Euro. Für die gesamte EU betragen die Kosten 330 bis 940 Milliarden Euro pro Jahr (Quelle: BMLFUW). Darüber hinaus verursachen die EU-weiten Ernteverluste durch Luftverschmutzung Kosten in der Höhe von drei Milliarden Euro pro Jahr. Schäden für Ökosysteme oder Hausfassaden verursachen weitere Kosten in Milliardenhöhe.

 

Am 18. Dezember 2013 präsentierte die EU-Kommission ihre legislativen Vorschläge für Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung (Saubere-Luft-Paket). Das Herzstück des Pakets ist ein Vorschlag [COM (2013) 920] für die Novelle der EU-Richtlinie über die Verringerung der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffstoffe (NEC-RL). Kern des Kommissionsvorschlags zur Novelle der NEC-RL  sind nationale Emissions-Grenzwerte für Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffoxide (NOx), Ammoniak (NH4) und flüchtigen organischen Verbindungen (NMVOC) sowie nun auch für Feinstaub (PM2.5) und Methan (CH4), die von der aktuell gültigen Richtlinie nicht umfasst sind.

 

Der Vorschlag der Kommission soll zu einer Verringerung der vorzeitigen Todesfälle auf 340.000 und einer Reduktion der Kosten auf 243 bis 775 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 führen. Die Luftqualität würde sich durch die vorgeschlagenen Maßnahmen zwar deutlich verbessern, 65% aller Luftqualitätszonen der EU würden allerdings immer noch die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Werte für Ultrafeinstaub (PM2,5) überschreiten. Die Luftqualitätsprobleme der EU wären somit auch nach vollständiger Implementation des von der Kommission vorgeschlagenen Pakets nicht gelöst (Quelle: BMLFUW, EU-Kommission).

 

Die Reduktionsverpflichtungen des Kommissionsvorschlags ab dem Jahr 2020 entsprechen den jeweiligen Verpflichtungen zur Emissionsverringerung des im Jahr 2012 beschlossenen Göteborg Protokolls von 1999 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon. Demnach wird Österreich zu folgender Emissionsreduktion (im Vergleich zum Basisjahr 2005) verpflichtet:

 

NOX         VOC           SO2        NH3                  PM2,5       CH4

-37%       -21%           - 26%      -1%       -20%         -

 

Ausgehend von diesen im Göteborg-Protokoll beschlossenen Verpflichtungen soll eine lineare Reduktionskurve ermittelt werden, um ab dem Jahr 2030 folgende Emissionsreduktionen zu erreichen. (wieder im Vgl. zu 2005):

 

                          NOX        VOC        SO2         NH3                      PM2,5        CH4

Österreich        -72%        -48%        -50%       -19%           -55%         -20%

EU-28                -69%        -50%       -81%        -27%           -51%         -33%

 

 

Die Verpflichtungen für Österreich liegen für NOx und Feinstaub leicht über dem EU-Durchschnitt, für die anderen Schadstoffe zum Teil deutlich darunter. Ausgangspunkt für die Vorschläge der Kommission für neue Reduktionsverpflichtungen sind Berechnungen des International Institute für Applied Systems Analysis (IIASA). Demnach kommt es schon alleine durch die Implementierung der bereits bestehenden gesetzlichen Europäischen und nationalen Vorgaben zu erheblichen Reduktionen. So wären die österreichischen Höchstmengen für NOx und CH4 ohne zusätzliche Reduktionsmaßnahmen zu erreichen, der zusätzliche Reduktionsbedarf für SO2 betrüge 3%. Insgesamt liegen die vorgeschlagenen Verpflichtungen 33% über einem äußerst vorsichtig gerechneten Szenario für die maximal technisch machbaren Reduktion (maximum technically feasible reductions scenario oder MTFR). Dieses Szenario beinhaltet ausschließlich technische Möglichkeiten zur Reduktion von Luftschadstoffen, die bereits angewandt und erprobt sind. Ökonomische Instrumente, Verhaltens- und Strukturveränderungen im Verkehrsbereich, Erhöhung des Anteils der Biolandwirtschaft, Änderung des Brennstoffmixes und andere Maßnahmen wie vorzeitige Stilllegungen von Betriebsanlagen sind in diesem Szenario nicht einberechnet. Die theoretischen Reduktionsmöglichkeiten liegen somit deutlich unter dem "technisch maximal machbaren" Szenario der EU-Kommission.

 

Während das Baseline Szenario der IIASA in der Kritik einiger Mitgliedsstaaten steht und als  zu optimistisch angesehen wird, sind die vorgeschlagenen Grenzwerte mit zusätzlichen Maßnahmen (lt. MTFR Szenario) auf jeden Fall machbar. Durch weitere Maßnahmen, die von der IIASA nicht in das MTFR-Szenario aufgenommen wurden, wären noch viel deutlichere Emissionsreduktionen möglich.

 

Der Vorschlag der Kommission zielt explizit nicht auf die maximale Emissionsreduktion sondern auf eine kosteneffiziente Reduktion der Emissionen ab. Verbleibende massive Probleme durch Luftverschmutzung auch bei vollständiger Implementierung des Saubere-Luft-Pakets werden daher bewusst in Kauf genommen. Als zentraleuropäisches Binnenland ist Österreich überdurchschnittlich stark von grenzüberschreitendem Schadstofftransport betroffen und profitiert daher außerordentlich von verbindlichen und ambitionierten EU-weiten Emissionsbegrenzungen.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

 

 

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme gemäß Art 23e B-VG

 

 

Der Ausschuss wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Minister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, ist aufgefordert, sich im Rahmen der Verhandlungen über die Revision der Richtlinie über Verringerung der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe und zur Änderung der Richtlinie 2003/35/EG auf Europäischer Ebene für ein ambitioniertes Ergebnis einzusetzen. Das oberste Verhandlungsziel ist die Erreichung eines Luftqualitätsniveaus, das nicht zu signifikanten negativen Auswirkungen auf und Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt führt. Um dieses Ziel zu erreichen, sind verbindliche Reduktionsverpflichtungen und Maßnahmen zu beschließen.

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Minister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, ist daher aufgefordert, in den Verhandlungen folgende Anliegen einzubringen und sich für deren rasche Implementierung einzusetzen:

 

·         Die Reduktionsverpflichtungen in der NEC-RL ab 2020 sind wie von der EU-Kommission vorgeschlagen und vom EU-Parlament beschlossen zumindest auf dem Niveau der Emissionsreduktionsverpflichtungen des Göteborg Protokolls von 1999 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon festzulegen.

·         Österreich unterstützt die vom EU-Parlament beschlossene Festlegung von zusätzlichen und verbindlichen Emissionshöchstmengen für das Jahr 2025.

·         Österreich unterstützt die von der EU-Kommission im Annex II vorgeschlagenen und vom EU-Parlament beschlossenen Emissionshöchstmengen für alle Schadstoffe ab dem Jahr 2030.

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.