Parlament Österreich

 

 

 

V-23 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten

der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Freitag, 14. Oktober 2016

 


Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXV. Gesetzgebungsperiode       Freitag, 14. Oktober 2016

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

1.    COM(2016) 444 final

Anhang des Vorschlags für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung - im Namen der Europäischen Union - des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits (CETA-Vertragstext)

(112208/EU XXV.GP)

 

2.    10969/16

Vorschlag für einen BESCHLUSS DES RATES über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits

(110945/EU XXV.GP)

 

3.    10970/16

Vorschlag für einen BESCHLUSS DES RATES über den Abschluss des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits

(110912/EU XXV.GP)

 

 

Die Tagesordnung wurde um folgenden Punkt ergänzt:

 

Gemeinsame Auslegungserklärung zum Umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten

(118800/EU XXV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada (CETA) steht aus österreichischer Sicht nichts mehr im Wege. Allerdings machte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder im EU-Unterausschuss klar, dass die SPÖ ihre Zustimmung nicht als einen Freibrief verstehe, sondern als eine Chance, weitere Verbesserungen bis zur parlamentarischen Ratifizierung zu erreichen. Vor allem müsse für Österreich auch das gelten, was das deutsche Verfassungsgericht in Karlsruhe festgelegt hat. Auch sieht die SPÖ noch Klärungsbedarf bei den Investitionsgerichten. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner unterstrich einmal mehr die Wichtigkeit von Handelsverträgen für ein Exportland, wie es Österreich ist, und argumentiere gegenüber den Gegnern des Abkommens, gerade in Zeiten der Globalisierung sei es wichtig, globale Spielregeln zu entwickeln. Sollte CETA scheitern, so entstünde dadurch weniger ein wirtschaftlicher als vielmehr ein politischer Schaden. Ein Scheitern hätte negative Auswirkungen auf die Außenhandelspolitik der EU und deren handelspolitische Stellung.

 

Für die NEOS positionierte sich Claudia Gamon einmal mehr als Befürworterin von CETA und kritisierte die Rhetorik in der öffentlichen Diskussion. Diese sei von Populismus und Desinformation getragen und schüre Panik.

 

Im Gegensatz dazu lehnen sowohl die Freiheitlichen als auch die Grünen das Abkommen weiter ab. Barbara Rosenkranz (F) warf der Regierung vor, nicht offen und ehrlich zu sein und betonte, die Zusatzerklärung habe keinerlei rechtliche Bindung, was von SPÖ-Abgeordnetem Christoph Matznetter heftig in Abrede gestellt wurde. Die Grünen (Wolfgang Pirklhuber und Werner Kogler) wiederum sehen in erster Linie das Vorsorgeprinzip ausgehöhlt und darum das EU-Primärrecht verletzt. Beide Oppositionsfraktionen verlangten in Anträgen auf Stellungnahme, CETA abzulehnen und nicht zu unterzeichnen. SPÖ, ÖVP und NEOS lehnten diese Initiativen jedoch mehrheitlich ab. 

 

 

 

 

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zeigte sich überzeugt davon, dass man innerhalb der Regierung für Dienstag, dem 18. Oktober – an diesem Tag sollen die Handelsminister endgültig grünes Licht für das Abkommen geben – eine gemeinsame Linie finden werde. Das Abkommen sei ein gutes Abkommen, unterstrich der Minister und meinte in Hinblick auf die von der Landeshauptleutekonferenz vorgebrachten Bedenken, man werde diese im Rahmen einer eigenen Stellungnahme ausräumen können. Innerhalb der EU seien alle Länder bis auf Belgien für die Unterzeichnung von CETA, informierte er auf eine Anfrage der FPÖ-Abgeordneten Jessi Lintl, die Vorbehalte einzelner Staaten konnten geklärt werden. Über das Wochenende werde man auch versuchen, die Einwendungen des wallonischen Regionalparlaments zu überwinden.

 

Der Vizekanzler stimmte mit Bundeskanzler Christian Kern überein, dass die Bedingungen, die die Verfassungshüter in Karlsruhe für Deutschland formuliert haben, auch für Österreich gelten müssen, er sieht dabei aber keine unüberwindbaren Hürden. So hat Karlsruhe festgelegt dass es eine demokratische Rückbindung des CETA-Lenkungsgremiums, des sogenannten gemischten Ausschusses, geben müsse. Außerdem könne der Ratsbeschluss vorläufig nur für jene Teile gelten, die in die Kompetenz der EU fallen. Darüber hinaus legt Karlsruhe fest, dass Deutschland aus dem Abkommen aussteigen muss, falls ein späteres Urteil das Abkommen für verfassungswidrig erklärt.

 

 

Die uneingeschränkten Befürworter von CETA befanden sich in der Diskussion bei der ÖVP und den NEOS. Kanada sei in seinem Wertesystem und seiner Kultur der europäischen Haltung sehr ähnlich, warb Angelika Winzig (V) für die Unterzeichnung. Sie unterstrich die Notwendigkeit des Abkommens auch im Hinblick auf das Transpazifische Abkommen und betonte, dass die nunmehrigen Schiedsgerichte zu unabhängigen und überparteilichen Investitionsgerichten ausgebaut worden seien.

 

Diese Investitionsgerichte seien ganz anders als die bisherigen Schiedsgerichte, pflichtete ihr auch Claudia Gamon von den NEOS bei. Bei den Gegnern von CETA ortete sie eine Antiglobalisierungstendenz, die jedoch ihr Ziel nicht erreiche. Vielmehr brauche man moderne Abkommen, um die ökosoziale Marktwirtschaft zu stärken sowie bestehende Unterschiede und die Armut zu bekämpfen, gab sie zu bedenken. Es gehe um einen fairen Markt, betonte sie. Kritische Worte fand Gamon auch in Hinblick auf die öffentliche Diskussion, wodurch die Demokratie Schaden genommen habe. Sie forderte die Regierung auf, die Bevölkerung umfassend und ehrlich zu informieren.

 

 

"Es ist noch nicht alles gut, aber die Entwicklung der letzten Tage und Wochen hat einiges bewirkt", begründete SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder die Zustimmung seiner Fraktion zur Unterzeichnung. CETA stellt für ihn eine Wegkreuzung dar, die Gefahren in sich birgt, aber auch Chancen, für die zukünftige Weiterentwicklung bessere Standards zu schaffen. Entscheidend sei, dass die hohen europäischen Standards nicht durch die Schiedsgerichtbarkeit ausgehebelt werden können. Man habe klargestellt, so Schieder, dass die Daseinsvorsorge und die öffentlichen Dienstleistungen nicht gefährdet werden dürfen. Er zeigte sich  zufrieden damit, dass die Investitionsgerichte aus der vorläufigen Anwendbarkeit herausgenommen werden konnten. Als wesentlich für die SPÖ-Zustimmung wertete Schieder sowie sein Klubkollege Christoph Matznetter die Rechtsverbindlichkeit der Zusatzerklärung.

 

Matznetter unterstrich zudem, dass das Recht der ausländischen Investoren nicht stärker als jenes der inländischen sei, und bekräftigte, dass die Forderungen des Entschließungsantrags, der im  September 2014 im Nationalrat angenommen wurde, durch die Zusatzerklärung erfüllt seien. So habe man sich damals dafür ausgesprochen, die Einhaltung hoher sozialer, datenschutzrechtlicher und ökologischer Mindeststandards abzusichern und beim Freihandelspartner die Ratifikation sowie Umsetzung ihrer Verpflichtungen aus dem international anerkennten ILO-Übereinkommen zu erreichen. Man habe sich ferner für die Stärkung der Transparenz der Verhandlungen eingesetzt und verlangt, dass derart umfassende Freihandelsabkommen weiterhin als gemischte Abkommen klassifiziert werden. Außerdem habe man den Schutz öffentlicher Dienstleistungen eingefordert.

 

 

Dem widersprach Barbara Rosenkranz von den Freiheitlichen vehement. Ihrer Auffassung nach hat die Zusatzerklärung keinerlei rechtliche Verbindlichkeit. Auch sie bezeichnete CETA als eine Wegkreuzung, wobei dieses Abkommen weit über ein klassisches Freihandelsabkommen hinausgehe und ein Regulierungsabkommen darstelle. Der Lobbyismus werde auf ein Niveau gesetzt, welches der europäischen politischen Kultur nicht entspreche, warnte Rosenkranz. Das Abkommen eröffne die Möglichkeit, dass ein Staat auf die Gesetzgebung eines anderen Staates Einfluss nimmt.

 

 

Auch die Grünen sehen diese Zusatzerklärung als völlig unzureichend an. Sie mache gerade im Hinblick auf das Vorsorgeprinzip und die Schiedssysteme wenig Sinn, argumentierte Werner Kogler. Dem Bundeskanzler warf er vor, nur eine "Ehrenrunde auf der Galerie" gedreht zu haben; Kern erwecke fälschlicherweise den Eindruck, man könne noch etwas reparieren, was nicht der Fall sei, meinte Kogler. Die Karlsruher Richter hätten klar signalisiert, dass es ein Problem gibt, sagte der Grün-Mandatar und erinnerte auch an die negative Stellungnahme der Landeshauptleute.

 

Sowohl Werner Kogler als auch sein Klubkollege Wolfgang Pirklhuber sehen das Vorsorgeprinzip ausgehebelt und durch den wissenschaftsbasierten Ansatz ersetzt, wodurch das Primärrecht verletzt werde, führte Pirklhuber aus. Das Vorsorgeprinzip sei in CETA nach wie vor nicht verankert. So sei auch im Vertrag für den Marktzugang in der Biotechnologie der wissenschaftsbasierte Ansatz explizit vorgegeben. Die EU-Kommission bezichtigte Pirklhuber in diesem Zusammenhang, die EU in die Sackgasse geführt zu haben. Dem widersprach Vizekanzler Mitterlehner, indem er mit Nachdruck auf die Zusatzerklärung hinwies.

 

 

Keine Zustimmung zu CETA kam auch von der Europaabgeordneten des Europäischen Parlaments Karoline Graswander-Hainz (S). Wesentliche Punkte seien noch nicht erfüllt, sagte sie und kritisierte die Vorgangswiese der Kommission scharf. Sie trat dafür ein, der Kommission ein neues Verhandlungsmandat zu geben, um Nachbesserungen zu erreichen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der FPÖ auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und NEOS mehrheitlich abgelehnt:

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art 23e B-VG

 

 

der Abgeordneten Barbara Rosenkranz und Dr. Jessi Lintl

 

betreffend COM(2016) 444 final

 

Anhang des Vorschlags für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits (CETA-Vertragstext) (112208/EU XXV.GP)

 

eingebracht in der Sitzung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 14.10.2016

 

 

 

Über das fertig verhandelte und vorliegende Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada namens „CETA“, das als Blaupause für das noch weit umstrittenere Vertragswerk mit den USA „TTIP“ dient, stehen in diesen Wochen die entscheidenden Beschlüsse zunächst auf Europäischer Ebene bevor. Bereits für den 18. Oktober 2016 sind die entsprechenden Ratsbeschlüsse über Unterzeichnung und Abschluss aber auch über die vorläufige Anwendung des Freihandelsabkommens CETA geplant, und das ohne die Einbindung der nationalen Parlamente.

 

Nachverhandlungen hinsichtlich des für die österreichischen und europäischen Interessen ebenso schädlichen CETA - Freihandelsabkommens mit Kanada lehnt die für die Verhandlungen zuständige EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström überhaupt kategorisch ab.

Die seitens der Europäischen Kommission nunmehr Österreich zugestandenen „interpretativen Erklärungen“ zum Abkommen sind nicht mehr als ein Placebo und ändern nichts am Vertragstext.

 

Dass die auf diesem „CETA-Beipackzettel“ festgeschriebenen Formulierungen das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben sind, unterstreicht indirekt auch der Europarechtler Obwexer, der im Ö1-Morgenjournal vom 7. Oktober 2016 unmissverständlich feststellte, dass „die nun vorliegende Erklärung lediglich zur Interpretation des Abkommens diene, aber nicht rechtlich bindend sei.“

„Um das zu erreichen müsste der Vertrag aufgeschnürt und die Erklärung hinein genommen werden,“ so Obwexer weiter.

(APA063 / 07.10.2016)

Genau das fordert unter anderem auch beispielsweise AK-Präsident Rudi Kaske:

„Interpretative Deklarationen werden sicher nicht ausreichen. Geändert werden müssen die kritischen Bereiche im Vertragstext. Die EU Kommission muss sich bewegen“, fordert Kaske.

„An den problematischen Vertragsinhalten – Stichwort Schiedsgerichte – muss sich in der Substanz etwas ändern“, verlangt AK Präsident Kaske. Und weiter: „Solange sich die EU Kommission nicht bewegt, sprich Änderungen am ursprünglichen Vertragstext untersagt, so lange werden wir weiterhin Druck machen.“

Dass Ceta in der österreichischen Bevölkerung mehr als umstritten ist, zeigen auch die jüngsten Umfrage-Ergebnisse, wonach drei Viertel der befragten Personen das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada ablehnen. „Angesichts dieser Zahlen ist es umso mehr an der Zeit, mehr auf begründete Einwände zu hören“, sagt Kaske in Richtung EU Kommission.

(OTS0190, 23. Sep. 2016)

 

Beide Abkommen - CETA und TTIP - bedeuten unter anderem ein Absacken der heimischen Lebensmittelqualität sowie einen Todesstoß für die österreichischen Bauern. Österreich wird nicht mehr der „Feinkostladen“ Europas sein.

Weiters drohen durch diese Abkommen Gefahren in vielen Bereichen, wie für den heimischen Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Umweltschutz.

Das Ende des Vorsorgeprinzips sowie die indiskutable Einrichtung von Schiedsgerichten, die es amerikanischen und kanadischen Konzernen ermöglichen würden, gegen vitale Interessen unseres Landes und unserer heimischen Bevölkerung vorzugehen, sind weitere, klar abzulehnende Punkte.

Abgesehen von faktisch belegten Risiken und Gefahren in den beiden Abkommen ist auch der Willensbildungsprozess rund um diese Abkommen aus demokratiepolitischer Sicht inakzeptabel und der Widerstand in der österreichischen Bevölkerung - verständlicherweise - inzwischen groß.

CETA und auch sein „großer Bruder“ TTIP dürfen nicht durch vorläufige Anwendung und ohne Zustimmung der Menschen umgesetzt werden. Es ist daher das Gebot der Stunde, dass die Bundesregierung sich für eine österreichische Mitbestimmung bei der Entscheidung über die Handelsabkommen in Form von verbindlichen Volksabstimmungen einsetzt, zumal die Menschen unmittelbar von den Auswirkungen der Abkommen betroffen sind, und CETA jetzt eine klare Absage erteilt.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e B-VG

 

Der Ständige Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

„Die Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, werden aufgefordert, im Europäischen Rat sowie in allen anderen EU-Gremien gegen die vorläufige Anwendung, den Abschluss und die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens CETA zu stimmen.“

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der Grünen auf Stellungnahme wurde von SPÖ, ÖVP und NEOS mehrheitlich abgelehnt:

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e B-VG

 

 

der Abgeordneten Werner Kogler und Wolfgang Pirklhuber

 

betreffend  COM(2016) 444 final Anhang des Vorschlags für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits (CETA-Vertragstext) 

(112208/EU XXV.GP) – CETA ablehnen

 

eingebracht in der Sitzung des ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 14.10.2016.

 

 

 

CETA, das Handelsabkommen der EU mit Kanada, soll am 27. Oktober 2016 auf einem Gipfeltreffen der beiden Vertragspartner unterzeichnet werden. Da es sich bei CETA um ein gemischtes Abkommen handelt, müssen auch alle EU-Mitgliedstaaten grünes Licht für den Vertrag geben. CETA, das als Blaupause für TTIP gilt, enthält nicht nur Sonderklagsechte für ausländische Konzerne, sondern gefährdet hohe Standards in sensiblen Bereichen wie Gentechnikgesetzgebung, Lebensmittelsicherheit oder KonsumentInnenschutz und ist geeignet demokratische Entscheidungsspielräume von der europäischen Ebene bis hin zu den Ländern und Gemeinden. So ist das in der EU geltende Vorsorgeprinzip in CETA nicht verankert. Das bringt KonsumentInnenschutz, Gesundheitsvorsorge und Gentechnikfreiheit in Europa in Bedrängnis. An diesen inhaltlichen Bedenken ändert auch das jüngste Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts nichts. In dem Urteil zielt Karlsruhe darauf ab, der deutschen Bundesregierung die Zustimmung zur vorläufigen Anwendung von CETA unter Auflagen zu ermöglichen. In der Sache, ob CETA mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist, entscheidet das Höchstgericht zu einem späteren Zeitpunkt.

 

Um den geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen, hat die europäische Kommission mit der kanadischen Regierung eine Zusatzvereinbarung ausgehandelt. Das Ziel besteht darin, Klarstellungen über die Schieflagen des Vertrags zu erzielen. In der nun vorliegenden Zusatzvereinbarung gibt es aber keine wirklichen Klarstellungen oder Verbesserungen.

 

Zu den Schiedsgerichten und Konzernklagsrechten kann die Erklärung keine Verbesserung bringen, da Schiedsgerichte per se ausländische Investoren gegenüber inländischen und allen anderen gesellschaftlichen Akteuren privilegieren. Es werden schwammige Rechtsbegriffe wie „legitime Politikziele“ aus dem Vertragstext übernommen. Das heißt, dass dort, wo vielleicht wirklich noch Klärungsbedarf bestünde, die bestehenden Unklarheiten nacherzählt werden. Gerade diese Formulierungen sind ein Einfallstor für Klagemöglichkeiten von Konzernen. Letztlich wird es den privaten Schiedsgerichten überantwortet, ob eine staatliche Maßnahme, die demokratisch zustande gekommen ist, als legitim anerkannt wird.

 

Das Vorsorgeprinzip ist in CETA nach wie vor nicht verankert, sondern explizit durchbrochen. Es wird nach dem Letztentwurf der Zusatzerklärung vom 13.10.2016 zwar auf Verpflichtungen, die die EU und Kanada hinsichtlich von Vorsorge in internationalen Abkommen eingegangen sind, hingewiesen. Diese entsprechen aber nicht dem in der EU geltenden Vorsorgeprinzip nach Artikel 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, sondern basieren auf dem wissenschaftsbasierten Ansatz, der aber das Gegenteil vom europäischen Vorsorgeprinzip intendiert. So ist auch in Artikel 25 Abs. 2 Z 2 lit b CETA-Vertrag für den Marktzugang in der Biotechnologie der wissenschaftsbasierte Ansatz explizit vorgegeben. Damit bleibt die drohende Aushebelung des Vorsorgeprinzips weiter aufrecht.

 

Zwischen den EU-Mitgliedstaaten und Kanada ist nun vereinbart, die in CETA vorgesehenen Schiedsgerichte erst dann anzuwenden, wenn alle EU-Mitgliedstaaten den Vertrag ratifiziert haben. Damit wird der Eindruck erweckt, dass die Schiedsgerichte in CETA vom Nationalrat noch gekippt werden könnten, ohne den gesamten Vertrag abzulehnen. Unterschreibt die Bundesregierung aber jetzt den CETA-Vertragstext, so ist der Weg für das Inkrafttreten des gesamten Abkommens auch in Österreich geebnet. Wenn der Nationalrat in ein bis drei Jahren über CETA entscheidet, dann nur über den gesamten Vertrag inklusive Schiedsgerichte und Sonderklagsrechte.

 

Die Bundesregierung ist aber sowohl durch die einheitliche Stellungnahme der Bundesländer gemäß Art. 23 d Abs. 2 B-VG vom 11. Mai 2016 und der darauf bezugnehmenden Stellungnahme gemäß Art. 23 e B-VG des EU-Unterausschusses vom 22. Juni 2016 daran gebunden, „dem Abschluss von CETA im Rat nicht zuzustimmen, solange die Forderungen dieser Beschlüsse nicht erfüllt sind“. Darin heißt es u.a.: die Möglichkeit von Schiedsverfahren gegen Staaten (sog. ISDS-Klauseln) ist nicht vorzusehen; sich dafür einzusetzen, dass Harmonisierungen und wechselseitige Anerkennungen auf Basis des Vorsorgeprinzips erfolgen oder dass im Rat keine vorläufige Anwendung von CETA beschlossen wird.

 

Vor dem Hintergrund der zwar angestrebten aber nicht erreichten Verbesserungen von CETA ist die Alternative klar: Jetzt CETA nicht zu unterzeichnen eröffnet die Möglichkeit, in den nächsten Monaten wirkliche Veränderungen und damit echte Verbesserungen zu erreichen. So sollten die Sonderklagsrechte und Schiedsgerichte, die auch laut deutschem Richterbund weit weg von wirklicher Unabhängigkeit sind, ersatzlos gestrichen werden. Außerdem soll u.a. das Vorsorgeprinzip in CETA verankert und öffentliche Dienstleistungen vom Abkommen ausgenommen werden. Die Bundesregierung soll mit anderen Ländern, die wie Österreich CETA kritisch gegenüber stehen, eine Allianz zur Verbesserung des Abkommens bilden.  

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme gemäß Art 23e B-VG

 

 

Der Ausschuss wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Minister für Wirtschaft, Forschung und Wissenschaft, wird aufgefordert, CETA auf europäischer Ebene abzulehnen und in den nächsten Monaten Nachbesserungen im Vertrag selbst durchzusetzen, wie die Streichung der Schiedsgerichte, die Verankerung des Vorsorgeprinzips (nach Artikel 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) und der Ausnahme der öffentlichen Dienstleistungen aus dem Wirkungsbereich von CETA. Dafür gilt es, Allianzen mit anderen EU-Mitgliedstaaten zu bilden.

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechts¬aktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.