36/A(E) XXVI. GP

Eingebracht am 20.12.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Dr. Peter Kolba, Freundinnen und Freunde,

betreffend ein Bundesgesetz zur Änderung der Zivilprozessordnung

zur Einführung einer Verbandsmusterfeststellungsklage mit Verjährungshemmung

und eines Verbandsvergleiches auf der Basis eines Opt-Out-Systems.

Der VW-Dieselskandal ist ein klassischer grenzüberschreitender (weltweiter) Massenschadensfall. Während der VW-Konzern in den USA über 20 Milliarden Euro an Schadenersatz und Strafen bezahlen musste, begnügt sich das zuständige deutsche Bundeskraftfahramt damit, dass im Rahmen eines Rückrufes der Fahrzeuge nur ein Update der Betrugssoftware vorgenommen wird. Der VW-Konzern verweigert in Europa Zahlungen von Schadenersatz an seine getäuschten Kunden.

Hintergrund dafür ist der Umstand, dass es in Europa keine europaweite Sammelklage gibt und seit der Empfehlung der EU-Kommission vom 11. Juni 2013 Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadenersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten (2013/396/EU) die nationalen Rechtsordnungen nur unzureichende und sehr verschiedene Klagensysteme anbieten.

In Österreich gibt es nur die - seitens des VKI, RA Dr. Alexander Klauser und der FORIS AG

- Anfang der Jahrtausendwende entwickelte „Sammelklage nach österreichischem Recht“ (OGH 12.7.2005, 4 Ob 116/05w). Dabei treten Geschädigte dem Verband ihre Ansprüche zum Inkasso ab und der Verband bringt gegen den Beklagten in Form einer Klagshäufung

(§ 227 ZPO) nur eine Klage ein. Diese über die Jahre „taugliche Krücke“ bei Massenschäden hat aber einige Nachteile. So verliert der Verband durch die Abtretung der Ansprüche der Geschädigten den „Verbrauchergerichtsstand“, d.h. das Recht den Schädiger mit Sitz im Ausland dennoch im Inland zu klagen.

Die Erfahrung des VKI zeigt, dass beklagte Schädiger das Interesse haben, Klagen so lange zu verschleppen, bis nicht geklagte Ansprüche sicher verjährt sind; erst dann sind sie zu Vergleichen bereit (siehe Sammelklagen und Mediation in Sachen Falschberatungen durch den Finanzdienstleister AWD - 2013). Das führt zu einer unnötigen Belastung der Gerichte und zu der jahrelangen Verzögerung von Lösungen auf dem Vergleichsweg.

In den Niederlanden gibt es ein sehr taugliches System einer Verbandsmuster- Feststellungsklage mit Verjährungshemmung für Ansprüche sämtlicher Geschädigter in Kombination mit der Möglichkeit einen Verbandsvergleich im Opt-Out-System abzuschließen (WCAM-Verfahren). Dabei klagt ein Verbraucherverband bzw eine gemeinnützige Ad-hoc- Stiftung den Schädiger auf Feststellung gemeinsamer Tat- und Rechtsfragen. Die Gruppe der Geschädigten (zB alle VW-Käufer seit dem Jahr XX) muss klar abgegrenzt werden. Die Ankündigung der Klage (bei nachfolgender Klage) unterbricht für sämtliche Geschädigte die Verjährung ihrer Ansprüche. Daher bringt es dem Schädiger nichts, Verfahren zu verzögern. Dadurch wird ein Anreiz zu Vergleichsverhandlungen gesetzt. Die Vergleichsverhandlungen finden zwischen dem Verband bzw der Stiftung und dem Schädiger statt und erfassen nun ebenfalls Schadenersatz an alle Geschädigten, die sich nicht - in Kenntnis des Vergleiches

- aus der Gruppe abmelden (opt-out). Dieser Vergleich muss vom Gericht geprüft und genehmigt und die Abwicklung überwacht werden.

Diese gesetzliche Regelung in den Niederlanden wurde sogar von der Wirtschaftsseite betrieben, weil eine rasche Lösung in vielen Fällen auch für das beklagte Unternehmen von

Vorteil ist. Man kann Beschädigungen der Marke durch jahrelange Berichterstattung in den Medien vermeiden und sich hohe Rückstellungen in den Bilanzen ersparen.

In den Niederlanden hat vor wenigen Tagen die Stichting VW Car Claim den VW-Konzern mit einer Verbandsmusterfeststellungsklage in Anspruch genommen. Die Verjährung der Ansprüche der niederländischen VW-Geschädigten ist damit in allen Fällen gehemmt. Sie werden alle, sollte es zu einem Vergleich kommen, zu berücksichtigen sein.

In Österreich wurden rund 340.000 VW-Käufer geschädigt. 28.000 haben sich beim VKI gemeldet, um Schadenersatz auch durchzusetzen. Der VKI kann es sich aber nicht leisten, sich derart viele Ansprüche abtreten zu lassen und dann - mangels Verbrauchergerichtsstand - in Deutschland einzuklagen.

In Österreich läuft die Frist, binnen welcher VW-Händler auf den Einwand der Verjährung verzichten, am 31.12.2017 ab. Weiters läuft die Verjährungsfrist von 3 Jahren für Schadenersatz gegen den VW-Konzern im Herbst 2018 ab. Ohne geeignete effiziente Klagsinstrumente werden die Ansprüche der meisten Geschädigten durch Verjährung untergehen.

Wenn viele Geschädigte Ihre Schäden wegen des Kostenrisikos und mangels einer Rechtsschutzversicherung untergehen lassen, kann der Schädiger den durch seine Unrechtshandlung erzielten Gewinn behalten. Das hat zwei negative Anreize zur Folge: Der Schädiger sieht sich bestärkt, dass Unrecht sich lohnt und seine Mitbewerber werden ebenfalls zu solchen Methoden greifen. Im Interesse des Funktionierens des Marktes ist es daher gesellschaftlich notwendig, dass ein Unrechtsgewinn so gut es geht abgeschöpft wird.

In Deutschland will die CDU eine - dem niederländischen Modell ähnliche - Musterfeststellungsklage einführen; uU kommt diese noch rechtzeitig für Klagen gegen VW. Es gilt zu vermeiden, dass nur österreichische Geschädigte ohne Ersatzzahlungen überbleiben. Daher ist rasches legistisches Handeln erforderlich.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, effiziente zivilverfahrensrechtliche Instrumente zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen bei Massenschäden unter Beachtung von internationalen best practice-Modellen zu erarbeiten und bis Frühjahr 2018 dem Parlament als Regierungsvorlage vorzulegen.“

In formeller Hinsicht wird eine Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.