144/A(E) XXVI. GP

Eingebracht am 28.02.2018
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Haftung von Logistikunternehmen sowie zollrechtliche und umstatzsteuerrechtliche Änderungen für die Spediteur_innen

 

Zollrecht und Mehrwertsteuerrecht sind grundverschieden: Der Zoll ist eine europäische Abgabe, die die weltweiten Handelsströme regulieren soll und die der Gefahrenabwehr dient (Sicherheit der internationalen Lieferkette). Die Mehrwertsteuer – oder die Umsatzsteuer – ist trotz europäischer Harmonisierung eine nationale Abgabe, die einen wirtschaftlichen Vorgang, nämlich einen Erlös aufgrund eines Verkaufs etc., im Inland besteuern soll. Allerdings treffen Zoll und Mehrwertsteuer an der EU-Außengrenze aufeinander, wenn eine Drittlandsware auf den Binnenmarkt der EU gebracht und dort vermarktet werden soll. Konkret: Soll die Drittlandsware in Österreich vermarktet werden, erhebt das Zollamt Zoll und Einfuhrumsatzsteuer. Soll die Drittlandsware nicht in Österreich, sondern erst in einem anderen Mitgliedstaat auf den Markt gebracht werden, setzt das Zollamt bloß den Zoll fest, während die Ware, ohne Umsatzsteuerbemessung in Österreich, in den anderen Mitgliedstaat gebracht wird. Statt der Einfuhrumsatzsteuer in Österreich wird die Erwerbsteuer, beispielsweise in Deutschland oder Frankreich, erhoben. Diesen Vorgang regelt Art. 6 Abs. 3 UStG 1994, der auch als „VC 42“ bekannt ist. Diese Steuerbefreiung für die sog. innergemeinschaftliche Anschlusslieferung wird in dem Zollverfahren bei Überlassung einer Nicht-Unionsware zum zollrechtlich freien Verkehr vom Zollamt gewährt. D.h. die Ware wird in Österreich verzollt und in einem anderen Mitgliedstaat versteuert. Wie bei allen innergemeinschaftlichen Lieferungen kann es auch hier zu massiven Steuerbetrügereien und Unregelmäßigkeiten kommen. Das liegt nach Einschätzung der Europäischen Kommission nicht zuletzt an dem betrugsanfällig konstruierten Steuersystem der innergemeinschaftlichen Lieferung (das geändert werden soll). Nach Auffassung des Europäischen Rechnungshofs an einer völlig unzulänglichen Kontrolle dieses Verfahrens durch die Zoll- und Finanzämter der EU.

Eine zolltechnische Besonderheit ist für die Logistikbranche, insbes. für KMU, zu einem existenziellen Problem geworden. Es stehen mittlerweile Nacherhebungen von der Einfuhrumsatzsteuer in der Höhe von (geschätzt) rund 200 Mio Euro im Raum. Drittländische Verkäufer_innen – für diese ist der VC 42 geschaffen worden – dürfen nicht selbst verzollen, sie benötigen dafür eine/n Vertreter_in, also eine/n sog. Grenz- oder Zollspediteur_in, der/die für den/die Verkäufer_in (oder auch Käufer_in) die Zoll- und Grenzformalitäten erledigt. Diese/r Vertreter_in ist rechtlich aber gezwungen, die Haftung für die dabei entstehenden Zoll- und Steuerschulden als Gesamtschuldner mit dem/der Verkäufer_in zu übernehmen (sog. indirekte Vertretung, die in Art. 18 Abs. 1, zweiter Halbsatz im Unionszollkodex geregelt ist und die dem Mehrwertsteuerrecht fremd ist). Und genau darin liegt das existenzielle Problem für die Logistikbranche: Hält der/die Verkäufer_in (= Lieferant_in) oder der/die Käufer_in (= Abnehmer_in) die Steuerbefreiungsvoraussetzungen nicht ein, – weil er/sie etwa kurzfristig anders disponiert; er/sie verkauft nicht wie vorgesehen an X sondern an Y in Frankreich, oder verkauft doch in Österreich – oder weil er/sie in ein betrügerisches Umsatzsteuerkarussell verwickelt ist, oder weil er/sie verabsäumt, die ordnungsgemäße Besteuerung des Erwerbs im Bestimmungsmitgliedstaat zu erwirken, nimmt die Zollverwaltung nicht den/die ausländische/n Verkäufer_in oder den/die unionsansässige/n Käufer_in (Abnehmer_in) in Anspruch, sondern den/die einheimische/n Spediteur/_, obwohl diese/r in keiner Weise an dem Geschäft oder den Unregelmäßigkeiten beteiligt ist. Ist er/sie an Unregelmäßigkeiten beteiligt, kann er/sie selbstverständlich jederzeit als Haftungsschuldner_in in Anspruch genommen werden. Die Haftung für das Fehlverhalten Dritter, auf die der/die Spediteur_in nicht den geringsten Einfluss hat, ist aber äußerst befremdlich und ungerecht, vernichtet ehrbare österreichische Existenzen und verschafft Speditionen in anderen Mitgliedstaaten ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile (windfall-profits).

Äußerst erstaunlich ist auch, dass die Vorschrift des Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 auf Spediteur_innen überhaupt angewandt wird, weil dies nämlich offensichtlich unzulässig ist. Die Vorschrift lautet:

„Steuerfrei ist die Einfuhr der Gegenstände, die vom Anmelder im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7) verwendet werden; der Anmelder hat das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 buchmäßig nachzuweisen. Die Befreiung ist nur anzuwenden, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung tätigt. ...“

Unmittelbar einsichtig ist, dass der/die Spediteur_in die innergemeinschaftliche Lieferung nicht ausführt, denn dazu gehört Verfügungsmacht, die er/sie nicht hat, auch führt er/sie die Drittlandsware nicht für sein/ihr Unternehmen, sondern für das von ihm/ihr vertretene Unternehmen ein. Diese offensichtlich rechtswidrige Praxis muss schleunigst beendet werden. Die Steuerfolgen dürfen nur diejenigen Personen treffen, die geschäftlich anders als angemeldet disponieren bzw. die in Unregelmäßigkeiten verwickelt sind. Ebenfalls Gegenstand der Besteuerung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 ist der Verbrauch der Nicht-Unionsware, nicht aber die logistische Dienstleistung der Spediteur_innen. Zwar würde Österreich damit ein/e (Gesamt-)Schuldner_in entgehen. Aber zum einen darf, wie dargelegt, der/die Spediteur_in ohnehin nicht Steuerschuldner_in werden, zum anderen ist er/sie die falsche Person, weil er/sie in die geschäftlichen (Um-)Disponierungen oder in etwaige Unregelmäßigkeiten in aller Regel nicht involviert ist. Es gibt unseres Wissens nach bislang nur eine gerichtliche Verurteilung eines österreichischen Speditionsunternehmens wegen Abgabenhinterziehung im Zusammenhang mit dem VC 42. Des Weiteren kann die geltend gemachte Steuer ohnehin nicht bei den KMU erhoben werden, weil die Vollziehung der Abgabenbescheide sie schnell in die Insolvenz treibt. Schließlich können die Zollämter ihre Abgabenbescheide aufgrund der europäischen Betreibungsrichtlinie gegen unionsansässige „Übeltäter_innen“ richten und vollstrecken, eine Richtlinie, die in der Praxis dem Vernehmen nach gut funktioniert.


 

Die Wettbewerbsverzerrung entsteht in erster Linie dadurch, dass österreichische Nachbarländer Regelungen gefunden haben, welche die Logistikunternehmen von einer unverschuldeten Haftung befreien. In den meisten Fällen geschieht dies durch die direkte Haftung. Die in Österreich vorherrschende Auslegung der indirekten Haftung führt derzeit dazu, dass es keinen fairen Wettbewerb zwischen den österreichischen und z.B. den deutschen Unternehmen gibt. Der wesentliche Unterschied zwischen der österreichischen und der deutschen Regelung kann anhand der direkten und der indirekten Regelung ausgemacht werden:

·        Direkte Vertretung, d. h. die Vertretung handelt in Namen und auf Rechnung eines anderen (Zollschuldner_in ist der/die Empfänger_in)

·        Indirekte Vertretung, d. h. die Vertretung handelt in eigenem Namen und auf Rechnung eines anderen (Zollschuldner_in ist die Vertretung)

Im österreichischen Fall kommt noch hinzu, dass, nach ständiger Rechtsprechung des VwGH und der Praxis der österreichischen Zollverwaltung, der/die Spediteur_in wie ein/e Lieferant_in behandelt wird, der/die die Nicht-Unionsware für sein/ihr Unternehmen einführt – was aber tatsächlich falsch ist. Daraus folgt leider, dass Logistik-Unternehmen in eine verschuldensunabhänige Haftung kommen, die nicht verhältnismäßig ist.

Es ist dementsprechend festzuhalten, dass dieser Umstand nur aufgelöst werden kann, indem man auf eine direkte Vertretung umstellt, oder die indirekte Vertretung entsprechend adaptiert.

Bei der direkten Vertretung könnte man das Beispiel Deutschland als Vorbild heranziehen. Deutschland nutzt den/die Fiskalvertreter_in, um der verschuldensunabhängigen Haftung entgegen zu treten. Dem/der Fiskalvertreter_in wird eine gesonderte Steuernummer und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für die Fiskalvertretung erteilt. Der/die Vertretene tritt in Deutschland unter dieser Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf, um diese Voraussetzung für die innergemeinschaftliche Lieferung zu erfüllen. Vertreten lassen können sich Unternehmen, die in Deutschland selbst nicht steuerlich registriert sind, und auch nicht ihren Sitz, eine Zweigniederlassung oder die Geschäftsführung in Deutschland haben.

Der/die Fiskalvertreter_in benötigt für die Fiskalvertretung eine schriftliche Vollmacht des/der Erwerbers/Erwerberin, der/die vertreten werden soll. Eine Zollvollmacht ist hierfür nicht ausreichend. Sofern eine oder mehrere der Verpflichtungen durch den Vertretenen nicht erfüllt werden (z.B. durch einen fehlenden Nachweis über die innergemeinschaftliche Lieferung), haftet in Deutschland, sofern keine grobe Fahrlässigkeit oder ein Vorsatz vorliegt, nicht der/die Fiskalvertreter_in, sondern der/die Erwerber_in für die Einfuhrumsatzsteuer. Es liegt also im eigenen Interesse des/der Kunden_in, eine/n Fiskalvertreter_in zu beauftragen, der/die sein Geschäft ordnungsgemäß betreibt und allen Verpflichtungen nachkommt.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG


 
Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der entweder vorsieht:

 

·        die direkte Vertretung durch den/die Fiskalvertreter_in, analog der Regelung in Deutschland, einzuführen;

oder

·        den Art 6 Abs 3 UStG wie folgt abzuändern: Steuerfrei ist die Einfuhr der Gegenstände, die vom Anmelder und im Fall der indirekten Stellvertretung von der von ihm vertretenen Person im Anschluß an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7) verwendet werden; der Anmelder hat das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 buchmäßig nachzuweisen. Die Befreiung ist nur anzuwenden, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung tätigt;

 

Ziel ist, die verschuldensunabhängige Haftung auszuschließen."



In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Finanzen vorgeschlagen.