172/A(E) XXVI. GP

Eingebracht am 21.03.2018
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Entschließungsantrag

Dringlicher Antrag

gem. § 74a Abs.1 iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR

 

der Abgeordneten Matthias Strolz, Karin Doppelbauer, Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Etablierung einer effektiven Schuldenbremse

 

Generationengerechte Politik muss auf einem mittelfristig ausgeglichenen Budget fußen

Eine populistische Budgetpolitik äußert sich vor allem darin, dass die Regierung für die Lösung politischer Probleme einfache, schnell wirkende Maßnahmen einsetzt und deren mittel- und langfristige Kosten ignoriert. Den Bürger_innen soll im Hier und Jetzt ein Leben über den Verhältnissen ermöglicht werden, um die Popularität der Regierung nicht zu gefährden. Besonders augenscheinlich wird dieses Phänomen, wenn eine derartige Budgetpolitik auch in einer Hochkonjunkturphase verfolgt wird.

Österreich erlebt derzeit eine Phase guten Wirtschaftswachstums und allein im Jahr 2017 stiegen die Steuereinnahmen gegenüber dem Vorjahr um rund fünf Prozent. „Die Regierung muss der Versuchung widerstehen, erwartete Mehreinnahmen zu Mehrausgaben zu benützen", sprach daher WIFO-Chef Christoph Badelt bereits vor Weihnachten eine deutliche Warnung aus. In einer aktuellen Analyse des WIFO wird außerdem davon ausgegangen, dass in diesem Jahr ein Defizit des Gesamtstaats von 0,3 Prozent des BIP und für 2019 ein Überschuss von 0,1 Prozent erzielt werden kann. Das heißt, selbst ohne das Zutun der Regierung käme es zu einem Budgetüberschuss. Die Steuereinnahmen und damit einhergehend die Steuerbelastung werden 2018 jedenfalls einen neuen Rekord erreichen.

Über einen Konjunkturzyklus hinweg darf es keine neuen Schulden geben. Es braucht endlich eine Trendwende, denn seit dem Jahr 1980 sind die Schulden doppelt so schnell gestiegen wie das BIP. Eine Trendwende muss nachhaltig abgesichert werden. Nur so können wir die richtigen Anreize für eine verantwortungsvolle und enkelfitte Budgetpolitik sicherstellen.

Der Schuldenberg ist seit der Finanzkrise 2008 um 60 Prozent auf gesamtstaatliche 300 Mrd. Euro gestiegen – und das trotz der ersparten Milliarden durch die niedrigen Zinszahlungen in jüngster Vergangenheit. Es ist daher klar, dass es eine Pflichtaufgabe ist, keine neuen Schulden mehr zu machen, wenn die Konjunktur gut läuft. Einem überraschend hohen Wirtschaftswachstum von 2,9% 2017 folgt ein Jahr 2018 mit prognostizierten 3,2% Wachstum. Das ist ein Anstieg, wie wir ihn seit einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen haben. Es gilt, die Gunst der Stunde zu nutzen und mit dem „ewigen“ Schuldenmachen nun aufzuhören. Wir tragen hier Verantwortung für die kommende Generation, die ohnehin bereits mit einem riesigen Schuldenberg konfrontiert ist. Dass es anders gehen kann, zeigt beispielsweise Schweden. Hier ist seit 1995 das BIP schneller gewachsen als die Schulden. Die schwedische Verschuldung liegt nur bei etwa 42 Prozent des BIP, während sie in Österreich bei über 80 Prozent des BIP liegt. Und das bei einer ähnlichen Steuerquote. Viele EU-Staaten haben mittlerweile reagiert: Es gilt dort als selbstverständlich, in guten Jahren Überschüsse zu erwirtschaften – in Deutschland, Holland, Schweden und Tschechien war das bereits 2016 der Fall. 2017 werden sich noch einige mehr dazu gesellt haben.

Es muss klar sein, dass bei einem Zinsanstieg oder einer Abflachung der Konjunkturkurve die Schuldenquote auch steigen wird. Dann wird eine Abkehr von der Schuldenpolitik noch schwieriger werden.

Das Ausgabenprogramm wird uns noch länger verfolgen

Im österreichischen Staatshaushalt gibt es ein viel zitiertes Ausgabenproblem. Dieses fußt in erster Linie auf schon lange ausbleibende Reformen. Aber auch auf einem Phänomen, welches in den Wirtschaftswissenschaften unter dem Namen Baumolsche Kostenkrankheit bekannt wurde. Diese Theorie erklärt auch einen Teil der immer mächtiger werdenden Staatsausgaben. Angewandt erklärt die Theorie das Phänomen, dass die Löhne im öffentlichen Sektor meist im gleichen Ausmaß steigen wie in der freien Wirtschaft, ihre Produktivität allerdings nicht – was mehr mit dem Charakter ihrer Tätigkeiten zu tun hat, als mit ihrer Arbeitseinstellung. Dies führt dazu, dass die staatlichen Leistungen immer teurer werden, weil ihre Stückkosten zunehmen. In Österreich wird das Baumolsche Szenario jedenfalls erfüllt. Während die Produktivität hinterher hinkt, steigen die Löhne im öffentlichen Sektor in den letzten Jahren sogar stärker an als in der freien Wirtschaft.

Wenn also Ausgaben nicht gebremst werden, müssen zusätzliche Einnahmen herhalten. Zum Beispiel durch die kalte Progression. Die Verschuldung wird nur durch die immer steigenden Steuereinnahmen begrenzt. So sind die Steuereinnahmen seit dem Jahr 1995 um fast 90% gestiegen. Nachhaltige Budget- und Steuerpolitik geht anders. Die Schulden und die Ausgaben sind also zwei Seiten derselben Medaille.

Es ist außerdem anzumerken, dass der Staat zu viel konsumiert und zu wenig investiert. Wenn der Finanzminister in Projekte investieren würde, die für zukünftige Generationen von Bedeutung wären und diese aus technologischen Gründen zeitnah umsetzen würde (Stichwort Digitalisierung und Modernisierung des Schulsystems sowie Klimaschutz), könnte man Ausgaben bei niedrigen Zinsen noch rechtfertigen, aber der Staatskonsum (2016: 20,9 Prozent des BIP) ist rund sieben Mal so hoch wie die Investitionen (2016: 2,9 Prozent des BIP).

Defizit-Politik in Österreich und der EU

Auch Länder und Gemeinden sind hier in der Pflicht: Auf Landesebene haben Kärnten, Niederösterreich, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien 2016 das Ziel verfehlt. Auch in den Ländern braucht es eine verantwortungsvolle und nachhaltige Budgetpolitik.

Angesichts der jahrzehntelangen Schuldenmacherei fordern NEOS die Einführung einer Schuldenbremse im Verfassungsrang. Eine in der Verfassung verankerte Schuldenbremse würde dafür sorgen, dass Österreich, zumindest in konjunkturell hervorragenden Jahren, einen Überschuss erwirtschaftet. Mit diesem Polster können dann notwendige Investitionen in schlechten Jahren finanziert werden.

Zwar zielt der EU-Stabilitäts- und Wachstumspakt auf ein ausgeglichenes Budget ab, jedoch ohne Mechanismen zur automatischen Anpassung der Steuern oder Ausgaben. Und erst nach einem zeitaufwändigen (stark politisch geprägten) Prozess zwischen Mitgliedsstaat und EU-Institutionen können Sanktionen in Form von Strafgeldern verhängt werden.

Schuldenbremse nach Schweizer Vorbild

Als Vorbild kann hier die Schweiz dienlich sein. Konkret werden im Fall der Schuldenbremse die zulässigen Ausgaben auf die Höhe der um einen Konjunkturfaktor bereinigten Einnahmen begrenzt. Damit ist dafür gesorgt, dass in einer Hochkonjunkturphase der Konjunkturfaktor kleiner als Eins ist, und damit Überschüsse erzielt werden müssen, während in einer Rezession Defizite erlaubt werden. Über den kompletten Konjunkturzyklus ist der Haushalt somit ausgeglichen. Nicht auszuschließen ist, dass Schätzfehler passieren. Die dadurch entstehenden Fehlbeträge werden auf einem Ausgleichskonto verbucht und werden in den Ausgaben der folgenden Jahre entsprechend berücksichtigt.

Eine Schuldenbremse nach dem Schweizer Vorbild ist daher notwendig, um eine nachhaltige Budgetpolitik zu gewährleisten. Dafür muss die Schuldenbremse mit einem entsprechenden gesetzlichen Hebel ausgestaltet werden.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigenden Abgeordneten nachstehenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, dem Nationalrat ein Gesetz zuzuleiten, das vorsieht, eine Schuldenbremse im Verfassungsrang zu etablieren, und welches zum Ziel hat, ein ausgeglichenes Budget über eine Konjunkturphase herzustellen. Außerdem soll die Effektivität dieser Fiskalregeln durch folgende Kriterien sichergestellt werden:

·        Die Regeln müssen klar formuliert sein und sich auf technisch eng definierte Variablen beschränken, die wenigen Revisionen unterliegen und von den statistischen Ämtern zeitnah publizierbar und stabil prognostizierbar sind.

·        Starke Sanktions- und Korrekturmechanismen sollen die Durchsetzbarkeit sicherstellen.

·        Unabhängige Institutionen, wie etwa Fiskalräte, die sich aus fachkundigen Expert_innen zusammensetzen und keine politischen Amts- oder Mandatsträger_innen sind, sollen die Regeleinhaltung überwachen.

Diese Schuldenbremse soll mit 2019 in Kraft treten."

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs.1 iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstantragsteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.