173/A XXVI. GP

Eingebracht am 21.03.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

des Abg. Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalrats-Wahlordnung 1992 - NRWO) geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalrats-Wahlordnung 1992 - NRWO) geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalrats-Wahlordnung 1992 - NRWO), BGBl. Nr. 471/1992 zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 120/2016, wird wie folgt geändert:

§ 100 Abs. 1 lautet:

(1)   Im zweiten Ermittlungsverfahren nehmen Parteien teil, die im ersten Ermittlungs­verfahren zumindest in einem der Regionalwahlkreise ein Mandat oder im gesamten Bundesgebiet mindestens 2% der abgegebenen gültigen Stimmen erzielt haben.

§ 107 Abs. 2 lautet:

(2)   Parteien, denen im ganzen Bundesgebiet kein Mandat in einem Regionalwahl­kreis und weniger als 2% der abgegebenen gültigen Stimmen zugefallen sind, haben im dritten Ermittlungsverfahren auf die Zuweisung von Mandaten keinen Anspruch.

Begründung

Das d'Hondtsche Wahlverfahren ist kein reines Verhältniswahlrecht, sondern verzerrt die Proportionalität zu Ungunsten kleinerer Parteien. Wenn zusätzlich noch eine Sperrklausel von 4% der Landes- und Gesamtstimmen eingezogen ist, kann von einem „Ausgleich der….. noch nicht zugeteilten Mandate nach den Grundsätzen der

Verhältniswahl“ (Art. 26 Abs. 2 B-VG) im dritten Ermittlungsverfahren wohl nicht mehr die Rede sein: Die „Grünen“ erhielten bei den letzten Nationalratswahlen 192.638 gültige Stimmen, jedoch keinen einzigen Sitz im Nationalrat. Im Landeswahlkreis Burgenland wurden mit 177.055 Stimmen fünf Mandate vergeben (insg. 196.577 gül­tige Stimmen), im Landeswahlkreis Vorarlberg wurden 4 Wahlwerber mit 104.582 Stimmen in den Nationalrat gewählt (insg. 197.127 gültige Stimmen). Es wird also eine Liste mit der Stimmenanzahl ganzer Bundesländer aus dem Verfahren gewor­fen.

Die Verlängerung der Legislaturperiode auf 5 Jahre im Jahr 2007 spricht ebenso für eine Senkung der Prozentschwelle. Denn mit der Verlängerung entziehen sich die Abgeordneten zum Nationalrat und die Regierung ein Jahr länger der Kontrolle durch

die Wähler. Im Gefüge der demokratischen Mechanismen wurde damit ein Ungleich­gewicht zu Ungunsten des unmittelbarsten Instrumentes der Bürgerinnen, der Stimmabgabe bei der Wahl zum Nationalrat, geschaffen. Die Möglichkeit zu mehr Pluralität durch Anpassung der Sperrklausel an die realpolitischen Entwicklungen der Parteienlandschaft könnte das teilweise ausgleichen. Dass Veränderungen in den realen demokratischen Erscheinungsformen tatsächlich Auswirkungen auf das Wahl­recht und die Judikatur dazu haben, zeigt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2014, mit dem die 3%-Sperrklausel im Europawahlrecht Deutsch­lands aufgehoben wurde (2 BvE 2/13 u.a. und 2 BvR 2220/13 u.a.).

Mit der Absenkung der Sperrklausel von 5 auf 4 % im Jahr 1992 wollte man laut Ausschussbericht (601 der Beilagen, XVIII. GP) den Gedanken der Wahlgerechtig­keit durch Maßnahmen, mittels welcher die Stärkeverhältnisse der wahlwerbenden Parteien im Nationalrat genau der Relation zu den für die einzelnen wahlwerbenden Parteien abgegebenen Stimmen entsprechen, fördern. Zugleich wollte man „Splitter­parteien“ vermeiden. Nun kann man bei einer Partei, welche das Stimmgewicht eines ganzen Bundeslandes erreicht, nicht von einer „Splitterpartei“ sprechen. Wäre die Ausschlussklausel bei der letzten Wahl bei 2% gelegen, hätten die „Grünen“ 7 Abge­ordnete zum Nationalrat gestellt und damit auch Klubstatus erhalten.

Die Nationalrats-Wahlordnung muss der Realität angepasst und das gleiche Wahl­recht, mit gleichwertigen Stimmen für alle bedeutsamen wahlwerbenden Parteien, wieder hergestellt werden.

In formeller Hinsicht wird verlangt, eine erste Lesung innerhalb von drei Monaten gemäß § 69 Abs. 4 GOG-NR durchzuführen, und vorgeschlagen, diesen Antrag dem Verfassungsausschuss zuzuweisen.