238/A XXVI. GP

Eingebracht am 16.05.2018
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Antrag

 

der Abgeordneten Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG), BGBl. Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxx/2018, wird wie folgt geändert:

 

1. § 45a Abs. 3 lautet wie folgt:

(3) Die Zurückweisung oder die Zurückschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen entgegensteht.

2. § 50 Abs. 3 lautet wie folgt:
 
 (3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen entgegensteht.

Begründung

 

Österreich hat sich als Vertragsstaat dem Internationalen Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte (IPbpR) sowie seinem Zusatzprotokoll verpflichtet. Darunter fällt auch das Individualbeschwerdeverfahren vor dem UN-Menschenrechtsausschuss (UN Human Rights Committee, "HRC"). Aktuell sind vor dem HRC mehrere Fälle gegen Österreich anhängig, in denen der Ausschuss von seiner Möglichkeit gebraucht gemacht hat, einstweilige Maßnahmen ("Interim Measures") zu erlassen. Diese wurden jedoch mit dem Verweis auf die vorgeblich fehlende Bindungswirkung dieser Maßnahmen und der mangelnden innerstaatlichen Rechtsgrundlage nicht umgesetzt.

Während den meritorischen Entscheidungen ("Views") des HRC in der Tat keine rechtlich bindende Wirkung zukommt, gilt dies nicht automatisch auch für Interim Measures. Das HRC hat bereits in Dante Piandong et al. v. The Philippines (Communication No. 869/1999, 19.10.2000, paras. 5.1, 5.2 und 5.4) festgehalten, dass eine Nicht-Umsetzung einer Interim Measure nicht mit den rechtlichen Verpflichtungen eines Mitgliedsstaates unter dem IPbpR vereinbar ist. Zahlreiche führende Völkerrechtsexpert_innen sind diesem Standpunkt mittlerweile gefolgt und gehen von einer Bindungswirkung der Interim Measures aus (Siehe z.B. Christian Tomuschat, Human Rights: Between Idealism and Realism (3rd ed, OUP 2014); Walter Kälin und Jörg Künzli, The Law of International Human Rights Protection (OUP 2009) oder George Letsas, ‘International Human Rights and the Binding Force of Interim Measures’ (2003) European Human Rights Law Review 527). Selbst bei Annahme einer nicht-bindenden Wirkung der Interim Measures wirft die pauschale Nicht-Befolgung von Anordnungen eines der ältesten UN-Vertragsorganen kein gutes internationales Licht auf die Republik.

Im Bereich des Fremden- und Asylrechts besteht allerdings tatsächlich keine rechtliche Möglichkeit, Zwangsmaßnahmen aufgrund einstweiliger Verfügungen von UN-Vertragsorganen vorläufig auszusetzen. Gerade im Lichte der österreichischen Kandidatur für den UN-Menschenrechtsrat sowie der im Jahr 2020 anstehenden Überprüfung im "Universal Periodic Review" wäre es daher wünschenswert, ebenjene Grundlage zu schaffen und damit den österreichischen Verpflichtungen unter dem IPbpR und seinem Zusatzprotokoll gerecht zu werden. Der vorliegende Antrag ergänzt daher die im fremdenrechtlichen Bereich für einstweilige Maßnahmen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vorgesehene temporäre Aussetzung von Abschiebungen und Zurückschiebungen um einstweilige Maßnahmen des HRC.

In formeller Hinsicht wird vorgeschlagen, diesen Antrag unter Verzicht auf die erste Lesung dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zuzuweisen.