277/A(E) XXVI. GP
Eingebracht am 13.06.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom
Original sind möglich.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Sabine Schatz, Douglas Hoyos, Alma Zadic, Kolleginnen
und Kollegen
betreffend der ausreichenden Finanzierung des österreichischen Gedenkdienstes und der sozialen Absicherung der Gedenkdienstleistenden
„The past is another country,“ schrieb der renommierte britisch-amerikanische Historiker Tony Judt in Bezug auf das kollektive Vergessen der österreichischen Mitschuld und Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus. Erst relativ spät, nämlich im Zuge der Waldheim-Affäre 1986, kam es zu einem Umdenken in der österreichischen Erinnerungskultur. Statt eines Heldengedenkens an die gefallenen Wehrmachtssoldaten rückten mit der Zeit die Opfer des Naziregimes in den Mittelpunkt. Am 8. Juli 1991 bekannte sich auch das offizielle Österreich zu seiner Mitschuld und Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus.
Im Hohen Haus erklärte der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky: „Wir bekennen uns zu allen Daten unserer Geschichte und zu den Taten aller Teile unseres Volkes, zu den guten wie zu den bösen. Und so wie wir die guten für uns in Anspruch nehmen, haben wir uns für die bösen zu entschuldigen, bei den Überlebenden und bei den Nachkommen der Toten. Dieses Bekenntnis haben österreichische Politiker immer wieder abgelegt. Ich möchte das heute ausdrücklich auch im Namen der Österreichischen Bundesregierung tun: als Maßstab für das Verhältnis, das wir heute zu unserer Geschichte haben müssen, also als Maßstab für die politische Kultur in unserem Land, aber auch als unseren Beitrag zur neuen politischen Kultur in Europa." (https://www.parlament.av.at/PAKT/VHG/XVIII/NRSITZ/NRSITZ 00035/imf- name 142026.pdf)
Auch die aktuelle Bundesregierung bekennt sich in ihrem Regierungsprogramm zur Mitschuld und Verantwortung für die Verbrechen, die während des Nationalsozialismus verübt wurden: "Österreichs Verantwortung 2018 markiert aber auch den 80. Jahrestag des „Anschlusses“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich. Auch diesem Ereignis, das mit viel Leid verbunden war und einen wesentlichen Schritt hin zu einer der größten Tragödien in der Weltgeschichte bedeutete, muss in einem würdigen und respektvollen Rahmen gedacht werden. Österreich bekennt sich zu seiner Mitschuld und Verantwortung. Wir wollen vor allem jener gedenken, denen infolgedessen furchtbares Leid und Unheil widerfuhr, und ein klares Zeichen gegen jegliche Form des Antisemitismus setzen."
Doch folgen diesem Lippenbekenntnis keine Taten. Denn ein finanzielles Aushungern des Gedenkdienstes, der seit Jahrzehnten einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus an Orten wie Auschwitz, Theresienstadt oder Ravensbrück leistet, ist als ein Angriff auf die österreichische Erinnerungskultur zu werten.
Österreichisches Gedenken findet nicht nur im Inland statt, sondern auch an den Orten der Barbarei und des Leids in anderen Ländern. Gerade Österreich, dessen Selbstverständnis als „Hitlers erstes Opfer“ sich erst nach jahrzehntelangem Prozess hin zu einem Eingeständnis der Mitschuld und Übernahme von Verantwortung gewandelt hat, darf nicht vergessen. Eine Abschaffung des Gedenkdienstes käme einer Rückkehr zu alten Mustern des Vergessens und Stillschweigens gleich. Wir dürfen nicht vergessen, sondern müssen uns aktiv erinnern. An Opfer und Täter_innen. Im In- und im Ausland. Der Gedenkdienst, seine Trägervereine sowie die Gedenkdienstleistenden tragen dazu einen wesentlichen und wichtigen gesellschaftspolitischen Teil bei und müssen deshalb erhalten bleiben.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, die notwendigen budgetären Mittel im Rahmen des Freiwilligengesetzes bereitzustellen, um eine Fortführung der Arbeit des österreichischen Gedenkdienstes und der Trägervereine sicher zu stellen.
Da die Gedenkdienstleistenden wesentlich zur Stärkung von Toleranz und Menschenrechten beitragen und einen aktiven Beitrag zur Erinnerungskultur leisten, ist darauf Bedacht zu nehmen, dass sie während ihrer Tätigkeit sozial abgesichert sind. Dafür sind ausreichend Fördermittel für individuelle Förderungen der Gedenkdienstleistende zur Verfügung zu stellen.
Gleichzeitig führt die Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen im Rahmen des Freiwilligengesetzes in der Praxis zu bürokratischen Hindernissen, weshalb ein Evaluierungsprozess unter Einbeziehung der Betroffenen gestartet werden soll.“
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen.