307/A(E) XXVI. GP

Eingebracht am 29.06.2018
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Claudia Gamon, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit im Internet

 

Aktuell wird auf EU-Ebene der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (2016/0280 (COD)) diskutiert. Artikel 13 des Entwurfs sieht vor, dass Betreiber_innen von Online-Plattformen unmittelbar für Urheberrechtsverletzungen durch ihre Nutzer_innen verantwortlich gemacht werden sollen und gemäß Absatz 4 nur dann von der Haftung befreit wären, wenn sie beweisen, dass sie "bestmögliche Anstrengungen" unternommen haben, um urheberrechtlich geschütztes Material nicht zugänglich zu machen. Dem Vorschlag zufolge sollen also Plattformbetreiber_innen dazu verpflichtet werden, durch „wirksame Inhaltserkennungstechniken“ oder sogenannte „Upload-Filter“ Inhalte bereits vor ihrer Veröffentlichung auf eine vermeintliche Urheberrechtsverletzung hin zu überprüfen.

Am 25. Mai 2018 hat sich der Rat der Europäischen Union für die Einführung von Upload-Filtern ausgesprochen und damit die Verhandlungsbasis für die künftigen interinstitutionellen Verhandlungen über die Reform des EU-Urheberrechts zwischen Vertreter_innen des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und des Rates der Europäischen Union dargelegt. Am 20. Juni 2018 hat zudem der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments für die umstrittene EU-Urheberrechtsreform gestimmt und die interinstitutionellen Verhandlungen mit den anderen Legislativorganen der EU eröffnet. Dabei kommt der österreichischen Bundesregierung mit Übernahme des Ratsvorsitz durch Österreich am 1.Juli 2018 eine besondere Rolle zu.

Dieser Richtlinen-Vorschlag ist jedoch aus grundrechtlicher Sicht höchst problematisch. Ein automatisiertes Filtern von Nutzerinhalten vor Veröffentlichung auf Online-Plattformen kommt einer Zensur gleich und greift unverhältnismäßig in die Meinungs- und Informationsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger ein, welche durch Artikel 13 Staatsgrundgesetz, Artikel 10 Europäische Menschenrechtskonvention und Artikel 11 EU-Grundrechtecharta garantiert werden.

Problematisch ist außerdem, dass es bislang keine technische Lösung gibt, die es ermöglicht, urheberechtlich geschützte und nicht geschützte Inhalte automatisiert zu unterscheiden, wodurch es zur Blockierung und Löschung legaler Inhalte kommt (etwa bei Satire oder Zitaten). Erschwerdend kommt hinzu, dass den Anbieter_innen die Informationen zur Beurteilung der Frage, ob das hochgeladene Material urheberrechtliche geschützt ist oder nicht, fehlen. Dies hat zur Konsequenz, dass Plattformen aus Angst vor Unterlassungsansprüchen im Zweifel mehr Inhalte blockieren werden, als sie tatsächlich müssten. Die Einführung von Upload-Filtern und der damit einhergehende Aufbau einer nur schwer kontrollierbaren Zensur-Infrastruktur birgt darüber hinaus die Gefahr, dass diese Instrumente in weiterer Folge für die Blockierung anderer Inhalte angewendet oder für eigene Zwecke der Anbieter_innen genutzt werden. Die Implementierung von Upload-Filtern würde eine automatiserte Zensur im Internet und eine unverhältnismäßige Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit im digitalen Raum bedeuten.

Ein weiterer problematischer Aspekt der im Richtlinien-Vorschlag über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt enthalten ist, ist das neue europäische Leistungsschutzrecht für Presseverleger (siehe Artikel 11 des Entwurfs). Dadurch soll das Zitieren und Verlinken von Artikeln im Internet erschwert werden. Konkret sieht das Leistungsschutzrecht vor, dass Suchmaschinenabieter_innen und ähnliche Dienste, wie etwa Google News oder Facebook, Titel und kurze Vorschautexte, nicht mehr kostenlos anzeigen dürfen. Onlinedienste sollen in Zukunft Lizenzverträge mit den Verlagen abschließen, wenn sie deren Inhalte, so z.B. Auszüge von Nachrichtenseiten, anzeigen wollen.

Ähnliche Regelungen bestehen bereits seit 2013 in Deutschland und seit 2015 in Spanien. Doch in beiden Ländern sind nicht die erhofften Ergebnisse eingetreten. Im Gegenteil: Marktführer Google zahlt nicht mehr Geld an die Verlage, denn in Deutschland räumten viele große Verlagshäuser Google eine Ausnahme ein und stellen ihre Inhalte kostenlos zur Verfügung, da sie sonst aus Google News entfernt worden wären. In Spanien stellte Google seinen Newsdienst hingegen gleich komplett ein. Dies hatte in beiden Ländern die Schwächung von kleineren und unabhängigen Medien zur Folge und führte zu einer Einschränkung der Medienvielfalt. Die Einführung des Leistungsschutzrechts ist daher aus grundrechtlicher und demokratiepolitischer Sicht abzulehnen, da sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit im digitalen Raum bedeuten würde.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der anstehenden interinstitutionellen Verhandlungen über die Europäische Urheberrechtsreform klar für die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit auszusprechen, sowie sich gegen die Einführung des unverhältnismäßigen Zensur-Instruments der Upload-Filter und gegen die Einführung des Leistungsschutzrechts einzusetzen; zudem sowohl auf innerstaatlicher als auch auf europäischer Ebene alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit im Internet zu schützen."

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.