311/A(E) XXVI. GP

Eingebracht am 04.07.2018
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Michael Bernhard, Claudia Gamon, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Geburtstag

 

Bis zur vollständigen Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt ist es noch ein weiter Weg. Wenngleich die Erwerbstätigenquote von Frauen in Österreich stetig steigt und im Jahr 2017 68,2 Prozent betrug, arbeitet nach wie vor fast jede zweite Frau in Österreich Teilzeit (vgl. Statistik Austria). Während die Teilzeitquote im EU-Schnitt im letzten Jahr gesunken ist, ist sie in Österreich gestiegen. Betrug sie im Jahr 2015 rund 46,8 Prozent, so ist sie im Jahr 2016 auf 47,1 Prozent gestiegen (vgl. Eurostat). Bei Männern liegt dieser Prozentsatz bei ca. 10 Prozent.

Wesentlich ist aber nicht nur die Differenz zwischen Männern und Frauen was Teilzeitbeschäftigungen angeht, sondern vor allem die Gründe dafür. Denn während Männer häufig ihr Stundenmaß reduzieren, um sich weiterzubilden, geben 38 Prozent der Frauen zwischen 15 und 59 Jahren an, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, um Betreuungsaufgaben für Kinder oder pflegebedürftige Erwachsene wahrzunehmen. Bei den 15- bis 64-jährigen Männern geben nur fünf Prozent die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Erwachsenen als Beweggrund an. Viel mehr Gewicht haben Bildungsambitionen: 28,8 Prozent der Männer üben einen Teilzeitjob aus, weil sie eine schulische oder berufliche Aus- oder Fortbildung absolvieren. Nicht einmal ein Fünftel der Männer (18,2 Prozent) und Frauen (17,6 Prozent) wollen keine Vollzeitbeschäftigung (vgl. WIFO 2017).

"Die Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Bezahlbarkeit hochwertiger Betreuungseinrichtungen für Kinder ist ein Schlüsselfaktor, der es Frauen, aber auch Männern mit Betreuungspflichten ermöglicht, am Erwerbsleben teilzunehmen. Eine hochwertige frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung ist ferner ein wichtiges Instrument, um gegen eine mögliche soziale Benachteiligung von Kindern vorzugehen; darüber hinaus ist sie der kognitiven und sozialen Entwicklung von Kindern von frühem Alter an förderlich", folgert auch die EU-Kommission in ihrem Bericht zu den Barcelona-Zielen im Jahr 2018.

Österreich hinkt, was zur Verfügung stehende Kinderbetreuungsplätze für unter Dreijährige betrifft, immer noch anderen EU-Staaten hinterher. EU-weit wurde das Barcelona-Ziel, wonach zumindest für jedes dritte Kind unter drei Jahren ein Betreuungsplatz zur Verfügung stehen soll, von zwölf Mitgliedstaaten erreicht – Österreich ist nicht darunter. Dieses Ziel hätte schon 2010 erreicht werden sollen.

Auch was Öffnungszeiten und Schließtage betrifft, ist die aktuelle Situation in Österreich nicht zufriedenstellend. Außerhalb Wiens hat mehr als die Hälfte aller Kinderbetreuungseinrichtungen mehr als fünf Wochen im Jahr geschlossen (51,2 Prozent) – das heißt, dass nicht einmal die Hälfte aller Kinderbetreuungseinrichtungen es Alleinerzieher_innen ermöglicht, erwerbstätig zu sein und keine private Kinderbetreuung organisieren zu müssen. Auch was die Öffnungszeiten der Kindertagesheime angeht, zeigt sich ein deutliches Stadt-Land-Gefälle: Knapp die Hälfte der Betreuungseinrichtungen außerhalb Wiens (47,2 Prozent) schließt bereits vor 16 Uhr, fast ein Drittel (rund 32 Prozent) sogar vor 15 Uhr. Knapp die Hälfte der Betreuungseinrichtungen in Österreich hat täglich weniger als acht Stunden geöffnet (vgl. Kindertagesheimstatistik, Statistik Austria).

Ein Ausbau von Kinderbetreuungs- und -bildungseinrichtungen ist vor allem auch dann geboten, wenn man flexiblere Arbeitszeitmodelle einführen möchte. Will man Arbeitnehmer_innen mehr Flexibilität ermöglichen, dann muss man auch Rahmenbedingungen schaffen, die die bestmögliche Aufteilung der vorhandenen Zeit sicherstellen. Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen kann nur unter der Bedingung funktionieren, dass bei Bedarf ausreichend Infrastruktur und Hilfe zur Verfügung steht. Dafür ist ein sicherer Platz in einer Kinderbetreuungseinrichtung Grundvoraussetzung.

Ziel muss es sein, für jedes Kind einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen, und zwar ab dem ersten Kindergeburtstag. Durch einen so geschaffenen Rechtsanspruch entsteht kein Zwang für Arbeitnehmer_innen, ihr Kind frühestmöglich einer entsprechenden Betreuungseinrichtung zu überlassen. Es wird lediglich die Möglichkeit für all jene geschaffen, die Betreuungsplätze wollen oder brauchen. Dadurch gewährleisten wir ein hohes Maß an persönlicher Freiheit und Chancengerechtigkeit für alle. Sowohl für Kinder als auch für Eltern. Wenn eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten mit einem Ausbau von Infrastruktur, die Eltern mehr Möglichkeiten bietet, diese Flexibilität auch bestmöglich für sich umzumünzen, einhergeht, erhöht sich die Lebensqualität.

Damit ein Rechtsanspruch auch sinnvoll ist, müssen Betreuungsplätze vor allem für unter Dreijährige weiter ausgebaut werden. Dem Ziel, mehr Betreuungseinrichtungen für alle Kinder zur Verfügung zu stellen, hat sich auch die Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm verschrieben: "Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine qualitätsvolle Kinderbetreuung wichtig, die sich an den Bedürfnissen der Kinder und Eltern orientiert. Der weitere Ausbau eines qualitätsvollen Kinderbetreuungsangebots muss dabei im Fokus stehen[,] der Kindergarten im Sinne der Stärkung der Elementarpädagogik zur Bildungseinrichtung weiterentwickelt werden." (Regierungsprogramm, S. 101). Vor allem die von der Bundesregierung in Aussicht gestellte Zusammenlegung und Verlängerung der entsprechenden 15-a Vereinbarungen betreffend des Ausbaus von institutioneller Kinderbetreuung, des Gratis-Kindergartenjahrs und früher sprachlicher Förderung ist noch vor September umzusetzen, um Ländern und Gemeinden entsprechende Rechtssicherheit zu gewährleisten.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG



 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz für jedes Kind ab Vollendung des ersten Lebensjahres zu schaffen. Außerdem soll ein weiterer Ausbau von qualitätsvollen Kinderbetreuungs- und -bildungseinrichtungen, vor allem mit längeren Öffnungszeiten und weniger Schließtagen, sichergestellt werden."

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Familien und Jugend vorgeschlagen.