379/A(E) XXVI. GP

Eingebracht am 26.09.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA,

Kolleginnen und Kollegen,

betreffend eine soziale, armutsvermeidende Absicherung bei Arbeitslosigkeit auch im Konjunkturaufschwung

Begründung

Die Bundesregierung sieht in ihrem Regierungsprogramm ein „Arbeitslosengeld neu" vor, in das die Notstandshilfe „integriert", also faktisch abgeschafft werden soll. Nach Ausschöpfung des Arbeitslosengeldes soll nur mehr die Bedarfsorientierte Mindestsicherung als Existenzsicherungsleistung zustehen. Dies würde für Österreich die Einführung eines Leistungsrechts in der Arbeitslosenversicherung bedeuten, das dem deutschen Hartz-IV-System gleicht.

Das ist sowohl für österreichische Arbeitnehmerlnnen und Arbeitsuchende, als auch für die heimische Arbeitsmarktentwicklung keine vernünftige und anstrebenswerte Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung:

Hartz IV hat in Deutschland das Problem der Arbeitslosigkeit nicht beseitigt. Die Arbeitslosenquote ist in den letzten Jahren zwar zurückgegangen, die Ursachen dafür liegen aber in einer rückläufigen Entwicklung des Arbeitskräfteangebots und einer guten Wirtschaftsentwicklung. Gleichzeitig hat es aber zu einer deutlichen Spaltung des Arbeitsmarktes in Deutschland geführt. Kurzfristig arbeitslose Personen werden möglichst schnell in den Arbeitsmarkt vermittelt. Für Hartz IV-Empfängerlnnen besteht kaum eine realistische Chance, den dauerhaften Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu schaffen. Das Ergebnis: Nur mehr ein schwaches Drittel der Arbeitslosen in Deutschland bezieht Arbeitslosengeld I, zwei Drittel hingegen die als Arbeitslosengeld II bezeichnete Grundsicherung.

Gleichzeitig sind auch Auswirkungen auf die Beschäftigten in Deutschland zu beobachten: Die Hartz- Reformen haben zu stagnierender Lohnentwicklung und zum Anstieg des Niedriglohnsektors beigetragen. Ein Grund dafür ist auch die verpflichtende Beschäftigung in sogenannten 1€-Jobs. Die steigende Angst der Arbeitnehmerlnnen, den Job zu verlieren, führte auch zur Zunahme atypischer Beschäftigung und schlechteren Arbeitsbedingungen.

Die Einführung eines Hartz IV-Systems in Österreich hätte zudem massive Konsequenzen für die Betroffenen: Der Bezug von Mindestsicherung nach dem Arbeitslosengeld ist zunächst nur dann möglich, wenn jegliches Vermögen über einem Betrag von 4.315 Euro (Wien 2017) verwertet wird. Dies würde dazu führen, dass auch langjährig beschäftigte Arbeitnehmerlnnen sehr rasch ihre Ersparnisse aufbrauchen müssten. Eine aktuelle Studie im Auftrag des Finanzministeriums rechnet daher mit einem beträchtlichen Anstieg der Armutsgefährdung im Fall der Einführung von Hartz IV in

Österreich. Es wäre mit einem Anstieg an armutsgefährdeten Personen um 90.000 bis 160.000 zu rechnen. Dass diese Annahme durchaus berechtigt ist, zeigt auch der Vergleich der Armutsgefährdungsquoten arbeitsloser Personen von Österreich und Deutschland. So hat Deutschland die europaweit höchste Quote von 71 %, während sie in Österreich derzeit noch bei   47 % liegt.

Die Regierung sieht auch eine Arbeits- und Teilhabepflicht für Mindestsicherungsbezieherlnnen vor. Eine solche ist grundsätzlich bereits jetzt in den jeweiligen Regelungen zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) verankert. Dies bedeutet, dass sich arbeitsfähige BezieherInnen beim Arbeitsmarktservice melden müssen und dort Beschäftigungen oder auch Unterstützungsmaßnahmen (zB Qualifizierungen) vermittelt bekommen. Ziel ist die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt und das Erzielen von Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Eine Erweiterung dieser Verpflichtung auf unbezahlte Arbeit ist jedoch abzulehnen, da dadurch der Verbleib in der BMS einzementiert wird und die gemeinnützige Beschäftigung als Wiedereingliederungsmaßnahme (zB in sozialökonomischen Betrieben) untergräbt.

Gerade ältere und gesundheitlich beeinträchtigte Arbeitnehmerlnnen können von der derzeitigen verbesserten Arbeitsmarktlage kaum profitieren. Sie finden nur sehr schwer in den Arbeitsmarkt zurück, da die Unternehmen oftmals nicht bereit sind, Älteren eine Chance zu geben. Diese Personengruppen wären von einer solchen Änderung besonders nachteilig betroffen. Für sie wäre eine Beseitigung der Notstandshilfe noch viel folgenschwerer: Denn durch den Bezug der Bedarfsorientierten Mindestsicherung werden keine Versicherungsmonate in der Pensionsversicherung erworben, über die Notstandshilfe jedoch sehr wohl. Dadurch würden die Betroffenen auch erhebliche Verluste in der Pension erleiden. Diese könnten bis zu 100.000 Euro und mehr betragen, ergaben Berechnungen der PensionsexpertInnen der Arbeiterkammer.

Der Vorschlag des Regierungsübereinkommens ist von der irrigen Annahme getragen, dass Arbeitslose selbst schuld an ihrer Arbeitslosigkeit sind und es lediglich mehr Druck und niedrigere Geldleistungen bei Arbeitslosigkeit braucht, um sie in Beschäftigung zu bringen. Diese Annahme wurde bereits von Studien (zB WIFO, Die Wirkung zentraler Interventionen des AMS bei der Vermittlung, Wien 2016) widerlegt. Darüber hinaus wird übersehen, dass es immer noch eine beträchtliche Lücke zwischen Arbeitsuchenden und angebotenen Stellen gibt. Dadurch ist es nach wie vor gerade für langzeitarbeitslose Menschen und Menschen mit Benachteiligungen besonders schwer, in den Arbeitsmarkt zurückzufinden. Diese Gruppen bräuchten vielmehr besondere Unterstützungsmaßnahmen, wie die Fortführung der Aktion 20.000 oder weitere arbeitsmarktpolitische Angebote.[1]

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, eine existenzsichernde und soziale Absicherung bei Arbeitslosigkeit zu gewähren, bei welcher die Notstandshilfe beibehalten wird - und zwar ohne Zugriff auf die Vermögenswerte, ohne Anrechnung des Partnereinkommens und ohne Pensionskürzungen. Weiters wird die Bundesregierung aufgefordert, mit ihrer Arbeitsmarktpolitik die Ursachen für hohes, individuelles Arbeitslosigkeitsrisiko zu bekämpfen, was einerseits einen Ausbau der Weiterbildungsangebote für Betroffene und andererseits auch eine öffentlich organisierte und finanzierte Beschäftigung für benachteiligte Gruppen erfordert."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen.



[1] Vgl. Antrag Nr. 9 der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafterlnnen, 170. Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien am 26. April 2018

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