523/A(E) XXVI. GP

Eingebracht am 12.12.2018
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EntschlieSSungsantrag

 

der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Befangenheitsregelung im VwGVG

 

Ablehnungsrecht der Parteien bei Befangenheit des/der Richters/Richterin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren

Mit 1.1.2014 nahmen die neu geschaffenen Verwaltungsgerichte (9 Landesverwaltungsgerichte, 1 Bundesverwaltungsgericht, 1 Bundesfinanzgericht) ihre Arbeit auf. Die Vorgängerinstitutionen, die Unabhängigen Verwaltungssenate (UVS), wurden aufgelöst. Ihre Funktion als Rechtsmittelinstanz im Verwaltungsverfahren übernahmen die Verwaltungsgerichte.

Eine der Unparteilichkeit des Gerichts entsprechende umfassende Befangenheitsregelung für Verwaltungsrichter_innen, wie sie die Jurisdiktionsnorm (§§ 19 ff JN) für die ordentliche Gerichtsbarkeit und die StPO für den Strafprozess (§§ 43 ff StPO) vorsehen, fehlt im VwGVG.

Stattdessen verweist § 11 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) auf das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) und übernimmt das "verwaltungsbezogene Befangenheitsmodell" des § 7 AVG. Danach haben sich Verwaltungsrichter_innen unter bestimmten Voraussetzungen „der Ausübung ihres Amtes zu enthalten“. Ein aktives Antragsrecht der Parteien ist nicht vorgesehen.

Im behördlichen Verwaltungsverfahren mag die "Enthaltungsregelung" des § 7 AVG aus verwaltungsökonomischen Gründen angemessen sein. Für ein Gerichtsverfahren, das stets höheren Ansprüchen an die Unabhängigkeit und Integrität der Entscheidungsorgane genügen muss, reicht eine bloße "Enthaltungsregelung" nicht aus.

Daher wird im vorliegenden Antrag die Übernahme des erprobten und gut funktionierenden "Ablehnungsmodells" der JN in das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten vorgeschlagen.

Über den Ablehnungsantrag soll ein richterliches Gremium des Gerichts entscheiden, dem der/die befangene Richter_in angehört.

Bei der Frage nach der Zuständigkeit für die Entscheidung über den Befangenheitsantrag sollte jedoch den jeweiligen Gerichtsorganisationsgesetzgebern ausreichend Entscheidungsfreiheit gelassen und somit deren Rechtssetzungskompetenz gemäß Artikel 136 des Bundesverfassungsgesetzes (B-VG) unberührt bleiben.

Zwei Modelle erscheinen besonders naheliegend: Über den Antrag kann entweder analog zu den Regelungen für die ordentliche Gerichtsbarkeit der/die Präsident_in jenes Gerichts entscheiden, dem der/die befangene Richter_in angehört, oder aber das schon jetzt zur Geschäftsverteilung berufenen Gremium des jeweiligen Verwaltungsgerichts (etwa der Geschäftsverteilungsausschuss).

Ein Ablehnungsrecht der Parteien muss mit Regelungen einhergehen, die sicherstellen, dass mutwillige Prozessverschleppungen hintangehalten und Entscheidungsfristen eingehalten werden können.

 

Wie der EGMR in ständiger Rechtsprechung betont "Not only must justice be done; it must also be seen to be done", ist die objektive Unparteilichkeit eines Gerichts ein ganz wesentliches Element bei der Wahrung des Vertrauens in den Rechtsstaat. (vgl. Lässig, WK-StPO § 43 Rz 13; EGMR, Pullar gg Vereinigtes Königreich, ÖJZ-MRK 1996/34, 874; EGMR, Fey gg Österreich, ÖJZ-MRK 1993/26, 394)

Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit bedeutet auch Vertrauen in den Rechtsstaat. Dieses Vertrauen in der Bevölkerung zu stärken, ist Ziel dieses Antrags.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 


Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat ehebaldigst einen Gesetzesvorschlag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) durch eine Regelung ergänzt wird, die bestimmt, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen ein/e Richter_in von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen ist, und durch die ein Recht der Parteien im Gesetz verankert wird, einen/eine Richter_in wegen Befangenheit abzulehnen, zuzuleiten."

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.