536/A XXVI. GP

Eingebracht am 13.12.2018
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Antrag

 

der Abgeordneten Dr.in Pamela Rendi-Wagner, MSc, Dr. Hannes Jarolim, Angela Lueger

Genossinnen und Genossen,

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (Staatsbürgerschaftsrechtsänderungsgesetz 2018)

 

Der Nationalrat wolle beschließen

 

Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (Staatsbürgerschaftsrechtsänderungsgesetz 2018)

 

Der Nationalrat hat beschlossen

 

Das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311/185, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I. Nr. 56/2018, wird wie folgt geändert:

 

1.     Nach § 10 Abs. 4 wird ein neuer § 10 Abs. 4a eingefügt:

 

          §10. (4a) „Von der Voraussetzung des Abs. 1 Z 1und den Verleihungshindernissen nach Abs. 2 Z 1, sofern kein Fall des § 53 Abs. 3 FPG vorliegt, Z 2 bis Z 6 sowie des Abs. 3 ist abzusehen bei den Nachkommen in gerader Linie eines Fremden gemäß § 58 Abs. 1a.

 

2.     §10a Abs. 2 Z 1 hat zu lauten:

 

„1. Fälle der §§ 10 Abs. 4 und 6, 11a Abs. 2, 13, 57, 58 sowie 59“

 

3.     § 17 erhält einen neuen Abs. 5:

 

          §17. (5) „Die Bestimmungen des Abs. 1 und Abs. 1a gelten für die Nachkommen eines Fremden im Sinne von § 58 Abs. 1a mit der Maßgabe, dass für die Verleihung der Staatsbürgerschaft auch die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 7 entfällt. Weiters ist bei einer Verleihung gem. Abs. 1, Abs. 1a oder Abs. 2 von den Verleihungshindernissen des § 10 Abs. 2 Z 1,  sofern kein Fall des § 53 Abs. 3 FPG vorliegt, Z 2 bis 6 sowie Abs. 3 abzusehen.“

 

4.     Anstelle des § 58c kommt ein neuer § 58 (§ 58c entfällt):

 

          §58. (1) Ein Fremder erwirbt unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und unter Berücksichtigung der Verleihungshindernisse des § 10 Abs. 2 Z 1, sofern ein Fall des § 53 Abs. 3 FPG vorliegt, und Z 7 die Staatsbürgerschaft, wenn er der Behörde (§ 39) unter Bezugnahme auf dieses Bundesgesetz schriftlich anzeigt, sich als Staatsbürger vor dem 9. Mai 1945 in das Ausland begeben zu haben, weil er Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten hatte oder erlitten hat oder weil er wegen seines Eintretens für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt war oder solche zu befürchten hatte.

 

          (1a) Nachkommen in gerader Linie eines Fremden erwerben unter den Voraussetzungen des

§ 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und unter Berücksichtigung der Verleihungshindernisse von Abs. 2 Z 1, sofern ein Fall des § 53 Abs. 3 FPG vorliegt, und Z 7 sowie die Staatsbürgerschaft, wenn sie der Behörde (§ 39) unter Bezugnahme auf dieses Bundesgesetz schriftlich anzeigen, dass ein Vorfahre in gerader Linie sich als Staatsbürger vor dem 9. Mai 1945 in das Ausland begeben hat, weil er Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten hatte oder erlitten hat oder weil er wegen seines Eintretens für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt war oder solche zu befürchten hatte. Das Vorliegen der Gründe gem. §10 Abs. 3 steht dem Erwerb und Erhalt der Staatsbürgerschaft nicht entgegen.

 

          (1b) Das Recht auf Erwerb der Staatsbürgerschaft durch schriftliche Anzeige an die Behörde (§ 39) für Nachkommen eines Fremden gemäß Abs. 1a erlischt nach der dritten dem Fremden nachfolgenden Generation.

 

          (2) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 oder Abs. 1a und Abs. 1b vor, so hat die Behörde mit schriftlichem Bescheid festzustellen, dass der Einschreiter die Staatsbürgerschaft mit dem Tag des Einlangens der Anzeige bei der Behörde (§ 39) erworben oder wiedererworben hat.

 

          (3) Die Anzeige (Abs. 1, Abs. 1a) kann auch bei der gemäß § 41 Abs. 2 zuständigen Vertretungsbehörde eingebracht werden, die sie an die Behörde weiterzuleiten hat.

 

          (4) Die Anzeige (Abs. 1, Abs. 1a), der Bescheid (Abs. 2) und im Verfahren beizubringende Unterlagen wie insbesondere Zeugnisse, Personenstandsurkunden und Übersetzungen sind von den Stempelgebühren befreit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird gemäß §69 Abs 4 GOG die Durchführung einer Ersten Lesung innerhalb von drei Monaten verlangt.

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für innere Angelegenheiten

 

ERLÄUTERUNG

 

Allgemeiner Teil

 

Die von der HistorikerInnenkommission der Republik Österreich hervorgehobene besondere Situation der Nachkommen von Vertriebenen wurde bisher im österreichischen Staatsbürgerschaftsrecht nicht berücksichtigt. Diese wären heute österreichische Staatsbürger, wenn ihre vertriebenen Vorfahren die österreichische Staatsbürgerschaft nicht verloren hätten. Die Regelungen betreffend den Wiedererwerb der Staatsbürgerschaft für NS-Verfolgte bzw. den Erwerb der Staatsbürgerschaft für deren Nachkommen bedarf dringend einer Reform.

 

Der Anlass dafür wäre mit 100 Jahre Republik bzw. 80 Jahre „Novemberpogrom“ gut gewählt, verbunden mit der Botschaft, dass die Republik alle Vertriebenen und ihre Nachkommen „nach Hause holen“ will, dass sie zu uns gehören.

 

Die gesetzliche Privilegierung für Nachkommen soll mit der dritten der eigentlich vertriebenen Person nachfolgenden Generation erlöschen (UrenkelInnen).

 

Bei Staaten wo dies erforderlich erscheint, sollte im Wege bilateraler Abkommen und ähnlichen Maßnahmen Doppelstaatsbürgerschaften ermöglicht werden.

 

Besonderer Teil

 

Zu 1.

Das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z1, welches den zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet vorsieht, wird dem Sinn des Gesetzes entsprechend gestrichen. Ebenso sollen neben dem bereits nach § 58c (alt) nicht zum Tragen kommenden Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 2 auch die Verleihungshindernisse des § 10 Abs. 2 Z 3 bis 6 gestrichen werden, welche Verwaltungsübertretungen vor allem, wenn auch nicht ausschließlich, im Zusammenhang mit dem Fremdenpolizeigesetz betreffen. Es erscheint widersinnig, jemandem eine privilegierte Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft in Aussicht zu stellen und im gleichen Atemzug diese Erlangung unter Hinweis auf die Aufenthaltsregelungen gemäß FPG zu verunmöglichen. Wenn die vertriebene Person nicht hätte flüchten müssen, wären mit größter Wahrscheinlichkeit sie oder auch die Nachkommen österreichische Staatsbürger und würden schon deshalb niemals mit den Aufenthaltsbestimmungen in Konflikt kommen können. Verleihungshindernisse für Personen mit relevanten strafrechtlichen Verurteilungen oder Personen, deren Einbürgerung dem Ansehen der Republik schaden würde, sowie für Extremisten bzw. Terroristen bleiben bestehen. Bestehen bleiben soll allerdings das Verleihungshindernis § 10 Abs. 2 Z 1, sofern ein Fall des § 53 Abs. 3 FPG vorliegt. Die Gesetzesbestimmung regelt Einreiseverbote (u.a.) für verurteilte Straftäter, Kriegsverbrecher, Terroristen, Extremisten.

 

Zu 2.

Hier liegt eine legistische Anpassung an das Faktum vor, dass § 58c durch §58 ersetzt wird.

 

Zu 3.

Die vorliegende Bestimmung enthält die Streckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft auf minderjährige Kinder des Fremden. § 10 Abs. 1 Z7 (hinreichend gesicherter Lebensunterhalt) entfällt im gegebenen Zusammenhang ebenso wie § 10 Abs. 3 (Ausscheiden aus bisherigem Staatsverband). Das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 1 bleibt bestehen, sofern ein Fall des § 53 Abs. 3 FPG vorliegt, die Verleihungshindernisse des § 10 Abs. 2 Z 2 bis 6 entfallen.

 

Zu 4.

Der bisherige § 58c entfällt und wird durch § 58 (neu) ersetzt.

 

§ 58 (neu) Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 geben weitgehend den Inhalt des bisherigen § 58c wieder, wobei in der Neufassung des § 58c als § 58 zusätzlich zum bereits in der alten Fassung weggefallenen Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 2 auch die Verleihungshindernisse des Abs. 2 Z 3 bis 6 entfallen. Das Verleihungshindernis des Abs. 2 Z 1 bleibt in modifizierter Form erhalten.  Die wesentlichen Neuerungen finden sich in Abs. 1a und 1b.

 

Kern des neuen Abs. 1a ist nach wie vor, dass die betreffende Person sich vor dem 9.5.1945 in das Ausland begeben hat, weil sie Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zur Befürchtung hatte oder erlitten hat oder weil sie wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Österreichs Verfolgungen ausgesetzt war oder solche zu befürchten hatte. Nachkommen in gerader Linie dieser Person („eines Fremden“) erwerben unter den gegebenen Voraussetzungen die Staatsbürgerschaft, wenn sie der Behörde unter Bezugnahme auf dieses Bundesgesetz schriftlich anzeigen, dass ein Vorfahre in gerader Linie österreichischer Staatsbürger und Verfolgter in obgenanntem Sinn war.

 

Abs. 1b besagt, dass die gesetzliche Privilegierung mit der dritten der eigentlichen vertriebenen Person nachfolgenden Generation (UrenkelInnen) erlischt. Auch die UrenkelInnen können die Staatsbürgerschaft noch auf ihre eigenen Kinder erstrecken lassen, sodass die Privilegierung eine Familiengeschichte von zumindest ca. 100 Jahre jedenfalls abdeckt (z.B. zumindest bis 2038/2045). Es wäre nicht sinnvoll, die Zulässigkeit eines privilegierten Antrages auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft auch nach z.B. 300 Jahren zu ermöglichen.