632/A XXVI. GP

Eingebracht am 27.02.2019
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Antrag

 

des Abg. Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 194/1999, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 14/2019, geändert wird

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes

 

Das Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 14/2019, wird wie folgt geändert:

 

1. Art. 20 Abs. 3 und 4 entfallen..

 

2. Nach Art. 22 wird folgender Art. 22a eingefügt:

 

Artikel 22a. (1)  Die Organe der Gesetzgebung, die mit der Besorgung von Geschäften der Bundesverwaltung und der Landesverwaltung betrauten Organe, die Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Rechnungshof, ein Landesrechnungshof, die Volksanwaltschaft sowie eine vom Land für den Bereich der Landesverwaltung geschaffene Einrichtung mit gleichwertigen Aufgaben wie die Volksanwaltschaft haben Informationen von allgemeinem Interesse, insbesondere allgemeine Weisungen, Statistiken, Gutachten und Studien, die von diesen Organen erstellt oder in Auftrag gegeben wurden, in einer für Jedermann zugänglichen Art und Weise zu veröffentlichen, soweit nicht eine Verpflichtung zur Geheimhaltung gemäß Abs. 2 besteht.

(2) Jedermann hat gegenüber den Organen der Gesetzgebung, den mit der Besorgung von Geschäften der Bundesverwaltung und der Landesverwaltung betrauten Organen, dem Rechnungshof, einem Landesrechnungshof, der Volksanwaltschaft sowie einer vom Land für den Bereich der Landesverwaltung geschaffenen Einrichtung mit gleichwertigen Aufgaben wie die Volksanwaltschaft das Recht auf Zugang zu Informationen, soweit deren Geheimhaltung nicht im Interesse der nationalen Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, konkreter internationaler Beziehungen oder im Interesse Dritter, soweit es sich um vertraulich erhobene oder übermittelte Informationen handelt, und soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung zum Zeitpunkt des  Antrages noch besteht, erforderlich ist oder  zur Wahrung anderer gleich wichtiger öffentlicher Interessen durch Bundes- oder Landesgesetz ausdrücklich angeordnet ist; die gesetzlichen beruflichen Vertretungen sind nur gegenüber ihren Angehörigen verpflichtet, Zugang zu Informationen zu gewähren.

(3) Jedermann hat gegenüber Unternehmungen, die der Kontrolle des Rechnungshofes oder eines Landesrechnungshofes unterliegen, das Recht auf Zugang zu Informationen, soweit deren Geheimhaltung nicht in sinngemäßer Anwendung des Abs. 2 oder zur Vermeidung einer konkreten Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung erforderlich ist oder gesetzlich – sofern ein vergleichbarer Zugang zu Informationen gewährleistet ist – nicht anderes bestimmt ist.

(4) Nähere Regelungen über Ausnahmen

1. für laufende Gerichtsverfahren, Verwaltungsstrafverfahren und Disziplinarverfahren;

2. für Prüfungs- und Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungs-  behörden;

3. bezüglich Informationen, die dem Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis unterliegen und

3. für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten in Bezug auf journalistisch-redaktionelle

Informationen;

werden in den Gesetzen bestimmt.

(5) Die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes sind zu beachten, wobei die technischen Möglichkeiten zu berücksichtigen sind.

(6) Informationen im Sinne der Abs 2 und 3 sind umgehend zu erteilen, die Form der Informationserteilung wird in den Gesetzen geregelt.

(7) Die näheren Regelungen sind in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache.“

 

3. Art. 67a wird folgender Abs. 3 angefügt:

 

„(3) In den Angelegenheiten gemäß Art. 22a Abs. 1 und 2 betreffend Informationen aus dem Wirkungsbereich des Bundespräsidenten ist die Präsidentschaftskanzlei zuständig.“

 

4. Art. 148b Abs. 1 zweiter Satz lautet:

 

„Gegenüber der Volksanwaltschaft besteht keine Verpflichtung zur Geheimhaltung.“

5. Art. 148b Abs. 2 lautet:

„(2) Die Volksanwaltschaft unterliegt der Verpflichtung zur Geheimhaltung im gleichen Umfang wie das Organ, an das die Volksanwaltschaft in Erfüllung ihrer Aufgaben herangetreten ist. Bei der Erstattung der Berichte an den Nationalrat ist die Volksanwaltschaft zur Geheimhaltung nur insoweit verpflichtet, als dies im Interesse der nationalen Sicherheit oder der militärischen Landesverteidigung oder zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist.“

                     

6. Art. 151 wird folgender Abs. xx angefügt:

 

„(xx) Art. 22a, Art. 67a Abs. 3, Art. 148b Abs. 1 zweiter Satz und Art. 148b Abs. 2 in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2014 treten mit 1. Jänner 2020 in Kraft; gleichzeitig tritt Art. 20 Abs. 3 und 4 außer Kraft. Auf mit Ablauf des 31. Dezember 2019 anhängige Auskunftsbegehren sind Art. 20 Abs. 3 und 4, die auf Grund des Art. 20 Abs. 4 erlassenen Gesetze und die auf deren Grundlage erlassenen Verordnungen weiter anzuwenden.“

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, eine erste Lesung innerhalb von drei Monaten gemäß § 69 Abs. 4 GOG-NR durchzuführen, und vorgeschlagen, diesen Antrag dem Verfassungsausschuss zuzuweisen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Österreich hinkt den modernen Standards einer Informationsgesellschaft als europäisches Schlusslicht nach. Es ist der EU-Staat mit dem schlechtesten Ranking in der „Global Right to Information Rating Map“ des Centre for Law and Democracy. 

 

Das bestehende „Auskunftspflichtgesetz“ aus 1987 ist völlig unzureichend, denn es ermöglicht es jeder Verwaltungsbehörde, Auskünfte zu verweigern. Sei es unter Berufung auf die Amtsverschwiegenheit, oder weil es die übrigen Aufgaben der Behörde „beeinträchtigen“ könnte.

 

Wenn ein Extrem die grundsätzliche Geheimhaltung aller Dinge der Staatsverwaltung in der Monarchie war, dann ist das andere die durchsichtige Verwaltung in Schweden, wo sogar Steuerunterlagen Dritter eingesehen werden können. Österreich liegt hier nicht etwa in der Mitte, sondern ist im Jahr 2019 noch immer in unmittelbarer Nähe zum absolutistischen Pol des Amtsgeheimnisses anzusiedeln. 

 

Dies wird zwar seit Jahren und immer wieder beklagt (vgl. zB „Die Presse“ v. 27.06 2012, „Österreich ist Schlusslicht bei Informationsfreiheit“, oder vor einigen Monaten die ORF-Berichterstattung zu einer Anfrage an mehr als 2000 Gemeinden der Plattform Addendum – mit niederschmetternden „Antworten“), es ändert sich jedoch nichts.

 

Um das zu ändern, muss der Begriff der Amtsverschwiegenheit vollständig revidiert werden. Die Informations- und Auskunftspflicht der öffentlichen Stellen und der Unternehmungen, an denen Bund oder Länder beteiligt sind, ist in Verfassungsrang festzulegen, um ein entsprechendes Gesetz erlassen zu können.

 

Die Informationspflicht ist die Verpflichtung der öffentlichen Stellen und der Staatsbeteiligungen, aktiv wichtige Daten, Entscheidungen und Unterlagen zu veröffentlichen. Die Auskunftspflicht geht weiter und verpflichtet die genannten Stellen und Unternehmungen, ein entsprechendes Ersuchen zeitnah zu beantworten. Auf die notwendigen Ausnahmen, etwa im Rahmen der Gerichtsbarkeit oder bezüglich Geschäftsgeheimnissen, wurde Rücksicht genommen.