684/A(E) XXVI. GP

Eingebracht am 27.03.2019
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

EntschlieSSungsantrag

 

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Archivierung digitaler Archivalien der obersten Bundesorgane durch das Staatsarchiv

Der Schutz und die Erhaltung des kulturellen Erbes stellen für jeden Staat eine seiner vorrangigen Aufgaben dar. Kulturgut verkörpert nicht nur ein ideelles, sondern auch ein beträchtliches nationales Kapital, dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt.

Historische Unterlagen zählen zweifelsfrei zum kulturellen Erbe eines Staates. Den - im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses und in Wahrnehmung von Aufgaben des Bundes - anfallenden Unterlagen kommt für die Erforschung der Geschichte Österreichs besondere Bedeutung zu.

 

Es ist daher durch gesetzliche Maßnahmen sicherzustellen, dass dieses Gut vor Vernichtung und Zersplitterung geschützt wird. Die geschichtliche Entwicklung Österreichs ist von allgemeinem und nicht nur von wissenschaftlichem Interesse und verbrieft nicht nur der Wissenschaft, sondern auch generell den Bürgerinnen und Bürgern ein gesetzliches Recht auf Zugang zu den historisch wertvollen Unterlagen.

Das Österreichische Staatsarchiv verwahrt, erschließt und sichert mit seiner reichen archivalischen Überlieferung aus über 1.000 Jahren österreichischer Geschichte wertvollstes Kulturgut von gesamteuropäischer Bedeutung.

Es versteht sich als „impulsgebende Institution im archiv- und geschichtswissenschaftlichen Umfeld“.

Die Kernaufgabe des „Archivierens“ ist gesetzlich definiert als „Erfassen, Übernehmen, Verwahren, Erhalten, Instandsetzen, Ordnen, Erschließen, Verwerten und Nutzbarmachen von Archivgut des Bundes für die Erforschung der Geschichte und Gegenwart, für sonstige Forschung und Wissenschaft, für die Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung sowie für berechtigte Belange der Bürger“ (Bundesarchivgesetz BGBl. Nr. 162/1999, § 2).

Wie jedes „lebende“ Archiv übernimmt das Österreichische Staatsarchiv neben seiner Schlüsselfunktion für die Geschichtswissenschaft auch im Rahmen der laufenden öffentlichen Verwaltung eine wichtige Rolle.

Bundesdienststellen, die nicht zur Führung eigener Archive ermächtigt sind, haben dem Österreichischen Staatsarchiv nicht mehr benötigtes Schriftgut zur Übernahme anzubieten. Das Staatsarchiv entscheidet über die Archivwürdigkeit des angebotenen Materials.

Die derzeitige Archivtätigkeit des Staatsarchives bezieht sich auf "Archivalien" und "Schriftgut" im Sinne des § 25 des Denkmalschutzgesetzes (DMSG).

§ 25. (1) Archivalien sind Schriftgut sowie zu dokumentarischen Zwecken oder zur Information der Öffentlichkeit hergestelltes Bild-, Film-, Video- und Tonmaterial, das von geschichtlicher oder kultureller Bedeutung für die Erforschung und das Verständnis der Geschichte und Gegenwart in politischer, wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Hinsicht sowie bezüglich Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung und den Schutz allgemeiner oder besonderer bürgerlicher Rechte ist. Kommt derartigen Gegenständen geschichtlich gewordenen Charakters jedoch Bedeutung dieser Art nicht zu, dann sind sie nicht Archivalien im Sinne dieses Abschnittes, und zwar auch dann nicht, wenn Sammlungen dieser Art, wie Sammlungen von musikalischen Handschriften, literarischen Schriftstücken, Ansichts- und Porträtsammlungen und dergleichen, als Archive bezeichnet werden.

(2) Schriftgut sind schriftlich geführte oder auf elektronischen Informationsträgern gespeicherte Aufzeichnungen aller Art wie Schreiben und Urkunden samt den damit in Zusammenhang stehenden Karten, Plänen, Zeichnungen, Siegel, Stempel mit deren Anlagen einschließlich der Programme, Karteien, Ordnungen und Verfahren, um das Schriftgut auswerten zu können.

Auf europäischer Ebene ist auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 17. September 1994 zur verstärkten Zusammenarbeit im Archivwesen, ABl. Nr. C235 vom 23. August 1997, S 3, zu verweisen, wonach nach Auffassung des Rates die Archive einen beachtlichen Teil des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung im Sinne von Art. 128 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft darstellen.

Die Nutzung der Archive kann zur Erreichung des ebenfalls im Art. 128 genannten Zieles beitragen, die Kenntnis der Kultur und der Geschichte der europäischen Völker zu verbessern. In der Entschließung vom 14. November 1991 betreffend das Archivwesen hat der Rat (ABl. Nr. C314 vom 5. Dezember 1991, S 2) ausdrücklich festgehalten, dass das Erbe der europäischen Archive eine unverzichtbare Quelle für die europäische Geschichtsschreibung und für die Geschichtsschreibung jeder einzelnen Nation ist und dass gut geführte und zugängliche Archive einen entscheidenden Beitrag zum demokratischen Gesellschaftssystem leisten.

Der § 6 Abs. 3 des Bundesarchivgesetzes sieht vor: "Das Schriftgut, das unmittelbar beim Bundespräsidenten, Bundeskanzler, Vizekanzler, bei einem Bundesminister oder Staatssekretär in Ausübung ihrer Funktion oder in deren Büros anfällt und nicht beim Nachfolger verbleiben soll, ist unverzüglich nach dem Ausscheiden aus der Funktion dem Österreichischen Staatsarchiv zu übergeben. Dieses Schriftgut ist vom Österreichischen Staatsarchiv bis zum Ablauf von 25 Jahren nach dem Ausscheiden aus der Funktion gesondert unter Verschluss und versiegelt aufzubewahren. In dieses Schriftgut darf, sofern bundesgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur mit Zustimmung des seinerzeitigen Funktionsinhabers oder einer von ihm bestimmten Person Einsicht genommen werden. Ist keine Person bestimmt worden, so bedarf es im Falle des Ablebens des Funktionsinhabers der Zustimmung der unmittelbaren Nachkommen. Über jede Einsicht während dieser Frist sind genaue Aufzeichnungen zu führen."

Seit dem Einzug der Digitalisierung in die Öffentliche Verwaltung hat sich viel verändert. Wichtige Dokumente des Staates und Korrespondenzen von den obersten Organen der Republik und deren Interaktion mit Organen anderer Staaten liegen heutzutage nicht mehr in Papierform vor, sondern existieren ausschließlich in digitaler Form als Textdokumente, Emails, Social Media Aufritten und vielem mehr.

Angesichts der rasanten Fortentwicklung der Digitalmedien besteht eine große Gefahr, dass politisches und geschichtliches Erbe verloren geht. Dateiformate, Speichermedien und Darstellungsmedien werden weiterentwickelt und so können Dokumente, die wir heute erzeugen, schon in wenigen Jahren womöglich nicht mehr ausgelesen werden und sind für die Geschichtsforschung verloren.

Hinzu tritt eine weitere Entwicklung: Die sozialen Medien. Sie revolutionierten nicht nur die menschliche Kommunikation als solche - sie revolutionierten auch die demokratische und politische Debatte nachhaltig.

Öffentliche Äußerungen von obersten Staatsorganen via Social Media haben eine besondere überzeitliche politische und geschichtliche Bedeutung, die es gilt, für zukünftige Generationen zu sichern.

Im Zeitalter der Digitalisierung sind die öffentlichen Äußerungen von obersten Staatsorganen stark auf die modernen (sozialen) Medien verlagert. Sowohl jedes Ministerium als auch Ministerinnen und Minister haben mittlerweile eigene offizielle Accounts.

Künftige Generationen von Bürgerinnen und Bürgern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern haben ein Interesse daran, dass diese Auftritte in einer nachhaltigen Form archiviert und zugänglich sind. Vor allem dann, wenn diese von höchsten Organen des Staates ausgehen und von politischem Gehalt sind. Zwar sind Social Media Auftritte von obersten Staatsorganen derzeit noch über die betreffenden Internet-Plattformen abrufbar. In Anbetracht der Kurzlebigkeit derartiger Medienplattformen und Foren ist eine Sicherung in den Staatsarchiven jedoch unabdingbar.

Bedeutende demokratische Staaten wie die USA archivieren die Social Media Auftritte ihrer Staatsorgane seit einigen Jahren, um diese elektronischen Zeitdokumente für die Nachwelt zu sichern.

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Das Österreichische Staatsarchiv ist gem § 12. (1) des Bundesarchivgesetzes eine Dienststelle des Bundes. Es untersteht unmittelbar dem Bundeskanzler oder der Bundeskanzlerin.

Mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 8. Jänner 2018, mit der die sachliche Leitung bestimmter, zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörender Angelegenheiten einem/einer eigenen Bundesminister/Bundesministerin übertragen wird, wurde die Zuständigkeit für Angelegenheiten der Archive, insbesondere der Führung des Österreichischen Staatsarchivs, gem Art. 77 Abs. 3 B-VG  dem Bundesminister im Bundes­kanzleramt, dem Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien übertragen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien wird aufgefordert, dem Nationalrat ehest bald einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der folgende Punkte berücksichtigt:

·        Nachhaltige Sicherung der digitalen Archivalien der obersten Staatsorgane in Anbetracht der Gefahr des Verlustes von politischem und geschichtlichem Erbe

·        Nachhaltige Sicherung der digitalen Äußerungen der obersten Staatsorgane in den Sozialen Medien, die diese während ihrer Amtszeit tätigen

Dieser Gesetzesentwurf soll klare Regelungen enthalten, die sicherstellen, dass diese Archivalien fachkundig und unter

·        Beachtung der Kurzlebigkeit digitaler Plattformen und Medien

·        Beachtung der besonderen Sensibilität der Unterlagen

·        Beachtung der Amtsverschwiegenheit

·        Beachtung des Datenschutzes

·        Beachtung der Informations- und Wissenschaftsfreiheit

·        Beachtung des Denkmalschutzes

für künftige Generationen nachhaltig gesichert sind.

In die Ausarbeitung des Entwurfes sollen Expertinnen und Experten aus den Reihen der Geschichtsforschung, des Denkmalschutzes, des Staatsarchivs sowie Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Informationstechnologie einbezogen werden."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Kulturausschuss vorgeschlagen.