766/A(E) XXVI. GP

Eingebracht am 24.04.2019
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

EntschlieSSungsantrag

 

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Reform der Krankenversicherung: Liberale Bürgerversicherung

Aktuelle Situation: Opting-Out-Möglichkeit aus der Sozialversicherung

In den 2000er-Jahren wurde unter einer ÖVP-FPÖ-Regierung die sogenannte Opting-Out-Möglichkeit für freie Berufe eingeführt. Seither können mehr als 60.000 Personen wie etwa Tierärzt_innen, Wirtschaftstreuhänder_innen, Ärzt_innen, Apotheker_innen, Patentanwält_innen, Notar_innen, Rechtsanwält_innen und Architekt_innen frei wählen, ob sie von der gesetzlichen Krankenversicherung oder einer privaten Krankenversicherung betreut werden möchten. Über ihre jeweilige Kammer kann ein Gruppenvertrag mit einer Privatversicherung abgeschlossen werden. Ein sehr großer Teil macht davon Gebrauch.

Ungerechtigkeit: Opting-Out soll auf wenige Berufsgruppen beschränkt bleiben (FPÖVP-Antrag 695/A XXVI. GP)

Dieses Modell stellt natürlich eine massive Ungerechtigkeit dar, weil nur einige wenige in die Privatversicherung optieren können. In Antrag 695/A XXVI. GP wollen Abgeordnete von ÖVP und FPÖ die Privatversicherungsoption für eine kleine Berufsgruppe zusätzlich absichern. Dieser Antrag ist natürlich auch ein Offenbarungseid der Regierungsfraktionen. Dort traut man der eigenen Sozialversicherungs"reform" offensichtlich keine Verbesserungen für die Versicherten in der gesetzlichen Sozialversicherung zu.

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/A/A_00695/index.shtml

Liberale Bürgerversicherung: Gegenmodell zu FPÖVP-Antrag 695/A XXVI. GP

Das Konzept der Bürgerversicherung beruht darauf, dass sich gesetzliche und private Krankenversicherungsträger in einem wettbewerblichen Solidarsystem gemeinsam um Kund_innen bemühen. Den diesbezüglich letzten Vorstoß wagten die deutschen Sozialdemokraten, welche die privaten Krankenversicherer (PKV) in das gesetzliche Krankenversicherungssystem (GKV) holen wollen. Relativ stark ausgeprägt ist die Integration der privaten Versicherungen in die Grundversicherung bereits jetzt in den Niederlanden und der Schweiz.

Forderungen zur Bürgerversicherung in Deutschland

"Bürgerversicherung" (Überblick des AOK-Bundesverbandes über die Vorstellungen der deutschen Parteien zur Bürgerversicherung)

https://aok-bv.de/lexikon/b/index_00256.html

"Lauterbach fordert Bürgerversicherung" (Karl Lauterbach, Gesundheitssprecher der SPD)

https://www.pnp.de/nachrichten/politik/2745487_Lauterbach-fordert-Buergerversicherung.html

"Das Konzept der SPD" (Bürgerversicherung)

https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/krankenversicherung-der-zukunft-das-konzept-der-spd/8239264-4.html?ticket=ST-466090-fGfNPu3resPky6BSPmSW-ap1

Grundzüge der „liberalen Bürgerversicherung“

·        Ein System: Krankenkassen, Krankenfürsorgeanstalten, "Wohlfahrtseinrichtungen", "Versorgungseinrichtungen" und sonstige private Krankenversicherungsträger (sofern sie eine Kranken-Grundversicherung anbieten, exkl. Zusatzversicherung) werden in ein Krankenversicherungssystem zusammengeführt.

·        Grundversicherung: Das gemeinsame Krankenversicherungssystem deckt die Grundversicherung ab, darüber hinaus steht es jeder/jedem Versicherten frei, Zusatz-Krankenversicherungen abzuschließen.

·        Risikostrukturausgleich in der Krankenversicherung: in der Krankenversicherung würde es zu einem umfassenden Risikostrukturausgleich kommen, der Versichertenstrukturunterschiede ausgleicht, die von den Krankenversicherern nicht beeinflusst werden können (Einkommen, Demographie, Morbidität, Hochkostenfälle)

·        Freie Wahl des Trägers: In allen drei Sparten würde die freie Wahl des Trägers herrschen (Kontrahierungszwang). Denn nur wenn sich die Versicherten ihren Träger selbst aussuchen können, wird Kundenfreundlichkeit in den Trägern verstärkt vorangetrieben.

·        Freie Wahl für Selbstbehalte: Auch die Selbstbehalte für die Krankenversicherung wären frei wählbar. Wer sich für Selbstbehalte bei gleichzeitigem Beitragsnachlass entscheidet, soll das dürfen. Die Selbstbehalte sollen für chronisch Kranke entsprechend nach unten angepasst werden, aber auch für Präventionsleistungen sollen Versicherte Selbstbehaltsnachlässe bekommen.

·        Beiträge: Die Beiträge sollen bis zu einer Höchstbeitragsgrundlage einkommensabhängig sein

·        Transparenz bei Qualität: alle Träger und Sparten müssen zudem mit qualitativen Zielen (z.B.: Qualität, Gesundheitszustand der Versicherten,…) versehen werden, die den Versicherten transparent gemacht werden.

Welche Vorteile wir uns durch die "liberale Bürgerversicherung" erwarten

·        Mehr Solidarität, vor allem in der Krankenversicherung

·        Mehr Wahlfreiheiten für die Versicherten und die Stärkung des Eigenverantwortungsgedanken

·        Mehr Zufriedenheit mit der reformierten Krankenversicherung

·        Mehr Wettbewerb und dadurch mehr Innovation

·        Bessere Versorgungs-Behandlungsqualität und Transparenz

·        Deutliche Verbesserung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG


Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, schnellstmöglich eine Studie in Auftrag zu geben, welche die Weiterentwicklung der Krankenversicherung in Richtung "liberale Bürgerversicherung" gemäß Antragsbegründung prüft. Die Meta-Fragestellung soll dabei lauten, wie sehr die Entsolidarisierung des gegenwärtigen Krankenversicherungssystems gestoppt werden kann, wenn gesetzliche und private Träger gesetzlich dazu verpflichtet werden, in der Kranken-Grundversicherung in einem gemeinsamen wettbewerblichen Solidarsystem zu agieren." 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen.