773/A XXVI. GP

Eingebracht am 25.04.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

 

des Abg. Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen

 

 

betreffend ein Verfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz   (B-VG, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 14/2019) hinsichtlich der Anklage vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 142 Abs. 2 lit. b) geändert wird.

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes

 

Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 (WV) idF BGBl. I Nr. 194/1999 (DFB), zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 14/2019, wird wie folgt geändert:

 

 

 

Am Ende des Art. 142 Abs. 2 lit b) wird die Wortfolge „durch Beschluss des Nationalrates;“ ersetzt durch die Wortfolge:

 

„durch ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates;“

 

Begründung

 

„Ich halte es für demokratiepolitisch weise, wenn man rechtliche und vor allem verfassungsrechtliche Regelungen so gestaltet, dass sie auch wirken. Daher kann man angesichts des toten Rechts der Ministeranklage nur sagen, man soll diese Regeln so gestalten, dass sie auch wirken. Demokratiepolitisch wäre es zweckmäßig, wenn man ein geringeres Quorum als die Mehrheit vorsieht“, führte der als zurückhaltend bekannte G. Holzinger als damaliger Präsident des VfGH 2014 in einem Interview aus.[1] Auch andere Staatsrechtler haben schon früher dafür plädiert, die Rechte aus Art 142 B-VG einer qualifizierten Minderheit zuzugestehen.[2]

 

Die Verantwortung aus dieser Bestimmung ist die Einforderung der politischen und allenfalls strafrechtlichen Konsequenzen ernster Verfehlungen von Regierungsmitgliedern. Diese Verantwortung bei der Regierungsmehrheit im Nationalrat zu belassen ist gleichbedeutend mit der Abschaffung dieses verfassungsmäßig vorgesehenen Kontrollinstruments: Bei der Formulierung dieser Verfassungsbestimmung vor hundert Jahren stand man noch unter dem Eindruck der politischen Strukturen der Monarchie, als der Reichstag tatsächlich auch der Gegenspieler der Regierung war. In der modernen Form unserer Demokratie, in welcher die Regierung regelmäßig von der Mehrheit im Nationalrat unterstützt wird, kann es praktisch nicht mehr zur Anwendung kommen. Und tatsächlich ist es auch gegenüber Mitgliedern der Bundesregierung noch nie zur Anwendung gekommen.

 

Dieses Verfassungsinstrument ist zu einem „Damoklesschwert aus Papier“[3] geworden. Selbst eine neue Mehrheit in der folgenden Legislaturperiode könnte keine Anklage gemäß Art 142 B-VG gegen ein ehemaliges Regierungsmitglied einbringen, wenn dieses schon vor mehr als einem Jahr aus dem Amt geschieden ist.[4]

 

Die bestehende Regelung, de facto totes Recht, widerspricht den Anforderungen des Rechtsstaates und der Demokratie im Jahr 2019. Es sollte einer qualifizierten Minderheit von einem Drittel der Abgeordneten zum Nationalrat anvertraut werden. Diese Minderheit wird das Instrument nur sehr vorsichtig und selten benutzen: Es ist eine den Erfordernissen des Verfahrens vor dem VfGH genügende Anklageschrift erforderlich, und die Entscheidung über die Zulässigkeit und die materielle Berechtigung einer solchen Anklage trifft ganz allein der VfGH.

 

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, eine erste Lesung innerhalb von drei Monaten gemäß § 69 Abs. 4 GOG-NR durchzuführen, und vorgeschlagen, diesen Antrag dem Verfassungsausschuss zuzuweisen.

 

 


Art 142 Abs 2 lit b) bestehend                                                                                 Art 142 Abs 2 lit b) NEU

 

b) gegen die Mitglieder der Bundesregierung, die ihnen                                             „b) gegen die Mitglieder der Bundesregierung, die ihnen
hinsichtlich der Verantwortlichkeit gleichgestellten Organe                                       hinsichtlich der Verantwortlichkeit gleichgestellten Organe und
und die Staatssekretäre wegen Gesetzesverletzung: durch                                     die Staatssekretäre wegen Gesetzesverletzung:
durch ein Drittel
Beschluss des Nationalrates;                                                                                    
der Mitglieder des Nationalrates.“

 



[1] Die Presse v. 12.05.2014, Rechtspanorama, 15.

[2] Schambeck, Regierung und Kontrolle in Österreich (1997), VI. 77; vgl. auch Bußjäger, Besprechung

  des zitierten Werkes, JBl 1998, 339.

[3] Atzwanger, Die Ministeranklage gemäß Art 142 und 143 B-VG, ÖJZ 1983, 37.

[4] § 80 Abs 1 Verfassungsgerichtshofgesetz.