841/A XXVI. GP

Eingebracht am 27.05.2019
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag


der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Haftung der Gebietskörperschaften und der sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts für in Vollziehung der Gesetze zugefügte Schäden (Amtshaftungsgesetz – AHG) geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das  Bundesgesetz über die Haftung der Gebietskörperschaften und der sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts für in Vollziehung der Gesetze zugefügte Schäden (Amtshaftungsgesetz – AHG) geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das  Bundesgesetz über die Haftung der Gebietskörperschaften und der sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts für in Vollziehung der Gesetze zugefügte Schäden (Amtshaftungsgesetz – AHG), BGBl. Nr. 20/1949 idF BGBl. I Nr. 194/1999 zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. BGBl. I Nr. 122/2013, wird wie folgt geändert:

 

Nach § 6 wird folgender neuer § 6a samt Überschrift eingefügt:

" § 6a Subsidiäre Zuständigkeit des Rechnungshofes bei Rückersatzansprüchen

(1) Unbeschadet der Zuständigkeit des Rechtsträgers gemäß § 1 Abs 3 kann der Rechnungshof diese Zuständigkeit zur Geltendmachung eines Rückersatzanspruches nach diesem Bundesgesetz an sich ziehen, sofern der Rechtsträger

1.    ihn darum schriftlich ersucht, den Rückersatzanspruch gegen das Organ geltend zu machen, oder

2.    den Rückersatzanspruch gegen das Organ nicht binnen 3 Monaten nach Beginn der Verjährungsfrist gemäß § 6 Abs 2 geltend macht und die Geltendmachung durch den Rechtsträger nicht zu erwarten ist.

(2) Für das Verfahren gelten die übrigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sinngemäß. Anstelle des Rechtsträgers tritt ab dem Zeitpunkt der schriftlichen Zuständigkeitserklärung des Rechnungshofes gegenüber dem Rechtsträger dieser in das Verfahren ein und kann in Bezug auf dieses Verfahren alle Rückersatzansprüche des Rechtsträgers gegen das Organ wirksam geltend machen. Ab Zuständigkeitserklärung des Rechnungshofes kann der Rechtsträger nicht mehr wirksam über die Rückersatzansprüche verfügen.

(3) Der Rechnungshof hat den Rechtsträger in Bezug auf das Verfahren zu hören.

(4) Der Rechnungshof bleibt ab seiner Zuständigkeitserklärung an diese gebunden und kann nicht mehr von der Verfahrensführung zurücktreten bis das Verfahren rechtskräftig erledigt ist.

(5) Der Rechnungshof hat das Recht auf Einschau in sämtliche Unterlagen und Schriftstücke des Rechtsträgers, die zur Führung des Verfahrens notwendig sind. Dieses Recht steht dem Rechnungshof bereits vor Zuständigkeitserklärung zu. Im Übrigen gelten die §§ 3 bis 5 des Rechnungshofgesetzes sinngemäß."

Begründung

Politikerhaftung im AHG

Allgemeiner Teil:

Politiker_innen sind vom Vertrauen der Wähler_innen abhängig und werden anhand ihrer Arbeitshaltung und ihrer Leistungen entweder im Amt bestätigt oder abgewählt. Allerdings kommt es immer wieder zu Vorfällen, in denen Spitzenpolitiker_innen aufgrund grober Vernachlässigung ihrer Pflichten Entscheidungen treffen, die finanzielle Schäden und Nachwirkungen über Generationen bewirken.

Skandale, wie es sie im Zuge der Hypo-Haftungen und späterer Verstaatlichung, beim Salzburger Finanzdebakel, bei der Linzer Swap-Affäre oder auch bei den Wiener Frankenkrediten gab, sind nur ein paar der aktuellen Beispiele für solche politische Misswirtschaft. Diese Fälle sind Symptome eines größeren strukturellen Problems. Es stellt sich daher die Frage, ob in solchen Fällen die politischen Konsequenzen zu wenig sind.

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit im Wege der Amtshaftung gegen staatliches Fehlverhalten vorzugehen.

Wenn ein Organ hoheitlich handelt und dabei jemanden durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten einen Schaden zufügt, haftet der jeweilige Rechtsträger.

Der zuständige Rechtsträger kann sich am Organ regressieren, wenn dieses Organ schuldhaft gehandelt hat. Auch im Bereich der Privatwirtschaft haften Organe für Schäden, die sie rechtswidrig und schuldhaft zufügen. Im Bereich der Kapitalgesellschaften gilt seit 2016 ausdrücklich die "Business Judgement Rule". Gem § 84 Abs 1a AktG und § 25 Abs 1a GmbHG handelt der Vorstand einer AG bzw. der Geschäftsführer einer GmbH „jedenfalls im Einklang mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters, wenn er sich bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf der Grundlage angemessener Informati-on annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Dieser Maßstab sollte auch für Organe des Staates gelten.

In der Praxis werden solche Ansprüche und auch Regressforderungen gegen die verantwortlichen Politiker_innen und leitende Beamt_innen so gut wie nie geltend  gemacht. Meistens werden solche Verfahren lediglich gegen die Beamtenebene geführt, nicht jedoch gegen Politiker_innen. Zudem obliegt es in der Praxis den jeweiligen Ministerien, Ersatzansprüche geltend zu machen. Im Falle eines Fehlverhaltens auf Ministerebene müsste der/die Minister_in letztlich gegen sich selbst vorgehen. Das ist bis dato noch nie geschehen.

Es ist daher notwendig, die Klagsbefugnis auf eine neutrale Kontrollinstanz zu verlagern. Dem Rechnungshof sollte deshalb eine subsidiäre Kompetenz nach dem Rechtsträger in Form einer Arrogationszuständigkeit eingeräumt werden, die dann greifen soll, wenn der betreffende Rechtsträger den Ersatzanspruch aufgrund von Befangenheit nicht geltend machen kann oder will oder der Rechtsträger
den Ersatzanspruch schlicht nicht in angemessener Zeit geltend macht und der Ersatzanspruch sonst gem § 6 Abs 2 verjähren würde. Der Rechnungshof soll somit gleich einem Treuhänder bzw einem Kurator allfällige Regressansprüche für den Rechtsträger im öffentlichen Interesse geltend machen können.

 

Besonderer Teil:

Der Rechnungshof soll auf Grundlage eines schriftlichen Ersuchens des Rechtsträgers aktiv werden können. Er kann diesem Ersuchen entsprechen, muss dies jedoch nicht. Bei der Entscheidung ob er dem Ersuchen nachkommt, kann sich der Rechnungshof nach Gesichtspunkten wie insbesondere der Gebarungsrelevanz, dem Risikopotenzial, aktuellen Ereignisse, dem besonderes öffentliches Interesse sowie auf der präventiven Wirkung leiten lassen.

Außerdem kann der Rechnungshof dann eine Zuständigkeit in Anspruch nehmen, wenn der Rechtsträger den Ersatzanspruch gegen das Organ nicht binnen drei Monaten nach Beginn der Verjährungsfrist gemäß § 6 Abs 2 geltend macht und die Geltendmachung durch den Rechtsträger nicht zu erwarten ist. Bestehen Zweifel, ob der Rechtsträger den Ersatzanspruch gegen das Organ geltend machen wird, so hat der Rechnungshof den Rechtsträger zu einer Stellungnahme binnen einer angemessenen Frist zu verhalten. Lässt der Rechtsträger diese Frist ungenutzt verstreichen oder gibt dieser nicht klar zu verstehen, dass der Ersatzanspruch geltend gemacht wird, so ist davon auszugehen, dass die Geltendmachung durch den Rechtsträger nicht zu erwarten ist.

Spricht der Rechnungshof seine Zuständigkeit gegenüber dem Rechtsträger aus, so geht mit dem Zeitpunkt des Zugangs dieser Erklärung beim Rechtsträger, dessen Zuständigkeit zur Führung des Verfahrens auf den Rechnungshof über. In diesem Fall tritt der Rechnungshof an Stelle des Rechtsträgers in das Verfahren und nimmt dessen Rechte und Pflichten war. Ab dem Zeitpunkt der Zuständigkeitserklärung kann der Rechtsträger nicht mehr wirksam über die geltend gemachten Ersatzansprüche verfügen.

Dem Rechnungshof steht ein umfassendes Recht auf Akteneinschau zu. Dieses soll im bereits vor der Zuständigkeitserklärung zukommen, um dem Rechnungshof Gelegenheit zu bieten, die Prozessaussichten angemessen beurteilen zu können.

In formeller Hinsicht wird vorgeschlagen‚ diesen Antrag unter Verzicht auf die erste Lesung dem Justizausschuss zuzuweisen.