877/A XXVI. GP

Eingebracht am 12.06.2019
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ANTRAG


der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird, sodass die betäubungslose Kastration von Ferkeln verboten wird.

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG) geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG) vom 28. September 2004, BGBl. I Nr. 118/2004, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 86/2018, wird wie folgt geändert:


1. In § 7 Abs. 1 wird am Ende der Ziffer 6 der Punkt durch einen Beistrich ersetzt und nach Ziffer 6 folgende Ziffer 7 angefügt:

„7. das betäubungslose Kastrieren männlicher Schweine (Ferkel).“

 

2. In § 44 wird nach Abs. 26 folgender Abs. 26a eingefügt:

„(26a) § 7 Abs. 1 Ziffer 7 tritt mit 1. Jänner 2022 in Kraft.“

 

 

BEGRÜNDUNG[1]

In der österreichischen Schweinezucht werden in der Regel alle männlichen Ferkel kastriert, das sind jährlich ca. 2,7 Millionen Tiere. Der Grund dafür ist, dass bei einem sehr geringen Anteil der Tiere ein unangenehmer Geruch (Ebergeruch) entsteht. Es handelt sich bei dieser Vorgehensweise also um eine rein wirtschaftliche Maßnahme.

Laut einer landesweiten Umfrage vom Bündnis „Fair Ferkel“ sind 82% der Österreicherinnen und Österreicher für ein Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration. Über 60% der Befragten wussten nicht einmal, dass Ferkel ohne vorherige Betäubung kastriert werden. Weiters wären 74% der ÖsterreicherInnen dazu bereit, einen Mehrpreis für Schweinefleisch zu bezahlen, wenn sie dafür die Sicherheit hätten, dass Ferkel bei der Kastration betäubt werden.[2]

Nach der Richtlinie 2008/120/EG des Rates über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen dürfen männliche Ferkel bis zu einem Alter von 7 Tagen ohne Betäubung kastriert werden. Nach dem 7. Lebenstag darf dies nur mehr von einem Tierarzt unter Anästhesie und anschließender Verwendung schmerzstillender Mittel durchgeführt werden (siehe Anhang I Kapitel I Z 8). Gemäß Artikel 12 dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten jedoch strengere Bestimmungen für den Schutz von Schweinen beibehalten oder zur Anwendung bringen.

Durch die betäubungslose Kastration der männlichen Ferkel entstehen akute und länger andauernde Schmerzen für die Tiere (ca. 1 Woche Nachschmerzen, bei Entzündungen natürlich noch länger). Weiters ist die Kastration der Ferkel mit großem Stress verbunden.

Ein weiteres Problem ist, dass die Kastrationen ohne Betäubung nicht von einem Tierarzt durchgeführt werden müssen – die Landwirte selbst dürfen diese Eingriffe vornehmen. Aufgrund der oft mangelnden Kenntnisse und Fertigkeiten der Landwirte werden den Tieren bei diesen Eingriffen noch größere Schmerzen zugefügt.

Aus Tierschutzgründen sind folgende Alternativen zur Kastration ohne Betäubung akzeptabel:

1.      Ebermast

Die Ebermast stellt aus Tierschutzgründen die beste Alternative dar, da keine Kastration und somit kein Eingriff am Tier notwendig ist. Voraussetzung dafür ist, dass die Genetik, Fütterung, Gruppenstabilität, die Haltungsumwelt, der Platz und das Management so konzipiert sind, dass sich die Tiere vertragen und nicht vermehrt aggressiv sind. Um den Ebergeruch zu reduzieren, ist die richtige Handhabung der Tiere während der Mast, des Transportes und vor der Schlachtung sehr wichtig.

In Großbritannien und Irland werden beispielsweise Ferkel gar nicht kastriert, dort wird also zu 100% Ebermast betrieben.

 

2.      Immunokastration

Bei dieser Alternative erfolgt eine reversible Kastration durch Impfung eines Stoffes, der die Hodenaktivität unterdrückt. Dabei handelt es sich um eine aktive Immunisierung gegen das körpereigene Gonadotropin Releasing Hormone (GnRH), somit werden keine Geschlechtshormone im Hoden gebildet. Durch diese Impfung wird die Hodenfunktion und damit auch die Produktion des unerwünschten Ebergeruchsstoffs Androstenon blockiert. Es ist eine zweimalige Impfung erforderlich, die erste im Alter von 8-10 Wochen und die zweite ungefähr 4-6 Wochen vor der Schlachtung. Das Präparat Improvac ist in der EU seit 2009 zugelassen und steht somit für die Immunokastration zur Verfügung. Das Hauptpatent ist im Jahr 2018 ausgelaufen, weshalb nun weitere Hersteller ähnliche Präparate anbieten können und es somit zu einer Verringerung der Kosten pro Tier kommen wird.[3]

 

3.      Kastration mit Betäubung unter Injektionsnarkose oder Isoflurannarkose sowie Schmerzmittelgabe

Dabei handelt es sich um eine Alternative für Betriebe, die aus Produktions-, Management- oder Abnahmegründen nicht auf Ebermast oder Immunokastration umstellen können oder wollen. Zusätzlich zur Betäubung ist der Einsatz von Schmerzmitteln, bspw. Meloxicam oder Flunixin, zur Senkung der postoperativen Schmerzen notwendig.

a)      Betäubung unter Injektionsnarkose: Bei der Injektionsnarkose wird dem Ferkel ein Gemisch von Ketamin und Azaperon injiziert. Dies erfolgt entweder intravenös über die Ohrvene oder intramuskulär, aber immer von einem Tierarzt. Es kommt dadurch zu einer sicheren Betäubung und die Schmerzausschaltung ist gewährleistet.

b)      Betäubung unter Isoflurannarkose: Bei der Inhalationsnarkose mit Isofluran werden die Tiere mittels Inhalationsmaske anästhesiert und zur Senkung von postoperativen Schmerzen Schmerzmittel verabreicht. Ein Vorteil bei dieser Methode im Gegensatz zur Injektionsnarkose ist, dass sich die Ferkel unmittelbar nach Absetzen der Narkose rasch erholen.

In der Schweiz dürfen männliche Ferkel schon seit 2009 nicht mehr ohne Schmerzausschaltung durch Narkose kastriert werden. Dort werden die Ferkel mit Isofluran betäubt. Auch Deutschland hat Isofluran im Jahr 2018 für Schweine (Ferkel) zugelassen und ab dem Jahr 2021 die betäubungslose Ferkelkastration verboten.

Aus Tierschutzgründen nicht akzeptabel sind folgende Alternativen:

·        Inhalationsnarkose mit CO2

·        Nur Lokalanästhesie (mit Lidocain)

·        Ausschließliche Anwendung von Schmerzmitteln (NSAID)

 

Um ausreichend Zeit für die Implementierung von Alternativen in Österreich, wie beispielsweise die Zulassung von Isofluran für Schweine (Ferkel), zu lassen bzw den österreichischen Landwirtinnen und Landwirten für die Umstellung ihrer Schweinehaltung auf Ebermast ausreichend Zeit zu geben, soll diese Bestimmung erst mit 1. Jänner 2022 in Kraft treten.

 

In formeller Hinsicht wird vorgeschlagen, diesen Antrag unter Verzicht auf die erste Lesung dem Gesundheitsausschuss zuzuweisen.



[1] Vgl. VIER PFOTEN Factsheet zum Thema FERKELKASTRATION.

[2] https://vgt.at/actionalert/ferkelkastration2016/umfrage.php.

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Immunokastration.