878/A XXVI. GP

Eingebracht am 12.06.2019
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANTRAG


der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird, sodass die Haltung von Schweinen auf vollständig perforiertem Boden (Vollspaltenböden) verboten und die verpflichtende Einstreu mit weichem organischem Material in ausreichender Menge vorgeschrieben wird.

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz –TSchG) geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschossen:

Das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG) vom 28. September 2004, BGBl. I Nr. 118/2004, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 86/2018, wird wie folgt geändert:


1. In § 18 wird nach Abs. 3a der folgende Absatz 3b eingefügt:

„(3b) Für die Haltung von Schweinen gilt:

1. Es ist verboten, Schweine auf vollständig perforiertem Boden zu halten.

2. Schweinen muss jederzeit ein Liegebereich zur Verfügung stehen, der planbefestigt ist und regelmäßig ausreichend mit weichem organischem Material eingestreut wird, sodass alle Tiere gleichzeitig nebeneinander weich und trocken liegen können. Die Menge an Einstreu muss mindestens 50 Gramm pro Schwein und Tag betragen.

3. Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz legt per Verordnung die Mindestfläche für den eingestreuten Liegebereich, sowie die Mindestgesamtfläche pro Schwein, in Abhängigkeit vom Körpergewicht des Schweines, fest.“

2. In § 44 wird nach Abs. 28 folgender Abs. 29 eingefügt:

„(29) Für durch Neubau oder Umbau nach dem Tag der Kundmachung dieses Gesetzes neu errichtete Stallungen oder neu eingebaute Spaltenböden tritt § 18 Abs. 3b mit 1. Jänner 2020 in Kraft. Ansonsten tritt § 18 Abs. 3b ab 1. Jänner 2030 in Kraft.“

 

BEGRÜNDUNG

In Österreich werden etwa 60% der Schweine auf einem sogenannten Vollspaltenboden gehalten. Dabei handelt es sich um einen durchgehend mit Spalten und Löchern perforierten Boden, zumeist aus Beton. Eine Einstreu durch Stroh oder Ähnliches ist bei einem Vollspaltenboden nicht möglich, da es ansonsten zu Verklebungen der Spalten kommen würde.

Diese Haltungsform hat jedoch weitreichende negative Folgen, vor allem natürlich für die Schweine:

In intensiven Tierhaltungen liegen die Schweine ungefähr 80% der Zeit. Aus diesem Grund ist eine angenehme Beschaffenheit des Bodens wichtig. Auf Vollspaltenböden entwickeln jedoch 92% der Tiere eine Schleimbeutelentzündung und nahezu alle Hautschwielen.

Des Weiteren fehlt den Schweinen die Möglichkeit, sich ausreichend zu beschäftigen, wenn keine Einstreu vorhanden ist. Diese Langeweile sorgt für mehr Stress und Aggressivität bei den Tieren, was zu schweren Verletzungen durch Ohren- und Schwanzbeißen führt.

Da die Tiere bei der Haltung auf Vollspaltenböden über ihrem Kot leben müssen, entzünden sich aufgrund der Ausdünstungen oft die Augen und die Lungen der Schweine. Bei einer Einstreu mit Stroh, welches ausreichend oft gewechselt wird, ist das hingegen nicht der Fall.

Hinzu kommt, dass auf den Vollspaltenböden Platzmangel herrscht, was dazu führt, dass die Schweine Liege- und Kotplatz nicht trennen können. Diese Überfüllung verursacht in Verbindung mit den fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten nicht nur Stress, sondern verringert auch die Widerstandskraft der Tiere gegen Infektionen.

Die Mortalität bei Schweinen, welche auf Vollspaltenböden gehalten werden, ist im Vergleich zur Haltung auf Stroh vier Mal so hoch, was natürlich nicht nur Leiden bei den Tieren verursacht, sondern auch wirtschaftliche Einbußen für die LandwirtInnen bedeutet.

Ein weiteres Problem der Schweinehaltung auf Vollspaltenböden ist, dass dadurch doppelt so viel Methan wie bei der Schweinehaltung auf Stroh produziert wird. Methan ist ein sehr effektives Treibhausgas, welches die Klimakrise verschlimmert. [1]

Laut EU-Richtlinie 2008/120/EG wird als Mindestvoraussetzung ein Liegebereich gefordert, der „physically comfortable“ ist. Die 1. Tierhaltungsverordnung (Anlage 5, Punkt 2) sieht jedoch nur den „Zugang zu einem größen- und temperaturmäßig angenehmen Liegebereich“ vor. Da 92% der Schweine, welche auf Vollspaltenböden gehalten werden, an den Schmerzen von geschwollenen Gelenken leiden, kann ein Vollspaltenboden somit nicht der EU-Richtlinie entsprechen, da er nicht „physisch angenehm“ für die Schweine ist.

In fünf europäischen Ländern sind Vollspaltenböden bereits verboten, darunter befindet sich nicht nur der größte Schweineproduzent der EU, nämlich Dänemark, sondern auch die Niederlande, Finnland, Schweden und die Schweiz.

Mögliche Alternativen zu der Haltung auf Vollspaltenböden sind die tief mit Stroh eingestreute Haltung, die natürliche Weide- oder Freilandhaltung und die Haltung auf einer Mehrflächenbucht, welche teilweise perforiert ist, aber auch planbefestigte Liegeflächen für die Schweine bietet. Diese Fläche muss dann mit einem weichen organischen Material, wie zB Stroh, eingestreut werden. Eine Mehrflächenbucht muss im Vergleich zur Schweinehaltung auf Vollspaltenböden mehr Platz pro Schwein bieten, da die Liegefläche für alle Tiere gleichzeitig zugänglich sein muss.

Um den österreichischen Landwirtinnen und Landwirten ausreichend Zeit für die Umstellung ihrer Schweinehaltung zu geben, soll diese Bestimmung erst mit 1. Jänner 2030 in Kraft treten.

 

In formeller Hinsicht wird vorgeschlagen, diesen Antrag unter Verzicht auf die erste Lesung dem Gesundheitsausschuss zuzuweisen.



[1] „Untersuchungen zum Vorkommen von akzessorischen Bursen bei Mastschweinen“, Dissertation Sabine Oberländer 2015, Uni München; Guy et al. 2002, Livestock Production Science 75, 233-243; Tuyttens F.A.M. 2005: „A Review“, Applied Animal Behaviour Science 92, 261-282; Stefanie Baumann 2014, Dissertation, „Gummimatten für den Liege- und Laufbereich in der Gruppenhaltung von Sauen“, Universität Hohenheim; Philippe FX et al. 2010: „Gaseous emissions during the fattening of pigs kept either on fully slatted floors or on straw flow“, Animal 1: 1515-1523; Reimert et al 2014: „Selection Based on Indirect Genetic Effects for Growth, Environmental Enrichment and Coping Style Allect the Immune Status of Pigs“, PloS ONE 9(10): e108700; Douglas et al. 2012: „Einvironmental enrichment induces optimistic cognitive biases in pigs“, Applied Animal Behaviour Science, Volume 139, Issues 1-2, Seiten 65-73.