971/A XXVI. GP

Eingebracht am 03.07.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

 

der Abgeordneten Univ.-Prof. Dr. Alfred J. NolI, Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Verjährungsfristen im ABGB und im AHG dem StGB angenähert werden

der Nationalrat wolle beschließen

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) und das Bundesgesetz über die Haftung der Gebietskörperschaften und der sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts für in Vollziehung der Gesetze zugefügte Schäden (Amtshaftungsgesetz - AHG), geändert werden

Der Nationalrat hat beschlossen:

1.   Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBI. I Nr. XXX/20XX, wird wie folgt geändert

1.  § 1489 ABGB wird folgender Satz angefügt:

„Die Frist nach Satz 2 zweiter Fall endet nicht vor dem Eintritt der Verjährung der Strafbarkeit, frühestens jedoch ein Jahr nach der rechtskräftigen Beendigung eines vor Eintritt der Strafbarkeitsverjährung eingeleiteten Strafverfahrens.“

2.  § 1503 wird folgender Abs 13 angefügt:

,,(13) § 1489 in der Fassung BGBI. I Nr. xx/2019 tritt mit ##.##.#### in Kraft und ist

auf alle Schadenersatzansprüche anzuwenden, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt sind.“

2)   Das Bundesgesetz über die Haftung der Gebietskörperschaften und der sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts für in Vollziehung der Gesetze zugefügte Schäden (Amtshaftungsgesetz - AHG), zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBI. I Nr. XXX/20XX, wird wie folgt geändert:

1.  In § 6 Abs 1 AHG wird nach Satz 2 folgender Satz eingefügt:

„Die Frist nach Satz 2 zweiter Fall endet nicht vor dem Eintritt der Verjährung der Strafbarkeit, frühestens jedoch ein Jahr nach der rechtskräftigen Beendigung eines vor Eintritt der Strafbarkeitsverjährung eingeleiteten Strafverfahrens.“

2.  Art XLI wird folgende Z 20 angefügt:

,,20. § 6 Abs 1 AHG in der Fassung BGBl. I Nr. xx/2019 tritt mit ##.##.#### in Kraft.“

 

Zuweisungsvorschlag: Justizausschuss

 

Begründung

ABGB

Im Bereich der zivilrechtlichen Schadenersatzverjährung soll es zu einer Stärkung des Opferschutzes kommen. Nach § 1489 Satz 2 zweiter Fall ABGB unterliegt der Ersatzanspruch für Schäden, die aus einer oder mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen entstanden sind, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, der dreißigjährigen Verjährungsfrist. An diese Regelung wird angeknüpft und vorgeschlagen, dass Schadenersatzansprüche aus solchen Fällen darüber hinaus außerdem zivilrechtlich so lange geltend gemacht werden können, als nicht auch die Verjährung der Strafbarkeit eingetreten ist. Wird vor Eintritt der Strafbarkeitsverjährung ein Strafverfahren eingeleitet, so soll dem Opfer zur zivilrechtlichen Geltendmachung seiner Schäden noch mindestens ein Jahr ab rechtskräftiger Beendigung des Strafverfahrens zur Verfügung stehen.

In den meisten Fällen ist die dreißigjährige zivilrechtliche Verjährungsfrist ohnedies länger als die Frist für die Verjährung der Strafbarkeit nach § 57 StGB. Es sind jedoch Konstellationen denkbar, in denen die Frist für die Strafbarkeitsverjährung länger ist. So sieht etwa § 58 Abs. 3 Z 3 StGB vor, dass die Zeit bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres des Opfers einer strafbaren Handlung gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung in die strafrechtliche Verjährung nicht eingerechnet wird, wenn das Opfer zur Zeit der Tatbegehung minderjährig war. Wird z. B. ein zehnjähriges Kind Opfer eines Delikts, das mit mehr als 10 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, beträgt die strafrechtliche Verjährungsfrist 20 Jahre (§57 Abs.3 StGB) und läuft mit Vollendung des 48. Lebensjahres ab, während die dreißigjährige zivilrechtliche Verjährungsfrist in der Regel schon in seinem 40. Lebensjahr endet.

Durch die Neuregelung soll diese Diskrepanz behoben und sichergestellt werden. dass die zivilrechtliche Verjährungsfrist jedenfalls nicht vor der Verjährung der Strafbarkeit endet. Wird vor diesem Zeitpunkt ein Strafverfahren eingeleitet, soll die zivilrechtliche Verjährungsfrist frühestens ein Jahr nach dessen rechtskräftiger Beendigung enden. Durch diese nach dem Vorbild des § 37h Abs. 2 KartG geschaffene Regelung steht dem Opfer einer solchen Straftat auch nach rechtskräftiger Beendigung eines Strafverfahrens jedenfalls noch ein angemessenes Zeitfenster zur zivilrechtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche zur Verfügung.

AHG

Das Amtshaftungsgesetz sieht eine Haftung des funktionell und organisatorisch zuständigen Rechtsträgers für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten seiner Organe in Vollziehung der Gesetze gegenüber geschädigten Personen vor. Entgegen des ursprünglichen BKA-Entwurfs zum AHG und abweichend von der allgemeinen 30-jährigen Verjährungsfrist nach dem ABGB entschied man sich beim Erlass des AHG für eine zehnjährige absolute Verjährungsfrist.

Bei Prüfung des Art 6 EMRK hat der EGMR einerseits den Vertragsstaaten einen Ermessenspielraum zur Beschränkung des genannten Grundrechts durch Verjährungsfristen eingeräumt, andererseits diese Beschränkung auch einer zwingenden Verhältnismäßigkeitsprüfung unterworfen (EGMR vom 11.3.2014, Bsw 52067/10 und Bsw 41072/11). Demnach darf Art 6 EMRK durch Verjährungsfristen nicht derart beschränkt werden, dass das Recht betroffener Personen in ihrem Wesen verletzt wird.

Insbesondere vor dem Hintergrund dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung und der damit einhergehenden Möglichkeit zur Inanspruchnahme gerichtlicher Kontrolle nach Art 6 EMRK bedarf § 6 AHG einer Adaptierung, da die bestehende Bestimmung bei der Verjährung von Ersatzansprüchen keinen Unterschied zwischen einer geschädigten erwachsenen oder einer geschädigten minderjährigen Person macht. Daraus ergibt sich, dass bei einer minderjährigen Person, die durch ein rechtswidriges und schadhaftes Verhalten eines Organs in Vollziehung der Gesetze einen Schaden erleidet, die zehnjährige absolute Verjährungsfrist spätestens mit der Vollendung des 28. Lebensjahres endet.

Im Wesentlichen dienen Verjährungsfristen der Rechtssicherheit sowie auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot, indem betroffene Personen einen Anreiz zu einer raschen Rechtsdurchsetzung haben. Wie bereits mit dem 2. GewaltschutzG erörtert, sind Personen, die als Kinder oder Jugendliche Opfer einer Straftat wurden, oft sehr lange nicht in der Lage, über Erfahrungen hinweg zu kommen, wodurch sie oft lange Zeit außer Stande sind, rechtliche Schritte zu verfolgen. Es erscheint nicht sachgerecht, etwa in Fällen von Straftaten, die ein Organ gegen einen Minderjährigen begeht, zwischen allgemeinem Zivilrecht (ABGB) und Amtshaftungsrecht zu differenzieren Deshalb ist nach diesem Antrag vorgesehen, auch das AHG entsprechend anzupassen.