994/A XXVI. GP

Eingebracht am 19.09.2019
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Antrag

 

der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Mag. Harald Stefan

und weiterer Abgeordneter

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811, geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811, geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 74/2019, wird wie folgt geändert:

 

1.  § 44 lautet:

§ 44. Die Familien-Verhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. In dem Ehevertrage erklären zwey Personen verschiedenen Geschlechtes gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseitigen Beystand zu leisten. Personen, die das achtzehnte Lebensjahr nicht vollendet haben, dürfen keinen Ehevertrag abschließen.“

 

Begründung

 

Am 4. Dezember 2017 entschied der Verfassungsgerichtshof (VfGH), dass die in § 44 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) seit 1811 enthaltene Beschränkung der Ehe auf Verbindungen zwischen Mann und Frau verfassungswidrig sei. Die Ehe müsse auch gleichgeschlechtlichen Paaren offenstehen. Nebenbei führte er eine Art „Ehe light“ ein, indem er die Eingetragene Partnerschaft (EP) auch für verschiedengeschlechtliche Paare öffnete.

 

Aus fachlicher Perspektive fällt das vorliegende Erkenntnis ziemlich aus dem Rahmen. So ist schon fraglich, ob dem VfGH die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare überhaupt gelungen ist: Der Gerichtshof hob nämlich bloß die Wortfolge „verschiedenen Geschlechts“ in § 44 ABGB auf, nicht jedoch das Erfordernis der Bereitschaft zur Kinderzeugung; letzteres ist nach Wortlaut und Absicht des Gesetzgebers eine Voraussetzung für die Eheschließung. Gleichgeschlechtliche Paare können keinesfalls Kinder zeugen, wogegen verschiedengeschlechtliche Paare dazu in der Regel (an die das Gesetz unter Außerachtlassung von Ausnahmefällen legitimerweise anknüpft) fähig sind. Um gleichgeschlechtlichen Paaren die Eheschließung zu ermöglichen, müssen die Standesämter somit gegen das auch nach dem Gerichtsspruch weiterhin geltende Gesetz verstoßen.

 

Der Spruch des Erkenntnisses korrespondiert überdies nicht mit der Entscheidungsbegründung: Nach einem Argumentationsstrang möchte der Gerichtshof das „Zwangsouting“ von Homosexuellen verhindern, welches die Zuordnung ausschließlich gleichgeschlechtlicher Paare zum Personenstand „in EP“ bewirke. Um das zu verhindern, hätte der VfGH jedoch bloß die zugrundeliegende Formularverordnungen aufheben und die Zusammenfassung von „verheiratet“ und „in EP“ in einer Rubrik verlangen müssen. Nach einem anderen Argumentationsstrang sei die Ungleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare beim Zugang zur Ehe an sich verwerflich. Zur Beseitigung dieses „Mangels“ hätte der Gerichtshof aber die Öffnung der EP für verschiedengeschlechtliche Paare nicht zu verfügen brauchen; ein nachvollziehbarer Grund, warum er diese Öffnung dennoch vollzogen hat, erschließt sich aus der Entscheidungsbegründung nicht.

 

Das einzige in sich schlüssige Dokument des VfGH in diesem Zusammenhang ist letzten Endes seine Presseerklärung. Nur dort erklärt der Gerichtshof unmissverständlich, wie ein Familienrecht nach seinem Geschmack aussieht. Die Presseerklärung selbst eines Höchstgerichts kann freilich keine normative Wirkung entfalten.

 

Im Gegensatz dazu hat der „Vater“ des ABGB, Franz von Zeiller, die staatliche Anerkennung der Ehe von Mann und Frau mit ihrer speziellen Bedeutung für den Staat begründet (der VfGH argumentierte jahrzehntelang ebenso). Manche Elemente der Ehe (zB der gegenseitige Beistand), so räumte er ein, können auch von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften verwirklicht werden, was für die Anerkennung durch den Staat jedoch nicht ausreiche.

 

Die soeben aufgezeigten Unklarheiten und Widersprüche hatten der Regierungskoalition aus FPÖ und ÖVP einen Spielraum für die Reaktion auf die VfGH-Entscheidung eröffnet, jedoch war bei ÖVP kein Wille vorhanden, das „traditionelle“ Ehemodell zu bewahren. Dazu passt, dass, nach der Beendigung der Koalition mit der FPÖ, die ÖVP-Abgeordneten einer Ausdehnung des rechtlichen Anwendungsbereiches der gleichgeschlechtlichen Ehe durch eine Änderung des IPRG (auf Antrag der NEOS) zustimmten.

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Justizausschuss zuzuweisen.