xxx Endred Bri gemailt an Hofmann, Kanzlei am 4.3.2019

 

 

Gleichbehandlungsausschuss

 

 

 

 

Auszugsweise Darstellung

(verfasst von der Abteilung L1.4 – Stenographische Protokolle)

 

7. Sitzung

Dienstag, 26. Februar 2019

11.01 Uhr – 15.07 Uhr

Lokal 3


Beginn der Sitzung: 11.01 Uhr

Hearing zu:

Volksbegehren „Frauenvolksbegehren“ (433 d.B.)

Obfrau Gabriele Heinisch-Hosek nimmt die am 13. Dezember 2018 vertagten Verhandlungen über das Volksbegehren „Frauenvolksbegehren“ zunächst nicht öffentlich wieder auf und begrüßt alle Anwesenden, insbesondere den gemäß § 37 Abs. 4 GOG-NR beizuziehenden Bevollmächtigten des Volksbegehrens, Herrn Christian Berger, sowie die von ihm nominierten StellvertreterInnen, Frau Andrea Hladky und Herrn Benedikt Hämmerle.

Die Klubs, so die Obfrau, haben vereinbart, zu diesem Volksbegehren ein öffentliches Hearing mit Expertinnen und Experten durchzuführen. In dieser Sitzung werden die ersten fünf Themenbereiche des Volksbegehrens – Macht teilen, Geld teilen, Arbeit teilen, Armut bekämpfen, Wahlfreiheit ermöglichen – behandelt, und es sei vereinbart worden, folgende Auskunftspersonen beizuziehen:

Mag. Dr. Rolf Gleißner (Wirtschaftskammer Österreich),

Bernadett Humer, MSc (Sektionschefin BKA),

MMag.a Dr.in Gabriele Michalitsch (Universität Wien),

Mag.a Ingrid Moritz (Arbeiterkammer Wien),

Mag.a Dr.in Marion Guerrero, LL.M.,

Univ.-Prof. Dr. Reinhard Resch (JKU Linz),

Dr.in Viktoria Kickinger,

Univ.-Prof. Dr. Martin Halla (JKU Linz),

Dr.in Laura Wiesböck, MA (Universität Wien),

Alyssa Schneebaum, PhD (Wirtschaftsuniversität Wien),

Maria Stern,

Monika Els sowie

die Bundesrätinnen Monika Mühlwerth und Korinna Schumann.

Da Frau Dr. Ingrid Mairhuber habe absagen müssen, werde statt ihr Frau Mag. Moritz eine Stellungnahme zu Themenbereich 5 abgeben.

*****

Die Obfrau verkündet, dass über das öffentliche Hearing eine Auszugsweise Darstellung verfasst wird.

Sodann lässt die Obfrau über die Beiziehung der Auskunftspersonen abstimmen. – Einstimmige Annahme.

Es folgen geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen sowie technische Mitteilungen betreffend die Redeordnung.

*****

Sodann leitet die Obfrau zum öffentlichen Teil der Sitzung über.

Eingangsstatements

Obfrau Gabriele Heinisch-Hosek: Ich verleihe meiner Freude Ausdruck, sagen zu können, dass heute auch unter den Zuschauerinnen und Zuschauern viele Vertreterinnen und Vertreter des Frauenvolksbegehrens sind, im Rahmen dessen fast 500 000 Unterschriften gesammelt wurden, dass sehr viele interessierte Personen heute hierhergekommen sind und der Debatte über neun gesellschaftspolitisch sehr relevante Bereiche in unserer Republik folgen. In organisatorischer Hinsicht möchte ich sagen, dass ich ein bisschen bedauere, dass wir es nicht schaffen konnten, Einigkeit darüber zu erzielen, diese neun Forderungen im Rahmen von drei Sitzungen abzuhandeln. Das Zeitkorsett ist sehr eng, wir werden heute wirklich im Stakkato debattieren.

Manchen, die schon länger dabei sind, darf ich in Erinnerung rufen, dass das zum ersten Frauenvolksbegehren 1997 ein Unterausschuss gebildet wurde, in dem im Rahmen von acht Sitzungen über Monate hinweg die 11 Punkte verhandelt wurden, die damals Inhalt des Frauenvolksbegehrens waren. Wir sind sehr zeitgerafft unterwegs, das möchte ich sagen, und wir werden hoffentlich im Anschluss doch einige gemeinsame, vielleicht über alle Parteigrenzen hinweg formulierte Anträge im Sinne der Frauen, im Sinne der Gesellschafts- und Gleichstellungspolitik in diesem Lande zustande bringen, die im Sinne der Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens und der fast 500 000 Personen, die dieses unterstützt haben, sind.

Es sind relevante Bereiche, die hier heute in fünf Punkten und das nächste Mal, am 12. März, in vier Punkten angesprochen werden: Es geht um Macht, es geht um Geld, es geht um Gleichstellung, es geht um uns Frauen und darum, wie wir selbstbestimmt ein gutes und unabhängiges Leben führen können; es geht einerseits darum, was schon geschehen ist, und andererseits darum, was noch zu tun ist. Ich glaube sehr wohl, dass noch einiges zu tun ist; ich weiß, dass einiges in diesem Hohen Haus schon in Form von Anträgen vorliegt.

Wir werden heute, glaube ich, wiederfinden, was schon formuliert ist, und bekommen – zum Teil von den Expertinnen und Experten, zum Teil auch aus den Ausführungen der Ausschussmitglieder, zum Teil vielleicht von der Frau Bundesministerin – vielleicht eine Bestätigung dahin gehend, was noch nötig ist, denn es ist immer ein zäher Kampf, Gleichstellung Wirklichkeit werden zu lassen; das war immer so. Es sind schon Aussagen gefallen wie etwa, dass Frauenpolitik ein Marathon sei, und ich glaube, dass es wichtig und richtig ist, diese vier Stunden hier dafür zu verwenden, die ersten Punkte des Frauenvolksbegehrens sehr wertschätzend miteinander zu diskutieren.

Wir haben nicht viel Zeit, daher schließe ich jetzt meine einleitenden Worte und bitte die Frau Bundesministerin um ihr Eingangsstatement.

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Mitglieder des Ausschusses! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Expertinnen und Experten! Ich freue mich auch, dass wir heute so zahlreich zusammenkommen, das zeigt ja auch die Wichtigkeit dieses Themas.

Wir feiern 100 Jahre Frauenwahlrecht, wir feiern 40 Jahre Gleichstellungsgesetz. Was zeigen uns diese 100 Jahre, diese 40 Jahre? – Dass der Einsatz für Gleichstellung, für Gleichbehandlung, für Frauen und Gerechtigkeit, möchte ich jetzt einmal sagen, immer auch ganz stark von der Zivilgesellschaft getragen wurde; ich denke da gerade an jene Frauen – ich weiß nicht, vielleicht haben Sie die Dokumentation am Dienstag auch gesehen –, die wirklich Kämpferinnen für das Frauenwahlrecht waren, die sich teilweise mit ihrem Leben dafür eingesetzt haben, dass Frauen an die Wahlurne gehen dürfen und auch gewählt werden dürfen.

Man muss auch allen Respekt zollen, die für diesen Kampf eintreten, die sich da in die erste Reihe stellen und versuchen, sich für noch mehr Chancengleichheit und Gleichstellung einzusetzen. Ich möchte natürlich auch jenen Danke sagen, die das erste Frauenvolksbegehren initiiert haben, die das zweite Frauenvolksbegehren initiiert haben; wir sind in einem sehr guten Austausch, haben uns immer wieder zusammengesetzt und über die neun Punkte ausgetauscht.

Das erste Frauenvolksbegehren umfasste viele Forderungen, einige davon sind bereits umgesetzt worden: die Verankerung der Gleichstellung in der Bundesverfassung, die Förderung der Gleichstellung bei Bildungsmaßnahmen, die Gleichstellung von Teilzeitarbeit und auch geringfügiger Beschäftigung mit Vollzeitarbeit, Kindererziehungszeiten und Pflegearbeit werden bei der Pension angerechnet. Es sind aber auch einige Forderungen des ersten Frauenvolksbegehrens übrig geblieben, möchte ich einmal sagen, oder sie sind noch immer brisant, weil wir es noch immer nicht geschafft haben, sie vollständig zu erfüllen.

Das heißt, der Kampf ist ein lange währender, und da möchte ich gerade auf die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit hinweisen; das wurde ja bereits vor 100 Jahren von weit vorausdenkenden Frauen gefordert. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist noch immer ein Thema, das uns alle sehr fordert und auch berührt.

Wir haben im Regierungsübereinkommen einige Themen, die mit dem Frauenvolksbegehren d’accord sind: das Schließen der Lohnschere, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, die Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die soziale Sicherheit für Frauen, vor allem auch die Bekämpfung von Armut im Alter und natürlich die Gewaltprävention. Ich denke, gerade in diesem Zusammenhang haben wir in den letzten Wochen sehr viele Maßnahmen, ein ganzes Maßnahmenpaket präsentiert, um in Richtung Gewaltprävention zu arbeiten.

Ich verstehe natürlich, dass die Vertreter des Frauenvolksbegehrens sagen, es sei Zeit. Ich habe schon gesagt, manche Maßnahmen werden seit 100 Jahren gefordert, etwa gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Heute ist der Equal Pay Day. Was die Bruttolöhne von Frauen in Vollzeitbeschäftigung angeht, sind wir noch immer 16 Prozent von den Bruttolöhnen der Männer entfernt; das heißt, bis heute mussten die Frauen unbezahlt weiterarbeiten, um jenes Gehalt zu bekommen, das Männer bereits im letzten Jahr bekommen haben.

Es gibt also viel zu tun. Ich glaube, wir können vieles gemeinsam machen, und wenn wir es gemeinsam machen, werden wir vermutlich auch schneller Lösungen finden, Maßnahmen in Umsetzung bringen, und deshalb freue ich mich sehr, dass bereits eine sehr enge Zusammenarbeit und auch eine sehr enge Abstimmung mit den Initiatorinnen und Initiatoren des Frauenvolksbegehrens besteht.

Ich muss leider sagen, dass ich im März, beim nächsten Termin, nicht dabei sein kann; ich werde da gerade in New York bei der UN-Frauenstatuskommission sein. Es war keine leichte Entscheidung, aber ich glaube, das Treffen der Frauenstatuskommission ist auch ein ganz wichtiger Termin, und da ich letztes Jahr nicht dabei sein konnte, freue ich mich darauf, heuer dabei sein zu dürfen.

Wie gesagt, ich freue mich jetzt auf die Diskussion und hoffe, dass wir viele Dinge im Sinne der Gleichberechtigung in den nächsten Jahren gemeinsam auf den Weg bringen.

Christian Berger: Sehr geehrte Bundesministerin! Sehr geehrte Vorsitzende! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Expertinnen und Experten! Sehr geehrte MedienvertreterInnen, Interessierte und vor allem auch AktivistInnen des Frauenvolksbegehrens, die das hier ermöglicht haben! Wir freuen uns, dass wir heute hier eine relativ lange Sitzung, und zwar– wie mir zugetragen wurde – eine Sitzung ohne Pause, abhalten werden; ich meine, das entspricht irgendwie auch dem Marathoncharakter, den der Einsatz für Frauen- und Gleichstellungspolitik hat.

Das Frauenvolksbegehren ist eine breite feministische Allianz und wurde initiiert, um gesellschaftliche Normen und Strukturen aufzuzeigen, die hauptsächlich von Männern für Männer und von einem spezifisch männlichen Standpunkt aus entwickelt wurden und auch nach 100 Jahren Frauenwahlrecht, das wir heute – unter Anführungszeichen – „feiern“, aber auch mahnend als Auftrag, den wir weiterführen müssen, vor uns hertragen sollten, noch nach- und fortwirken. Das Frauenvolksbegehren will diese Normen und Strukturen nicht aus Prinzip weiblich machen – was soll das auch heißen? –, sondern demokratischer und gerechter.

Geschlechtsspezifische Ungleichheit, Gewalt und männliche Deutungshoheit sind uralte Probleme patriarchaler Gesellschaften wie der österreichischen. In solchen Gesellschaften werden Frauen belästigt, in solchen Gesellschaften werden Minderheiten und Frauen bedroht, verprügelt, vergewaltigt, ermordet – Sie haben das in den letzten Wochen noch einmal sehr prominent in den Medien vorgeführt bekommen –, und zwar weil sie weiblich sind oder weil sie Minderheiten angehören und damit als verfügbar und unterlegen gelten. In solchen Gesellschaften werden Mädchen und Buben, Frauen und Männer missbraucht, in stereotype Rollen und spezifische Lebensbereiche gedrängt und so in ihrer freien Entwicklung behindert.

Abgesehen von dieser brutalen Normalität erleben wir weltweit nationalistische und autoritäre Verschiebungen, die allesamt männlich geprägt sind, traditionelle Geschlechter- und Familienbilder propagieren und Frauen- und damit Menschenrechte infrage stellen.

Gegen diesen Trend formiert sich auch ein breiter feministischer Widerstand, und das Frauenvolksbegehren ist ein Teil davon. Es braucht keine neuen Arbeitsgruppen, sondern eine Trendwende. Es gibt ausreichend Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse zum Abbau von Geschlechterhierarchien. Es mangelt nicht an Reformvorschlägen, sondern am politischen Willen, diese umzusetzen – es geht schließlich auch um Fragen der Umverteilung von Macht, von Privilegien, von Ressourcen, materiellen wie finanziellen. Gleichstellung ist kein Nullsummenspiel und keine Win-win-Situation, sie muss gegen Männerbünde und Kapitalinteressen durchgesetzt werden.

In diesem Sinne gilt es festzuhalten, dass nicht die gleichstellungspolitischen Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung oder Entgeltgleichheit, die heute diskutiert werden, wirtschaftsfeindlich sind, sondern das Wirtschaftssystem selbst in erheblichem Maße frauenfeindlich ist. Sein Funktionieren baut darauf auf, dass Frauen im Hintergrund zwei Drittel der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit leisten. Die geschlechtsspezifische Spaltung des Arbeitsmarktes – auch über diese werden wir heute diskutieren – sorgt außerdem dafür, dass Frauen mehrheitlich im informellen Sektor, also in der Schwarzarbeit, in unregistrierten Arbeitsverhältnissen oder in Niedriglohnbranchen, in untergeordneten Positionen tätig sind und oft nicht über ein existenzsicherndes Einkommen verfügen. Auch das in das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht eingeschriebene Normalarbeitsverhältnis, das sich am männlichen Lebensmodell eines gesunden, leistungsfähigen Mannes ohne Sorgepflichten orientiert, drängt Frauen ins Abseits. Die geschlechtsspezifischen Effekte eines solchen Wirtschaftssystems sind ökonomische Abhängigkeit, soziale Polarisierung und Frauenarmut, insbesondere im Alter.

Es gibt in der Frauen- und Gleichstellungspolitik seit jeher eine auffallende Diskrepanz zwischen Rhetorik und Realpolitik, auch deswegen haben wir das Frauenvolksbegehren initiiert. Was es nicht braucht, sind taktische Absichtserklärungen. Was es braucht, sind Verbindlichkeit und politischer Wille, die systematischen Ursachen für geschlechtsspezifische Ungleichheit, Gewalt, und männliche Deutungshoheit, die ich jetzt skizzenhaft umrissen habe, zu benennen und zu bekämpfen.

Und weil das Frauenvolksbegehren von Frauen wie Männern getragen ist, wird Andrea Hladky den zweiten Part unseres Eingangsstatements übernehmen.

Andrea Hladky: Die Forderungen des Frauenvolksbegehrens adressieren diese systemischen Ursachen. Wer kann etwas dagegen haben, dass es Frauen ermöglicht wird, ohne Hürden an der Gestaltung von Politik und Wirtschaft teilzuhaben? Niemand mag die Quote, aber ohne sie geht es nicht.

Wer kann etwas dagegen haben, dass für gleiche Arbeit unabhängig vom Geschlecht gleich viel bezahlt wird? Wer kann etwas dagegen haben, dass Alleinerziehende und Kinder gegen Armut sozial abgesichert sind? Wer kann etwas dagegen haben, dass sich Eltern frei entscheiden können, ob und wann sie ihre Kinder im Kindergarten betreuen lassen wollen, unabhängig davon, ob sie reich oder arm, in der Stadt oder am Land, alleine oder zu zweit leben?

Das alles kann niemand mehr hören – wir auch nicht, glauben Sie uns! –, deswegen ist es aber nicht weniger wichtig und nicht weniger richtig. Setzen Sie heute ein Zeichen für die echte – nicht nur theoretische – Gleichheit von Männern und Frauen, für die Bedeutung der demokratischen Mitbestimmung der Bevölkerung, für eine lebendige Demokratie! Es wäre ein fatales Signal, wenn die Stimmen einer halben Million Menschen gemeinsam mit unseren Forderungen begraben würden.

Es ist uns bewusst, dass es bei einem Volksbegehren und konkret bei diesen neuen Forderungen Kompromisse geben muss, dass nur die eine oder andere davon zeitnah umgesetzt werden wird. Wer kann aber beispielsweise etwas dagegen haben, diskriminierende Einkommensunterschiede zu beseitigen? Wohl nur die, die davon profitieren. Gerade diese Forderung ist ganz rasch fast ohne Kosten für die öffentliche Hand umzusetzen. Island hat es vorgemacht. Schieben Sie es nicht auf die lange Bank!

Frauen- und Gleichstellungspolitik steht immer im Verdacht, zu unverbindlich oder zu lästig zu sein. Es gibt zu viele Worthülsen, Beschwichtigungen, wohlmeinende Worte – aber umgesetzt, auf den Boden gebracht wird viel zu wenig. Werden Sie lästig!

Hinter allen neuen Forderungen stehen drei Jahre intensive ehrenamtliche Arbeit: Recherche von ExpertInnen, Durchsicht Hunderter Studien, Erfahrungsaustausch mit Frauen und Männern, Eltern und Kindern. Dahinter stehen keine parteipolitischen Interessen, dahinter steht nur ein Interesse: Frauen und Männer, Mädchen und Buben auch de facto gleichzustellen; sie haben es sich – gesellschaftlich, wirtschaftlich, moralisch  verdient.

Denken Sie daran, bevor Sie die hundertste Arbeitsgruppe oder Taskforce zum gleichen Thema bilden oder aus parteipolitischer Order einfach dagegenstimmen! Reden Sie sich nicht auf frühere Regierungen, Koalitionspartner, Ressorts oder Budgets aus! Wir wissen doch, was alles möglich ist, wenn der politische Wille vorhanden und die Lobby dahinter stark ist.

Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt. Wir können uns das leisten. Was wäre das heute, genau 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts, für ein Zeichen an die Zivilgesellschaft! – Danke.

Themenbereich 1: Macht teilen

Christian Berger: Wir werden es auch weiterhin paritätisch halten, ganz passend zu dieser Forderung.

Wie Sie wissen, fordert das Frauenvolksbegehren eine Quotenregelung für Politik, Wirtschaft und Interessenvertretungen, die Details der jeweiligen Forderungen liegen nun vor, deswegen werden wir die Chance nutzen, die Forderung hier zu begründen.

Es geht darum, engagierten und hochqualifizierten Frauen eine reale Chance zu geben. Wer nämlich für Chancengleichheit, aber gegen Quoten eintritt, leugnet Männerbünde. Der Wettbewerb um gut bezahlte und einflussreiche Positionen ist nämlich schwer gestört. Es werden mittelmäßig qualifizierte oder gar inkompetente Männer nach oben gespült – das zeigen unzählige Studien , engagierte und hochqualifizierte Frauen und auch Männer haben das Nachsehen.

Warum? – Diese Studien weisen nach, dass mittelmäßig qualifizierte Männer dazu neigen, sich mit mittelmäßig qualifizierten oder schlecht qualifizierten Männern zu umgeben. Das passiert wiederum, weil Menschen beziehungsweise soziale Gruppen ihre Machtposition erhalten und absichern wollen, und das funktioniert am ehesten, wenn sie sich mit Personen umgeben, die keine Gefahr für sie bedeuten. Das ändert sich nicht von selbst und deswegen braucht es eine Quotenregelung. Danke.

*****

Mag. Dr. Rolf Gleißner: Vielen Dank für die Einladung.

Das Erste: Ich glaube, die gute Nachricht ist, dass es einen Trend gibt, dass Frauen in der Gesellschaft, in der Politik und auch in der Wirtschaft auf dem Vormarsch sind. Wir sehen das in der Wirtschaftskammer: Schon 37 Prozent der Mitglieder sind Frauen, also Unternehmerinnen, bei den Gründern sind es sogar schon 45 Prozent – und das ohne die Personenbetreuerinnen, die haben wir herausgerechnet.

Frauen sind auch in der Wirtschaftskammer selbst gut vertreten: im Präsidium ein Drittel, bei den Führungskräften in der Wirtschaftskammer Österreich auch ein Drittel. Was die Funktionäre insgesamt betrifft, sagen die Wählergruppen, dass sie den Frauenanteil steigern wollen, dass es aber zum Teil schwierig ist, Kandidatinnen zu finden. Ich weiß nicht, wie da so die Erfahrungen sind, bei Betriebsräten ist es vielleicht ähnlich.

Was Quoten betrifft, hat Frau Hladky schon gesagt: Niemand mag die Quote. Es ist vielleicht nicht überraschend, dass wir Quoten in der Privatwirtschaft aus verschiedenen Gründen für sehr problematisch halten und nicht für ein gutes Instrument, das wir uns wünschen, zum Beispiel auch deswegen, weil die Branchen extrem unterschiedlich sind. Wir haben Branchen mit einem extrem geringen Frauenanteil, da wäre es schwierig, die geeigneten Kandidatinnen zu finden.

Wir glauben, dass es auch andere Instrumente gibt, die zielführend sind, die insbesondere in die Richtung gehen, dass man Frauen auch in der Wirtschaft ermutigt, Führungspositionen zu ergreifen. Wir haben gemeinsam mit der Industriellenvereinigung und dem Wirtschaftsministerium ein Programm: Zukunft.Frauen. Da tun wir genau das: Wir versuchen, Frauen in Führungspositionen zu bringen und sie dazu anzuregen, sich zu vernetzen. Danke.

MMag. Dr. Gabriele Michalitsch: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Vorsitzende! Sehr verehrte Damen und Herren! Wenn wir über das Teilen von Macht sprechen, dann heißt das, wir sprechen über Patriarchat.

Was heißt Patriarchat? Patriarchat bedeutet Herrschaft, bedeutet Dominanz von Männern gegenüber Frauen, bedeutet Überordnung von Männlichkeit und Unterordnung von Weiblichkeit, und das in allen Bereichen der Gesellschaft: in Politik, in Ökonomie, in Kultur, in unserem ganzen Leben, vom ersten bis zum letzten Tag.

Wir sehen das in unserer Tradition, wir sehen das an der Ressourcenverteilung, wir sehen das an der Zuweisung von Arbeit – all das wurde schon angesprochen und wird heute noch den ganzen Nachmittag bestimmen. Wir sehen das aber auch an der sexuellen Verfügbarkeit, Stichwort Prostitution. Wir sehen das an unserem Wissen, das in den letzten Jahrhunderten erarbeitet wurde. Auch das ist in diesem Sinne nicht neutral: Es bestimmt unsere Weltsicht und damit den Sinnzusammenhang. Das heißt, Patriarchat bedeutet auch, über dieses Wissen im Alltag, in der Produktion, in der Arbeit et cetera zu bestimmen, was Männlichkeit und was Weiblichkeit überhaupt ist, also Geschlecht zu definieren.

In unserer Tradition ist Männlichkeit mit Vorstellungen von Stärke, von Töten, von Geist, von Vernunft und von Kultur verbunden. Dem gegenüber ist Weiblichkeit verbunden mit Sorge um andere, mit Körper, Gefühl und Natur. Das heißt, Männlichkeit und Weiblichkeit sind nicht unabhängig von spezifischen anderen, sagen wir, Topoi zu denken. All das ist sozusagen verknüpft, Patriarchat heißt Abwertung dieser ganzen als weiblich codierten Seite gegenüber dem männlich Codierten. Das ist nicht einfach zu teilen, weil sich eben Herrschaft, Macht in die Subjekte einschreiben, weil wir sie in uns tragen.

Macht und Herrschaft stecken natürlich auch in jeder einzelnen Beziehung. Das heißt, Quoten sind sicher ein wichtiger Schritt, aber Macht und Herrschaft können nicht durchbrochen werden, indem man allein Führungspositionen anders verteilt, sondern es braucht Quoten in allen gesellschaftlichen Institutionen, um Demokratie zu sichern, um gleiche Teilhabe zu sichern. Das ist aber nur ein Schritt, denn letzten Endes müssen wir diese grundlegende Hierarchisierung zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit, zwischen Natur und Kultur, zwischen Geist und Körper et cetera überwinden und zu einer grundlegenden Neuausrichtung kommen, in der eben nicht das Töten und die Vernichtung primär sind, sondern die Sorge um andere.

Das sind Überlebensfragen, vor denen wir heute stehen. Das heißt, es geht um Gleichstellung, es geht um Demokratie, aber es geht um viel mehr, es geht um unser Leben. Danke sehr.

Monika Mühlwerth: Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch meinerseits danke für die Einladung. Ich möchte nur voranstellen: Ich zolle all jenen Respekt, die dieses Volksbegehren unterschrieben haben, auch wenn ich es nicht getan habe.

Ich möchte aber, nur damit man die Relationen auch ein wenig sieht, schon darauf hinweisen: Wir haben über 6,4 Millionen Wahlberechtigte, davon haben 500 000 dieses Volksbegehren unterschrieben. Beim Thema Macht teilen müssen wir, glaube ich, aufpassen, dass wir Frauen nicht selbst beginnen, die Gesellschaft zu spalten, indem wir sie in die armen, unterdrückten Frauen und die bösen Männer, die uns unterdrücken, einteilen.

Bei allem Verständnis für die berechtigte Forderung einer gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft warne ich wirklich davor, da Einteilungen vorzunehmen, die uns insgesamt nur spalten können.

Männer und Frauen sind verschieden. Ich glaube nicht, dass es den Frauen weiterhilft, wenn wir jetzt versuchen, diese Unterschiede zu eliminieren und so zu tun, als ob es sie nicht gäbe, denn Männer und Frauen sind komplementär. Sie ergänzen einander, und das finde ich ganz wichtig für eine Gesellschaft und auch für das Zusammenleben.

Da ich eine freiheitliche Expertin bin, wird es Sie nicht weiter überraschen, wenn ich Ihnen sage, dass wir keine Freunde der Quote sind. Die Initiatorinnen dieses Frauenvolksbegehrens kommen mir nicht als unterdrückte Frauen mit keinerlei Teilhabe an der Gesellschaft vor, und auch bei meinen Kolleginnen aus der Politik, egal aus welcher Partei sie kommen, hatte ich noch nie den Eindruck, dass ich da quasi Opferlämmer von mir habe, die von Männern daran gehindert werden, an der Gesellschaft, an der Politik, am Gesamtleben gleichberechtigt teilzuhaben.

Es gibt ja auch Beispiele, die zeigen, dass es in der Wirtschaft wunderbar funktioniert. Finnland ist ein solches Beispiel. Immer wenn Studien genannt werden, gibt es natürlich gleich viele Gegenstudien. Finnland ist ein Land, in dem es keine Quote gibt und in dem trotzdem 50 Prozent Frauen in den entsprechenden Führungspositionen tätig sind. Also man sieht, es kann auch gehen.

Selbstverständlich werden wir uns weiter bemühen, dass wir alle in eine Führungsposition kommen, aber einer meiner Vorredner hat es ja schon gesagt: Es ist nicht immer leicht, Frauen zu finden – nicht nur geeignete, sondern überhaupt Frauen –wer, die sagen: Ich möchte das machen!

Ich finde, wenn jemand sagt, er möchte eine Führungsposition nicht, dann ist auch das zu respektieren. Ich kenne auch Frauen, denen eine Führungsposition angeboten wurde und die sie zugunsten der Familie nicht angenommen haben. Zur Wahlfreiheit, die ja das Wort Freiheit beinhaltet, die für uns ein ganz wichtiges Gut ist, kommen wir ja dann noch.

Ich muss sagen: Ja, wir sind für eine Gleichberechtigung in allen Lebenslagen, aber gegen eine Quotenregelung, denn ich bezweifle, dass sie uns weiterbringen wird.

Dr. Viktoria Kickinger: Ich bin hier die Einzige, die nicht politisch aktiv ist. Ich möchte mich vorstellen: Ich habe meine Karriere in der staatsnahen Industrie gemacht, bin wahrscheinlich die einzige Großmutter hier im Raum (Rufe: Nein!) – nein, gibt es noch welche?; ich fühle mich jedenfalls als einzige Großmutter – und habe daher auch ein veritables Interesse an der Zukunft meiner Enkelkinder. Ich möchte zu Herrn Berger sagen: Ich bin mit Ihnen d’accord, aber Gleichstellung ist in meinen Augen schon eine Win-win-Situation, wenn man sie entsprechend lebt; ansonsten bin ich mit Ihnen d’accord.

Ich habe mir drei Punkte für mein Statement vorbereitet.

Zum einen plädiere ich dafür, dass wir zu einer Equality of Opportunities kommen, weg von einer Equality of Outcome. Die Quotenregelung für Frauen in Aufsichtsräten ist für mich reine Kosmetik – ich bin mehrfache Aufsichtsrätin – und reine Equality of Outcome.

Ich glaube nicht, dass eine Quote im Aufsichtsrat – das ist meine Expertise in diesem Fall – sehr viel dazu beitragen kann, die Situation der Frauen in der Wirtschaft zu ändern, dazu ist der Aufsichtsrat auch nicht mächtig genug. Wir haben andere Kriterien zu beherzigen. Auf die Equality of Opportunity müssen wir unser Augenmerk legen und zwar eigentlich vom ersten Tag der Kinderziehung und der Ausbildung unserer Kinder an. Der Ansatz muss bottom up und darf nicht top down gehen. Wenn wir, die paar Aufsichtsrätinnen in Österreich und Deutschland, ganz oben sind, vergleiche ich das gerne damit: Man kann nicht fordern, dass es mehr Großmütter gibt, wenn man nicht mehr Frauen die Gelegenheit gibt, Mütter zu werden.

Diese Frauen-in-Aufsichtsräten-Geschichte ist eher ein PR-Gag, wie man auch in Deutschland sieht. Es gibt ja dort keine Sanktionen.

Der zweite Punkt, den ich Ihnen mitgeben möchte, ist die Forderung von Qualifikation statt einer Quote. Wenn wir – davon bin ich überzeugt! – die Qualifikation in den Vordergrund stellen und nicht die Quote, haben wir für alle Bereiche, öffentlich wie privat, das Beste getan. Man sieht ja, dass sich dieser Bereich allmählich durchzusetzen beginnt.

Drittens, weil hier heute so oft Skandinavien erwähnt wird: Ein Teil meiner Familie, mein Sohn mit seiner Frau und seinen drei Kindern, lebt in Skandinavien, und ich erlebe das hautnah mit. Wir können nicht immer nur punktuell einen Grashalm herauszupfen, sondern wir müssen dieses skandinavische Konzept im Gesamtkontext sehen: Das ist ein Konzept der Wertschätzung allen gegenüber, nicht der Bevorzugung oder Benachteiligung. Dieses skandinavische Gesamtkonzept können wir nie nach Österreich oder Mitteleuropa übertragen, da es historisch einfach ganz anders gewachsen ist, aber wir können es uns meinetwegen als Ziel nehmen.

Dr. Laura Wiesböck, MA: Vielen Dank für die Einladung.

Ich beschäftige mich seit über zehn Jahren aus wissenschaftlicher Perspektive mit sozialer Ungleichheit und habe wissenschaftliche Ergebnisse zusammengetragen.

Ich denke und hoffe, dass jede und jeder der hier Anwesenden zustimmen würde, dass Frauen in Österreich die gleichen Chancen auf gestalterische Machtpositionen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Medien und Kultur haben sollten wie Männer.

Es geht nicht um Teilhabe, wie von der freiheitlichen Vorrednerin betont wurde, es geht um gestalterische Machtpositionen. Fakt ist, dass sie dies nicht haben, und deshalb werde ich im Folgenden vier Argumente für die Einführung der Frauenquote darlegen. Erstens, die Rekrutierung über Männernetzwerke und das Prinzip der Ähnlichkeit: In Führungspositionen sitzen oft nicht die Besten der Branche, sondern die Besten aus Männernetzwerken oder diejenigen, die Chefs an ihr jüngeres Ich erinnern. Die Forschung zeigt: Bewerber und Bewerberinnen werden danach ausgesucht, was einem selbst ähnlich ist. Das wird in der Forschung homosoziale Reproduktion genannt. Männer bevorzugen Männer, und je weniger Frauen in Führungspositionen sind, desto schlechter stehen die Chancen für andere Frauen, aufzusteigen.

Zweitens, echter Wettbewerb durch Quote: Nur wenn tatsächlich die Qualifikationen bei der Personalauswahl im Vordergrund stehen, kann echter Wettbewerb entstehen. Der Blick auf andere Länder zeigt: Das Argument, dass Kandidatinnen einfach weniger kompetent seien und sich deshalb nicht durchsetzen, trifft nicht zu. Im Gegenteil, eine Untersuchung zeigt, dass jene Frauen, die aufgrund der norwegischen Frauenquote von 40 Prozent in die Verwaltungsräte aufgenommen wurden, durchschnittlich höhere Qualifikationen haben als ihre männlichen Kollegen.

Drittens, Entstehung einer familienfreundlichen Arbeitskultur: Wir haben von den Vorrednerinnen und Vorrednern gehört, es sei manchmal schwer, Kandidatinnen zu finden. Das mag stimmen, wir müssen uns aber die Frage stellen, warum das so ist. Es stimmt, dass manche Frauen nicht in die Chefetage wollen, weil sie auch Kinder wollen und beides in weiblichen Biografien in Österreich schlecht vereinbar ist. Es gibt in Österreich einen Award für Frauen, die Kind und Karriere vereinen können. – Stellen Sie sich das bitte für Männer vor! Das ist ein Witz! Das zeigt eine massive Chancenungleichheit. Eine Quote würde Unternehmen zwingen, familienfreundlichere Arbeitsmodelle zu schaffen. Zum Beispiel könnten auch Führungskräfte Teilzeitarbeit arbeiten, Männer wie Frauen. In Schweden und in der Schweiz funktioniert das Modell des Topsharing – das Führen in Teilzeit – sehr gut und ist unter anderem mit höherer Arbeitsmotivation verbunden.

Viertens, Umdenken durch Sichtbarkeit und Vorbildwirkung: Es ist wichtig, abzubilden, dass die Hälfte der Bevölkerung weiblich ist und die Gesellschaft mitgestaltet, denn sichtbare Frauen, ob an Unternehmensspitzen, in Politik, Medien oder Kultur, haben Signalwirkung für die gleichstellungspolitische Diskussion insgesamt. Die Quote macht Frauen sichtbar, rüttelt an rein männlichen Machtstrukturen und kann Gleichstellungsstrategien schärfen.

Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass die Quote wirkt, im Hinblick auf sowohl den Frauenanteil in Aufsichtsräten als auch den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen und nicht zuletzt mehr gesellschaftliche Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Die Quote mag vielleicht nicht wünschenswert sein, und Sie können uns – allen, die feministisch aktiv sind – glauben, dass wir gerne in einer Gesellschaft leben würden, in der die Quote nicht notwendig ist; sie ist aber notwendig.

Abschließen möchte ich mit Worten der Grundrechte-Kommissarin Viviane Reding. „Ich bin kein Fan von Quoten. Aber ich mag die Ergebnisse, die Quoten bringen“ – und vielleicht ist es nötig, das zu tun, was Quoten tun. – Vielen Dank.

*****

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Vertreterinnen des Frauenvolksbegehrens! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zuerst noch einmal bei den Initiatoren und den Unterstützern des Frauenvolksbegehrens für die ehrenamtliche Arbeit, die sie geleistet haben, bedanken. Ich glaube, wir können nachvollziehen, wie viel Herzblut und Organisationsarbeit da dahintersteckt. Ich möchte Ihnen meinen Respekt und meine Hochachtung ausdrücken.

Zum Thema Macht teilen möchte ich kurz auf Ihre Forderungen eingehen und vielleicht ein Stück weit auch meine persönliche Erfahrung aus 30 Jahren Privatwirtschaft und aus dem politischen Geschehen mit einbringen.

Sie fordern eine Quote in der Politik, für die Wahllisten für die verschiedenen Vertretungskörper. Erfreulicherweise können wir aus der ÖVP berichten, dass wir seit der letzten Nationalratswahl das Reißverschlusssystem eingeführt haben, das bewirkt hat, dass die Zahl der weiblichen Abgeordneten doch merkbar gestiegen ist. In Tirol haben wir das System zum Beispiel auch auf Landesebene eingeführt und konnten eine Verdoppelung der Zahl der Frauen im Tiroler Landtag erreichen. – So weit, so positiv.

Es gibt auch die Möglichkeit, Frauen nachzubesetzen. Man sieht das bei der ÖVP im Bundesrat: Wir haben es geschafft, durch kluge Nachbesetzung durch Frauen eine Quote von 50 : 50 zu erreichen, worauf wir sehr stolz sind. Wir hoffen, dass uns das auch im Nationalrat noch gelingen wird.

Sie fordern auch auf Gemeindeebene die Hälfte der Plätze für Frauen. Dazu muss ich Ihnen aus meiner persönlichen Erfahrung sagen, dass dies relativ schwierig ist, nicht, weil ich glaube, dass es nicht geeignete Frauen gibt; das ist immer ein Männerargument, das glaube ich überhaupt nicht. Was ich aber schon glaube, ist, dass es die Rahmenbedingungen für uns Frauen oft sehr schwierig machen, in die Gemeindepolitik einzusteigen. Ich glaube, da müsste man in den einzelnen Bundesländern noch vor der Forderung nach Quoten ganz stark an den Rahmenbedingungen arbeiten, weil sehr viele Vorgangsweisen, Sitzungsrituale und so weiter einfach ein Stück weit frauenfeindlich sind und es den Frauen schwer machen, da teilzunehmen.

Wir von der ÖVP verschließen uns auch sonst den Quoten nicht. Es wurde Anfang des Jahres 2018 die 30-Prozent-Quote für Frauen in Aufsichtsräten eingeführt. Alle Kolleginnen und Kollegen, die in der letzten Legislaturperiode im Nationalrat waren, werden sich noch an die Brandrede von Kollegin Fekter erinnern können, die sehr lange gegen die Quote war und im Laufe ihres politischen Lebens eingesehen hat, dass es anders leider nicht funktioniert.

Ich möchte gerne die Aussage von Frau Dr. Kickinger hervorheben, die mir sehr gut gefallen hat. Ich bin selbst auch Aufsichtsrätin, zwar nur in einem kleinen Start-up-Unternehmen – also in keinem wichtigen großen Unternehmen –, und man muss einfach feststellen, dass AufsichtsrätInnen nicht in dem Maße auf Personalentscheidungen Einfluss haben, dass es sich auch wirklich in der Beteiligung von Frauen in einer Firma niederschlägt. Wenn ich mir persönlich etwas wünschen dürfte, dann wäre das, dass wir mehr Vorständinnen in den Firmen haben.

Ich habe schon viel zu lang gesprochen, nur ganz kurz zwei Dinge, die mir aufgrund dessen, was ich erlebt habe, wichtig sind: Frauen müssen Frauen stärken. Wenn ich in so einer Position bin, muss ich schauen, dass ich Frauen nachziehe. – Das ist das eine. Ganz wichtig ist – und da stimme ich mit Ihnen total überein –: In allen Gremien muss die kritische Masse an Frauen vorhanden sein, um solche Entscheidungen zu treffen, dass wieder Frauen nachrücken können. – Danke schön.

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): „Ich habe noch kein Männer-Netzwerk gesehen, das sagt, wir müssen uns dringend auch für Frauen öffnen.“ Das hat niemand Geringerer als Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt – keine Sozialdemokratin, so nebenbei.

Ich darf mich im Namen meiner Fraktion ganz herzlich bei den Verantwortlichen des Frauenvolksbegehrens – Lena Jäger ist da, Christian Berger ist da – und allen Kolleginnen und Kollegen, die dieses großartige Volksbegehren auf die Füße gestellt haben, bedanken. Über 481 000 Menschen, also fast 500 000 Menschen, haben es unterschrieben. – Herzliche Gratulation zu diesem Erfolg und auch ganz herzliche Gratulation zu diesen neun Forderungen, weil nämlich alle neun Forderungen super sind und es verdient haben, dass man sich dafür ausreichend Zeit nimmt. Ich würde mir wünschen, dass wir hier im Ausschuss noch mehr darüber diskutieren.

Wenn man generell von Quote spricht, dann muss eines auch klar sein: Frauen müssen genauso gut oder besser qualifiziert sein, damit sie eine bestimmten Job bekommen. Niemand sagt, dass eine Mechanikerin jetzt Leiterin eines Krankenhauses, zum Beispiel, wird; dessen sollte man sich immer bewusst sein.

Frau Bundesministerin, wir haben vorhin den Vertreter der Wirtschaftskammer und auch die FPÖ-Vertreterin gehört. Wenn man den beiden zuhört, dann merkt man, dass wir irgendwie eigentlich gar kein Problem haben. Ich weiß, dass Sie ein Problem mit der Quote haben. Was mich aber interessieren würde, wäre: Was machen wir anstelle der Quote? – Mir ist noch kein gescheiter Vorschlag von Ihnen bekannt, dass man sagen kann: Okay, wir bringen das irgendwie ins richtige Licht.

Ich muss noch ein Zitat bringen: „Alle freiwilligen Versprechen haben zehn Jahre so gut wie nichts gebracht, die Geduld der Frauen ist am Ende.“ – Ursula von der Leyen. Ich glaube, auch sie ist eine der ÖVP nicht ganz unbekannte Politikerin aus Deutschland.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass die Frauenquote der größte Beitrag zur Gleichberechtigung seit der Einführung des Frauenwahlrechts wäre. Das heißt auch, dass wir die Quote brauchen, und die sozialdemokratische Parlamentsfraktion unterstützt diese Forderung daher zu hundert Prozent.

Zu meiner Vorrednerin: Liebe Kollegin, es gibt mehr Bürgermeister, die Josef heißen, als Bürgermeisterinnen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (FPÖ): Ich habe gehört, Frauen müssen besser sein als Männer, um einen Job zu bekommen. Ich kann nur von der Politik sprechen, da kenne ich mich ein bisschen aus: Da ist es definitiv nicht so. Das heißt, ganz im Gegenteil, dass Frauen in der Politik sehr gesucht werden. Es gibt Parteien, in denen sehr wenige Frauen sind, und wenn sich Frauen da entsprechend um einen Job bemühen, werden sie auf jeden Fall bevorzugt, nicht nur dann, wenn auch eine Qualifikationsgleichstellung gegeben ist.

Es gibt Berufe, in denen es Frauen gibt, zum Beispiel bei den Maurern oder Eisenbiegern. Generell ist die Baustelle frauenfrei. Wenn Sie sagen, wir müssen überall eine Frauenquote einführen, müssen wir das auch auf der Baustelle tun. Die Frage ist: Macht das Sinn? Wollen so viele Frauen auf die Baustelle arbeiten gehen, und ist das überhaupt notwendig? Wer hat etwas davon, außer einige Feministinnen, möglicherweise?

Umgekehrt ist es genauso: In der Volksschule oder im Kindergarten, zum Beispiel, gibt es ganz, ganz wenige männliche Pädagogen. Auch in diesem Bereich könnte man eine Quote einführen und Männer zwingen, dort zu arbeiten. Ich weiß, viele finden das gut. Ich bin generell gegen Zwang. Ich glaube nicht, dass das Sinn macht.

Wenn wir uns noch im Speziellen anschauen, wie es bei Vertretungskörpern oder auf Wahllisten ausschaut, dann muss man sagen, wir würden damit die Demokratie aushebeln. Wie Sie alle wissen, sind die meisten Wahllisten demokratisch zustande gekommen – also demokratisch innerhalb der Partei. Wenn man in diesem Bereich einen Zwang einführt, dann würde die Demokratie ausgehebelt, und das halte ich für keine gute Idee, noch dazu, wenn man weiß, dass der Zug der Zeit ja ohnehin zur Gleichstellung geht.

Ich glaube also, dass wir uns viele Dinge überhaupt sparen können, weil der Zug der Zeit ohnehin nicht aufhaltbar ist. Gerade die jüngere Generation hat ja mit der Gleichstellung überhaupt kein Problem mehr; sie ist ja praktisch in der Gesellschaft angekommen. Das ist möglicherweise in den älteren Generationen noch nicht so, aber das Problem wird sich mit der Zeit dann ja ohnehin auflösen.

Das heißt, wir erleben einen starken Zug zur Gleichstellung, deshalb ist es für mich ganz eigenartig, warum man diese Zuschreibungen macht. Ich habe gehört, dass Töten männlich ist. – Ich fühle mich da beleidigt, und zwar aufs Schwerste. Stellen Sie sich einmal umgekehrt vor, man würde irgendwelche Attribute der weiblichen Hälfte unserer Gesellschaft zuschreiben! Das wäre auch nicht wirklich fair.

Wenn es um Gleichstellung geht, sollten wir also das Männliche und das Weibliche über Bord werfen. Wir sind alle gleich, und deshalb heißt dieser Ausschuss ja auch Gleichbehandlungsausschuss und nicht Frauenausschuss.

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Ich möchte mich ebenfalls zuerst im Namen von uns NEOS bei den Initiatorinnen und Initiatoren für das Engagement bedanken, das hier an den Tag gelegt worden ist, und zu dem großartigen Erfolg, den Sie eingefahren haben, gratulieren. Ich darf auch sagen, dass ich einer jener war, der das Begehren unterschrieben hat, auch wenn ich nicht in allen Punkten einverstanden war; das habe ich auch an der einen oder anderen Stelle kommuniziert habe.

Gerade die Quote ist ein Thema, bei dem ich sehr lange darüber nachdenken musste, wie ich das beantworten kann. Man muss schon sagen, dass aus meiner Perspektive manche Forderungen aus einer deutlich politisch linksdominiert feministischen Argumentation und nicht einer liberalfeministischen Position herrühren.

Für uns NEOS ist das zentrale Argument: Die Unabhängigkeit und die Freiheit von Frauen und Männern muss ganz generell gewährleistet sein, und in diesem Kontext haben wir auch die Frage nach Quoten zu beantworten. Daher ist das Thema von Quoten bei Parteien und Wahllisten aus unserer Sicht nachrangig, weil eine Partei ja durch die Erstellung einer Liste mitaussagt, wofür sie steht, und Wählerinnen und Wähler können dementsprechend wiederum einschätzen und selbst frei entscheiden, ob sie das wählen wollen. Das beste Beispiel ist aus meiner Sicht die Freiheitliche Partei, die sagt, sie braucht das nicht. Wenn es deren Wähler und Wählerinnen nicht stört, dann ist es aus meiner persönlichen Perspektive eine Sache der Freiheitlichen Partei und nicht eine des Staates.

Andererseits gibt es auch Erfolge in Bereichen, in denen es keine Quote gibt. Der NEOS-Parlamentsklub hat bei der letzten Wahl nur 10 Prozent Frauenanteil gehabt, jetzt hat er 50 Prozent, und wir haben ebenfalls keine Quote. Ich glaube also, es gibt in der Politik durchaus andere Modelle als die reine Quote, die ebenfalls zum Erfolg führen können.

Im Bereich der Privatwirtschaft, also jener Wirtschaft, die nicht mit Steuergeld finanziert und auch nicht Fördernehmer von Steuergeld ist, sehen wir keinerlei Änderungsbedarf. Es gibt aus unserer Sicht keine Notwendigkeit, eine Quote einzuführen, die einerseits eine Einschränkung der Eigentumsrechte mit sich bringt und andererseits auch die Möglichkeit nicht zulässt, dass das Vorliegen einer Unternehmenskultur, wie das in Skandinavien der Fall war, zu einem ähnlich guten Erfolg führen kann.

Wir sehen großen Änderungsbedarf im gesamten öffentlichen Bereich – und das ist in Österreich ein sehr großer Bereich. Da können wir uns gut vorstellen, auch bei Gesetzesinitiativen mitzuwirken. An Universitäten, in der Verwaltung, bei Unternehmen, die an Ausschreibungen teilnehmen, die Steuergeld nutzen, kann es tatsächlich eine Quote geben.

Ich möchte Frau Viktoria Kickinger bitten, auch auszuführen, wie ihre Erfahrungen mit diesen Quoten in der Privatwirtschaft sind. – Vielen Dank.

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Frau Ministerin! Hallo an die Besucher und Besucherinnen des Ausschusses und die Experten! Danke fürs Teilen eurer oder Ihrer Expertise.

Gleich vorweg: Einer der Gründe, warum ich in die Politik gegangen bin, ist, weil ich jungen Frauen Mut machen wollte, unsere Zukunft aktiv mitzugestalten. Ich hatte nie den Plan, in die Politik zu gehen, bis ich den Anruf einer Frau, die mich damals gefragt hat, bekommen habe. Es war Renée Schroeder. Was mir im letzten Jahr bewusst geworden ist: Wir – alle Frauen in diesem Raum, jede einzelne Frau hier – haben eine irrsinnig große Vorbildwirkung, weil Mädchen zu uns aufschauen und sich vorstellen können, ebenso Politikerinnen, vielleicht sogar Ministerinnen, hoffentlich einmal Kanzlerin oder Präsidentin – die hat es bis jetzt in Österreich leider noch nicht gegeben – zu werden, ganz nach dem Motto: If she can see it, she can be it. Ich glaube sehr stark an dieses Motto: If she can see it, she can be it.

Frau Wiesböck hat die Sichtbarkeit und die Vorbildwirkung ebenfalls erwähnt, sie sind auch im Jahr 2019 noch immer ganz immens wichtig. Wenn man sich das anschaut: Wir feiern 100 Jahre Frauenwahlrecht, nicht nur das Wahlrecht, sondern auch, dass damals acht Frauen ins Parlament eingezogen sind – am 4. März 1919 war das –, und man kann sehen, dass diese Frauen dann wirklich auch frauenpolitische Themen angegangen sind.

Wenn ich zum Beispiel von der Digitalisierung spreche, ist es für mich etwas ganz anderes als für meine großteils männlichen KollegInnen, die doppelt so alt sind wie ich. Prinzipiell liebe ich den Austausch unter den Generationen, unter den Geschlechtern, das ist sehr, sehr wichtig; genauso wichtig ist es aber, dass meine Generation, aber auch das Geschlecht, dem ich mich angehörig fühle, vertreten ist.

Schauen wir uns an, wie das im Parlament ist: Obwohl 52 Prozent der Bevölkerung Frauen sind, ist der Frauenanteil im Parlament nicht 52 Prozent. Das finde ich traurig, weil ich glaube, dass wir da noch einen Zahn zulegen sollten, gerade auch bei den Quoten. Wir haben die Quoten jetzt ansatzweise diskutiert. Es ist eine sehr komplexe Materie. Mir wäre es lieber, wenn wir im Jahr 2019 die Quoten gar nicht diskutieren müssten; es ist aber leider so, weil eine große Unterrepräsentanz von Frauen vorhanden ist. Ich komme aus der Start-up-Szene, dort liegt der Frauenanteil knapp über 10 Prozent, und auch dort gibt es diesen Wunsch.

Man hat aber auch gesehen: Vor 100 Jahren haben wir ein wichtiges Zeichen gesetzt, und was in den 100 Jahren passiert ist, ist gut, aber es geht noch viel besser, und leider ist es die Quote, die wir diskutieren müssen. Deswegen danke ich den VertreterInnen des Frauenvolksbegehrens auch, nicht nur dafür, dass ihr da seid, sondern auch dafür, dass ihr diese wichtigen Themen auf den Tisch bringt. Ihr seht, es ist eine sehr emotionale Diskussion. Euer Volksbegehren war ein großer Erfolg, ihr habt sehr wichtige Themen auf den Tisch gebracht, und wir werden hier jetzt noch weitere Diskussionen haben.

*****

MMag. Dr. Gabriele Michalitsch: Angesichts dessen, was Herr Abgeordneter Lugar gesagt hat, vermute ich, dass es im Hinblick auf meine Wortmeldung einige Missverständnisse gibt. Ich möchte also noch einmal verdeutlichen: Ich habe davon gesprochen, dass in unserer Tradition Männlichkeit und Weiblichkeit spezifisch verbunden sind, dass es ja wohl nicht leugbar ist, dass Männlichkeit mit Militär, mit Krieg, mit Töten verbunden ist und dass das Grundprinzip, die Grundorganisationsstruktur des Militärs auch im Staat verankert ist; daher haben wir gerade auch in der Politik eine so starke Durchdringung von Staatlichkeit und Männlichkeit.

Selbst wenn man nichts über unsere Geschichte und Tradition weiß, ist allen klar, dass Krieg und Männlichkeit verbunden sind. Es geht eben darum, diese Zuschreibungen zu überwinden, da bin ich ganz Ihrer Meinung, aber das ist nur möglich, indem wir eben die Zuweisungen in der Gesellschaft, was Arbeit betrifft, in jeder Hinsicht durchbrechen, indem wir unsere sehr strengen Traditionen im Hinblick auf Erziehung et cetera überwinden.

Ich möchte mit einem Beispiel schließen, weil sehr viel von Gewaltschutz gesprochen wird und ich weiß, dass das für die Frau Ministerin ein ganz wichtiges Anliegen ist: In meiner Volksschulzeit habe ich erlebt, wie 7-, 8-jährige Buben in der Pause die Röcke von Mädchen hochgerissen haben. Das war ein sehr beliebtes Pausenspiel und hat für großes kollektives Amüsement aufseiten der Buben gesorgt; es wurde darüber gelacht, während Mädchen sich erniedrigt und entblößt gefühlt haben. Ich weiß von meinen Studentinnen, dass sie das erlebt haben, und ich weiß von Kindern von Freundinnen, Freunden, dass das heute auch noch so ist. Das heißt, dass schon in jungen Jahren ein Gewaltverhältnis ausgeübt und das internalisiert wird, und das meine ich mit der Aussage, Herrschaft schreibt sich in das Subjekt ein. – Danke sehr.

Dr. Viktoria Kickinger: Ich möchte gerne auf die an mich gerichtete Frage und auch auf sonstige Statements eingehen und noch einmal betonen: Ich bin nicht nur gegen die Aufsichtsrätinnenquote, ich halte sie auch für gefährlich, denn wie die Entwicklung zeigt, meint man, dass jetzt genügend Frauen in Aufsichtsräten sind, und die Vorstandsquote geht rapide runter, je mehr Frauen in den Aufsichtsräten sitzen. Man sagt: Jetzt habe ich meiner Pflicht Genüge getan – umso mehr geht der Frauenanteil in Führungspositionen zurück.

Ich möchte noch einmal wiederholen: Unsere Aufgabe ist es, Rahmenbedingungen für Frauen zu schaffen, nicht nur organisatorisch, sondern auch gesellschaftlich, wenn sie das denn überhaupt nutzen wollen. Wir müssen ja nicht alle Karriere machen, wir können ja einfach nur ein erfülltes Berufsleben wie Männer haben, es muss ja nicht immer gleich on top sein.

Wir alle sollten durchaus hinterfragen – ich glaube, hier macht es niemand mehr –, wenn abfällig über einen Mann gesprochen wird, der Väterkarenz nimmt. In Skandinavien ist es selbstverständlich, dass Väter wie Mütter gleichermaßen Karenz nehmen, und wenn man in Skandinavien im Staatsdienst Karriere machen möchte, muss man als Mann die Väterkarenz absolviert haben. Das könnte für uns ein schönes Ziel sein: Man wird nur dann Minister, wenn man als Vater seine Väterkarenz absolviert hat.

Dr. Laura Wiesböck, MA: Ich möchte auf den sehr wertvollen Einwurf von Herrn Lugar eingehen, weil es natürlich auch sehr wichtig wäre, dass wir aus aktuellem Anlass im Bereich Fürsorge, Kindergarten, Volksschule und Pflege Quoten einführen, um eine Vorbildwirkung im Bereich Männlichkeit zu erzielen. Wir haben aktuell eine Krise der Männlichkeit und brauchen Vorbilder nicht nur in Jobs, die durch Macht charakterisiert sind, sondern auch in denen, die Fürsorge, Zuwendung und Emotional Labour, wie das auch genannt wird, erfordern.

Dass Ungleichbehandlung ein generationenspezifisches Problem ist, kann man aus der Forschung heraus nicht belegen. Wir haben in Österreich einen bereinigten Gender Pay Gap – das heißt, wenn man alles rausrechnet, also die Einflussgrößen Qualifikation, Branche, Erfahrung und Ähnliches – von 13 Prozent. Das heißt, Frauen verdienen in Österreich 13 Prozent weniger Bruttostundenlohn als Männer, wenn man statistische Zwillinge heranzieht, und das ist das maximale Ausmaß an Lohndiskriminierung. Wir können natürlich je nach Generation unterschiedliche Diskriminierungsformen entdecken, zum Beispiel Altersarmut von Frauen. Frauen haben europaweit einen höheren Anteil an Altersarmut, das betrifft auch Altersarbeitslosigkeit und Ähnliches. Besonders für Frauen in meinem Alter ist Diskriminierung am Arbeitsmarkt ein massives Problem, das nicht eliminiert worden ist.

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Ich habe mich zum Thema Quote bereits ausführlich geäußert. Natürlich ist es so, Quote wirkt, dem kann ich mich nicht verschließen. Ich bin selbst eine Quotenfrau, ich war eine Frauen-in-die-Technik-Quotenfrau auf der Technischen Universität, keine Frage, aber ich bin auch der Meinung, dass man das differenziert betrachten muss. Das haben meine VorrednerInnen bereits ausführlich dargelegt. In der Privatwirtschaft eine Quote einzuführen sehe ich selbst, die ich von einem Unternehmen komme, kritisch. In öffentlichen Einrichtungen wie Universitäten und dergleichen gibt es bereits Quoten auf vielen Ebenen, und dort wirkt sie auch nach wie vor. Meiner Meinung nach ganz wichtig ist auch eine Selbstermächtigung der Frauen in Richtung Mut, Courage, dahin gehend einfach stärker aufzutreten.

In Österreich ist das tradierte Gesellschaftsbild leider sehr verankert. Frauen arbeiten leider extrem viel Teilzeit: 50 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit, 75 Prozent der Frauen mit Kindern unter 15 arbeiten Teilzeit. Wir müssen an einem Gesellschaftsbild arbeiten, dass die Väterbeteiligung erhöht werden muss. Das ist dann auch der erste Schritt dazu, dass Frauen leichter Karriere machen können, ohne immer darüber nachdenken zu müssen, dass sie zu Hause noch die Nichterwerbsarbeit erledigen müssen. Da hinkt Österreich wirklich stark nach. Da müssen wir bei der Erziehung unserer Kinder ansetzen.

Ich habe bereits die Studie erwähnt, die aufzeigt, dass Mädchen nur halb so viel Taschengeld wie Buben bekommen. Wer ist dafür verantwortlich? – Die Eltern sind dafür verantwortlich. Die Gesellschaft drängt Frauen  in andere Berufsfelder. Spanien ist ein gutes Beispiel: Dort gibt es genauso viele Diplomingenieurinnen wie Diplomingenieure. Was hat das gebracht? – Dass diese Jobs geringer bezahlt werden.

Ich weiß nicht, ob eine Quote immer der Weisheit letzter Schluss ist. Ich bin aber dafür, weil sie auf gewissen Ebenen sicherlich durchsetzbar ist, umsetzbar ist und auch hilft. Bei den Aufsichtsrätinnen – wir haben es heute gehört – haben wir eine Quote von 30 Prozent; man müsste das jedenfalls auf den Vorstand ausdehnen. Das Wichtigste wäre eigentlich, dass mehr Frauen in die Geschäftsführungen kommen, denn wenn in den Geschäftsführungen keine Frauen sind, dann wird es vermutlich auch in den Führungspositionen darunter nicht funktionieren.

Ich möchte die Frauen bitten, mehr Mut zu zeigen, in die erste Reihe zu gehen. Das ist ja auch in der Politik das Thema: Wer möchte sich schon immer in die erste Reihe stellen? Das ist natürlich auch mit vielen Nachteilen behaftet, das kann ich aus 14-monatiger Erfahrung durchaus sagen. Es ist ein toller Job, aber er ist auch mit vielen Nachteilen behaftet, weil man ständig in der Öffentlichkeit steht. Jede Führungsposition ist ein Auftrag dahin gehend, würde ich einmal sagen.

Themenbereich 2: Geld teilen

Christian Berger: Ich nutze die kurze Redezeit, um etwas vorzubringen, was sich im Nationalrat tatsächliche Berichtigung nennt. Es wurde davon gesprochen, dass Quoten in Aufsichtsräten negative Effekte auf den Frauenanteil in Vorständen haben. Das stimmt. Das Frauenvolksbegehren fordert aber nicht nur eine Quote für den Aufsichtsrat, sondern auch eine Quote für den Vorstand, insofern wäre dieses Problem mit einem – unter Anführungszeichen – „Zwang“ – als ob es dort keine Zwänge gäbe, wo Normen nicht greifen – gelöst.

Zur Feminisierung von Branchen: Natürlich ist der Effekt dessen, dass mehr Frauen in einer Branche aufgenommen werden, dass weniger bezahlt wird, weil es – und das wurde schon ausgeführt – unserer Tradition entspricht, dass Frauenarbeit weniger wert ist. Das ist eine ganz einfache Formel.

Abgesehen davon, das passt dann schon zu unserem Thema, ist es so, dass die formale Gleichberechtigung von Frauen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt und die Erhöhung von Frauenerwerbsquoten an sich an den massiven Ungleichgewichten am Arbeitsmarkt oder im Bereich der Erwerbsarbeit nichts verändert hat. Es hat sich ein männlich dominierter Kernarbeitsmarkt und ein marginalisierter weiblicher Arbeitsmarkt entwickelt, den man in der Forschung auch Mommy Track nennt. In Letzterem sind atypische Arbeitsverhältnisse, geringfügige, teilzeitbasierte und befristete Beschäftigungen, legalisierte Scheinselbstständigkeit wie in der 24-Stunden-Betreuung, eine hohe Fluktuation, Arbeitsplatzunsicherheit, schlechte Bezahlung und keine oder geringe Karriereaussichten die Norm.

Und ja, in Österreich gibt es seit 40 Jahren ein Gleichbehandlungsgesetz; es hat 1979 mit dem Lohngleichheitsgesetz begonnen. Es verbietet Entgeltdiskriminierung. Abgesehen davon gibt es auch diverse internationale Bestimmungen, die auf europarechtlicher, völkerrechtlicher, durchaus auch menschenrechtlicher Ebene ein Recht auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit vorsehen, verbriefen. Wenn sich Regierungen, und das gilt nicht nur für Regierungen, das gilt auch für Unternehmen, mit Entgeltdiskriminierungen in ihren individuellen, vor allem auch in ihren strukturellen Formen abfinden, bedeutet das, dass sie sich mit offenen Rechtsverstößen abfinden. Ich hoffe, Sie verstehen das. Und das muss sich ändern.

Mag. Dr. Rolf Gleißner: Zum Thema Einkommensunterschiede: Es gibt leider Gottes in jedem Land der Welt Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen, auch in Österreich. Allerdings ist der Einkommensunterschied in den letzten Jahren stark zurückgegangen, und das ist natürlich gut so.

Es gibt unterschiedliche Berechnungsmethoden: In der Regel sind die Werte nicht um objektive Faktoren bereinigt, die natürlich auch Ursache für Unterschiede beim Einkommen sind. Das beginnt bekanntlich schon mit der Wahl der Ausbildung vor allem der Mädchen, die schon im Bereich der Lehre sehr selektiv ist. Der Frauenanteil in technischen Studien beträgt 20 Prozent, bei geisteswissenschaftlichen Studien 76 Prozent. Es gibt extreme Unterschiede in der Berufswahl. Wir haben praktisch nur Bauarbeiter, IT-Techniker, Mechatroniker. Wir haben natürlich einen weitaus überwiegenden Frauenanteil im Bereich der Assistenzberufe im Gesundheitswesen, der Pflegeberufe oder auch der Lehrkräfte an Schulen und Universitäten.

Es gibt den Faktor Teilzeit. Wer in Teilzeit verbleibt, wird natürlich in der Regel beruflich nicht so weit aufsteigen wie jemand, der Vollzeit arbeitet. Wir haben Karriereunterbrechungen und einen früheren Pensionsantritt von Frauen, der natürlich bedeutet, dass die einkommensbesten Jahre verloren gehen.

Es gibt auch Unterschiede in der Tätigkeit. Viele Berechnungsmethoden bereinigen nicht den Faktor Überstundenzuschläge, Zulagen für Schmutzerschwernis und gefährliche Tätigkeit. Das sind sehr lukrative Entgeltbestandteile, die natürlich ganz überwiegend Männern zugutekommen. 70 Prozent der Überstunden in Österreich werden von Männern geleistet. Diese Entgeltbestandteile gelten zum Teil eine erschwerte Tätigkeit ab, und da sind wir dann auch schon bei den sanften Faktoren, die es auch gibt.

Wenn ein Mann eine andere Tätigkeit wählt, dann hat das bestimmte Gründe. So glauben wir beziehungsweise das sieht man auch in der Evidenz, dass es doch einen Unterschied in den Präferenzen zwischen Männern und Frauen gibt, was die Einkommenshöhe und das Risiko auf der einen Seite und die Lebensqualität, das Betriebsklima und die Gesundheit auf der anderen Seite betrifft. Wir sehen zum Beispiel, dass Männer sehr viel häufiger leistungsbasiert oder auf Provisionsbasis entlohnt sind, weil sie das eher schätzen. Umgekehrt zeigen Umfragen, dass die Arbeitszufriedenheit und auch die Arbeitszeitzufriedenheit bei Frauen fast gleich ist und zum Teil sogar höher liegt als bei Männern.

Noch einmal: Uns eint das Ziel, den Einkommensunterschied zu reduzieren. Da stellt sich die Frage: Was tun wir, was tut man? Die Sozialpartner sind da sehr aktiv. Aktuell setzen wir zum Beispiel in allen Kollektivverträgen die Anrechnung von Karenzzeiten auf alle dienstzeitabhängigen arbeitsrechtlichen Ansprüche um. Es sind noch einige KVs offen, die kommen im Frühjahr dran. Wir setzen derzeit auch den zweithöchsten Mindestlohn Europas um: 1 500 Euro, 14 Mal pro Jahr, in allen Branchen. Wir haben mit dem ÖGB vereinbart, das bis 2020 zu schaffen, und das werden wir auch schaffen. Das kommt Frauen und natürlich auch Männern zugute.

Andere Schritte wären aus meiner Sicht eine Sensibilisierung bei der Ausbildungs- und Berufswahl. Das Thema Pensionen ist natürlich ein großes, aber ein früherer Pensionsantritt hilft natürlich nicht, wenn man höhere Einkommen erzielen will. Ein Punkt ist auch, dass die Teilzeit zum Teil sehr attraktiv ist, und man sieht schon, dass viele Frauen in diesem Stadium verbleiben. Das ist gut so, das ist ihr gutes Recht, aber sehr oft wird es, sagen wir einmal, vom System her nicht gerade gefördert, dass man von Teilzeit in Vollzeit wechselt, weil man dann bestimmte Vergünstigungen verliert und auf der anderen Seite höhere Steuern und Beiträge zahlen muss. – Danke.

Mag. Ingrid Moritz: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich gibt es sehr viele Zahlen zur Einkommensschere. Österreich liegt hinsichtlich Einkommensschere noch immer deutlich über dem EU-Schnitt.

Ich möchte eine Zahl anführen, die ich zur Charakterisierung der ökonomischen Situation von Frauen für sehr wichtig halte. Man kann alles rausrechnen, aber man kann auch sagen, was die Frauen tatsächlich verdienen. Da gibt es noch immer eine Schere von 38 Prozent, die auch die Unterschiede in der Arbeitszeit inkludiert, aber sehr viel über die ökonomische Situation von Frauen aussagt. Fast die Hälfte der Frauen arbeitet Teilzeit, und es gibt eine starke Korrelation zwischen Einkommensschere und Kinderbetreuung. Das sehen wir auch daran, dass der Stundenverdienst der Teilzeitbeschäftigten in allen Tätigkeitsbereichen niedriger ist. Das heißt, Teilzeitarbeit wird auch noch einmal geringer bewertet, wenn der Grund dafür Kinderbetreuung ist. Anders sieht es vermutlich aus, wenn es um hohe Positionen geht und dort Teilzeit gearbeitet wird.

Es hat in den vergangenen Jahren aber auch viele Fortschritte gegeben. Das zeige ich deswegen auf, weil ich mir denke: Man kann da ansetzen, es ist gestaltbar. Frauen sind mittlerweile kürzer in Karenz. Das geht auch auf die Reformen beim Kinderbetreuungsgeld zurück, seit der Flexibilisierung gehen Frauen vier Monate kürzer in Karenz. Es hat sich wenig, aber doch auch etwas bei der partnerschaftlichen Teilung bewegt. Mehr Männer nehmen Karenz in Anspruch. Durch Bundesmittel hat sich das Angebot in der Kinderbetreuung verbessert, für die Null- bis Dreijährigen hat es sich von 2007 bis jetzt verdoppelt. Der Mindestlohn von 1 500 Euro als wichtiger Punkt wurde bereits angesprochen, auch die Anrechnung der Karenzzeiten. Wichtige Elemente waren auch die Einkommenstransparenz mit den Einkommensberichten als erstem wichtigen Anstoß, auch betreffend Stelleninserate, und zuletzt die Frauenquote in Aufsichtsräten.

Es gibt jetzt aber auch gegenläufige Bewegungen, die sich kontraproduktiv auswirken: Der 12-Stunden-Tag wird die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern nochmals verschieben. Und wir haben Forba-Berechnungen vorliegen, dass jede Stunde, die ein Mann mehr an Überstunden leistet, die Ungleichheit in der Partnerschaft um 13 Prozent erhöht. Ebenso wird aufgrund der unterschiedlichen Einkommensverteilung der Familienbonus zu drei Vierteln Männern zugutekommen. Notwendig wäre eine Reihe von Maßnahmen. Das beginnt bei der partnerschaftlichen Teilung der Kinderbetreuung. Notwendig ist auch, dass man nicht bei den Einkommensberichten stehen bleibt, sondern dort fortsetzt. Als erster Schritt war es wichtig, in den Unternehmen Transparenz herzustellen, damit man weiß, wie hoch die Schere ist. Jetzt jedoch geht es ums Handeln. Es geht um einen verbindlichen Abbauplan, und es geht auch darum, volle Lohntransparenz herzustellen, sodass Männer und Frauen voneinander wissen, was sie verdienen.

Der Lohn- und Gehaltsrechner ist ein wichtiges Instrument. Ich weiß nicht, ob er schon aktualisiert ist, aber diesen zu nutzen und zu bewerben ist, glaube ich, auch ein sehr wichtiger Punkt.

Ein Anliegen wäre aus meiner Sicht noch das Thema Verhandlungsgeschick, da auch einmal Klartext zu reden. Das wird immer noch sehr weit verbreitet als Argument für unterschiedliche Bezahlung gehandelt. Da ist aufzuklären, dass das laut einem OGH-Urteil nicht Begründung für unterschiedliche Bezahlung sein darf. Das soll bei den Unternehmen auch wirklich ankommen.

Vorletzter Punkt ist, auch bei den Stelleninseraten weiter zu gehen. Je mehr Information über Bezahlung vorhanden ist, umso geringer wird die Schere. Daher geht es auch da darum, die Ist-Löhne und nicht nur lapidar den Mindestlohn mit dem Hinweis, Überzahlung ist möglich, anzuführen, wie derzeit üblich.

Letzter Punkt: gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten. – Danke.

Monika Mühlwerth: Ich möchte auf einen anderen Aspekt zu sprechen kommen: Ich möchte uns Frauen Mut machen, und zwar dahin gehend, auch Forderungen zu stellen. Das wird meiner Meinung nach viel zu wenig berücksichtigt. Da unterscheiden wir uns schon von Männern, und ganz ehrlich – vielleicht hören Sie es nicht gern, aber ich sage es trotzdem –: Da können wir von Männern auch lernen.

Männer gehen nämlich in einem Privatunternehmen – im öffentlichen Dienst haben wir dieses Problem ja nicht in der Form – hin, sagen: Ich möchte mehr Lohn haben, weil ich das Projekt gut betreut habe, ich habe mehr gearbeitet, ich habe mich besonders eingesetzt!, und finden das selbstverständlich. Männer gehen auch hin und verlangen eine andere Position – eine höhere, bessere Position –, weil sie sie nach ihrem eigenen Dafürhalten verdient haben, und das finde ich eigentlich gut.

Wir Frauen tun das aber in den seltensten Fällen. Ausnahmen bestätigen immer die Regel, aber wir neigen nicht dazu, Forderungen zu stellen. Genau das sollten wir aber tun. Wir müssen lernen, dass wir, wenn wir der Meinung sind, dass wir bestmögliche Arbeit geleistet haben und diese mehr wert sein soll als bisher oder dass eine Position für uns die richtige wäre, diese Forderungen auch stellen, denn viele dieser Dinge kann die Politik gar nicht regeln. Da muss schon jeder Einzelne auch etwas dazu beitragen, und alle Frauen, die das schon getan haben, mögen gern als leuchtende Vorbilder für jene, die sich das bisher noch nicht zugetraut haben, dienen.

Zweiter Punkt: Die Bezahlung in sozialen Berufen ist ja generell nicht so gut, was ich nie ganz verstanden habe, weil da wirklich wertvolle, wichtige Arbeit an der Gesellschaft geleistet wird. Frau Wiesböck hat es schon angesprochen, und ich sehe das auch so: In den Pflege-, Gesundheits- und Bildungsberufen fehlen uns die Männer. Die wären wirklich auch als Leitbilder verstärkt wichtig, aber man kann ja niemanden mit vorgehaltener Pistole zwingen, Kindergärtner, Lehrer oder Krankenpfleger zu werden. Es wäre schon auch ein Wandel, ein Umdenken, dass wir auch jene Berufe, die unter Soziales subsumiert werden, entsprechend zu schätzen wissen, denn viele der in Pflegeberufen Tätigen beklagen sich darüber, dass die Wertschätzung, die ihnen allgemein von der Gesellschaft entgegengebracht wird, enden wollend ist. Da könnten wir alle daran arbeiten.

Dr. Viktoria Kickinger: Ich möchte zuerst auf meine Vorvorrednerin eingehen, die eine natürliche Relation zwischen Teilzeitarbeit und Kinderbetreuung hergestellt hat – dass wir Frauen eben zu häufig in Teilzeit gehen müssen. Mein Appell war vorhin: Rahmenbedingungen, Rahmenbedingungen, Rahmenbedingungen schaffen! Das ist, glaube ich, eine der großen Herausforderungen, vor denen wir stehen und die wir zuallererst zu lösen haben.

Ich möchte ein ganz kurzes Bespiel aus Skandinavien bringen: Dort gibt es Kindergärten mit Schichtdienst – für Mütter und Väter übrigens. Das heißt, bis zu vier Kinder können im Kindergarten übernachten. Davon gibt es pro Bezirk drei bis vier. Dort gibt es Kinderbetreuung, die tatsächlich um 7 Uhr in der Früh anfängt und um 8 Uhr am Abend endet, und die Kinder gehen dort alle wahnsinnig gern in den Kindergarten, weil es eine andere Betreuungsrelation gibt. Das ist dort nicht die große Gruppe, sondern das ist sozusagen die Familie, und dieses Familienprinzip wird auf die Kinderbetreuung übertragen.

Solange wir diese Rahmenbedingungen nicht schaffen, wird uns diese Ungleichheit in den Einkommen immer verfolgen – zum einen.

Zum Zweiten möchte ganz gern auch einmal das Bewusstsein dafür schärfen, was wir da eigentlich miteinander vergleichen. Ich habe manchmal den Eindruck, es werden Äpfel mit Birnen verglichen, denn wenn es tatsächlich so wäre, dass eine Frau für gleiche Arbeit – für exakt die gleiche Arbeit, ohne Nebenleistungen – nicht denselben Lohn erhält wie Männer, dann würde doch in der Privatwirtschaft niemand mehr Männer anstellen, sondern dann wäre diese voll von Frauen in diesen Berufen. Ich glaube, wir schütten das einfach mit Zulagen zu.

Es gab gerade eine Untersuchung in Skandinavien, in der verglichen wurde, warum Männer in Pflegeberufen mehr verdienen als Frauen – dort besteht übrigens in den Pflegeberufen kein solches Relationsproblem wie bei uns –, und da hat sich dann herausgestellt: Die Männer in den Pflegeberufen machen mehr Nachtdienste, sie nehmen Anreisen zu entlegeneren Orten in Kauf, das heißt, sie machen dort auch die schwereren Tätigkeiten, und in Summe ist man draufgekommen, dass die Vergleichbarkeit einfach wieder auf ein und dieselbe Tätigkeit reduziert werden muss.

Für ganz wichtig in diesem Zusammenhang halte ich aber die Forderung, Männern das gleiche Recht wie Frauen einzuräumen, bei ihren Kindern zu sein. Männer müssen genau das gleiche Recht haben, sich um ihre Kinder zu kümmern. In Skandinavien ist es so, dass im Gesetz festgeschrieben ist: In den ersten acht Lebensjahren eines Kindes haben sowohl der Mann als auch die Frau – also die Eltern – die gesetzlich verankerte Möglichkeit, in Teilzeit zu gehen. Dort ist das gesucht. Dort teilen sich Mütter und Väter die Kinderbetreuung unter der Woche auch in Teilzeitarbeit, und das halte ich für einen ganz wesentlichen Punkt. Bis das Kind acht Jahre alt ist haben beide Eltern diese gesetzliche Möglichkeit.

Und: Die Bezahlung der Karenz spielt speziell beim Fraueneinkommen noch einmal eine große Rolle. In Skandinavien gibt es 80 Prozent des letzten Einkommens als Karenzgeld, und viele Unternehmen zahlen die Differenz von 20 Prozent aus sozialer Verantwortung einfach dazu, wenn es dem Unternehmen gut geht. Das halte ich schon für einen sehr wichtigen Ansatz: sich einmal zu überlegen, wie wir diese Gleichberechtigung, die letztendlich auch der Generation unserer Kinder zugutekommt, auch für die Männer schaffen können.

Zur Transparenz, die hier immer wieder eingefordert wird: Einen Teil dieser Transparenz haben wir in den Geschäftsberichten. Da ist ausgewiesen, wie viel Vorstände und Aufsichtsräte verdienen. Da ist das Einkommen transparent, da kann man es nachlesen. Noch einmal ein letzter Blick nach Skandinavien: Dort sind die Einkommen aller Bevölkerungsmitglieder offen und jederzeit einsehbar, und einmal im Jahr wird in jeder Gemeinde veröffentlicht, wer die hundert Bestverdiener aus dieser Gemeinde sind. Das wäre für Österreich wirklich einmal ein lustiges Experiment.

Alyssa Schneebaum, PhD: Es geht jetzt um das Thema Geld teilen. In der Tat: Geld ist zwischen Männern und Frauen in Österreich nicht gleich verteilt. Meistens reden wir da über Einkommen – das ist eigentlich mein Job, ich bin Arbeitsmarktökonomin und wir könnten sehr lange darüber reden, wie das alles berechnet wird, jedenfalls verdienen Frauen weniger als Männer, auch wenn sie gleich qualifiziert sind –, jedoch auch wichtig, wenn wir über das Thema Geld teilen reden, ist Vermögen.

Österreich ist insoweit ein Spezialfall, als wir eines der wenigen Länder sind, in denen Daten zu Vermögen zur Verfügung stehen. Vor zwei Jahren haben wir in einer Studie gezeigt: Frauen besitzen auch weniger Vermögen. Das heißt, es geht nicht nur um Einkommen aus Arbeit, sondern auch um alles, was man selber besitzt – Autos, Häuser, Schmuck –, und das korreliert stark mit Sicherheit und Macht. Es geht also nicht nur um Einkommen, sondern auch um Vermögen.

Ich glaube, alle hier im Raum stehen dazu, dass man sagt: gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Die Frage ist also: Was geht da schief, dass das nicht der Fall ist?

Es gibt natürlich manche strukturellen Probleme, die aber relativ leicht zu ändern sind. Was im Frauenvolksbegehren vorgeschlagen wird und gerade angesprochen wurde, zum Beispiel Transparenz, ist sehr, sehr wichtig – das ist nicht nur wichtig, das ist eigentlich das Minimum, was wir machen sollten –, wo wir aber auch Veränderung vornehmen müssen, ist im Bereich soziale Normen. Es geht viel um soziale Normen. Was ich meine, ist: Was heißt es, ein Mann zu sein? Was heißt es, eine Frau zu sein? Was wird von Männern und Frauen erwartet?

Was wir zum Beispiel sehen, ist, dass in den Pisa-Test-Scores die Schere zwischen Buben und Mädchen in Bezug darauf, wie gut sie in Mathematik sind, in Österreich besonders groß ist, weit überdurchschnittlich innerhalb Europas.

Warum ist das so? – Es ist nicht so, dass Mädchen einfach schlechter in Mathematik sind, weil sie in Österreich geboren wurden, sondern es ist so, dass Mädchen in Österreich schlechter in Mathematik sind, weil sie so ausgebildet wurden. Es fängt also schon mit dem an, was in der Schule passiert, was im Kindergarten passiert. Diese Dinge sind natürlich viel schwieriger zu ändern als das, was hier vorgeschlagen wird, und ich glaube, es ist ein wichtiger Punkt, mit Einkommenstransparenz einfach einmal anzufangen.

Karenzmodelle wären auch ein Punkt. In manchen Ländern, zum Beispiel im skandinavischen Raum, gibt es ein Use-it-or-lose-it-Modell: Jeder Elternteil hat zum Beispiel neun Monate, und wenn sich die eine Person diese Zeit nicht nimmt, dann verliert das Paar die Zeit. Das heißt, dass Männer einfach mehr Zeit mit den Kindern verbringen, und es gibt dann auch weniger Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, weil nicht erwartet wird, dass Frauen häufiger in Karenz gehen.

Ein letzter Punkt: Es wurde immer wieder angesprochen, dass es einfach Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt: was sie selber auswählen, welche Präferenzen sie haben. Auch wenn das der Fall ist, müssen wir uns fragen, warum das so ist. Manche sagen: Es ist wegen der Biologie. Das mag schon sein – ich bin keine Biologin. Ich bin mir jedoch aus wissenschaftlicher Perspektive hundertprozentig sicher: Es geht nicht nur um Biologie, sondern darum, was wir als Gesellschaft machen, um diese Unterschiede zu verstärken. Da sollten wir auch anfangen.

*****

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Viele Aspekte, die ich mir aufgeschrieben hatte, sind schon von meinen VorrednerInnen eingebracht worden. Ich muss also schauen, dass ich etwas finde, was noch nicht gesagt worden ist.

Ich glaube, es wurde noch nicht erwähnt, dass in unserem Regierungsprogramm steht, dass wir die vier verschiedenen Einkommensberichte, die es in Österreich gibt, zusammenführen wollen, damit es einen einheitlichen Standard gibt, von dem man dann auch ausgehen kann. Das halte ich für sehr wichtig.

Was auch noch nicht angesprochen worden ist: Teilzeit wird ja sehr oft auch in Anspruch genommen, weil Frauen – natürlich auch Männer – aus familiären Gründen sozusagen ein Stück weit gezwungen sind, Teilzeit zu nehmen. Da gehört auch das Thema Pflege dazu, und da möchte ich daran erinnern, dass wir uns heuer ein großes Konzept überlegen, wie wir auch jene, die zu Hause pflegen, besser unterstützen können. Da gehört natürlich auch die finanzielle Absicherung, sowohl was das Einkommen als auch die spätere Pension betrifft, dazu. Das ist ein Aspekt, der noch nicht genannt worden ist.

Die 24 Monate Karenzanrechnung und der Mindestlohn sind schon genannt worden.

Ich möchte noch ganz kurz zu dem Aspekt kommen, den Frau Mühlwerth eingebracht hat und den ich auch aus meiner beruflichen Erfahrung heraus sehr unterstütze: Frauen sind in Lohnverhandlungen einfach ein Stück weit schüchterner und bescheidener als Männer. Ich bin sehr dafür, dass sie da gecoacht werden, und wenn ich mir von der Arbeiterkammer etwas wünschen dürfte, wäre das ein Kurs für Frauen: Wie gestalte ich erfolgreiche Lohnverhandlungen?

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Ich möchte zum einen noch kurz auf Herrn Dr. Gleißner reagieren, der gesagt hat, Teilzeit sei so attraktiv, sodass Frauen so gern in Teilzeit bleiben. Wir haben in Österreich eine beinahe 50-prozentige Teilzeitquote, in Oberösterreich beträgt sie sogar über 50 Prozent. Ich glaube nicht, dass das daran liegt, dass es so attraktiv ist – und der Gender Pay Gap wächst dann sozusagen an der Teilzeitarbeit noch weiter –, sondern ich glaube, dass es vor allem an den fehlenden Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie liegt, dass Teilzeit für Frauen eben die einzige Alternative ist, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen.

Dann hätte ich noch konkret an Sie, Frau Ministerin, zwei Fragen:

Wir haben nun mehrfach von den positiven Auswirkungen der Einkommenstransparenz gehört. Da würde mich interessieren: Wie stehen Sie zur Einkommenstransparenz in der Privatwirtschaft?

Des Weiteren haben wir auch von den negativen Auswirkungen des 12-Stunden-Tages und der 60-Stunden-Woche beziehungsweise auch des Familienbonus auf den Gender Pay Gap gehört.

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Frau Ministerin! Ich würde gerne konkret an dem anknüpfen, was auch Kollegin Pfurtscheller gesagt hat: dass man Frauen stärken muss, damit Lohn- und Gehaltsverhandlungen selbstbewusster passieren.

Es geht aber – und da sind wir bei der Thematik und auch bei den Forderungen der AktivistInnen und UnterstützerInnen des Frauenvolksbegehrens –: Es geht auch um die Neubewertung von Arbeit.

Deshalb meine Frage, Frau Ministerin: Sie haben es bereits angesprochen, Sie haben ein Negativbeispiel aus Spanien hergenommen, es gibt aber auch sehr gute Best-Practice-Modelle, bei denen es darum geht, beide Geschlechter in verschiedene Berufsgruppen zu bekommen und bestimmten Berufen allen Sozialberufen beziehungsweise Pädagoginnen und Pädagogen – einfach mehr Wert zu geben: Was tun Sie in diese Richtung?

Das Zweite ist: Sie haben in Ihrem Eingangsstatement erwähnt, dass das Schließen der Lohnschere im Regierungsprogramm steht. Welche konkreten Schritte setzen Sie?

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Frau Vorsitzende! Werte Kollegen und Zuhörer! Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – die Frau Minister hat es gesagt. Wir haben das im Regierungsprogramm niedergeschrieben, und ich freue mich sehr, weil das auch eine meiner Forderungen war; ich sehr froh bin, dass wir es geschafft haben, das in unser Regierungsprogramm hineinzuschreiben.

Es gibt ja gleichen Lohn für gleiche Arbeit eigentlich schon: im Kollektivvertrag – das haben wir heute schon gehört –, und da gibt es eigentlich keine Diskriminierung. Die Diskriminierung beginnt mit den KV-Überzahlungen. Da haben wir heute auch schon zwei verschiedene Ansätze gehört, ich aber verwehre mich wirklich dagegen – und das sage ich schon seit Jahren –, dass wir den Unternehmern vorschreiben, wie viel sie ihren Mitarbeitern im Rahmen der Überzahlungen zu bezahlen haben. Da sind wir Frauen gefordert, und auch da unterstütze ich die Forderung von Frau Bundesrätin Mühlwerth: Wir sind gefordert, mutiger zu sein und uns dementsprechend einzubringen.

Was mir auch ganz wichtig ist, ist, dass wir es geschafft haben, mit den Sozialpartnern, in den Kollektivverträgen bei den Vorrückungen die Karenzzeiten mit hineinzunehmen, nicht nur bei den Entgeltfortzahlungen, sondern auch bei den Biennalsprüngen und den Urlaubsansprüchen. Das ist ein wichtiger Schritt, besonders für Frauen.

Der Mindestlohn ist auch schon angesprochen worden. Was mir aber noch ganz wichtig ist – ich glaube, Frau Kickinger hat das angesprochen –: Wir reden bei den Einkommensberichten immer von Äpfeln und Birnen, und mir ist es schon lange ein Anliegen, dass diese Einkommensberichte zusammengeführt werden, damit wir von einer einheitlichen Zahl sprechen.

Ich möchte jedoch noch einmal auf die Expertin von JETZT zurückkommen, denn ich war eigentlich schockiert. Wenn es so stimmt, was Sie gesagt haben, nämlich dass österreichische Mädchen in österreichischen Schulen schlechter unterrichtet werden als österreichische Burschen, dann ist das ein Skandal. Da bitte ich noch einmal um Aufklärung, denn das kann ich mir so nicht vorstellen.

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Ich möchte den Initiatorinnen und Initiatoren schon sagen, dass wir die Forderungen im Bereich Geld teilen weitestgehend unterstützen. Es hängt natürlich davon ab, in welcher Form das Ganze ausgearbeitet wird, aber all diese Ziele sind unterstützenswert.

 

Ich glaube aber, wenn wir darüber reden, was das Thema Geld teilen in einer Beziehung bedeutet, was die Einkommensverteilung zwischen Mann und Frau, auch in den Berichten, bedeutet, dann gibt es schon zwei Dinge, die klar hervorstechen, die in den Forderungen in dieser Kategorie hier noch nicht enthalten waren:

Einerseits – was Frau Kickinger vorher gesagt hat – das Thema Rahmenbedingungen: Es gibt normalerweise einen deutlichen Bruch in einer Erwerbskarriere bei der Familiengründung. Es gibt zwei große Anforderungen , die Österreich nicht ausreichend erfüllt, nämlich einerseits die Verfügbarkeit von Kinderbetreuungseinrichtungen ab einem frühen Alter, und zwar tatsächlich mit einem Rechtsanspruch ab dem ersten Lebensjahr, und dass wir andererseits tatsächlich auch unsere Systematiken sowohl im Steuersystem wie aber auch bei den Familienleistungen dahin gehend anpassen, dass Männer und Frauen wirklich gleich behandelt werden. Das heißt, wir brauchen Individualansprüche, jeder Mann und jede Frau soll in gleichem Maße einen Anspruch haben, der nicht übertragbar ist und somit keinen von beiden in eine schlechtere Rolle bringt.

Der andere Punkt, der ebenfalls diskutiert werden muss, der sicherlich noch diskutiert wird, ist die Frage der sozialen Normierung: wie wir mit Buben und wie wir mit Mädchen umgehen, wie wir ihre Lebenswege vorzeichnen, ohne dass sie diese immer ganz selbstbestimmt wählen können. Auch da ist Österreich noch weit weg von dem viel gelobten Skandinavien.

Ich möchte die Auskunftsperson Kickinger auch noch Folgendes fragen:

Welche Möglichkeiten haben Betriebe, tatsächlich mit Hilfe von Unternehmenskultur – neben der Einkommenstransparenz – in Richtung ausgewogene Gehaltszahlungen zu kommen? – Vielen Dank.

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Was ich meinen letzten Ausführungen noch hinzufügen möchte ist, dass ich es nicht nur gut finde, dass wir die Themen heute hier diskutieren, sondern ich würde mir auch wünschen, dass hieraus auch wirklich Forderungen resultieren und diese dann auch umgesetzt werden, denn ich denke, es liegen viele Forderungen auf dem Tisch, die auf jeden Fall begrüßenswert sind, nicht zuletzt die erste, bei der es um die volle Lohntransparenz geht.

Wir haben das ja schon im Ausschuss des Öfteren diskutiert. Da gab es diesbezüglich etliche Anträge, und gerade an einem Tag wie heute, dem Tag der Einkommensgleichheit, sollte man diese Themen wieder angehen. Die Zahlen der Statistik Austria zeigen: Frauen in Österreich haben im Durchschnitt nur 84,4 Prozent des Einkommens von Männern – die Zahl in der Form ist unbereinigt –, das heißt also, Frauen müssen in Österreich aktuell 57 Tage pro Jahr länger arbeiten, um das gleiche Jahreseinkommen zu erzielen, das Männer bereits zu Jahresende für sich verbucht haben.

Ich glaube, es ist eigentlich sehr schade, dass diese Zahl in einem so reichen Land wie Österreich und bei dem Wohlstand, den wir haben, im Jahr 2019 so hoch ist, und es ist erschreckend, dass ich dies hier erwähnen muss. Es gibt eine klare Forderung von unserer Seite, die wir auch im Zuge des Frauenvolksbegehrens auf jeden Fall unterstützen wollen, sodass klar auf dem Tisch liegt, was zu tun ist.

Ein erster wichtiger Schritt wäre eine vollständige Lohntransparenz. Aktuell ist es so, dass Frauen nur bei Verdacht einer Ungleichbehandlung nachfragen können, wie es mit Einkommensverhältnissen im Betrieb ausschaut. Löhne sind nicht an und für sich transparent einsehbar. Das müssen sie aber sein, und zwar in alle Gehaltsbestandteile aufgeschlüsselt, vollständig und auf allen Ebenen. Jede Frau soll wissen, was der Kollege verdient. Gerade das weiß ich auch aus vielen Gesprächen, und ich kenne das aus vielen Bereichen auch selber: Da munkelt man, und man traut sich gewisse Dinge nicht anzusprechen.

Ich glaube, Transparenz kann auf jeden Fall nicht nur zu mehr Selbstvertrauen führen, sondern auch zu einer Diskussionsbasis, und da wäre auch meine Frage an die Expertin Schneebaum:

Gibt es in der Wissenschaft auch irgendwelche Zahlen, Begründungen, dass Lohntransparenz in der Form helfen kann und auch effektiv sein kann?

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Mag. Dr. Rolf Gleißner: Zum Thema Einkommensberichte: Es gibt ja eine Evaluierung der Einkommensberichte, in deren Rahmen Unternehmen – Personalisten, Betriebsräte, Arbeitnehmer und externe Dienstleister – befragt wurden. Auch da war der Tenor, dass es Einkommensunterschiede gibt, die aber nicht auf Diskriminierungen, sondern auf objektive Faktoren zurückzuführen sind. Wir sehen es natürlich kritisch, wenn Einkommensberichte, von denen auch berichtet wurde, dass sie für Unternehmen doch Bürokratie bedeuten, jetzt vielleicht auf kleinere Betriebe ausgeweitet werden. Da hätte man dann wirklich eine vollkommene Lohntransparenz, weil es ja oft nur wenige Mitarbeiter gibt. Wenn man da die Einkommen offenlegt, dann weiß jeder, was jeder verdient. Ich weiß nicht, ob das die Kultur in Österreich ist. Bis jetzt ist es, glaube ich, nicht so.

Zum Punkt Arbeitszeitgesetz: Wir sehen bis jetzt, dass sich die faktischen Arbeitszeiten durch das neue Arbeitszeitgesetz nicht geändert haben. Das heißt, es gibt die Möglichkeit, bis zu 12 Stunden am Tag zu beschäftigen, aber das hat bis jetzt faktisch kaum Auswirkungen gehabt, und daher glaube ich, dass es auch kaum Auswirkungen auf die faktischen Arbeitszeiten von Frauen oder Männern oder die Entlohnung hat.

Konkret war auch der Hinweis zum Thema Teilzeit: Natürlich gibt es verschiedene Faktoren, warum Menschen, vor allem auch Frauen, in Teilzeit arbeiten. Das Wifo hat aber festgestellt, dass ein Faktor natürlich schon das Steuersystem ist, die SV-Beiträge, allfällige soziale Begünstigungen, und dass diese oft zumindest keinen Anreiz bieten, die Arbeitsleistung auszuweiten, also in Wirklichkeit nicht auf eine stärkere Frauenbeteiligung hinwirken. Festgestellt hat das Wifo in einer Studie zum Thema Arbeitszeitverteilung im Hinblick auf Unterschiede zwischen Männern und Frauen auch, dass natürlich bei jüngeren Frauen tatsächlich die Kinderbetreuung bei der Entscheidung für Teilzeit im Vordergrund steht, dass aber ältere Frauen auch oft in Teilzeit verharren, auch wenn die Kinder schon groß oder aus dem Haus sind. Das zumindest war das Ergebnis dieser Wifo-Studie – Danke.

Mag. Ingrid Moritz: Es ist jetzt mehrfach der Punkt angesprochen worden, Frauen zu ermutigen, hinsichtlich der Bezahlung auch mehr zu verlangen. Ich kann dazu sagen: Wir machen da auch schon sehr viel Aufklärung. Wir sind auch gerne bereit, gemeinsam nachzudenken, wie wir das unterstützen können. Das Angebot steht also, dass wir da auch mitwirken wollen.

Es reicht aber alleine nicht aus, die Frauen zu ermutigen, es müssen sich auch die strukturellen Rahmenbedingungen ändern, sodass auch Transparenz und mehr Offenheit in der Bezahlung sichtbar werden, denn sonst, denke ich, würde man die Verantwortung einfach allein an die Frauen delegieren, und das würde mir nicht gefallen; aber mitzuwirken, zu sagen: Ja, wir wollen das verändern, wir klären die Arbeitgeber über dieses OGH-Erkenntnis auf, dass Lohnverhandlungen nicht als Argument für unterschiedliche Bezahlung herangezogen werden dürfen!, Schritte in Richtung mehr Transparenz in Unternehmen zu machen und die Frauen zu stärken, darüber zu reden bin ich gerne bereit. – Danke.

Monika Mühlwerth: Was die Transparenz betrifft: Grundsätzlich habe ich gar nichts dagegen, Gehälter transparent zu machen. Wir wollen aber nicht vergessen, dass auch das nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Wir glauben immer, wenn wir etwas verordnen, dann ist alles wunderbar, und dann kommen 100 Prozent heraus. Schweden hat die Gehälter transparent gemacht, und dort besteht trotzdem ein Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen.

Wir haben heute schon gehört, wie viele Berechnungsmethoden es gibt und wie die Zahlen herumschwirren, wie hoch der Einkommensunterschied tatsächlich ist. Ich glaube, es wäre ganz gut, sich einmal auf eine Methode zu einigen, von der man dann ausgehen kann, damit man nicht Gefahr läuft, diese Einkommensunterschiede dann nahezu als Waffe zu gebrauchen. Einer sagt: Nach meiner Berechnung sind es 30 Prozent!, der andere sagt: Nein, bei mir sind es aber nur 15 Prozent! – Das bringt überhaupt niemanden weiter, und am wenigsten verringert es vorhandene Einkommensunterschiede, in welcher Prozentzahl auch immer sie jetzt vorhanden sein sollen.

Eines möchte ich aber schon auch noch anmerken: Es kriegen schon wir Frauen die Kinder. Wir tragen sie aus, wir gebären sie, sie bekommen von uns die erste Nahrung, die übrigens für das Immunsystem sehr wichtig ist, und daher verstehe ich jetzt eigentlich nicht, warum immer diese Forderung im Vordergrund stehen muss, ab dem Alter von einem Jahr muss das Kind in die Kinderkrippe.

Wieso kann – und da frage ich auch die Wirtschaft – Karriere – übrigens für Männer wie für Frauen – nur linear verlaufen? Wieso kann der Verlauf nicht unterbrochen und trotzdem die Karriere weiter fortgesetzt werden? Wir wollen auch die Frauen, die gerne zu Hause bleiben wollen – und die gibt es auch, und mehr, als Sie glauben! –, die sich gerne in den ersten zwei, drei Jahren selbst um ihre Kinder kümmern wollen, nicht diskriminieren, vergessen Sie das bitte nicht! Denken wir vielleicht auch an das Recht der Kinder auf die Eltern und sprechen nicht nur von uns Erwachsenen!

Dr. Viktoria Kickinger: Meine Vorrednerin hat gesagt, es gibt in den ersten Jahren ein Recht der Kinder auf ihre Mütter und man soll sie nicht gleich in die Kinderkrippe geben.

Wir haben ein Recht auf Eltern, auf Vater und Mutter, und daher glaube ich, wir sollten da unbedingt ansetzen und es ermöglichen, dass Vater wie Mutter zu gleichen Konditionen die Kinderbetreuung wahrnehmen können. Dass es die Möglichkeit gibt, ein Kind mit einem Jahr in die Krippe zu geben, ist nicht gleichzusetzen mit der Verpflichtung, es nach einem Jahr in die Krippe zu geben, aber wir wollen einfach die Rahmenbedingungen so offen wie möglich gestalten.

Zu einer weiteren Vorrednerin: Es schmerzt immer, zu hören, wir müssen die Frauen schulen, dass sie mehr Geld für ihr Einkommen herausverhandeln. – Das macht uns Frauen so unendlich klein und bedürftig, was wir nicht sind, wiewohl wir da jetzt nicht von den obersten Berichtsebenen reden, aber wir sind ja nicht auf dem Jahrmarkt, wo man den Stundenlohn wie am Basar ausverhandelt, sondern es gibt einen festgelegten Lohn und es gibt eine festgelegte Leistung und die wird bezahlt. Es jetzt den Frauen in die Schuhe zu schieben und zu sagen, dass sie nicht verhandeln können, halte ich für sehr kurz gegriffen. Das würde allenfalls bedeuten, dass wir schon bei der frühesten Einschulung anfangen müssen, das Verhandlungsgeschick beider Geschlechter zu fördern. Irgendwie gefällt mir aber das Argument gar nicht, dass wir die Frauen jetzt empowern müssen, besser zu verhandeln.

Zur Unternehmenskultur: Unternehmenskultur – das sind wir alle. Wir sind alle Mitarbeiter in irgendeinem Unternehmen und wir machen die Kultur aus. Es gibt in Unternehmen Mitarbeiter in allen Ebenen, und es gibt auch – und das ist ein Bereich, hinsichtlich dessen mir hier zu kurz gegriffen wird – Arbeitnehmervertreter, die sich sehr wohl in die Unternehmenskultur, auch in die Bereiche der Bezahlung, ganz aktiv einbringen können und sollen und die für ein wesentlich harmonischeres Klima sorgen können.

Ob Transparenz der Weisheit letzter Schluss ist, das haben ja viele hier bezweifelt, aber wenn wir schon sehen, in Skandinavien hat es nicht wirklich viel genützt, dann können wir doch einmal alle Gehälter offenlegen und dann ist dieses Argument beiseitegeschafft und man kann tiefer in die Materie einsteigen.

Alyssa Schneebaum, PhD: Die leichte Frage zuerst: Hilft Transparenz tatsächlich? –Na ja, in den Ländern, in denen es Einkommenstransparenz gibt, gibt es eine kleinere Einkommensschere. Ist das so, weil es dort Transparenz gibt, oder ist es so, weil Länder, in denen es mehr Gleichheit gibt, Transparenz eingeführt haben? Das können wir nicht sagen, es gibt nicht genug Evidenz in der Wissenschaft.

Die Frage, wie Mädchen und Buben Mathematik lernen: Wie können wir erklären, dass diese Schere in den Mathematik-Ergebnissen im Rahmen der Pisa-Studie in Österreich so groß ist?

Ich selber habe in Österreich keine Schule besucht, ich bin keine Pädagogin, ich weiß nicht, was da los ist, aber in Österreich ist diese Schere enorm, viel größer als in anderen Ländern. Es gibt eine andere Erklärung dafür, was, wie ich denke, der Fall sein könnte: Vielleicht ist der Grund der, dass wir eben in Österreich so früh damit anfangen, die Kinder in der Schule zu trennen: erst mit zehn und dann wieder mit 14. Da bestimmen die Eltern, denen Geschlechteridentität so wichtig ist, und natürlich gehen dann die Buben mehr in mathematikorientierte Schulen und Bereiche und sind dann besser in Mathematik – also das ist noch ein Element. Das ist aber die einzige Erklärung, außer, dass die Lehrerinnen und Lehrer die Kinder anders behandeln. Ich habe keinen Beweis dafür, aber ich kann diese Ergebnisse sonst nicht erklären.

Kurz zwei andere Punkte: Jemand hat etwas über die unterschiedlichen Methoden gesagt, wie man den geschlechtsspezifischen Lohnunterschied berechnet. Es gibt keine unterschiedlichen Methoden. Was sich unterscheidet sind die Daten, die wir zur Verfügung haben. Wir haben letztens sehr, sehr gute Daten im Rahmen eines Berichts der Statistik Austria erhalten, gemäß denen der bereinigte Gender Pay Gap 7 Prozent betrug. Die Methoden bleiben also alle gleich, das ist nicht die Frage, sondern es geht um die Daten.

Letzter Punkt, Kindergarten: Sollen wir alle unsere Kinder in den Kindergarten schicken? Wir haben unlängst eine diesbezügliche Studie gemacht und veröffentlicht. Der Kindergartenbesuch ist eigentlich auch für die Kinder sehr, sehr positiv: für ihr späteres Einkommen, für ihren späteren Bildungserfolg, auch für die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Mütter dann Vollzeit arbeiten, und er vermindert die allgemeine Lohnungleichheit im Land.

Christian Berger: Ich möchte zunächst unterstreichen, was Alyssa Schneebaum gerade ausgeführt hat: Es gibt keine unvergleichbaren und verschiedenen Methoden, den Gender Pay Gap zu berechnen. Das wird seit Jahrzehnten von feministischen ÖkonomInnen und auch Mainstream-ÖkonomInnen gemacht. Das sind konsolidierte Verfahren, die sogar auf Europaebene Standardergebnisse produzieren – immer vergleichbar, immer überprüfbar. Was heißt es, wenn 7 Prozent oder 13 Prozent bereinigt übrig bleiben? Das heißt, diese Differenz ist purer Sexismus und nicht anders zu erklären als mit dem Geschlecht. Auch das ist ein offener Rechtsverstoß, mit dem Sie sich arrangieren, wenn Sie das nicht abbauen.

Abgesehen davon: Diese sogenannten mittelbaren, nichtdiskriminierenden Faktoren, die objektiv wären, sind ja nicht geschlechtsneutral. Branchenzugehörigkeit, Vertragsgestaltung, Erfahrung im Betrieb – all das erklärt sich ja über eine typische Frauenerwerbsbiographie und die typische Form, in der Frauen auf diesem Arbeitsmarkt unter Anführungszeichen „integriert“ werden. Das sind ja keine neutralen Momente, die sozusagen keine Konsequenzen nach sich ziehen würden und die von Diskriminierung befreit wären, sie sind mittelbar, übrigens auch antidiskriminierungsrechtlich relevant, mit Diskriminierung behaftet.

Was auch anzumerken wäre, weil wir von so kleinen Zahlen sprechen: Das ist ja nicht das, was am Ende auf dem Konto der Person bleibt. In Österreich haben wir einen gesamten Gender Pay Gap – das nennt sich in der Wissenschaft Gender Overall Earnings Gap – von über 40 Prozent, und der übersetzt sich in Pensionen, die 50 Prozent niedriger als die Vergleichspensionen von Männern sind. Natürlich kann man Erwerbsbiographien statistisch vergleichen.

Wer sich nicht einmal darauf verständigen kann, Einkommenstransparenz zu schaffen, der braucht gar nicht weiter davon zu sprechen, Einkommensungleichheit abzubauen, weil man ohne gesicherte Daten weder individuelle noch strukturelle Maßnahmen setzen kann. Die Einkommensberichte in der jetzigen Form sind – da kenne ich mich sehr gut aus! – ein sehr unvollkommenes Instrument. – Danke.

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Ich möchte gleich bei den Einkommensberichten anschließen. Wir wissen von einer Studie aus dem Jahr 2015, dass die Einkommensberichte nicht bekannt sind, vielleicht sind sie auch deshalb ein sehr unvollkommenes System. Es ist derzeit mein Ansinnen – und deswegen sitze ich auch mit großen Unternehmen zusammen –, diese Einkommensberichte bekannter zu machen. – Das ist einmal ein erster Punkt.

Dann gibt es auch das Netzwerk Unternehmen für Familien, an dem sich österreichweit bereits 500 Unternehmen beteiligen, die eben schon durch die Schaffung eines familienfreundlichen Klimas wirklich Hard Facts im Unternehmen geschaffen haben. Wir haben heuer den Schwerpunkt auf Women Empowerment gelegt und möchten mit diesen Unternehmen auch herausfiltern, was man machen kann, um Frauen in Unternehmen zu stärken.

Ich glaube auch, das wird darauf hinwirken, dass die Lohnschere geringer wird. Mein Ansinnen ist es, das gemeinsam mit den Unternehmen zu tun, so wie wir das mit der Familienfreundlichkeit gemacht haben.

Wie gesagt, es ist wichtig, diesen Einkommensbericht, den es bereits gibt, auch als Chance und nicht als Belastung für die Unternehmen zu sehen und entsprechend damit zu arbeiten. Wir überlegen gerade auch gemeinsam mit den Unternehmen, wie man diesen Einkommensbericht adaptieren kann.

Viele von uns haben gerade neidisch nach Skandinavien geblickt. Ich bin ehrlich gesagt nicht neidisch auf Skandinavien. Warum nicht? – Wir haben in Österreich Elternteilzeit – für Mütter und Väter bis zum siebten Geburtstag des Kindes, wenn das Unternehmen mehr als 20 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat. Wir haben Rechtsanspruch auf Väterkarenz in Österreich – seit fast 40 Jahren. Wir haben unübertragbare Monate, was vom skandinavischen System nicht so weit entfernt ist. Ich kenne diese Systeme alle sehr gut. Island zum Beispiel hat das System drei plus drei plus drei. Wir haben eben 20 Prozent unübertragbar. Was machen aber die österreichischen Väter oder die österreichischen Familien? – Sie nutzen das System nicht!

Wir haben die komplette Palette: Rechtsanspruch auf Elternteilzeit, Rechtsanspruch auf Väterkarenz, wir haben unübertragbare Monate – und die Familien entscheiden sich dafür, auf dieses Geld zu verzichten, indem ein Teil der Eltern dieses Geld nicht in Anspruch nimmt, weil der Teil nicht zu Hause bleibt. Wir haben nicht einmal 20 Prozent der Männer in Väterkarenz. Ich glaube, das ist ein gesellschaftliches Thema, dem wir uns widmen müssen; das ist kein Rechtsthema mehr. Rechtlich sind wir in Österreich großartig aufgestellt, aber ich kann niemanden dazu zwingen. Ich kann die Väter nur dazu motivieren, zu Hause zu bleiben, weil ich glaube, dass das ein unglaublicher Gewinn ist – und deswegen haben wir bei uns unter den Frauen einen extrem hohen Anteil an Teilzeit. Wie gesagt, 50 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit, bei den Frauen mit Kindern unter 15 sind es 75 Prozent. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber: Wo ist die Notwendigkeit – teilweise? Wenn man das gerne freiwillig machen möchte, ja, aber man braucht für ein 15-jähriges Kind keine Ganztagsbetreuung mehr, um ganztags arbeiten zu gehen. Wir sind für Drei- bis Sechsjährige großartig aufgestellt. Wenn man wollte, könnte man – meistens; das gilt nicht für 100 Prozent der Frauen, aber für das Gros der Frauen gilt es.

Wir investieren noch weiter in Kinderbetreuung. Wir haben in den letzten zehn Jahren 70 000 Plätze geschaffen. Sie kennen vielleicht die Kosten-Nutzen-Analyse. Diese 70 000 Plätze haben nicht unbedingt dazu geführt, dass mehr Frauen arbeiten. –Nein, seither arbeiten weniger Frauen Vollzeit, das muss hier einmal gesagt werden.

Es ist offensichtlich schon ein Wunsch vieler Frauen. Sicher gibt es dazu unterschiedliche Studien, aber viele Studien sagen, dass die Teilzeit der Frauen in Österreich meistens eine gewünschte Teilzeit ist.

Ich muss sagen, es wurde hier spannenderweise von Anfang an von allen Experten und Expertinnen aufs Tapet gebracht: Wir vermischen in einer Tour Einkommensberichte und die Familienaspekte. Die Frage ist: Wollen wir das getrennt voneinander betrachten und uns jene Frauen anschauen, die Vollzeit arbeiten und wieder in diese Jobs zurückkehren oder gar keine Jobunterbrechung haben? Ja, dann haben wir auch einen Gender Pay Gap, vielleicht von 7 Prozent, vielleicht von 9 Prozent – auch das ist noch zu viel. Sogar auf der Universität hat es einen Gender Pay Gap gegeben, obwohl wir alle kollektivvertraglich genau abgestimmte Rahmenbedingungen hatten. Warum? – Weil bei uns auch an den Universitäten und zwischen den Branchen ein großer Unterschied in der Bezahlung herrscht, und auch den gibt es in Skandinavien nicht. In Skandinavien gibt es in der Bezahlung keinen solch großen Unterschied zwischen einem technischen Beruf und einem Sozialberuf, und deswegen ist auch dieser Gender Pay Gap dort nicht so frappant.

Wir müssen also gewisse Punkte schon genauer betrachten, und nichtsdestotrotz müssen wir gegen den Gender Pay Gap etwas tun. Wie gesagt, meine Anliegen sind Treffen mit den Unternehmen und das Finden einer Lösung, wie man die Einkommensberichte besser nutzen kann, wie man sie gegenüber den Frauen bekannter machen kann, damit diese das Tool auch nutzen können.

Ich denke dennoch auch – das haben wir heute bereits diskutiert –, Frauen müssen öfter in Gehaltsverhandlungen gehen. Man weiß, dass Frauen das nicht so oft machen wie Männer. Sie können es gleich gut, sagt man, aber sie machen es nicht so oft. Dann gibt es noch die Studie von Kleven von der Princeton University und von der Universität Zürich, die ganz klar darlegt, dass in Österreich diese Lohnkluft von 60 Prozent, die bei uns nachhaltig auf zehn Jahre entsteht, wenn wir das erste Kind bekommen, nichts damit zu tun hat, ob man ein Jahr, zwei Jahre oder drei Jahre zu Hause bleibt, sondern damit zu tun hat, dass wir als Frauen dann ewig in Teilzeit bleiben.

Das heißt, wir müssen das System prinzipiell hinterfragen, wenn wir das wollen. Natürlich müssen wir die Kinderbetreuung weiterhin ausbauen, damit sie zur Verfügung steht. Die Qualitätsrahmen werden in den Bundesländern unterschiedlich sein, ganz klar, aber die Kinderbetreuung ist nun einmal Sache der Bundesländer. Wir leisten nur Anschubfinanzierung für den Ausbau der Kinderbetreuung. Ich wollte auch gewisse Rahmenbedingungen in die 15a-Vereinbarung hineinnehmen. Ich wollte zum Beispiel auch den Betreuungsschlüssel erhöhen. Ich glaube, wir haben schon diskutiert, welches Bundesland das nicht unterschreiben wollte, oder? – Wir sitzen in diesem Bundesland. Gewisse Dinge liegen in der Verantwortung der Bundesländer, weil dort auch die Kosten anfallen.

Zu den technischen Bereichen: Wir sprechen immer davon, wir müssen die Mädels in die technischen Bereiche bringen. Der Gender Pay Gap in Österreich ist in technischen Bereichen am allergrößten – das möchte ich nur kurz gesagt haben. Ich glaube immer noch, dass Mädchen das machen sollten, was sie machen wollen, und dass man immer das am besten macht, was man machen will. Dieses Thema haben wir heute schon gehabt. Ich denke, bei uns steht jedem Kind fast jeder Bildungsweg offen. Ich glaube, in Österreich besteht die Möglichkeit, alle Bildungswege auszuschöpfen. Wir tun extrem viel, Girls’ Day, Girls’ Day Mini, Frauen in die Technik und dergleichen.

Die Anzahl der Frauen in diesen Studienrichtungen hat sich in den letzten Jahren trotzdem nicht stark verändert – ich war auf der Technischen Universität in Graz –, wir schaffen es nicht, mehr Frauen in diese Studienrichtungen zu bringen, weil es genug andere Studienrichtungen gibt, für die sie sich auch interessieren.

Es geht ja nicht darum, dass wir Frauen in spezifische Studienrichtungen bringen müssen, sondern es geht darum, dass wir in den anderen Branchen besser bezahlen; ich glaube, das ist die Herausforderung, die wir zu stemmen haben. Zudem geht es darum, dass wir den Frauen auch sagen müssen: Wenn man so und so lange zu Hause bleibt, dann wird das diese und jene Auswirkungen auf die Lohnschere und auch auf die Pensionsschere haben. Ich glaube, das sind Themen, die Bewusstsein schaffen und die wir in der Gesellschaft noch mehr diskutieren müssen.

Themenbereich 3: Arbeit teilen

Andrea Hladky: Eine soziale Arbeitszeitregulierung, die Gesundheit und Gleichstellung fördert, ist eine zentrale Standortfrage. Zum Wirtschaftsstandort gehört nicht nur Produktivität, sondern auch soziale Sicherheit sowie Arbeits- und Lebenszufriedenheit, und zwar von allen. In Österreich fehlen nach wie vor flächendeckende Angebote zur Kinderbetreuung, nämlich solche, die mit einem Ganztagsjob vereinbar sind. Ich kenne die Zahlen aus allen Bundesländern. Das ist einfach nicht richtig, man braucht es auch nicht schönzureden: Wir haben nicht genug Plätze für drei- bis sechsjährige Kinder. Schauen wir einmal nach Niederösterreich, wo um 14 Uhr alles schließt und vier Monate im Jahr geschlossen ist!

Männer leisten verhältnismäßig weniger Haus- und Sorgearbeit. Dazu kommt, dass 80 Prozent der Teilzeitbeschäftigten in Österreich Frauen sind, sehr oft auch ungewollt, weil sie aufgrund der Kinderbetreuung gar nicht anders können, und auch, weil in Österreich als Mutter- und Vaterbild seit 60 Jahren immer wieder das gleiche erzählt wird, zum Beispiel, dass es gute und schlechte Mütter gibt: Die guten sind die, die jahrelang bei den Kindern zu Hause bleiben, so wie ich – also bin ich auch eine gute Mutter, und sozusagen als Lohn dafür, dass ich vier Jahre bei jedem Kind zu Hause war, habe ich jetzt eine Pension, die ein paar Hundert Euro beträgt. Mit 45 kommt man von einem Teilzeitjob nicht so leicht wieder zu einem Vollzeitjob, wie da von der Wirtschaftskammer und anderen propagiert wird. Das ist einfach nicht richtig. Blicken Sie sich einmal um! Frauen wollen nicht auch noch mit 50 in Teilzeitzeit sein, denn dann bekommen sie nämlich keine Pension – die sie sowieso schon nicht bekommen, weil sie bei den Kindern zu Hause geblieben sind, wenn sie zu den sogenannten guten Mütter gehören. Wenn wir vom Vaterbild sprechen, das zumindest von den Rechten in den deutschsprachigen Ländern seit mindestens 60 Jahren transportiert wird, dann geht es auch darum, dass es in der Realität immer mehr Väter gibt, die auch gerne weniger arbeiten und länger bei den Kindern zu Hause bleiben würden. Das können sie aber nicht, weil die Rahmenbedingungen nicht passen und weil es eine soziale Ächtung gibt und die Väterkarenz immer wieder von konservativen Rechten schlechtgeredet wird.

Im Endeffekt geht es darum, dass Frauen im Verhältnis zu Männern ein Lebenseinkommen von durchschnittlich 430 000 Euro verlieren und die Hälfte der Pension bekommen, obwohl sie jahre-, jahrzehntelang vor allem unbezahlt gearbeitet haben, und das darf nicht sein. Das muss sich ändern.

Mag. Dr. Rolf Gleißner: Ich glaube, die Hauptforderung in dem Bereich ist eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden. – Oder ist das keine Forderung mehr? (Ruf: Selbstredend! Was irritiert Sie? – Bevollmächtigten-Stellvertreterin Hladky: Das steht in den Forderungen!) – Gut. Diese zentrale Forderung entspricht auch nicht unserem Menschenbild, da wir eher auf Wahlfreiheit setzen und nicht auf ein Arbeitszeitkorsett für alle. Ich glaube, Menschen sind verschieden, und es ist nicht sinnvoll, alle in ein 30-Stunden-pro-Woche-Korsett zu stecken. Wenig überraschend spricht sich die Wirtschaft daher natürlich gegen eine Arbeitszeitverkürzung aus.

Ich möchte auch noch kurz darauf eingehen, warum das so ist: Wir haben in Frankreich eine Arbeitszeitverkürzung erlebt. Man hat sich dort erhofft, dass der Arbeitsmarkt dadurch belebt wird. Tatsächlich hat die Arbeitszeitverkürzung Jobs geschaffen – aber in Asien, in China und nicht dort, wo man die Arbeitszeit verkürzt hat, nämlich in Frankreich. Am Ende war dort die Arbeitslosigkeit höher als vorher – ganz einfach deswegen, weil eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich den Faktor Arbeit massiv verteuert, die Unternehmen zwingt, zu rationalisieren, letztlich auch Menschen durch Maschinen, durch Algorithmen zu ersetzen – etwas, was wir sicher nicht wollen.

Der Arbeitsmarkt in Österreich ist zum Glück gut, es gibt vielfach schon einen Fachkräftemangel. Da wäre es sicher kontraproduktiv, die Arbeitszeit zu reduzieren und so diesen Fachkräftemangel zu verschärfen.

Im Übrigen gibt es letztlich eine gute Botschaft: Die Arbeitszeit reduziert sich im Schnitt ohnehin seit 14 Jahren, jedes Jahr um eine Viertelstunde pro Woche und Österreicher beziehungsweise Österreicherin. Die Arbeitszeit ist natürlich gesunken, weil der Anteil an Teilzeit gestiegen ist – aber nicht nur, sondern auch, weil wir heute pro Jahr etwa 100 Millionen Überstunden weniger leisten als vor elf Jahren. Jeder Österreicher leistet pro Woche etwa eine Überstunde weniger als vor zehn Jahren.

Noch ganz kurz zur Teilzeit: Es stimmt nicht, dass die Teilzeit in Österreich unfreiwillig ist. Dazu existieren ja klare Umfragen – auch von Eurostat –, die besagen, dass 12,4 Prozent der Teilzeitbeschäftigten in Österreich unfreiwillig Teilzeit arbeiten, also mehr arbeiten wollen. In der EU liegt der Anteil bei 26,4 Prozent. Da gibt es eine Korrelation: In Ländern, in denen der Arbeitsmarkt funktioniert, in denen man folglich auch einen Vollzeitjob findet, ist die Teilzeit meistens freiwillig gewählt und nicht unfreiwillig. In Ländern wie Griechenland, wo man sehr schwer Jobs findet, ist die Teilzeit sehr oft unfreiwillig. Die Menschen würden gerne mehr arbeiten und mehr verdienen, aber der Arbeitsmarkt gibt das nicht her.

Was das Arbeitsmarktservice betrifft, ist im Übrigen der Andrang vor allem der Frauen auf Teilzeitstellen ganz massiv. Wir haben 5,4-mal so viele arbeitslose Frauen mit Teilzeitwunsch wie offene Teilzeitstellen; bei Vollzeit haben wir ein weit kleineres Verhältnis, nämlich 1 zu 1,4. Das heißt, es gibt einen starken Drang in diese Richtung, und wir sehen darin auch nicht wirklich etwas Schlechtes, zumal alle österreichischen Umfragen und auch internationale Umfragen Österreich eine sehr hohe Arbeits- und Arbeitszeitzufriedenheit bescheinigen. Wir sind in manchen Umfragen diesbezüglich an der EU-Spitze, also kann unser System sowohl für Frauen als auch für Männer nicht so schlecht sein. – Danke.

Korinna Schumann: Sehr verehrte Damen und Herren! Ich glaube, es ist hinsichtlich der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit allgemein anerkannt, dass in Österreich Letztere stark auf den Schultern der Frauen lastet. Frauen verrichten einen Großteil der Betreuungsarbeit, der Pflegearbeit und der Hausarbeit. Die bereits sehr oft strapazierten Wahlmöglichkeiten sind ganz wesentlich – aber es braucht wirkliche Wahlmöglichkeiten. Es muss eine Wahlmöglichkeit geben, damit Frauen sich entscheiden können, in welchem Ausmaß sie Betreuungspflichten übernehmen und in welchem Ausmaß sie arbeiten. Diesbezüglich ist es ganz wichtig, dass entsprechende Rahmenbedingungen gegeben sind, damit tatsächlich eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Lebensgestaltung besteht.

Die Rahmenbedingungen, was die Kinderbetreuung betrifft – dies wird noch weiter ausgeführt werden –, sind in Österreich leider mangelhaft. Es befinden sich nur 2 Prozent aller Kinderbetreuungseinrichtungen, die zwölf Stunden geöffnet haben und Vollzeitbeschäftigung ermöglichen, außerhalb von Wien.

Teilzeitarbeit ist bei Frauen eine sehr beliebte Arbeitsform – die oftmals erwähnten 50 Prozent der beschäftigten Frauen, die Teilzeit arbeiten, sind Realität. Das ist der Wahlfreiheit geschuldet. Natürlich ist das aber auch deshalb so, weil ganz einfach die Teilzeit gewählt werden muss, da die Rahmenbedingungen nicht vorhanden sind. Viele Frauen klagen darüber, dass sie gerne mehr arbeiten würden, aber es fehlen die Rahmenbedingungen, die ermöglichen würden, dass sie ihr Stundenausmaß in der Beschäftigung hinaufsetzen können. Dort gilt es anzusetzen, weil Teilzeitarbeit fatale Auswirkungen hat: Sie hat grundsätzlich Auswirkungen auf die Einkommenshöhe und sie hat Auswirkungen auf die zu erwartende Pensionshöhe. Was wir alle nicht wollen, ist Altersarmut von Frauen – dagegen gilt es aufzutreten und dagegen gilt es zu kämpfen.

Teilzeit und deren Verteilung verfestigen natürlich auch die Rollenbilder. In Wahrheit ist Teilzeit eine Arbeitszeitverkürzung auf Kosten der Beschäftigten. Es geht darum, Arbeitszeit insgesamt zu verkürzen und einen Weg dahin zu finden, auch auf die Entwicklungen der Digitalisierung Bezug nehmend.

Zur Frage Teilzeitarbeitnehmerinnen und Rechte: Es braucht einen Rechtsanspruch von Teilzeitarbeiterinnen auf Erhöhung der Arbeitszeit bei regelmäßiger Mehrarbeit. Nötig ist eine Weiterentwicklung, was den Mehrarbeitszuschlag anbelangt, der bei Teilzeitkräften derzeit nur bei 25 Prozent liegt, mit einem Durchrechnungszeitraum von drei Monaten, damit gilt, dass Mehrarbeit im gleichen Monat, in dem sie geleistet wird, ausbezahlt wird. Zudem werden die Teilzeitarbeiterinnen leicht vergessen. Es ist beim Familienbonus so: Frauen, die weniger verdienen, die in Teilzeit arbeiten, können nicht die volle Höhe des Familienbonus Plus ausschöpfen. Bei der Karfreitagsregelung werden die Teilzeitkräfte und die Auswirkungen auf diese Arbeitsform Thema sein.

Wenn man die Pläne hinsichtlich einer Steuerreform hört, dann muss man sagen, dass es natürlich wichtig, sogar ganz wesentlich wäre, untere Einkommen zu entlasten – aber man muss gut überlegen, ob geplante Maßnahmen wie die Kürzung der Sozialversicherungsbeiträge, insbesondere der Krankenversicherungsbeiträge, nicht eher zu einem Teilzeitförderungsprogramm werden, als dass sie Teilzeitarbeit verhindern. Es ist wichtig, darüber nachzudenken. Es existieren andere Formen, niedere Einkommen steuerlich zu entlasten. Was diese Form betrifft, muss man gut überlegen, ob man sie umsetzen möchte und damit die Teilzeitarbeit weiter manifestiert.

Ein weiteres Thema ist die Pflege: Wie schon gesagt, die Pflege ist weiblich. Ältere Menschen wollen zu Hause gepflegt werden, das wird oftmals erwähnt, aber man muss aufpassen, dass es nicht zum Automatismus wird, dass man sagt: Frau pflegt, die Mutter pflegt, die Schwiegermutter pflegt, die Tochter pflegt, die Schwiegertochter pflegt. Dieser Automatismus ist ein gefährlicher, weil er wieder die alten Rollenbilder verfestigt. Wir werden vor großen demografischen Herausforderungen stehen, was die Pflege betrifft, und wir werden vor Herausforderungen stehen, weil sich das Frauenpensionsantrittsalter ab 2024 sehr rasch erhöht und auch der Anteil von Frauen, die zu Hause pflegen; diesbezüglich wird die Herausforderung sehr groß werden.

Wichtig ist noch der Papamonat. Es braucht einen Rechtsanspruch auf den Papamonat, und dieser muss rasch umgesetzt werden, weil es dabei um die Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit geht. Ganz wesentlich ist auch: Wenn man den Frauen zuschreibt, dass sie die Sorgenden, die Betreuenden, die Pflegenden sind, dann schreibt sich das auch in der Bewertung von Arbeit fort.  

Es ist nicht umsonst erwähnt worden, dass Beschäftigung im Dienst am Menschen schlechter bezahlt wird als jene, die an der Maschine vollführt wird. Da gilt es umzudenken, und es braucht ein neues, modernes Gesellschaftsbild.

Univ.-Prof. Dr. Reinhard Resch: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Geschätzte Damen und Herren! Ich habe Sie eher so verstanden, dass es gut wäre, jetzt auf das Thema Arbeitszeitverkürzung einzugehen. Das Volksbegehren fokussiert ja auf ein zu erlassendes Bundesgesetz, und es ist offenbar geplant oder angeregt, dass die Arbeitszeit per Bundesgesetz bei variablem Lohn- und Personalausgleich reduziert werden soll.

Das ist für den Juristen etwas überraschend, weil die Arbeitszeitgestaltung und das Arbeitszeitausmaß in Österreich traditionell in der Kollektivvertragsautonomie liegen. Das war auch in der Vergangenheit so. Die Reduktion von 48 auf 45 Stunden ist mit Generalkollektivvertrag gemacht worden, und auch die Arbeitszeitverkürzungen der letzten Jahrzehnte sind mit Kollektivvertrag gemacht worden. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Vor genau 50 Jahren ist in der Regierung Klaus die 40-Stunden-Woche eingeführt worden. Es sei auch erwähnt, dass damals erstmals eine Frau Bundesministerin war, nämlich Frau Grete Rehor. Ich möchte das doch an dieser Stelle in diesem Ausschuss erwähnen.

Was ist mit einem variablen Lohn- und Personalausgleich gemeint? Offenbar kein voller Lohnausgleich. Was mit Personalausgleich gemeint ist, ist mir anhand der Unterlagen nicht ganz klar gewesen.

Ein paar Bemerkungen: Wenn geplant ist, dass mit Gesetz in die Kollektivvertragsautonomie eingegriffen wird, haben wir ein verfassungsrechtliches Problem, nämlich einen Eingriff in die Koalitionsfreiheit der Kollektivvertragsparteien. Ich vermute auch, dass das hinsichtlich europäischer Grundrechte, etwa des Grundrechts auf unternehmerische Freiheit, ein Problem sein könnte. – Das war der erste Punkt.

Anzumerken ist, dass der Gesetzgeber auch in den letzten Jahren besondere Formen der Teilzeit eingeführt hat, nämlich für besondere Fälle, aber nur temporär. Bekannt ist vor allem die Altersteilzeit. Die Besonderheit, weswegen diese so beliebt ist, liegt auf der Hand: Da einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zulasten Dritter, weil der Staat den Lohnausgleich zahlt.

Bei den gut verdienenden Erwerbstätigen ist sichtbar, dass dort durchaus Bereitschaft besteht, dass zugunsten einer besseren Work-Life-Balance Teilzeit gewählt wird und man diesen Geldverlust hinnimmt, weil man es sich auch leisten kann. Ein Problem sehe ich allerdings darin, dass es einen sozialpolitisch unerwünschten Vorgang gibt: Arbeitszeitverkürzung dadurch, dass es in manchen Branchen keine Vollzeitjobs mehr gibt, sondern auch Leute, die Vollzeit arbeiten wollen, keinen Vollzeitjob mehr bekommen.

Für mich wahrnehmbar sind es diese typischen Nichtlohnbranchen Sozialwirtschaft und Handel, noch dazu mit einem relativ hohen Frauenanteil. Das heißt, wir haben dadurch, dass da arbeitgeberseits zum Teil nur Teilzeit, so im 30-Stunden-Ausmaß zum Beispiel, als maximale Beschäftigung angeboten wird, die unerwünschte Folge, dass wir bereits eine Arbeitszeitverkürzung de facto ohne Lohnausgleich haben.

Es wäre eigentlich Aufgabe der Kollektivvertragsparteien, dieses Phänomen wieder ins Lot zu bringen, also ist das auch eine Adressierung weniger an den Gesetzgeber, denn letztlich haben auch die Kollektivvertragsparteien durchaus Macht, wenn es darum geht, Ansprüche und Forderungen durchzusetzen.

Ein letzter Punkt für mich als Wissenschaftler ist die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt, wenn man jetzt nach Arbeitszeitverkürzung ruft. Abseits der jetzt üblichen Aufreger im Bereich des Arbeitsrechts, die in der Tagespolitik herumgeistern, ist bei uns eigentlich eher die Frage, wie man mit dem beißenden Mangel an Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt umgeht, ein zentrales Forschungsthema. – Daher stellt sich aus meiner Sicht die Frage des richtigen Zeitpunkts.

Univ.-Prof. Dr. Martin Halla: Guten Tag! Einleitend: Ich teile die Diagnose des Problems. Marktarbeit und Hausarbeit sind ungleich verteilt. Bei der Marktarbeit haben wir sehr klare Statistiken. Hinsichtlich der Hausarbeit möchte ich anmerken, dass wir aus der Sicht der Forschung gerne wieder eine Zeitverwendungsstudie hätten. Seit 1981 wurde drei Mal eine solche durchgeführt.

Eine wichtige Ergänzung im Zusammenhang mit der Ungleichverteilung ist, dass diese ausschließlich aus dem Bereich Familien mit Kindern kommt. Wenn wir Familien ohne Kinder betrachten, sehen wir eine sehr gleiche Verteilung. Das ist in der erwähnten Studie von Kleven und anderen gezeigt worden, für Österreich auf Basis von Daten des Hauptverbandes. Sie finden dasselbe Phänomen in Skandinavien, etwa in Dänemark, aber auf einem anderen Niveau.

Daraus lässt sich schließen, dass die Ursache dieser ungleichen Verteilung in der Kinderbetreuung liegt und dass da auch die Lösung liegt. Das wurde schon diskutiert. Wie kann man das nun adressieren? Zunächst möchte ich vorwegschicken, dass es natürlich einmal eine private Entscheidung ist, wie man sich die Hausarbeit und die Marktarbeit aufteilt. Wenn aber ein politischer Wille besteht, dies zu verändern, dann gibt es aus meiner Sicht zwei potenzielle Ansatzpunkte.

Erstens: Familien treffen diese Entscheidungen unter sozialen Normen und unter ökonomischen Parametern. Zu den sozialen Normen ist zu sagen, dass diese sehr schwer von der Politik zu beeinflussen sind. Darum verstehe ich auch das Ansinnen des Volksbegehrens, das über ökonomische Parameter zu machen. Bei den sozialen Normen spielt einem die Zeit in die Tasche, denn die gehen, Gott sei Dank, in die richtige Richtung.

Nun zum konkreten Vorschlag, der 30-Stunden-Woche: Ich bin Volkswirt. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es ein interessanter Gedanke, das einmal durchzuspielen. Es wäre aber wirklich ein Wahnsinn, wenn man das implementiert, und mein Vorredner hat ja auch erwähnt, dass juristisch unklar ist, ob man das implementieren kann.

Was würde passieren? – Na ja, wenn man die Leute quasi dazu zwingt, dass sie 30 Stunden/30 Stunden arbeiten und nicht mehr 40 Stunden/20 Stunden, dann stelle ich mir zunächst die Frage: Würde das dann wirklich dazu führen, dass zu Hause die Arbeit fairer aufgeteilt wird? Das ist ja dadurch noch nicht gelöst. Viel entscheidender ist aber aus volkswirtschaftlicher Sicht die Frage: Was würde denn passieren?

Wenn wir einmal annehmen, die Produktivität würde gleich bleiben, sprich, die Leute sind in 30 Stunden so produktiv wie in 40 Stunden – die Initiatoren diskutieren da Argumente wie weniger psychische Belastung, kein Burn-out und so weiter –, na ja, dann würden die Unternehmen aber keine zusätzliche Person einstellen, denn sie könnten ja quasi mit gleichen Kosten den gleichen Output produzieren. Es gäbe keinen positiven Beschäftigungseffekt, und es gäbe auch keine Umverteilung zwischen den Geschlechtern.

Würde die Produktivität sinken, was natürlich die eher zu erwartende Möglichkeit ist, dann kommt es auf den Lohnausgleich an. Ich habe wie mein Vorredner mit dem Begriff variabler Lohnausgleich nicht viel anfangen können. Was bedeutet das? Das Wort Personalausgleich war mir auch nicht klar. Ich sage jetzt einmal, wir setzen fest, dass der gleiche Lohn bezahlt wird. Dann würden sich die Unternehmen die Mitarbeiter einfach nicht mehr leisten können, und es würden massenhaft Jobs verloren gehen.

Andere Variante: Der Lohn kann gemäß dem Produktivitätsausmaß sinken. Dann gibt es weniger Jobs und weniger Einkommen.

Ich kann es also drehen und wenden, wie ich will, die Verkürzung auf 30 Stunden führt nicht zu dem Ziel, das wir möchten. Das deckt sich auch mit der wissenschaftlichen Evidenz zum sogenannten Work-Sharing. Es wurde schon Frankreich erwähnt. Es wurde wissenschaftlich evaluiert: Noch keine Arbeitszeitverkürzung hat zu positiven Beschäftigungseffekten geführt, sondern es kam entweder zu Nulleffekten oder sogar zu negativen Effekten.

Ein Aspekt, der mir nicht klar ist, ist das Thema Überstunden. Man kann ja dann Überstunden nicht verbieten. Schiebt man das dann einfach in die Überstunden hinein?

In Summe: Aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre es echt ein Wahnsinn, wenn man das juristisch umsetzen könnte. Das 30:30-Modell, glaube ich, kann Sinn für all jene machen, die sich das in der Partnerschaft so ausmachen und das auch mit ihrem Arbeitgeber vereinbaren können.

Als Ökonom habe ich mir noch Gedanken darüber gemacht, wie man denn, wenn es den politischen Willen gibt, diese Umverteilung tatsächlich erreichen könnte. Da findet sich eine Idee in der Literatur, und zwar die sogenannte Gender-based Taxation. Das bedeutet, dass Frauen eine niedrigere Lohnsteuer zahlen als Männer, und das setzt marktkonforme Anreize, dass die Frauen mehr Marktarbeit leisten und die Männer weniger.

Die Wissenschaft würde das vorschlagen. Ich betone noch den Charme, dass das eine sehr wenig verzerrende Wirkung hat. Wir Ökonomen haben ja Angst, dass Steuern verzerrende Wirkungen haben. Männer sind sehr unelastisch, und es könnte daher in die richtige Richtung gehen.

*****

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Zum Thema Arbeit teilen: Ich habe leider Gottes nicht vollständig Stricherl gemacht, aber ich habe doch versucht, mitzuzählen, wie oft wir heute gehört haben, und zwar wirklich fraktionsübergreifend, Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt. Ich glaube, darauf können wir stolz sein, müssen wir stolz sein, denn das garantiert auch staatliche Förderungen oder Sozialleistungen, die es in anderen Staaten nicht gibt, und darauf müssen wir ganz besonders achtgeben. Von meinem Vorredner haben wir gerade gehört, dass sozusagen die ökonomischen Auswirkungen dieser beiden Forderungen da durchaus hineinspielen. Dazu hätte ich – ich möchte mich kurz fassen – vielleicht zur Klärung an die Initiatoren eine Frage, um sozusagen etwas Erhellung in die Sache zu bringen und um zu verhindern, dass wir da Dinge hineininterpretieren, die Sie vielleicht gar nicht gemeint haben.

Zum einen wäre meine Frage zum ersten Teil, also zur schrittweisen Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche: Haben Sie grundsätzlich vor Aufstellung dieser Forderung oder vor dem Hineinschreiben dieser Forderung in das Begehren Berechnungen erstellt, was es tatsächlich in Summe bedeuten würde, wenn es – aus heutiger Sicht, mit den heutigen wirtschaftlichen Daten, und wir nehmen jetzt einmal an, die wirtschaftliche Leistung und die Auftragslage in Österreich würden so bleiben, weil alles andere Teesudlesen ist – einen Lohnausgleich gäbe?

Was würde es bedeuten, wenn es keinen Lohnausgleich gäbe? Wie wirkt sich das auf die Haushaltseinkommen aus? Wie wirkt es sich auf einen Stundensatz aus? Das heißt: Wie viel kostet der Haarschnitt beim Frisör dann in Zukunft? Was kostet die Arbeitsstunde eines Technikers in Zukunft? Um wie viel würde sich das verteuern, oder würde es sich nicht verteuern? Was heißt es auch für die Steuerleistung an den Staat, damit wir eben – ich komme gleich zur zweiten Frage – diese Sozialleistungen auch weiter aufrechterhalten können?

Bezüglich der staatlichen Förderung wollen Sie die Wettbewerbsnachteile ausgleichen, die Unternehmen entstehen können. Gegenüber wem? Das kann ich nicht herauslesen. Wie hoch stellen Sie sich die staatliche Zuwendung vor, und ist das dann nicht eigentlich ein staatlicher Eingriff in die Unternehmensfreiheit? Diese Frage könnten Sie mir vielleicht beantworten, dann könnte ich besser damit umgehen.

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Wenn ich das Revue passieren lasse, was da in den letzten zwei Stunden von sich gegeben wurde, dann trübt es mich ziemlich ein, muss ich ganz ehrlich sagen.

Die Ökonomen sagen, es ist wirtschaftlich ein Wahnsinn, dass die Frauen nicht Überstunden leisten können. Die anderen sagen wieder, wir können uns keinen vollen Lohnausgleich leisten. Wieder andere sprechen von Kinderbetreuung, die wir uns sowieso nicht mehr leisten können, und so weiter und so fort. Wenn man sich also traut, die Ausführungen dieser Rednerinnen und Redner anzuhören, dann, muss ich wirklich sagen, merkt man, dass viele, viele das Thema von heute verfehlt haben.

Ich kann diesem Begehren nur meine Unterstützung geben, Danke sagen und mich auch für die 500 000 Unterschriften bedanken. Werdet jetzt nicht müde, sondern kämpft weiter, weil ich glaube, es ist höchst an der Zeit, dass auch die Frau erfahren darf, wie es in Österreich gehen könnte.

Das Bild der Frau, der arbeitenden Frau in Österreich ist nämlich folgendes: Sie wird zu Teilzeitarbeit gezwungen – da können die Ökonomen sprechen, wie sie wollen – und hat nebenher nicht nur anhaltend auch noch die Familie zu betreuen, sondern auch in der Pflege ihre Leistung zu erbringen. – So!

Der Mann geht Vollzeit arbeiten, ist klar. Da muss man sich von der Frau Ministerin noch anhören: Ja, soll er auch zu Hause bleiben, Teilzeit, Elternkarenz und alle Schmähs, die da kursieren! – Frau Ministerin, kann man sich das leisten, wenn die Frau 20 Stunden arbeitet und der Mann Vollzeit, und dann bleibt der Mann auch noch zu Hause? Das schaue ich mir dann nämlich finanziell auch noch an! Also, da hat man nicht viel nachgedacht – auch die Ökonomen nicht.

Der richtige Zugang ist vollkommen klar: Die Arbeitszeit gehört geregelt, und zwar: Wenn man 30 Stunden arbeitet, dann ist das Vollarbeitszeit. Ab der 31. Stunde – Wirtschaftskammer, zuhören! – sind Überstunden zu bezahlen. Da geht ja genau der Schritt auseinander, Frau Ministerin!

Nun kommen meine Fragen: Was haben die ÖVP und die FPÖ getan? Den 12-Stunden-Tag ohne Kollektivvertrag – weil das in diesem Raum auch gefallen ist –, nämlich einfach per Gesetz, haben sie verordnet. Der Schritt geht jetzt noch einmal auseinander. Ich möchte nur daran erinnern: Jetzt geht die Einkommensschere Frau/Mann noch einmal auseinander, weil der Mann zur Überstundenleistung gezwungen wird. Die Frau kann ja gar keine Überstunden machen. Die muss ja  bis zu einem Ausmaß von 60 Stunden Mehrarbeit leisten, bis sie überhaupt einmal in den Genuss von Überstunden kommt – für alle Mathematiker in diesem Raum.

Die zweite Frage, Frau Ministerin: Was ist denn nun endlich – das ist heute auch gefallen – mit dem Rechtsanspruch auf den Papamonat? Das hören wir auch immer beim Kollektivvertrag: Es ist nicht möglich, die Wirtschaftskammer kann sich das nicht leisten. Die Frau Ministerin sagt, ja, den könnten wir uns ja noch holen.

Was tun Sie dafür, dass das endlich umgesetzt wird, und was tun Sie letztendlich für die Wahlmöglichkeit und die Rahmenbedingungen dieser Frauen? Das steht im Begehren, und ich glaube, das gehört bearbeitet.

Abgeordnete Andrea Michaela Schartel (FPÖ): In diesem Volksbegehren geht es beim Thema Arbeit teilen um zwei Dinge: Das eine ist die unbezahlte Arbeit, das heißt, die häusliche Arbeit. Da geht es um die Kinderbetreuung, da geht es um die Betreuung älterer Menschen durch Pflegende. Die andere Geschichte ist die der Arbeitswelt.

Ich bin davon überzeugt, dass wir, wie heute schon von vielen erwähnt wurde, alle Vorbilder für die nächste Generation und unmittelbar für unsere Kinder und Enkelkinder sind. Mein Sohn ist bereits in einer Familie aufgewachsen, in der es eine Selbstverständlichkeit war, dass sich Vater und Mutter die Dinge teilen. Wir haben ihm das vorgelebt. Er lebt zurzeit nur in einer Partnerschaft, noch ohne Kind. Die teilen sich die Dinge auch, aber so, wie sie beide es für richtig halten, wie sie es wollen, wie es für sie beide in ihrer Lebenssituation am besten ist. Man kann Dinge nicht immer vorschreiben.

Sie haben in Ihrem Eingangsstatement erwähnt, dass es Ihnen in erster Linie darum geht, dass wir Frauen ein selbstbestimmtes Leben haben. Wenn ich mir die heutigen Ausführungen meiner Kollegen, aber auch vieler Experten anhöre, dann habe ich das Empfinden, sie wollen für mich ein ideologisch bestimmtes Leben haben.

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Ich kann mit der Forderung einer Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden wirklich enorm wenig anfangen, und es ist auch aus ökonomischer Sicht ausgeführt worden, warum. Ich kann aber mit dem Ziel, dass vor allem die unbezahlte Betreuungsarbeit fairer aufgeteilt werden soll, sehr viel anfangen, weil es schlussendlich darum geht: Haben wir das gemeinsame Ansinnen, den Gender Pay Gap wirklich zu bekämpfen? Dann muss man sich mit diesem Thema auseinandersetzen, auch aufgrund der Konsequenzen, denn die sind: Frauen, die dann wirklich das Problem der Altersarmut haben, Frauen, die weniger Chancen haben, im Job aufzusteigen und den Karrierepfad, den sie einschlagen wollen, erfolgreich einzuschlagen.

Ich bin aber sehr stark der Meinung, dass dieser Vorschlag nicht dazu beitragen wird. Deshalb möchte ich auch sehr konkret über andere Möglichkeiten reden, die wir haben, um dort hinzukommen. Ich werde jetzt der Versuchung nicht nachgeben, auf die Ausführungen des Kollegen Knes einzugehen, aber auf etwas ganz Bestimmtes möchte ich schon Bezug nehmen, nämlich auf das Argument, wenn Männer auch die Arbeit zurückschrauben würden, könnte man sich das nicht leisten.

Das ist ja das grundsätzliche Problem: Der Gender Pay Gap ist ein Teufelskreis, und das liegt daran, dass vor allem Frauen die Betreuungsarbeit übernehmen und das auch dazu beiträgt, dass sie dann in diesen Beschäftigungsverhältnissen sind, in denen schlechter gezahlt wird, was wiederum dazu führt, dass man in einer vernünftigen Debatte dann halt sagt: Na ja, vielleicht sollte der Mann dann mehr arbeiten, wenn er mehr verdient.

Wenn wir uns dessen nicht annehmen, dann werden wir das auch nie verändern können, weil das Problem immer weiter besteht. Wie gesagt: Das Ziel ist dasselbe. Ich glaube nur, dass andere Möglichkeiten uns dort hinführen werden, unter anderem auch aufgrund der Ausführungen des Herrn Halla, der ja auch sagt, das wird überhaupt nicht dazu beitragen, dieses Problem zu lösen, sondern es ganz im Gegenteil vielleicht sogar vergrößern.

Ich habe in diesem Zusammenhang auch eine Frage an Herrn Halla: Gender-based Taxation ist eine charmante Idee, wird aber aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes nicht umsetzbar sein, denke ich. Ich glaube aber, dass es sich rentieren würde, gerade bei den Themen Teilzeit, unterschiedliche Beschäftigungsverhältnisse, unbezahlte Arbeit das österreichische Steuersystem ganz grundsätzlich anzuschauen, in dem es auch negative Arbeitsanreize gibt, die ganz explizit auch dazu führen, dass man in Österreich das Breadwinner-Modell, also ein Alleinverdienermodell, anstatt des Dual-Earner-Modells bevorzugt.

Dafür haben wir ja auch ein Steuersystem und die Möglichkeit, das auch zu lenken. Es ist halt die Frage – auch an die Initiatoren des Volksbegehrens –: Gibt es Ihrer Meinung nach noch Punkte unabhängig von der 30-Stunden-Woche, die andere Möglichkeiten darstellen, zu diesem Ziel beizutragen?

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Nicht nur im Frauenvolksbegehren steht es, sondern es ist halt leider die Realität, dass Frauen 75 Prozent aller unbezahlten Haus- und Sorgearbeit leisten, und das hat Auswirkungen auf ihre Pension, das hat auch auf das Thema der Altersarmut Auswirkungen, das schon öfters angesprochen wurde, und natürlich auch auf die Beschäftigung dieser Frauen.

Was auch schon gefallen ist, ist die Frage der Wahlmöglichkeit, das heißt, da muss es unser Anspruch sein, dass wir den Frauen die Wahlmöglichkeit geben, vor allem wenn es um die Betreuung geht; beispielsweise um die Wahlmöglichkeit, in welcher Form sie eine Anstellung präferieren, und vor allem die Möglichkeit, dass sie auch Vollzeit arbeiten können, wenn dieses gewünscht ist.

Das bedeutet aber auch, dass wir auf politischer Ebene dafür verantwortlich sind, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, dass dies möglich ist. Wir wissen, dass da angefangen bei der Kinderbetreuung noch Aufholbedarf besteht, vor allem in ländlichen Bereichen, wenn man sich die Öffnungszeiten anschaut, die des Öfteren in der Form auch nicht wirklich berufsfreundlich sind.

Konkret jetzt aber die Frage an Sie, Frau Ministerin: Was sind Ihre nächsten Schritte? Was sind Ihre Ambitionen, vor allem hinsichtlich des Themas geschlechterspezifische Verteilung von unbezahlter und bezahlter Arbeit, da wir da auch klare Zahlen haben und ein klarer Bedarf gegeben ist? Was sind da Ihre geplanten Maßnahmen?

*****

Mag. Dr. Rolf Gleißner: Also ich sage nur: Wir sind für die Wahlfreiheit, aber die Wirtschaft hat natürlich ein eminentes Interesse daran, dass die Frauenerwerbsbeteiligung steigt, dass auch Frauen vermehrt Vollzeit arbeiten – also haben wir auch ein Eigeninteresse, dass wir diesem Ziel näher kommen.

Eines darf ich noch sagen: Wenn man Hausarbeit leistet, ist das logischerweise nicht dasselbe, wie wenn man einer Erwerbsarbeit nachgeht. Im rechtlichen Sinn ist es nicht ganz unbezahlt, weil man familienrechtlich natürlich schon einen Vergütungsanspruch auf Unterhalt beziehungsweise einen Anspruch auf denselben Lebensstandard und Zugewinngemeinschaft hat. Es ist nicht dasselbe, wie wenn man einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat, aber familienrechtlich hat man einen Anspruch, der auch einklagbar ist.

Korinna Schumann: Ich glaube, es ist wesentlich, noch einmal zu betonen, dass es wirklich um echte Wahlfreiheit geht und dass es um Rahmenbedingungen geht, die Beruf und Familie wirklich in einem positiven Sinne, je nach Interessenlage, im partnerschaftlichen Sinne vereinbaren lassen. Dafür muss einfach Geld in die Hand genommen werden, das ist eine Tatsache.

Es gibt sehr, sehr viele Frauen, die sich ganz, ganz große Sorgen machen, wie es bei ihnen mit dem Einkommen weitergeht, wie es bei ihnen mit der zu erwartenden Pensionsleistung weitergeht, und denen müssen wir eine Antwort geben. Ich glaube, im gemeinsamen und hoffentlich auch zukünftig in einem sozialpartnerschaftlichen Sinn wäre es wichtig, weitere Schritte im Interesse der Frauen zu setzen und viele Forderungen des Volksbegehrens umzusetzen.

Univ.-Prof. Dr. Martin Halla: Die Frage war bezüglich des Steuersystems: Also das österreichische Steuersystem hat von der Struktur her keine negativen Anreize. Es gibt Individualbesteuerung, im Vergleich zu Deutschland wird der Zweitverdiener quasi mit dem höheren Grenzsteuersatz besteuert, also von der Struktur her ist das in Österreich kein Problem.

Man muss sich natürlich die verschiedenen Transfers und Beihilfen genau und im Detail ansehen. Erforscht wurde das bei der Karenzregelung, wo es in den Neunzigerjahren sehr große Verlängerungen gab. Da gab es negative Anreize, die waren aber durch erhöhte Fertilität zu erklären. Aus verschiedenen Studien, die wir mit österreichischen Daten machen, ergibt sich, dass es in Summe so ist: Familien reagieren nur äußerst schwach auf ökonomische Anreize. Dieses Modell, dass die Frau halbtags arbeitet, dürfte sozial sehr erwünscht und schwer mit ökonomischen Parametern zu ändern sein.

Christian Berger: Ich nutze das jetzt sozusagen für mein gesamtes Statement. Wir wurden ja öfter angesprochen, und ich reagiere jetzt insgesamt.

Also ich habe das Gefühl, dass die 40-Stunden-Norm, die in diesem Land gilt, von vielen Anwesenden im Raum als gottgegeben oder als sozusagen ideologiefreier Status quo begriffen wird. Auch die 40-Stunden-Norm ist politisch gesetzt und – ich habe es in meinem Eingangsstatement erwähnt – orientiert sich an Normen und an spezifischen Lebensverhältnissen.

Es ist nicht so, dass wir sozusagen ein ideologiefreies Leben führen würden, wenn wir nur so tun, als wären Geschlechterverhältnisse natürlich. Auch das ist eine ideologische Position.

Aber abgesehen davon: Wir haben uns diverse Berechnungen angeschaut – wir haben jetzt nicht die Möglichkeit, das auszurollen –, wir haben uns aber vor allem mit den Kosten für Frauen und mit Erwerbsbiografien beschäftigt; wir haben eingangs schon einiges erwähnt. Unter anderem sorgt die Norm 40 Stunden pro Woche kombiniert mit überlangen Durchrechnungszeiträumen dafür, dass Frauen – ich wiederhole – 435 000 Euro an Lebenseinkommen verlieren und 50 Prozent weniger Pension bekommen. Das sind Fakten.

Zum rechtlichen Rahmen: na ja, es gilt Artikel 107ff des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, wie für alle anderen staatlichen Beihilfen auch. Dies wären Beihilfen. Dort, wo die Betriebe ausreichend klein sind, gilt die De-minimis-Grenze, ansonsten sind die Kriterien des Beihilfenrechts einzuhalten. Darüber können wir uns nicht hinwegsetzen, das ist geltendes Unionsrecht.

Zur immer wieder ins Treffen geführten Freiwilligkeit: Ja, das ist alles höchst fragwürdig, auch in einem wissenschaftlichen Sinne. Eine freie Wahl kann man nur treffen, wenn ausreichend Bedingungen und unterschiedliche Optionen da sind, zwischen denen man wählen kann.

Bevor Andrea Hladky erklärt, was unsere Vorschläge bezüglich Arbeitszeitverkürzung wären, noch ein Hinweis: Wenn man sich damit arrangiert, dass ein Arbeitsmarkt wie der europäische keine Vollzeitarbeitsstellen mehr hervorbringt – im Moment sind in der Eurozone vier von fünf neuen Erwerbsarbeitsplätzen Teilzeit –, und die Normarbeitszeit nicht früher oder später staatlicherseits reduziert, dann organisiert man Armut: Frauenarmut, Altersarmut.

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Beim letzten Satz möchte ich einhaken: In Österreich kommt ein Arbeitsuchender oder eine Arbeitsuchende für eine Vollzeitstelle auf vier Arbeitssuchen für eine Teilzeitstelle – so viel zur Freiwilligkeit; beendet.

Wir haben in Österreich die Möglichkeit der Elternteilzeit bis zum siebten Lebensjahr des Kindes. Wir haben nur ein Problem: Sie wird von den Vätern nicht genützt, und deswegen haben wir diese Ungleichverteilung. Da gilt es anzusetzen. Wie gesagt, wir haben diese 30-Stunden-Möglichkeit, wenn wir sie wollen. Ich glaube, es muss Lebensarbeitsphasen geben, man kann eine Zeitlang weniger arbeiten und eine Zeitlang mehr arbeiten. Wir haben ja auch noch das Thema und die Herausforderung Pflege. Es darf aber nicht immer an uns Frauen picken bleiben – darum geht es.

Wir haben die Möglichkeiten in diesem Land, wir müssen sie nur gerecht umverteilen, und wir müssen einfach die Männer in die Männerbeteiligung bekommen. – Herr Knes, ich werde auf Ihren Kommentar nicht eingehen. Ich glaube, wenn man heute überhaupt noch so denkt, dann ist es klar, dass die Männer nicht in die Männerbeteiligung gehen; deshalb muss ich das schon manchmal hinterfragen. Frauen sind heute besser ausgebildet als Männer. Wie kommen Sie zu einer solchen Aussage: Frauen und Männer können es sich nicht leisten, zu Hause zu bleiben? Heute machen mehr Frauen einen Studienabschluss, heute machen mehr Frauen Matura. Frauen sind heute in der besseren Ausbildung, und es gibt kaum einen Gender Pay Gap, bevor es das erste Kind gibt.

Was den Papamonat angeht: Ja, wir können darüber diskutieren, aber es gibt auch seit 1984 den Rechtsanspruch auf Väterkarenz – das fällt vielleicht noch in Ihre Zeit. Haben Sie den Rechtsanspruch wahrgenommen? Das ist vielleicht eine persönliche Frage, aber es nehmen die Väterkarenz nicht einmal 20 Prozent der Männer in Anspruch. Warum nicht? Weil wir in diese Richtung teilweise noch falsch denken, weil das in unserem Land noch nicht angekommen ist.

Wir hätten wirklich viele Herausforderungen innerhalb kürzester Zeit gestemmt, wenn wir eine Umverteilung hätten. Ich glaube aber, dass wir diese Umverteilung teilweise schon zu Hause ausmachen dürfen sollten. Ja, der Rechtsanspruch auf Karenz ist da, der Rechtsanspruch auf Elternteilzeit ist da – für beide Elternteile –, und wenn der Rechtsanspruch auf den Papamonat auch noch kommt, haben wir noch einen schönen Rechtsanspruch. Man muss es nutzen, dann wird sich in unserer Gesellschaft etwas ändern.

Themenbereich 4: Armut bekämpfen

Andrea Hladky: In Österreich gibt es rund 180 000 Alleinerziehende mit Kindern unter 25 Jahren. In den allermeisten Fällen übernehmen Frauen die alleinige Erziehungsverantwortung. Sie und ihre Kinder haben in Österreich das höchste Armutsrisiko. In rund der Hälfte der betroffenen Fälle wird über einen längeren Zeitraum zu wenig oder gar kein Unterhalt gezahlt. Die Auszahlung des Unterhalts kann nämlich aktuell auf Anordnung des Gerichts sofort und rückwirkend gestoppt werden. Die Klärung dieser Ansprüche dauert oft mehrere Monate, in denen rund 70 000 betroffene Kinder keinerlei oder zu wenig Unterhalt bekommen, denn der Staat übernimmt nicht automatisch die Alimente.

Wir brauchen auch eine Neubemessung des Unterhaltsbeitrages, angepasst an das 21. Jahrhundert.

Mag. Dr. Marion Guerrero, LL.M.: Das Interessante bei der Thematik Alleinerzieherinnen ist ja, dass viele von den Dingen, die erwähnt wurden, in dieser Debatte zusammenkommen. Also zum Beispiel Teilzeitarbeit: Alleinerzieherinnen sind zum Beispiel die typische Personengruppe, die zwar eine Teilzeitarbeitsstelle sucht, aber nicht unbedingt die Wahl hat, weil sie oft wegen Kinderbetreuungspflichten und so weiter gar nicht anders kann, als Teilzeit zu arbeiten – gerade auch, weil Kinderbetreuungsstätten, wie wir auch gehört haben, in weiten Teilen Österreichs nicht entsprechend der Arbeitszeit geöffnet haben.

Es gibt in Österreich rund 173 000 Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher, davon rund 85 Prozent Frauen, und in diesen Haushalten leben rund 250 000 Kinder unter 25 Jahren. Laut den jüngsten Zahlen der Statistik Austria sind rund 47 Prozent davon armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Wie auch schon gesagt wurde, ist vielleicht zu überlegen, ob das in einem reichen Land wie Österreich tatsächlich notwendig ist, dass man diese Art der Kinderarmuts- und Ausgrenzungsgefährdung in Kauf nimmt.

Einelternhaushalte haben damit von allen Haushaltstypen die höchste Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung. Ein großer Faktor neben allem, was wir schon gehört haben, sind fehlende oder zu geringe Unterhaltszahlungen, wenn also ein Elternteil, der Unterhaltsschuldner oder Unterhaltsschuldnerin ist, keinen oder nur geringen Unterhalt leisten will oder leisten kann. Die Folgen sind unter anderem Armutsvererbung, die Kinder haben weniger Chancen, können teilweise an Schulausflügen nicht teilnehmen, können sich keine Nachhilfe leisten und so weiter.

Welche Lösungsansätze gibt es in Österreich? – Wir haben da einmal das Unterhaltsvorschussgesetz. Man muss aber dazusagen, dass es für eine Lösung dieser Problematik nur begrenzt geeignet ist. Warum? – Weil es keine staatliche Familienleistung oder Sozialleistung, sondern als Ausfallshaftung konstruiert ist.

Das heißt, es kommt nur zum Tragen, wenn es bereits eine Unterhaltsschuld gibt. Es muss also einen Anspruch auf Unterhalt geben, und der Unterhaltsschuldner muss auch zahlen können, zahlt aber aus unterschiedlichsten Gründen nicht: weil er nicht will, weil er eine neue Festsetzung der Unterhaltshöhe beantragt hat, was auch immer. Dann gibt es einen Unterhaltsvorschuss.

Unterhaltsvorschuss gibt es nicht, wenn es keinen Unterhaltsschuldner gibt oder wenn der Unterhaltsschuldner nicht zahlen kann, weil er zum Beispiel schwer erkrankt ist oder aus sonstigen Gründen. Diese Regelung führt dazu, dass Alleinerzieherinnen oftmals einen sehr geringen oder gar keinen Unterhaltsvorschuss bekommen können – und das ist einer der Gründe, warum Einelternhaushalte besonders armutsgefährdet sind. Das Unterhaltsvorschussgesetz ist, wie gesagt, nicht geeignet.

Vom Familienbonus haben wir auch schon viel gehört. Er ist auch nur begrenzt geeignet, weil er Alleinerzieherinnen, gerade aufgrund der Teilzeitarbeit und so weiter, oft nicht zur Verfügung steht, weil die Steuerschuld, die sie erarbeiten, im Regelfall nicht hoch genug ist.

Es gibt aber eine Lösung für dieses Problem – das wurde auch im Herbst 2017 eingebracht –, und zwar die Unterhaltsgarantie. Die Unterhaltsgarantie entspricht in weiten Teilen den Forderungen des Frauenvolksbegehrens. Sie würde Alleinerzieherinnen zustehen, die Familienbeihilfe beziehen und die keinen oder nur einen sehr geringen Unterhaltsvorschuss bekommen, und sie würde die Steuerzahler nicht einmal ein Zehntel dessen kosten, was sie der Familienbonus derzeit kostet.

Monika Mühlwerth: Niemand von uns will, dass Frauen in welchem Alter auch immer, ob in jungen oder in späten Jahren, unter die Armutsgrenze fallen oder armutsgefährdet sind. Ich bin aber schon auch ein großer Freund der Eigenverantwortung. Es geht ja nicht nur um Unterhaltszahlungen im Falle einer Scheidung, sondern darum – das schließt wieder an die drei Themenblöcke an, die wir schon behandelt haben –, dass wir natürlich auch unsere Mädchen ermutigen müssen, andere Berufe zu wählen als die üblichen drei – Friseurin, Bürokauffrau und so weiter –, vor allem wenn es um die Lehre geht. Wir müssen sie ermutigen, auch nicht typisch weibliche Berufe zu erlernen oder zu ergreifen, ein Studium in diese Richtung zu absolvieren, wobei ich ein großer Verfechter der Lehre bin, weil wir Facharbeiter brauchen – die fehlen uns, und ich bin nicht dafür, dass wir uns die dann aus dem Ausland holen müssen und sie nicht selbst ausgebildet haben.

Im Fall einer Scheidung ist die Situation aber oft wirklich schwierig. Ich bin voll dabei, wenn es darum geht, dass es eine Bevorschussung geben soll, wenn der Mann nicht zahlt. Ich bin aber sehr wohl dafür, dass das dann aber auch wieder von ihm zurückgefordert wird. Das, was Sie vorschlagen, ist so wie ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das ist nicht unbedingt der Ansatz, den ich gerne hätte. Wir arbeiten aber auch daran, dass das mit der Bevorschussung schneller geht.

Es ist ja wirklich ein Problem, wenn man monatelang auf die Zahlung warten muss, denn der Vermieter wartet auch nicht auf die Miete und die Energieversorger warten auch nicht auf die Begleichung ihrer Forderungen, das ist völlig richtig. Das ist wirklich unterstützenswert, aber alles andere muss man sich schon wirklich sehr genau anschauen. Da kann man nicht sagen, der Staat muss alles machen und der Rest bleibt davon unbeachtet.

Die Gefahr ist ja auch, dass die Männer sich dann irgendwann zurückziehen. Wir müssen übrigens auch schauen, dass bei Unterhaltszahlungen den Männern schon auch etwas zum Leben übrig bleibt, dass die dann nicht in der Gruft landen. Da gibt es viele Schicksale von Männern, die so ähnlich verlaufen sind, die dann in einer solchen Einrichtung gelandet sind. Wir müssen natürlich auch schauen, dass nicht, wenn wir überschießende Forderungen stellen, die Männer dann sagen: Wisst ihr was, wenn sich die Leistung nicht mehr lohnt, dann mache ich halt nichts mehr oder ich gebe irgendetwas an! – Wir wollen ja wohl nicht der Lüge Vorschub leisten.

Univ.-Prof. Dr. Martin Halla: Alleinerzieher sind in der Armutsfalle. Der Fokus liegt, kommt mir vor, sehr stark auf der Situation der Scheidung. Da muss man das gesamte Bild zeichnen. Es gibt ja zwei Problemfelder: die nicht Obsorgeberechtigten, die kein Besuchsrecht bekommen, und die Obsorgeberechtigten, die keinen Unterhalt bekommen. In Summe können die beiden Probleme miteinander verbunden sein. In Österreich braucht es eine viel, viel bessere Datenbasis, um Fakten auf den Tisch zu bringen.

Die letzte mir bekannte Studie ist aus dem Jahr 2004. Da hat man Gerichtsakten des BG Linz untersucht und hat einmal geschaut, bei wieviel Prozent der Scheidungen es zu Anträgen kommt, sprich, wie nachhaltig diese Vereinbarungen sind; es hat sich gezeigt, dass es bei einem Drittel Probleme gab.

Mein Vorschlag ist, eine fundierte Datenbasis zu schaffen und die Probleme bei der Wurzel zu packen, zu schauen, ob nicht diese Vereinbarungen einfach nicht nachhaltig sind.

Nur ein kurzes Beispiel: In nur 10 Prozent aller Scheidungsvereinbarungen mit Kindern wird eine Besuchsregelung vereinbart, in 90 Prozent der Fälle wird sie einfach nicht angesprochen. Dort beginnen natürlich dann die Probleme.

In diese Datenbasis sollte man auch die tatsächliche Höhe des Unterhaltes einbringen. Der ist zwar gesetzlich festgelegt, es gibt aber einen großen Spielraum.

In dieser Datenbasis sollte erfasst werden, wer unterhaltssäumig ist, in welchen Fällen der Staat vorschießt und in welchem Ausmaß man das nachfordern kann. Diese Datenbasis erlaubt dann, die Fakten auf den Tisch zu bringen und auch wissenschaftlich zu untersuchen, ob bestimmte Typen von Scheidungen, bestimmte Typen von Vereinbarungen nicht nachhaltig sind. – Das wäre mein Vorschlag.

Maria Stern: Sehr geehrte Ministerin! Frau Vorsitzende! Werte Anwesende Vertreterinnen und Vertreter des Frauenvolksbegehrens, Nationalratsabgeordnete, Expertinnen und Experten! Wir hören seit Stunden, dass in Österreich ein massives Problem hinsichtlich Frauenarmut besteht, und schauen uns die Ursachen sehr detailliert an. Das Problem bei Alleinerzieherinnen ist, dass ihre Lebenssituation wie unter einem Brennglas alle diese Probleme zeigt. Ich möchte nicht mehr über die Ursachen sprechen, die heute bereits ausgeführt worden sind. Ich möchte aber trotzdem noch einmal betonen, dass ich seit Jahren die Zahlen und Statistiken beobachte.

Die Armutsbetroffenheit von Alleinerzieherinnen und vor allem ihren Kindern steigt jährlich an. An dieser Stelle sei hervorgehoben, dass Kinder aus Einelternhaushalten mehr als doppelt so oft von Armut betroffen sind als ihre Freundinnen und Freunde. Ich weiß, dass das Thema Kinderarmut heute kein Punkt ist, aber ich möchte trotzdem, dass es im Hinterkopf behalten wird.

Zur Frage, wie wir das alles ändern können: Das liegt natürlich sehr stark daran, wie weit es uns tatsächlich gelingt, Väter in die Care-Arbeit einzubinden. Da bin auf der Seite von sehr vielen hier Redenden. Die Frage, Frau Frauenministerin, ist: Wie? Wie kann es uns tatsächlich gelingen, Anreize zu schaffen? – Da bin ich jetzt bei der gemeinsamen Obsorge beziehungsweise bei der Doppelresidenz, die im Regierungsprogramm stehen. 2013 ist die gemeinsame Obsorge eingeführt worden, ohne dass wir unsere diesbezüglichen Hausaufgaben gemacht haben. Wir haben das Pferd von hinten aufgezäumt, indem wir die gemeinsame Obsorge eingeführt haben, davor aber nicht dafür gesorgt haben, dass Väter tatsächlich in die Care-Arbeit eingebunden werden – von der Doppelresidenz gar nicht zu sprechen.

Deswegen mein Vorschlag, um ganz konkret Väter in die Care-Arbeit zu holen: gemeinsame Obsorge dann, wenn sie die Vaterschaft nicht erst nach der Trennung oder nach der Scheidung für sich entdecken, sondern bereits nach der Geburt ihres Kindes, und Doppelresidenz ebenfalls.

Zur Sicherung des Unterhaltes: Wir wissen, dass die Gesetzeslücke im Unterhaltsgesetz einer der Hauptgründe dafür ist, dass Kinder aus Einelternhaushalten mehr als doppelt so oft von Armut betroffen sind. Das wissen wir. Das wissen wir seit Jahren. Wir wissen auch seit Jahren, dass der Fokus auf der Zahlungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ein großes Problem ist.

Es steht nicht das Kindeswohl im Vordergrund, auch nicht die Lebenssituation der Frau – in 93 Prozent der Fälle sind AlleinerzieherInnen Frauen –, sondern die Zahlungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners. Das wusste bereits Johanna Dohnal. Johanna Dohnal hat gemeinsam mit Bruno Kreisky ein Unterhaltsgesetz geschaffen, das damals internationale Vorbildwirkung hatte, aber sie wusste, kurz bevor sie aus der Politik ausgestiegen ist, dass ein Paradigmenwechsel von der Unterhaltszahlungsfähigkeit des Mannes hin zum Kindesbedarf stattfinden muss.

Genau hier möchte ich ansetzen, denn wir wissen, die Folgen von Kinderarmut kosten uns Geld: im Bildungsbereich, da der Bildungsstand in Österreich am Kontostand der Eltern ablesbar ist, im Justizsystem, denn all die wiederholten Unterhaltsverfahren kosten Geld. Mir ist es noch nicht gelungen, Zahlen zu evaluieren. Wir haben jetzt eine diesbezügliche Anfrage gestellt und hoffen, wir bekommen Zahlen aus dem Justizministerium und vor allen Dingen auch aus dem Gesundheitsbereich, weil arme Kinder von heute die chronisch Kranken von morgen sind.

Das heißt, wenn in eine Form der Unterhaltsgarantie investiert wird, wird uns Steuerzahlern das auf lange Sicht sehr viel Geld ersparen, und deswegen plädiere ich dafür.

Richtung FPÖ, teilweise auch ÖVP möchte ich noch eines ganz klar festhalten: Wenn wir von Alleinerzieherinnen sprechen, sprechen wir selbstverständlich von einer Bevölkerungsgruppe, die aufgrund von strukturellen und gesetzlichen Fehlern, die bis jetzt begangen worden sind, massiv an den Rand gedrängt wird, aber Alleinerzieherinnen sind keine Opfer. Sie sind mutig, sie sind stark, sie können verhandeln, aber sie werden strukturell an den Rand gedrängt. Wir brauchen einzig und allein den politischen Willen, eine Unterhaltsgarantie einzuführen, damit auch Alleinerzieherinnen die Freiheit erlangen, ein gutes Leben zu führen. Es ist allerhöchsten Zeit. Sehr geehrte Frau Bundesministerin, wann gedenken Sie, die bereits zugesagte Unterhaltsgarantie einzuführen?

*****

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Wenig Zeit, viele Punkte, also in Stichworten: Ich fände es besser, wenn man das Thema Armutsbekämpfung, Frauenarmut bekämpfen nicht auf die Frage Unterhaltsvorschuss und Alleinerziehende beschränkt.

Nun aber Punkt eins zum Thema Alleinerziehende: Ein großes Ja dazu, dass Lücken geschlossen werden müssen – daran wird gearbeitet –, und auch ein großes Ja dazu, dass der Titel, nämlich der Unterhaltsanspruch, schneller geklärt werden muss. Ein Nein aber dazu, dass man sagt, der Unterhaltsvorschuss ist nicht an einen Anspruch geknüpft, sondern hat nur damit zu tun, dass das Kind Familienbeihilfe bezieht und von einem alleinerziehenden Elternteil betreut wird.

Die Regelbedarfsanpassung wollen und können wir in diesem Sinn auch nicht gutheißen, denn es würde ein Grundeinkommen nur für Kinder bedeuten, die nicht bei beiden Eltern leben. Es wäre eine Bevorteilung dieser Kinder und eine Benachteiligung von Kindern, die mit ihren beiden Eltern leben.

Ich verwehre mich auch dagegen, dass man in dieser Frage den Familienbonus gegen die Unterstützung von Alleinerziehenden ausspielt, denn erstens hilft der Familienbonus steuerzahlenden Familien mit zwei Elternteilen, aber auch solchen mit einem Elternteil, von der Armutsgrenze wegzukommen, während sie Steuern zahlen. Es gibt auch einen speziellen Bonus für Alleinerziehende. Der Familienbonus bringt also Frauen und Familien durch eine notwendige Steuererleichterung von der Armutsgrenze weg.

Ein zweites Thema, das ich hier vermisse, ist die Frauenaltersarmut, die im Text des Volksbegehrens an dieser Stelle gar nicht vorkommt.

Ich erinnere an das Frauenvolksbegehren von 1997, das gesagt hat, Teilzeit soll ein Rechtsanspruch sein. Heute müsste man sagen: Dann muss aber die Teilzeit auch ermöglicht werden. Wir haben gehört, dass die Teilzeit sehr, sehr oft dem Wunsch der Menschen entspricht und nicht aufgezwungen wird. Ich glaube, wir müssen nachdenken, wie man die Teilzeit so gestalten kann, dass den Frauen daraus kein Nachteil erwächst und sie dann nicht von Altersarmut betroffen sind.

Das bringt mich zu meinem letzten Satz: Wir diskutieren einen Mindestpensionsbonus für 40 Beitragsjahre, und ich glaube, da besteht parteiübergreifend der Wunsch, dass die Zeiten der Kindererziehung berücksichtigt werden. Das ist eine Diskussion, die uns in den nächsten Monaten und Jahren bevorsteht.

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Werte Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich hier ganz schnell ein Resümee ziehen darf: Wenn wir über Vermeidung von Armut reden – Vermeidung von Frauen- und insbesondere von Kinderarmut –, fokussieren wir das Thema Alleinerziehende. Für mich kristallisiert sich letztendlich das Thema der umfassenden Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen heraus. Hier will ich meine Frage an Sie, Frau Ministerin, stellen: Sie haben ja als Mitglied dieser Bundesregierung den Familienbonus mitbeschlossen. Ihre KollegInnen loben das. Beim Argument des Familienbonus Plus geht es um einen Betrag von höchstens 1 500 Euro im Jahr pro Kind, wenn man das Glück hat, ganzjährig Vollzeit zu arbeiten. Wie kann man damit Armut bekämpfen?

Es ist doch sogar so, dass jene, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, gar keinen Anspruch auf den Familienbonus Plus haben! Die werden mit 250 Euro abgespeist, nach dem Motto: Hast du weniger, sei froh, wenn du da ein bisschen etwas, ein paar Brösel kriegst! – Wie kann das sein? Ich denke, man hätte Armutsbekämpfung machen können.

Mit 1,5 Milliarden beziffern Sie als Regierung das jährliche Budget für Familien. Tatsächlich aber hören wir, dass das Geld zu zwei Dritteln den Männern zugutekommt. Die Frage ist jetzt: Wie sieht es denn mit der Kinderkostenanalyse aus? Haben Sie geplant, eine aktuelle Kinderkostenanalyse zu erstellen? – Danke sehr.

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Armut bekämpfen ist ein großes Thema. Jede Frau, jede alleinerziehende Mutter, die in Armut lebt, ist natürlich eine zu viel, und jede Maßnahme zur Bekämpfung von Armut ist begrüßenswert. Ich bin für eine Beschleunigung der Unterhaltsvorschusszahlungen. Dieser Punkt, der im Volksbegehren angesprochen wird, ist auch bei uns im Regierungsprogramm enthalten.

Eine weitere Maßnahme zur Bekämpfung von Armut ist die Anrechnung der Karenzzeiten, die wir begrüßen, und ein wesentlicher Punkt, der bereits zweimal angesprochen worden ist, ist der Familienbonus Plus. Es ist die größte Steuerentlastung seit Jahrzehnten für Eltern, für ihre Kinder. Es profitieren alle, alle alleinerziehenden verdienenden Eltern, die auch Steuern zahlen.

Allgemein hat Armut mehrere Gesichter. Eines möchte ich abschließend noch erwähnen: Es gibt auch Elternteile, die gerne freiwillig mehr Unterhalt, als die gesetzliche Vorschreibung beträgt, bezahlen würden, wenn sie nur ihre Kinder regelmäßig sehen dürften. – Vielen Dank.

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Ich denke, dass es außer Frage steht, dass Frauen und dabei vor allem Alleinerziehende und ihre Kinder überdurchschnittlich oft von Armut betroffen und armutsgefährdet sind. Transfers sind die eine Seite, aber das Arbeits- oder das Erwerbseinkommen spielt da schon auch eine sehr große Rolle. Es gibt eindeutige Zahlen der Statistik Austria, die zeigen, dass in den letzten Jahren die Vollerwerbstätigkeit von Frauen in Partnerschaft und noch viel stärker vor allem jene von alleinerziehenden Frauen gesunken ist.

Ich denke, dass wir, unabhängig vom Thema der Transfers – und da stimmen wir grosso modo mit den Forderungen des Volksbegehrens überein –, auch darüber sprechen müssen, wie es sein kann oder was dazu führt, dass es in einer Zeit, in der man rein theoretisch glauben würde, dass die Möglichkeiten zur Kinderbetreuung jedes Jahr besser werden, weil man den Ausbau – meiner Meinung nach nicht genug, aber doch – vorantreibt, trotzdem auch für Frauen, die alleinerziehend sind, jedes Jahr schwieriger wird, vollerwerbstätig oder auch teilerwerbstätig zu sein.

Mich würde von Professor Halla interessieren, was eine Erklärung für diese Entwicklung ist und was die wesentlichen Punkte sind, bei denen man ansetzen muss, um diese Entwicklung zu korrigieren – unter anderem auch, weil das Thema Altersarmut angesprochen worden ist und Erwerbseinkommen ein wesentlicher Beitrag dazu ist, um das Problem anzugehen.

Von Professor Halla ist auch das Thema der Datenlage angesprochen worden. Dazu würde mich von der Frau Ministerin interessieren, ob es Bestrebungen gibt, die Datenlage in diesem Bereich zu verbessern – weil Sie zustimmend genickt haben –, und ob es schon Projekte zu diesem Thema gibt.

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Armut hat vielerlei Seiten. Kinderarmut findet in Österreich statt, das liegt auf dem Tisch. Die Forderungen und die Maßnahmen, die wir treffen sollten und müssten, um das vermeiden zu können, liegen auch vor uns. Ich habe dazu gar nichts mehr zu sagen. Die Forderungen können wir gerade in diesem Punkt voll unterstützen, weil wir handeln müssen. Jetzt liegt es an der Frau Ministerin, an der Regierung, die nächsten Schritte auch wirklich zu setzen.

*****

Mag. Dr. Marion Guerrero, LL.M: Zwei Punkte möchte ich erwähnen: Zunächst zum Familienbonus, weil immer wieder erwähnt wird, dass man diese Themen nicht gegeneinander ausspielen soll. Ich glaube, man muss sich die Frage stellen: Wenn man eine Maßnahme hat, die den Steuerzahler, die Steuerzahlerin zwischen 1,5 und 2 Milliarden Euro im Jahr kostet, welcher Teil davon kommt den Alleinerziehenden zugute?

Die 250 Euro Negativsteuer für Alleinerziehende, die nicht in diese Steuerklasse fallen, in der sie vom Familienbonus profitieren können – das sind 24 Euro im Monat –, machen das Kraut nämlich nicht fett. Diese Frage muss man, glaube ich, stellen. Eine Armutsbekämpfungsmaßnahme ist der Familienbonus sicherlich nicht.

Zweitens zur Unterhaltsgarantie, weil diese angesprochen wurde: Die Unterhaltsgarantie soll nicht so funktionieren, dass sie jeder sofort bekommt. Natürlich muss man zuerst versuchen, den Unterhalt vom Vater einzutreiben – die Unterhaltsgarantie ist keine Entlastung von Vätern –, und nur, wenn das nicht geht, aus welchen Gründen auch immer, sollte sie greifen. Wenn zum Beispiel der Vater schwer erkrankt ist und deswegen nicht arbeiten kann, sollte man das nicht den Kindern anlasten, die nichts dafür können.

Die Unterhaltsgarantie hätte die Höhe der Regelbedarfssätze, wie ebenfalls schon gesagt wurde. Diese müssten eigentlich dringend einmal mittels einer Kinderkostenanalyse aktualisiert werden, damit man weiß, wie viel an Kosten ein Kind pro Haushalt tatsächlich verursacht. Die Unterhaltsgarantie soll aber nicht so verstanden werden, dass der Staat einfach eine Leistung hergibt, ohne dass davor die Eltern in die Pflicht genommen wurden, wie es sein soll.

Monika Mühlwerth: Wir bekennen uns dazu, dass wir diesen Familienbonus eingeführt haben, weil wir der Meinung waren, dass die Familien entlastet werden müssen und auch jene Bevölkerungsgruppe, die Steuern zahlt. Vorangegangene Regierungen haben gerade den Mittelstand – und der profitiert am meisten davon – ganz gerne ausgepresst wie eine Zitrone. Jemand muss all diese Forderungen, die da aufgestellt werden, auch bezahlen. Es ist sehr einfach, zu sagen, der Staat muss das alles machen. Für mich klingt das fast schon ein bisschen wie ein kommunistisches Manifest – verzeihen Sie!

Ich möchte nicht den Kindern schaden, ich möchte, dass die Kinder gut aufwachsen können, aber es ist wirklich so klassisch: Der Staat muss das alles machen, der muss für alles sorgen, und damit ist es gut! – Das wird uns auch nicht weiterbringen, und das wird auch die Frauen nicht aus der Armutsfalle herausbringen. Wir sind jetzt beim vierten Themenbereich und haben gesehen, dass eine ganze Reihe von Faktoren dazu führt, dass Frauen in der Armutsfalle landen – in jungen Jahren, wenn sie sich getrennt haben und alleinerziehend sind, aber auch im Alter. Daher bedarf es eines ganzen Bündels an Maßnahmen und nicht einzelner Maßnahmensegmente.

Univ.-Prof. Dr. Martin Halla: Die Frage zur Teilzeit bei den Alleinerziehern und Alleinerzieherinnen ist ein schwieriger Punkt. Wie kann man das adressieren? Wir kommen damit zum nächsten Themenkreis, zur Wahlmöglichkeit, Stichwort Kindergärten. Da wird der Ausbau gefordert, vor allem sind die Öffnungszeiten und die Schließtage angesprochen, das sind die Punkte.

Was schwierig ist: Schon innerhalb der Ehe sind die Männer schwer davon zu überzeugen, sich in der Kinderbetreuung zu engagieren. Wenn es dann zu einer Trennung kommt, wird es umso schwieriger. Politisch hat man versucht, dem mit der gemeinsamen Obsorge entgegenzuwirken. Sie ist in Österreich in einer bestimmten Art und Weise implementiert worden.

Das Doppelresidenzmodell, überdies mit einer gleichen Verteilung, wäre zu begrüßen. Man muss aber dazusagen, dass es auch ein finanzielles Problem ist, denn das kann man sich nur leisten, wenn man ein gewisses Einkommen hat.

Wie zieht sich das? – Stichwort Altersarmut: Da müsste man sich die genauen Regelungen betreffend die Pension bei Scheidungen anschauen. Es gibt ja unterschiedliche Scheidungsparagrafen, die unterschiedliche Pensionsansprüche nach sich ziehen.

Maria Stern: Es gibt eine Studie über AlleinerzieherInnen, die im Jahr 2011 erschienen und am 1. Juni 2011 im Sozialministerium präsentiert worden ist. Diese Studie betont in allererster Linie die hohe Armutsgefährdung von Einelternhaushalten. Es ist leider tatsächlich bis jetzt noch nichts passiert, um dieser Armut entgegenwirken zu können, und ich muss meiner Vorrednerin leider auch recht geben: Der Familienbonus ist kein geeignetes Mittel, um Kinder- und Frauenarmut zu verhindern. Eine Alleinerzieherin hat einen Anspruch von 250 Euro im Jahr. Das deckt nicht einmal den Milchbedarf eines Jahres. Wenn die Alleinerzieherin Mindestsicherungsbezieherin ist, arbeitslos ist oder Notstandshilfe bezieht, hat sie überhaupt keinen Anspruch auf den Familienbonus. Das ist das Problem, und deshalb ist er von der Opposition so stark kritisiert worden. Familienbonus ist ja wunderschön, er steht aber auf einem Bein. Ihm fehlt das zweite Bein, und das wäre das Bein, mit dem Kinderarmut präventiv verhindert werden kann, mit dem Kinderarmut effektvoll bekämpft werden kann. Darum bitte ich noch einmal eindringlich beziehungsweise stelle ich die Frage noch einmal: Wann wird endlich die Unterhaltsgarantie eingeführt, die eine wunderbare Ergänzung zum sehr, sehr teuren Familienbonus wäre? – Danke.

Andrea Hladky: Zum Vorwurf, dass wir Frauenarmut oder Armut sozusagen nur im Zusammenhang mit den Alleinerziehenden thematisieren: Ich habe schon die ganze Zeit – ich weiß nicht, ob Sie mir vorhin zugehört haben – von mir selbst erzählt, davon, was es bedeutet, wenn man jahrelang bei den Kindern zu Hause bleibt. Sie können meinen Pensionszettel sehen. Da steht drauf: 600 Euro! Wenn ich jetzt nicht die nächsten 20 Jahre bezahlt Vollzeit arbeite, bekomme ich das als Pension. – Ich weiß es jetzt nicht genau, aber da waren Sie offenbar nicht im Raum.

Für Frauen bedeutet das, dass sie ein geringeres Lebenseinkommen aufgrund der falschen Aufteilung von unbezahlter und bezahlter Arbeit haben, dass sie nur die Hälfte der Pension von Männern bekommen und somit in die Altersarmut rutschen. Wie oft muss ich das noch sagen?!

Und noch etwas: Bitte lesen Sie genau! In unseren Forderungen, die Ihnen alle vorliegen, steht: „Entkopplung der Zahlung von der Leistungsfähigkeit des*der Unterhaltspflichtigen, gleichzeitige Beibehaltung der Verpflichtung zur Rückzahlung nach Leistungsfähigkeit.“

Wenn Sie da mit Ihrer eigenen ideologischen Drehung kommen, bitte ich Sie doch, sich vorher besser zu informieren – das wäre toll.

Noch etwas zu den Steuern: Mehrwertsteuer zahlen alle, auch Mütter, die zum Beispiel Windeln kaufen. Konsumsteuern sind die Steuern, die am meisten bringen. Das heißt, jede Mutter, die Pampers oder was auch immer kauft – das ist sauteuer –, trägt zum Steueraufkommen bei. Es ist also unser aller gemeinsames Geld. – Danke.

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Ich glaube, ich wiederhole mich zwar, aber ich muss es trotzdem sagen: Die Arbeitsgruppe, die sich mit dem Unterhaltsvorschuss beschäftigt, tagt im Justizministerium. Natürlich ist es tragisch, das muss man einfach sagen, vor allem weil es manchmal sehr lange dauert, bis ein Titel ausgesprochen wird, und es überhaupt erst darauf folgend zu einer Unterhaltsvorschusszahlung kommt.

Was die Unterhaltsgarantie angeht, so ist das Thema jetzt ein paar Mal aufgekommen. Ich möchte immer wieder darauf hinweisen: Was machen wir mit Paaren, bei denen eine Person oder beide Personen nicht erwerbsfähig sind und keine Geldleistung bekommen? Wir haben Familienbeihilfe für alle Kinder, wir haben Kinderbetreuungsgeld, solange sie klein sind. Wir haben den Familienbonus als Steuerentlastung für Eltern eingeführt, die arbeiten gehen und nebenbei die Kinder erziehen.

Es wird auch immer wieder darauf hingewiesen, dass zwei Drittel der Bezieher Väter sind. – Ja, weil es die Väter beantragen. Bei mir zu Hause beantragt es beispielsweise auch mein Mann, aber ich könnte es auch beantragen. Wenn beide Elternteile sich um das Kind kümmern, ist es doch völlig egal, wer den Familienbonus beantragt, wenn alles in einem Haushalt stattfindet.

Wichtig ist meiner Meinung nach, dass man den Familienbonus auch aufteilen kann. Wenn beide Einkommen für zwei Kinder nicht ausreichen, kann man jeweils für ein Einkommen den Familienbonus für ein Kind beziehen.

Zu den 24 Euro beziehungsweise den 250 Euro, die genannt wurden: Ich möchte schon darauf hinweisen, dass es in den letzten Jahren Steuerreformen gab, durch die relativ viele Negativsteuern gerade für Alleinerzieher und Alleinerzieherinnen eingeführt wurden; daher war uns der Familienbonus als Steuerentlastung ein Anliegen. Wenn man keine Steuern bezahlt, kann es auch keine Steuerentlastung geben.

Natürlich können wir jetzt wieder auf alle anderen Steuern hinweisen, die es sonst noch gibt, wenn man Einkaufen geht – keine Frage; man findet immer ein Pro und ein Contra.

Was die Kinderkostenanalyse angeht, so habe ich das auch schon in dem einen oder anderen Gleichbehandlungsausschuss erwähnt: Es gibt eine Kinderkostenanalyse aus Deutschland, und ich glaube, der Bedarf in Deutschland wird dem in Österreich sehr ähnlich sein. Diese Kinderkostenanalyse entspricht in etwa dem Regelbedarf, den wir festgesetzt haben.

Die Doppelresidenz wurde auch angesprochen. Das ist ein Thema, das man mit einem Fragezeichen versehen muss. Das hat sicher Vor- und Nachteile, sage ich jetzt einmal. Ein Nachteil ist, dass sich Fragen stellen wie: Wo geht das Kind wählen, wenn es alt genug ist? Wenn ich an den Flaf denke: Wohin zahlt man die Schülerfreifahrt? In welche Schule geht das Kind? Wenn Eltern heute wollen, dass sie sich 50 : 50 um ihr Kind kümmern, dann funktioniert das auch so sehr gut.

Themenbereich 5: Wahlfreiheit ermöglichen

Andrea Hladky: Der flächendeckende Ausbau der Kinderbetreuungsplätze ist nach wie vor ein ganz zentrales Ziel feministischer Politik. Lösen wir uns von Begriffen wie Rabenmutter oder Karrieremutter und lassen wir doch endlich den Familien ihr Recht und ihre Freiheit, ihre Kinder so zu betreuen und betreuen zu lassen, wie sie es wollen oder müssen! Auch da können wir auf Zurufe von über 60-jährigen Männern, die noch nie mehr als drei Stunden unbezahlt zu Hause Kinder betreut haben, verzichten. – Das bezieht sich jetzt nicht auf diesen Raum hier.

Wir brauchen es nicht schönzureden: Es gibt sozialen Druck am Land, dass die Mutter um 14 Uhr mit dem Kind zu Hause zu sein hat – es soll nicht länger in den Kindergarten gehen – und dass Väter möglichst lange arbeiten. Das entspricht dem Männerbild, das seit Jahrzehnten von Konservativen und Rechten aufgebaut wurde. Es ist auch nicht so leicht, zwischen Vollzeit, Teilzeit und zu Hause zu wechseln, wie das hier oft dargestellt wird, gerade für ältere Mütter nicht, denn ab 40 geht da gar nichts mehr – darauf möchte ich auch noch hinweisen, denn das ist vielleicht theoretisch möglich, aber praktisch ist das nicht so.

Deswegen ist wichtig: Jedes Kind hat ein Recht auf Förderung, unabhängig davon, wo es wohnt und wie viel die Eltern verdienen. Damit das gelingt, ist eine funktionierende Beziehung zwischen Kind und Betreuungsperson unverzichtbar. Diese erfordert ein Mindestmaß an qualitativen Ressourcen, vor allem im Hinblick auf die Qualifizierung und Bezahlung der Betreuungspersonen, die Gruppengrößen und den Fachkraft-Kind-Schlüssel in einer Betreuungseinrichtung. Deswegen fordern wir den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Niemand muss, aber jeder soll können!

Bernadett Humer, MSc: Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich darf als Leiterin der Sektion Familien und Jugend zum Themenbereich 5 – Wahlfreiheit ermöglichen – Stellung beziehen. Zu Beginn und einleitend darf ich festhalten, dass gerade für unseren Verantwortungsbereich der Themenkomplex Vereinbarkeit von Familie und Beruf ganz prioritär ist. Die Familienpolitik der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Betreuung von Kindern, vor allem was das Vorschulalter betrifft, in unserem Wirkungsbereich ein ganz prioritäres Thema ist.

Durch die familienpolitischen Schwerpunktsetzungen der letzten Jahre wurde bereits vieles erreicht. Wir haben immer auf drei Bereiche fokussiert: erstens auf die finanzielle Unterstützung – da geht es darum, auch direkte finanzielle Mittel wie die Familienbeihilfe oder das Kinderbetreuungsgeld zur Verfügung zu stellen –, zweitens auf rechtliche Maßnahmen, die wir setzen, und drittens – und das ist ja auch der Bereich, auf den das Frauenvolksbegehren abzielt – auf infrastrukturelle Maßnahmen.

Ich möchte jetzt auf die Infrastruktur fokussieren, denn wie Sie wissen, hat ja gerade im letzten Jahr auf Initiative der Frau Bundesministerin eine neue 15a-Vereinbarung abgeschlossen werden können, die genau dies zum Ziel hat. Wir werden jährlich 142,5 Millionen Euro in die Hand nehmen, um den Ländern und Gemeinden, die – und das muss an dieser Stelle nochmals betont werden – für Kinderbildung und -betreuung verantwortlich sind, durch den Bund eine Anschubfinanzierung mit Zweckwidmung zu bieten, weil uns dieser Bereich so wichtig ist. Wir haben, und das haben wir heute schon gehört, alleine in den letzten zehn Jahren 70 000 neue Betreuungsplätze schaffen können. Die neue Vereinbarung hat genau das zum Ziel – vielfach Ziele, die auch das Frauenvolksbegehren möchte –, nämlich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, vor allem wenn es darum geht, Betreuungsplätze für unter Dreijährige auszubauen, die Flexibilisierung und Erweiterung von Öffnungszeiten umzusetzen und natürlich auch Impulse für die Qualitätsverbesserung zu setzen, sei es jetzt im Bereich des Betreuungsschlüssels oder sei es in der Qualifizierung von Fachpersonal.

Zu den drei konkreten Forderungen, die hier genannt sind, zunächst zum Rechtsanspruch: Es ist ganz wesentlich, einen Blick darauf zu richten, ob ein Rechtsanspruch auch auf Basis der gesetzten Ausbildungs- und Ausbauinitiativen möglich ist. Haben wir ausreichend Kinderbetreuungsplätze? Wie ist die Versorgungslage? – Hierzu zwei Zahlen: Derzeit haben wir bei den unter Dreijährigen eine Versorgungslage von 28,6 Prozent. Bei den Drei- bis Sechsjährigen werden bereits fast 95 Prozent aller Kinder außerfamiliär betreut. Natürlich ist richtig, dass es regionale Unterschiede gibt – das war heute in der Diskussion auch schon vielfach Thema –, aber ich denke, dass wir im bundesweiten Schnitt schon sehr gut liegen.

Vergessen darf man natürlich auch nicht, und das sehen wir ganz klar an den Zahlen, dass gerade im ersten Lebensjahr die familiäre Betreuung gesellschaftlicher Konsens ist, denn da liegt die Betreuungsquote noch bei weniger als 3 Prozent.

Um herauszustreichen, dass wir gerade im Bereich der Elementarpädagogik schon sehr gut aufgestellt sind, muss man sich sicherlich auch den Bereich der schulischen Betreuung ansehen, wo zum Beispiel nur 40 Prozent aller Sechs- bis Zehnjährigen auch am Nachmittag entsprechend betreut werden. Sie sehen an diesen Zahlen sehr deutlich, dass wir in der Elementarpädagogik sehr gut aufgestellt sind.

Der zweiter Bereich ist jener der Öffnungszeiten beziehungsweise der Möglichkeit, Kinderbetreuung auch mit einer Vollzeiterwerbstätigkeit von Eltern zu vereinbaren. Wir haben natürlich den Fokus auf VIF-konforme, das heißt mindestens 45 Wochenstunden und mindestens 47 Wochen pro Jahr geöffnete Kinderbetreuungseinrichtungen gelegt. Bei den unter Dreijährigen können wir bereits 60 Prozent aller Kinderbildungs- und ‑betreuungseinrichtungen VIF-konform anbieten, bei den Drei- bis Sechsjährigen 43,6 Prozent.

Ja, auch da gibt es regionale Unterschiede, aber gerade wenn wir den Blick auf die aktuelle Kindertagesheimstatistik des letzten Jahres richten, sehen wir eines schon sehr klar: Die Statistik Austria definiert einen ganztägigen Kinderbetreuungsplatz als einen, der mindestens sechs Stunden geöffnet ist. Danach haben neun von zehn Kindertageseinrichtungen bereits ganztägig geöffnet.

Ich darf einen Schlusssatz zum Bereich Qualitätsstandards sagen, weil das die dritte Forderung ist: Ja, das ist uns ganz wichtig, und wie ich schon einleitend erwähnt habe, haben wir dazu in der neuen 15a-Vereinbarung auch zentrale Maßnahmen verankert. – Herzlichen Dank.

Mag. Ingrid Moritz: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wir haben einleitend schon mehrfach gehört, dass sehr viele Frauen Teilzeit arbeiten. Es war auch die Rede davon, ob sie freiwillig Teilzeit arbeiten oder nicht. Wir haben die Situation, dass 38 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen aufgrund der Kinderbetreuung einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen. Bei den Männern sind es 4 Prozent.

Die Frage der Freiwilligkeit muss man stets vor dem Hintergrund sehen, dass die Frauen, wenn sie gefragt werden, das so angeben, weil sie natürlich die Rahmenbedingungen schon von vornherein mit bedenken. Entscheidende Faktoren sind, wie wir gerade gehört haben, die Kinderbetreuung, die Frage, wie die Schule ausschaut, und damit verbunden etwa auch das Lernen mit Kindern. Ein Faktor ist natürlich auch, wie es mit Pflegeangeboten ausschaut.

Wir haben im Bereich der Kinderbetreuung, obwohl in den letzten Jahren einiges geschehen ist, noch immer sehr große Lücken. Wir haben es gehört: Es fehlt an Angeboten in der Kleinkindbetreuung, wir haben große Probleme bei den Öffnungszeiten, auch mit Ganztagesplätzen gemäß den VIF-Kriterien. Wir haben gehört, dass die Statistik Austria bei sechs Stunden Öffnungszeit von ganztägig spricht. Das geht sich mit der 30-Stunden-Woche des Frauenvolksbegehren aus, aber ansonsten ist das mit einer Ganztagsbeschäftigung nicht vereinbar.

Wir haben im Vergleich zu anderen EU-Staaten deutlich weniger Geldmittel für Kinderbetreuung ausgegeben. Die EU gibt im Schnitt 1 Prozent des BIP für Kinderbetreuung aus, und in Österreich sind es 0,67 Prozent. In Zahlen ausgedrückt sind das 2,5 Milliarden Euro, die Österreich ausgibt. Würde man den EU-Schnitt erreichen wollen, so müssten jährlich 1,2 Milliarden Euro mehr ausgegeben werden. Damit ließe sich das Angebot bei den Öffnungszeiten verbessern, die Kleinkindbetreuung und natürlich auch die Qualität, die ein ganz zentraler Punkt ist, denn es geht ja nicht nur darum, dass die Kinder irgendwo aufbewahrt oder betreut werden, sondern es geht auch um die Qualität, dass also durch einen besseren Betreuungsschlüssel mehr Zeit für die Kinder zur Verfügung steht, dass die Ausbildung einheitlich und von hoher Qualität ist. Ich bin überzeugt davon, dass das auch gut investiertes Geld wäre.

Wir, AK und ÖGB, haben eine Online-Befragung von Eltern durchgeführt, bei der österreichweit 3 500 Eltern geantwortet haben. 1 000 Eltern haben uns noch alles Mögliche dazugeschrieben, was wir jetzt in einem nächsten Schritt noch auswerten werden. Das verdeutlicht, wie sehr dieses Problem drückt.

Abschließend möchte ich sagen: Wahlfreiheit braucht Rechte. Es braucht das Recht auf Kinderbetreuung, es braucht einen Anspruch. Es braucht ein Recht auf ganztägige Schulen, es braucht auch ein Recht auf partnerschaftliche Teilung – Stichwort Papamonat –, wie wir schon gehört haben.

Einen letzten Punkt zur Arbeitsmarktpolitik möchte ich noch anführen. Die Zielvorgaben von Bundesministerin Hartinger-Klein in der Arbeitsmarktpolitik sehen vor, dass es für Frauen Wahlfreiheit geben soll, ob sie das Kind zu Hause betreuen oder arbeiten gehen. Das ist eine Trendumkehr in der Arbeitsmarktpolitik. Bisher war der Tenor immer – und ich war lange im AMS-Verwaltungsrat tätig –, dass man versucht hat, die Frauen sehr frühzeitig zu erreichen, zu motivieren und auch auf die Folgen für die Pension aufmerksam zu machen.

Wenn jetzt angesichts hoher Arbeitslosigkeit der Tenor Wahlfreiheit ist, dann wird jede Frau, die es nicht unbedingt will, ermuntert werden, zu Hause zu bleiben, und das wäre fatal. – Danke.

Monika Mühlwerth: Sehr geehrte Frau Minister! Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verstehe an der Debatte nicht – das muss ich schon sagen, auch anknüpfend an meine Vorrednerin –, was die Katastrophe sein soll, wenn eine Mutter sagt, dass sie für eine Zeit zu Hause bei ihren Kindern bleiben möchte.

Wir wissen aus einer Monitoringstudie noch unter Familienminister Mitterlehner, dass sich die Mehrzahl sowohl der Burschen als auch der Mädchen – es wurden 16- bis 24-Jährige befragt – gewünscht hat, bis zum dritten Lebensjahr des Kindes zu Hause bleiben zu können. Dann folgt selbstverständlich der Kindergarten, das erklärt ja auch die Zahlen, dann will man Teilzeit arbeiten und später auf Vollzeit umsteigen.

Dass das nicht immer ganz einfach ist, das weiß ich schon auch. Ich weiß, dass es natürlich auch Firmen gibt, in denen es den Zwang gibt, bei der Teilzeit zu bleiben, in denen man nicht auf Vollzeit umsteigen kann. Was ich aber nicht möchte, ist, dass wir davon ausgehen, dass es eine Katastrophe ist, wenn die Frauen nicht sofort wieder in den Beruf einsteigen.

Ich verweise noch einmal darauf, dass wir heute hier fünf Themenblöcke abgearbeitet haben, die alle zusammenhängen. Es muss nach Anschauung der Freiheitlichen möglich sein, auch wenn man eine gewisse Zeit zu Hause geblieben ist, um die Kinder aufwachsen zu sehen – was gibt es Schöneres? –, dann aber sehr wohl auch Karriere zu machen. Da teile ich die Auffassung all jener, die sagen, dass das bei uns leider sehr schwierig ist. Es gibt Länder, die uns das schon besser vormachen und von denen wir noch lernen könnten. Das wäre etwas, wo ich ansetzen würde.

Ich mache die Unterscheidung gute Mütter und schlechte Mütter – gute Mütter bleiben zu Hause, schlechte Mütter gehen arbeiten – nicht, sondern wir Freiheitlichen haben immer der Wahlfreiheit das Wort geredet und haben gesagt: Jede Familie, jede Frau soll sich entscheiden können, ihr eigenes Lebensmodell leben können, wie sie es möchte, und daran halten wir auch weiterhin fest.

Univ.-Prof. Dr. Martin Halla: Ich kann die Forderung nach einem flächendeckenden, relativ hochwertigen Betreuungsangebot – unabhängig vom Erwerbsstatus – nur zu 100 Prozent unterstützen, und ich bin davon überzeugt, dass es nur zur Gleichstellung von Mann und Frau beitragen kann.

Ich könnte mich jetzt wieder hinsetzen, ich verwende aber noch 1 Minute, um eine Ergänzung zu machen. Ich würde es vorziehen, die Diskussion unter der Prämisse zu führen, dass im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung das Kind im Vordergrund steht, und es so formulieren, dass wir die Kindesentwicklung bestmöglich fördern möchten und die Wahlfreiheit der Eltern als zweitrangig betrachten. Ich glaube, dass diese beiden Ziele meist komplementär sind.

Wie komme ich zu dem Schluss? Quer durch alle Disziplinen – Sozialwissenschaften, Medizin – wird aufgezeigt, dass die kognitive und emotionale Entwicklung des Kindes ganz entscheidend in den ersten Lebensjahren, ganz konkret in den ersten drei Jahren, mitbestimmt wird. Die Ertragsraten von Investitionen in den ersten drei Jahren sind ungemein hoch.

Wenn wir jetzt den Eltern die freie Wahl lassen und die Kinder werden nicht in den Kindergarten oder in die Kinderkrippe geschickt, dann, glaube ich, nehmen wir den Kindern eine große Möglichkeit, sich zu entwickeln. Ich glaube, dass alle Kinder dort große soziale Fähigkeiten lernen können.

Dann gibt es einen Aspekt, der etwas heikler zu diskutieren ist, aber es zeigt sich ganz klar aus den wissenschaftlichen Ergebnissen, dass Kinder aus sozioökonomisch schlechtergestellten Haushalten überproportional stark von dem Besuch von Kinderkrippen und Kindergärten, auch schon in einem sehr jungen Alter, profitieren. Ich möchte da nur die Fälle ansprechen, in denen Deutsch nicht Muttersprache ist, und so weiter.

Völlige Unterstützung also auch meinerseits – aber ich möchte doch eher das Kindeswohl in den Vordergrund rücken, und da muss man über die vollkommene Wahlfreiheit noch einmal nachdenken.

Monika Els: Ich berichte jetzt als Betroffene. Ich wurde eingeladen, als Mutter zu sprechen. Vielen Dank auch, dass Kinderbetreuung für meinen Sohn organisiert wurde.

Kurz zu mir: Vor der Geburt meines Sohnes habe ich studiert und viele Jahre gearbeitet. Ich war ab 2010 in einem Unternehmen tätig, in das ich sehr viel eingebracht habe und in dem ich mich sehr wohlgefühlt habe. Ich bin dann schwanger geworden – es war keine geplante Schwangerschaft und der Vater hat sich zurückgezogen. Das heißt, als Alleinerziehende mit einem Sohn bin ich eigentlich eine Repräsentantin von vielen Themen, die hier besprochen wurden.

Ich habe in meiner Karenzzeit dann mit meiner Chefin Kontakt aufgenommen, um einen Wiedereinstieg zu planen, und mich vorher bei der Arbeiterkammer informiert, was meine Rechte sind. Ich habe mich kompromissbereit gezeigt, habe Gespräche gesucht, um es so zu machen, dass es für mich möglich ist, dass ich meinen Sohn gut betreuen kann. Es sei dazugesagt, dass ich Sozialpädagogin bin und im Schichtdienst arbeite. Das heißt, ich habe früher auch Nachdienste gemacht. Das alles war natürlich jetzt nicht mehr möglich. Was dazukam war, dass mir von dem Unternehmen einfach ständig gesagt wurde: Es ist so schwierig!

Da bin ich nun Mutter und werde nur noch als schwierig bezeichnet. Das war natürlich sehr frustrierend, weil ich wirklich sehr, sehr viel in dieses Unternehmen eingebracht habe und gegeben habe. Noch dazu arbeiten wir mit Kindern und Jugendlichen, und dann ist man selbst Mutter und hat ein Kind zu Hause, und man wird in diesem Unternehmen nicht mehr geschätzt. Da gab es meinerseits eine ziemliche Betroffenheit. Ich habe trotzdem Wege gesucht.

Natürlich mussten sie mich zurücknehmen, das war klar, das wollten sie auch – nur schlussendlich in eine andere Position, die für mich nicht annehmbar war, das heißt, in eine Gruppe, in der die Hälfte der Betreuer im Burn-out war, die Kinder total aktiv, sodass ich sagte – jetzt als Jungmutter –: Das ist nicht der Wiedereinstieg, den ich mir vorstelle. Mein Verdacht – aber das ist mein Verdacht – war auch, dass es ein bisschen geplant war.

Gut, wie auch immer, ich habe gekündigt, bin jetzt Arbeit suchend, habe um einen Kindergartenplatz angesucht. Dort wird mir vermittelt, ich habe keinen Anspruch: Wenn ich eh arbeitslos bin, kann ich ja für das Kind da sein. Gut, da beißt sich die Katze in den Schwanz. Wie soll ich arbeiten gehen, wenn ich keine Kinderbetreuung habe?

Mein wichtiger Punkt ist: Ich finde, Unternehmen gehören einerseits geschult: Wie geht man mit Jungmüttern um? Wie nimmt man sie zurück ins Unternehmen? Zweitens, finde ich, sollten Unternehmen auf jeden Fall politisch unterstützt werden, sodass es attraktiv ist, Jungmütter einzustellen, weil wir eine Ressource sind. Wir arbeiten zehn Jahre in einem Unternehmen, wir sind eine Unterstützung, und nur weil wir ein Kind haben, sind wir nichts mehr wert? Da gehört meiner Meinung nach ganz viel Aufklärungsarbeit getan und gehören die Unternehmen auch politisch und finanziell unterstützt – vor allem im Sozialbereich, dass da dann eine zweite Person, wie auch immer, da ist.

Was den Kindergarten betrifft: Es braucht natürlich auch mehr Modelle, also nicht nur bis 17 Uhr, weil es auch Leute so wie mich gibt, die in der Nacht oder an Wochenenden oder wie auch immer arbeiten – auch diesbezüglich gehört das erweitert.

Noch ganz kurz: Ich bekomme nichts vom Familienbonus. Ich bin meist um etwa 50 Euro oder so über den Grenzen, sodass ich etwa keine Essenszuschüsse für den Kindergarten bekomme. Trotzdem bin ich alleine und die Wohnungskosten liegen bei 900 Euro für eine Dreizimmerwohnung, und wenn man dann keine Zuschüsse bekommt – ja, also von all dem haben Leute wie ich nichts.

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Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vorsitzende, Frau Minister, geschätzte Damen und Herren! Wir sind beim Themenbereich Wahlfreiheit ermöglichen. Ich glaube, es ist der Themenblock, der uns eigentlich alle eint. Wahlfreiheit wird von uns allen betont, mit unterschiedlichen Ausprägungen, die einen vielleicht in die Richtung, die anderen mehr in die andere Richtung. Für uns ist klar, die Wahlfreiheit ist ein wichtiges, hohes Gut. Für uns steht auf der einen Seite natürlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Mittelpunkt. Deswegen haben wir auch in der 15a-Vereinbarung, wie bereits ausgeführt wurde, entsprechende Maßnahmen gesetzt, und die Situation ist ja durchaus herzeigbar: Wir haben bei den bis Vierjährigen eine Betreuungsquote von doch schon 96 Prozent und bei den Fünfjährigen eine Betreuungsquote von 98 Prozent. Bei den Zwei- bis Dreijährigen sind es doch auch schon 51 Prozent. Lediglich bei den Null- bis Einjährigen liegt die Betreuungsquote erst bei unter 3 Prozent, das entspricht aber wahrscheinlich auch den Wünschen der Eltern.

Natürlich ist aber auch die Wahlfreiheit nicht nur in diese Richtung zu betonen, sondern ist eben auch anzuerkennen, dass es viele Eltern – und ich sage bewusst Eltern, nicht nur Frauen, obwohl es überwiegend Frauen sind – gibt, die sich für Erziehungsarbeit zu Hause entscheiden. Da glaube ich schon, dass der Familienbonus natürlich hilft, möchte aber auch eines klarstellen: Der Familienbonus war niemals als ein Instrument der Sozialpolitik gedacht, sondern es war eine steuerliche Entlastung all jener, die Lohn- und Einkommensteuer bezahlen. Wir haben trotzdem diesen Sockel von 250 Euro unten gemacht – selbstverständlich –, aber es war eine Entlastung des Mittelstandes, der bei all den Steuerreformen davor praktisch die Entlastungen getragen hat. Es war auch eine Punktlandung: Das sagt auch das Wifo sehr klar, dass wir diesen Mittelstand sehr genau getroffen haben. Deswegen sage ich auch: Wir stehen sehr deutlich zu diesem Familienbonus Plus, auch dazu, wie er umgesetzt wurde.

Wichtig ist uns allerdings auch, dass wir für Frauen, die zu Hause bleiben, auch entsprechende Maßnahmen setzen, damit das Stolpern in die Armutsfalle nicht stattfindet. Da wird diskutiert und da werden wir auch sicherlich einige Schritte weiterkommen. – Danke.

Abgeordnete Birgit Silvia Sandler (SPÖ): Werte Vorsitzende, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe meinem Vorredner recht, dass wir uns über die Wahlfreiheit ganz sicher einig sind. Ich glaube aber, dass wirkliche Wahlfreiheit nur dann passieren kann, wenn die Ressourcen auch da sind, und wie Frau Els ausgeführt hat, sind die Ressourcen in den unterschiedlichen Regionen unterschiedlich aufgestellt. Die Mütter und Väter – und ich schließe die Väter bei der Kindererziehung nicht aus – brauchen aber unterschiedliche Dinge. Das hängt von den Firmen ab, die es dort in der Gegend gibt, das hängt von den unterschiedlichsten Faktoren ab, und auf die sollte man eingehen.

Mir ist es wichtig, dass wir diese Wahlfreiheit haben – und Wahlfreiheit heißt nicht, dass man verpflichtet wird, die Kinder in eine Kinderbetreuungseinrichtung zu geben, sondern dass, wenn man es möchte oder auch wenn man es aus irgendeinem Grund eben muss, die Möglichkeit dazu besteht. Daher unterstützen wir diesen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, den man ja dann als Mutter oder als Vater nicht in Anspruch nehmen muss, aber dazu gehört – auch das wissen wir als Politiker und Politikerinnen gut genug –, dass wir unsere Gemeinden und unsere Länder dahin gehend unterstützen, weil die Gemeinden es alleine nicht schaffen werden. – Danke.

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Ich habe mir das ebenfalls angesehen, und ich muss jetzt auch die Ausführungen meiner Kollegin Monika Mühlwerth unterstreichen. Wir wollen Wahlfreiheit, und wir sind immer für Wahlfreiheit gestanden. Dieser Rechtsanspruch bis zum 14. Lebensjahr, den Sie hier fordern – ich habe es bereits in der ersten Lesung gesagt –, geht mir viel zu weit. Bitte korrigieren Sie mich, wenn ich das falsch verstanden habe: Sie fordern einen Rechtsanspruch ab der achten Woche – das heißt nach dem Mutterschutz.

Des Weiteren finde ich es absolut richtig, auf das Kindeswohl zu setzen, aber Kinder sind auch verschieden. Ich habe selbst drei Kinder, ich habe jetzt einen Enkelsohn. Meine Kinder hätten es nicht geschafft, mit einem Jahr ganztägig in eine Kinderbetreuungseinrichtung zu gehen. Sie haben sich zu Hause wohler gefühlt. Mit zweieinhalb Jahren war das kein Problem mehr, aber mit einem Jahr ging es noch nicht. Wenn man schon den Fokus auf das Kindeswohl setzt, dann müssen Eltern auch so weit sein, auf die Kinder einzugehen – und das ist es, was ich unter Wahlfreiheit verstehe.

Deshalb denke ich auch, dass dieses Berndorfer Modell, das der Bürgermeister von Berndorf kreiert hat, ebenfalls eine Möglichkeit ist. Auch Kollege Sieber hat angesprochen, dass es für die Gemeinden schwierig ist, entsprechende Kinderbetreuungseinrichtungen mit allen Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung zu stellen: Ich denke jetzt an meine Nachbargemeinde in Tirol, an Kundel; die Kinderbetreuungseinrichtung, das ist eine Krabbelstube, hat jetzt 30 Müttern eine Absage erteilt – sie können sie nicht aufnehmen. Das ist eine sozialdemokratisch geführte Gemeinde, möchte ich nur dazusagen. Sie haben 30 Absagen an Mütter geschrieben, weil sie die Plätze nicht haben. In diesem Fall sollte man weiterdenken, über den Tellerrand blicken und – das war der Satz des Tages – an die Kinder und an das Kindeswohl denken.

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Ich finde es toll, dass ich zu genau jetzt am Wort bin. Ich kann Ihnen das gerne auch aus meiner Sicht erklären, Kollegin Schimanek: Solange es keine Wahl gibt, gibt es keine Wahlfreiheit. Und eine Wahl gibt es nur dann, wenn das Angebot besteht, das heißt, wenn man sich entscheiden kann, ob man ein Kind in Betreuung gibt oder nicht. Wenn man das nicht kann, weil das Angebot nicht da ist, ist man weder frei dazu, die Wahl zu treffen, noch hat man eine Wahl.

Das, was Sie sagen, dass die Gemeinden das Angebot nicht schaffen können, ist jedoch ausschließlich ein Argument für einen aufgabenorientierten Finanzausgleich und nichts anderes. Da geht es darum, dass man die Finanzierung dafür bereitstellt. Wenn das ein Problem ist, dann erwarte ich mir von Ihnen in der Bundesregierung, dass Sie sagen: Hier, Geld – bitte macht das damit. Das ist das Einzige, was dazu führt, dass diese Plätze garantiert werden.

Was auch wichtig ist, sind Qualitätsstandards. Es geht nicht nur um einen quantitativen, sondern auch um ein qualitativen Ausbau. Da geht es eben darum, dass man, wenn die Kinder in Betreuung sind, möglichst auch das Beste dabei herausholen kann. Deshalb finde ich diese Forderungen auch so wichtig.

Mich würde deshalb von den Expertinnen und Experten und auch von Herrn Halla interessieren, wie noch andere Dinge, etwa das Kinderbetreuungsgeld oder Karenzregelungen, hineinspielen, was die Erwerbstätigkeit von Frauen betrifft.

Man kann ja auch erwähnen: Es gibt zum Beispiel in Vorarlberg auch Lösungen wie den Familienzuschuss außerhalb des Rückkehrrechts, das innerhalb der Karenz besteht, den ich für brandgefährlich halte – ja, Kollege Sieber, Sie sind da anderer Meinung. Ich halte das wirklich für sehr gefährlich, weil man Geld in die Hand nimmt, um Frauen im Endeffekt ein Incentive dafür zu geben, sich aus diesem Schutz herauszubewegen, und es ihnen dadurch umso schwieriger macht, den Wiedereinstieg in den Beruf zu ermöglichen. Darum geht es hier. Deshalb bin ich auch dafür, dass wir unbedingt auch diese anderen Punkte, die die Problematik mit beeinflussen, betrachten, und zum Beispiel den Familienzuschuss in Vorarlberg abschaffen.

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Liebe Kolleginnen und Kollegen der FPÖ! Mich erstaunt es schon, wenn wir eine Expertin – Monika Els – hier haben, die selbst betroffen ist, und, als sie am Wort war, null Aufmerksamkeit von Ihrer Seite da war. Das erschreckt mich schon. Ich würde mir da wirklich Aufmerksamkeit wünschen.

Nun zur Diskussion selbst: Was man bei der Diskussion um Kinderbetreuung und Kinderbetreuungsplätze auch nicht vergessen darf, sind die Ferien. Schulkinder haben hierzulande beispielsweise 13 bis 14 Wochen Ferien, und Eltern haben nur fünf Wochen Urlaub. Wir haben es in der Praxis gesehen und auch der Rechnungshofbericht, der im Jänner 2018 herausgekommen ist, besagt, dass es gerade in der Sekundarstufe 1 diesbezüglich große Probleme gibt und nicht die Betreuung, die es brauchen würde.

Wir haben dazu auch schon Anträge eingebracht, es existiert auf jeden Fall Bedarf – natürlich rund um die Uhr und das ganze Jahr hindurch, aber in den Ferienzeiten ist es dann teilweise noch extremer, weil sich viele Eltern und Mütter und Väter die Frage stellen, wer die Kinder betreut.

Das Zweite – auch hierauf muss man Augenmerk legen – sind die Öffnungszeiten der Kindergärten. In Tirol haben wir zum Beispiel 34 Schließtage. Das bedeutet, dass sich betroffene Eltern – wir haben heute gehört, auch alleinerziehende Mütter – an 34 Tagen die Frage stellen müssen: Was tue ich? Wenn nicht die Familie als Support da ist – es kann verschiedenste Gründe geben – oder die finanziellen Mittel fehlen, ist das eine Herausforderung.

Ich bin davon überzeugt, dass wir auf politischer Ebene die richtigen Schritte setzen müssen, und das Frauenvolksbegehren hat diesbezüglich Forderungen zu Papier gebracht, die wir auf jeden Fall unterstützen.

*****

Mag. Ingrid Moritz: Aufgabenorientierter Finanzausgleich ist tatsächlich auch ein ganz wichtiger Punkt. Wir sehen, die Anstoßfinanzierung des Bundes für den Ausbau der Kinderbetreuung ist wichtig, und im Anschluss sind die Gemeinden gefordert, diese ausgebauten Plätze in laufende Investitionen, in laufende Kosten zu übertragen. Da spießt es sich. Damit das in sich rund werden kann, braucht es auch diesen aufgabenorientierter Finanzausgleich, dass nämlich jene Gemeinden, die mehr investieren, auch mehr Rückflüsse aus dem Finanzausgleich bekommen müssten. Das wäre sozusagen der wichtige Ansatzpunkt, von dem sich die Regierung zu diesem Zeitpunkt leider verabschiedet hat.

Das Berndorfer Modell als Wahlfreiheit zu propagieren – ich sehe das ebenfalls so: Wahlfreiheit heißt, man muss auch Ansprüche haben, man muss wählen können – erachte ich insofern als Problem, als die Frauen da mit wenig Geld abgespeist werden. Zu Ende gedacht, würde eine tatsächliche Wahlfreiheit heißen, den Verdienstentgang zu erhalten, wenn man keine Kinderbetreuung bekommt; das wäre dann sicher mehr als im Berndorfer Modell, das ist dann wohl nicht mehr finanzierbar.

Zur Frage des Zusammenhangs zwischen Kinderbetreuungsgeld und seiner Wirkung auf Erwerbstätigkeit: Wir machen alle zwei Jahre das Wiedereinstiegsmonitoring – es ist auch der Frau Frauenministerin zu verdanken, dass wir zu diesen Daten kommen – und sehen hier den Zusammenhang, dass jene, die das kürzere Modell nehmen, früher einsteigen, aber auch wieder höhere Einkommen erzielen, und dass lange Unterbrechungen sich auch in weiteren Nachteilen am Arbeitsmarkt fortsetzen.

Univ.-Prof. Dr. Martin Halla: Die Frage war, wie sich lange Karenzdauern auf die darauffolgende Situation der Frau am Arbeitsmarkt auswirken. Ich sage jetzt, die Beispiele und die Reform, auf die ich mich beziehe, waren in den Neunzigern, und da waren die Väter de facto nicht in Karenz. Diese Reform ist in der wissenschaftlichen Literatur sehr gut evaluiert. Da ging es um eine Verlängerung von einem auf zwei Jahre, und es gab die große Befürchtung, dass die Verlängerung dazu führt, dass die Frauen nachher weniger wahrscheinlich auf den Arbeitsmarkt zurückkehren. Das Gegenteil ist der Fall. In den meisten Gruppen gab es keine Veränderung, manche haben dann sogar eher Vollzeit gearbeitet.

Warum ist das so? – Die Frauen entschieden sich in dem alten Regime nach einem Jahr, einfach den Arbeitsmarkt zu verlassen, weil sie kein zweites Jahr Karenz als Möglichkeit hatten. Die anderen Frauen blieben dann zwei Jahre zu Hause und hatten die Rückkehrmöglichkeit zum Job, und das hat dann eigentlich ihre Karriere verfestigt. Die Effekte waren nicht dramatisch, aber der gegenteilige Effekt, dass das zu einer Reduktion führt, war nicht vorhanden.

Andrea Hladky: Nur ganz kurz zu Frau Schimanek: Das wäre ja toll, wenn wir uns auf das erste Lebensjahr einigen könnten, wenn Ihnen der Rechtsanspruch nach der ersten Woche zu früh ist. Dann könnte der Text genau so bleiben, wie wir ihn hatten, und es wird einfach nur die Formulierung auf das erste Lebensjahr geändert. Wenn es nur darum geht, wenn Sie das so sehen, dann wäre das eine schöne Einigung, so am Ende.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es ganz wichtig ist, dass alle Eltern wählen können sollen, und dass es für uns keine Katastrophe ist, wenn eine Mutter zu Hause bleibt, wie vorher unterstellt wurde. Da wäre ich ja schizophren, weil ich das bei jedem Kind selber vier Jahre gemacht habe. Es soll bitte jeder so machen, wie er möchte. Wir werten nicht, ob eine Frau zu Hause bleibt oder nicht. Das wäre, glaube ich, im Sinne von uns allen, dass das endlich aufhört: Mütter danach zu bewerten, wie lange sie zu Hause bleiben und wann sie wieder zu arbeiten beginnen. Bei Vätern tut man es nämlich auch nicht.

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Das mit dem nicht Bewerten wäre jetzt so ein schöner Abschlusssatz gewesen. Da kann ich mich nur anschließen: Ich versuche auch, nicht zu werten.

Ich möchte das, was Herr Professor Halla gesagt hat, mit der Kleven-Studie noch einmal verstärken. Die zeigt ja auch ganz eindeutig, dass es nicht relevant ist, ob man ein, zwei oder drei Jahre zu Hause bleibt, sondern dass es nur relevant ist, wie viel man dann wieder arbeiten geht. Dementsprechend fällt dann einfach der Gender Pay Gap aus.

Aber um auf die Betreuung zurückzukommen: Wir investieren genau deshalb in Kinderbetreuungsplätze, damit es diese Wahlfreiheit gibt, damit man überhaupt eine Wahl hat, damit so etwas wie bei Frau Els nicht passiert, dass sie keinen Platz bekommt.

Ich habe aber in die 15a-Vereinbarung schon noch einige Punkte hineinnehmen lassen: erstens einmal den Ausbau für unter Dreijährige, weil wir da in Österreich schlecht aufgestellt sind. Das zeigen uns die Zahlen, wobei: Bei Zwei- bis Dreijährigen haben wir jetzt schon über 50 Prozent. Wenn man das noch einmal in Ein- bis Zwei- und Zwei- bis Dreijährige unterteilt, sieht man, dass die Zwei- bis Dreijährigen auch schon ganz gut aufgestellt.

Die Frage ist genau die Geschichte mit dem Rechtsanspruch. Deutschland hat den Rechtsanspruch gemacht und hat die Plätze nicht. Was hilft mir der Rechtsanspruch, wenn ich keinen Platz habe? Unser Ansinnen ist, jetzt einmal so viele Plätze wie möglich zu machen. Deswegen habe ich auch bei der 15a-Vereinbarung wirklich gut hingeschaut und gesagt, sie müssen in den Ausbau, dann in die Deutschförderung und auch in Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität, also in die Betreuungsschlüssel, investieren. Das Geld darf nicht mehr für Verschönerungsmaßnahmen des Kindergartens verwendet werden. Dafür sind nämlich in den letzten vier Jahren circa 30 Prozent des Geldes abgezogen worden.

Ich habe auch hineinschreiben lassen, dass ich Wert darauf lege, die Plätze, wenn sie nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen, bevorzugt jenen Eltern zu geben, die arbeiten, weil es inzwischen Bundesländer gibt, die nicht mehr differenzieren. Da gibt es ein Kinderstipendium und first come, first served. Das finde ich zwar von der Idee her nett, aber wenn die Plätze nicht da sind, ist es einfach nicht kompatibel.

Deswegen ist es natürlich wichtig, dass wir das machen, aber – es wurde schon von meiner Sektionschefin erwähnt –: Wir sind bei Drei- bis Sechsjährigen gut aufgestellt. Ich glaube, da könnten wir von einem Rechtsanspruch reden. Was unter Dreijährige angeht sind wir noch ein Stück weit davon entfernt. Dann ist die Frage: Was machen wir bei über Sechsjährigen, in der Volksschule? Mit 40 Prozent sind wir nämlich auch weit davon entfernt. Da geht es einfach darum, dass wir uns committen und sagen: Wir brauchen diese Plätze, und wir machen sie auch.

70 000 Plätze haben wir in den letzten zehn Jahren geschaffen. Wir bräuchten noch 7 000 Plätze für unter Dreijährige für das Barcelonaziel, aber wir hätten auch die Pädagogen und Pädagoginnen nicht von heute auf morgen, um in der Elementarpädagogik überhaupt eine qualitativ hochwertige Betreuung anbieten zu können. Wenn wir so, wie wir es in den letzten zehn Jahren aufgebaut haben, und in diesem Tempo weitermachen, dann sind wir, glaube ich, gut aufgestellt.

Obfrau Gabriele Heinisch-Hosek betont abschließend, dass die Anwesenden einen vierstündigen Überblick über unterschiedlichste Standpunkte zu den ersten fünf Themenbereichen des Frauenvolksbegehrens erhalten konnten, und bedankt sich bei allen Mitwirkenden ebenso wie bei den Zuschauerinnen und Zuschauern.

Die Obfrau schließt die Debatte, bringt den Antrag vor, die Verhandlungen vereinbarungsgemäß zu vertagen – dieser wird einstimmig angenommen und erklärt die Sitzung für geschlossen.

Schluss der Sitzung: 15.07 Uhr