Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Am 11. Oktober 2012 wurde das Übereinkommen zwischen der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, Ungarn und der Republik Österreich über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Verfolgung von die Straßenverkehrssicherheit gefährdenden Verkehrsdelikten unterzeichnet (im Folgenden: „CBE-Übereinkommen“).

Gemäß Art. 8 des CBE-Übereinkommens war für die verwaltungsmäßige und technische Umsetzung der Zusammenarbeit ein Durchführungsübereinkommen abzuschließen. Am 5. Mai 2015 wurde das Administrative und Technische Durchführungsübereinkommen zum Übereinkommen zwischen der Republik Bulgarien,

der Republik Kroatien, Ungarn und der Republik Österreich über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Verfolgung von die Straßenverkehrssicherheit gefährdenden Verkehrsdelikten (im Folgenden: „Durchführungsübereinkommen“) unterzeichnet.

Das Durchführungsübereinkommen zum CBE-Übereinkommen hat gesetzesändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Durchführungsübereinkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieses Durchführungsübereinkommen durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Durchführungsübereinkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Das CBE-Übereinkommen umfasst den zwischenstaatlichen elektronischen Amts- und Rechtshilfeverkehr im Straf- und Vollstreckungsverfahren bei Verkehrsdelikten auf Basis interoperabler elektronischer Mittel (zwischenstaatlich im Wege einer eigenen EUCARIS-Applikation und über nationale Kontaktstellen, innerstaatlich über eine nationale Web-Applikation) und baut inhaltlich auf dem elektronischen Kfz-Halterdatenaustausch gemäß der Richtlinie 2015/413/EU (vormals RL 2011/82/EU) zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Austauschs von Informationen über die Straßenverkehrssicherheit gefährdende Verkehrsdelikte (im Folgenden: „CBE-Richtlinie) auf.

Die Zusammenarbeit gemäß CBE-Übereinkommen umfasst vier Amtshilfemaßnahmen:

1.      (Ersuchen um) behördliche Lenkerausforschung (Art. 4)

2.      (Ersuchen um) behördliche Zustellung von amtlichen Schriftstücken (Art. 5)

3.      (Ersuchen um) behördliche Ermittlung der aktuellen Zustelladresse (Art. 5 Abs. 4)

4.      (Ersuchen um) Vollstreckung der Verkehrsstrafe im Zulassungs- bzw. Aufenthaltsstaat (= Vollstreckungsstaat; Art. 6)

Die genannten Amtshilfemaßnahmen sind anzuwenden, wenn die Behörde des Deliktsstaates den direkten Kontakt mit dem Betroffenen bzw. Beschuldigten nicht herstellen konnte bzw. dieser nicht zum Erfolg (Bezahlung der Strafe bzw. Aufklärung des wahren Sachverhalts) führte und daher der Kontakt mit den Behörden des Zulassungsstaates bzw. Aufenthaltsstaat aufgenommen wird, um den Erfolg zu erzielen.

In technischer Hinsicht erfolgt die Zusammenarbeit analog der CBE-Richtlinie auf Basis interoperabler elektronischer Mittel (EUCARIS) über das gesicherte sTesta-Behördennetzwerk („Gesicherter Transeuropäischer Telematikdienst für Behörden“) sowie im Wege von nationalen Kontaktstellen.

Als Nationale Kontaktstelle im Sinne der multilateralen Zusammenarbeit gemäß Artikel 4, Artikel 5 und Artikel 6 fungiert in Österreich das Bundesministerium für Inneres (§ 47a Abs. 8 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG), BGBl. 1967 idgF)

Mit der technischen Umsetzung des CBE-Übereinkommens sowie des Durchführungsübereinkommens sind einmalige und laufende Kosten verbunden (zwischenstaatlichen Entwicklung und Betrieb der EUCARIS-Salzburg-Applikation, Entwicklung und Betrieb der nationalen Salzburg-Web-Applikation), die ihre Bedeckung in den Budgetansätzen des für die Umsetzung zuständigen Ressorts finden.

Die zusätzlichen Einnahmen aus der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten werden nach heutigem Gesichtspunkt die finanziellen Erfordernisse für die Umsetzung des Übereinkommens erheblich übersteigen. Des Weiteren wird es durch den Vertrag zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit kommen, die zu einer Ersparnis der Folgekosten aus Verkehrsunfällen führen wird.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1

Der Artikel verweist auf den Anwendungsbereich und den Zweck des Durchführungsübereinkommens, wonach die administrativen und technischen Details der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Rahmen des CBE-Übereinkommens einer gemeinsamen Regelung bedürfen. Weiters wird auf Artikel 8 des CBE-Übereinkommens Bezug genommen, in dem vereinbart wurde, dass ein solches Durchführungsübereinkommen von den Vertragsstaaten abzuschließen sei.

Zu Artikel 2

Als Kommunikationsplattform für den elektronischen Amtshilfeverkehr vereinbarten die Vertragsparteien das bereits bestehende EUCARIS-System zu verwenden, über das auch der grenzüberschreitende elektronische Kfz-Zulassungsdatenaustausch gemäß der CBE-RL erfolgt (vgl. § 47a KFG). Es ist somit gewährleistet, dass für die Umsetzung des CBE-Übereinkommens seitens der Vertragsstaaten keine weiteren technischen Schnittstellen zu anderen Datenkommunikationsanbietern und deren technischen Einrichtungen realisiert werden müssen. Weiters wird mit der Verwendung des EUCARIS-Systems sichergestellt, dass bei der Zusammenarbeit kein Systembruch im zwischenstaatlichen elektronischen Amtshilfeverkehr besteht.

Zum Zweck der sicheren Datenkommunikation wird auf den „Gesicherten Transeuropäischen Telematikdienst für Behörden“ (sTESTA) zurückgegriffen, sodass für den grenzüberschreitenden Datenaustausch kein weiteres gesichertes Datenübertragungssystem aufgebaut werden muss. Dies ist auch unter dem Aspekt zu sehen, den Beitritt anderer (EU-)Staaten zum CBE-Übereinkommen ohne größeren zusätzlichen finanziellen und technischen Aufwand für diese Staaten zu ermöglichen.

Zu Artikel 3

Aufbauend auf dem Datenaustausch gemäß CBE-Richtlinie erfolgt der grenzüberschreitende elektronische Austausch der im CBE-Übereinkommen vereinbarten Amtshilfemaßnahmen über eine von jedem Staat zu etablierende Nationale Kontaktstelle (single point of contact).

Die im CBE-Übereinkommen vereinbarte bilaterale Amtshilfe erfolgt mittels einheitlicher XML-Datasets, die zwischenstaatlich über die jeweilige Nationale Kontaktstelle elektronisch übermittelt werden. Damit kann die bisher bestehende Fremdsprachen- und Übersetzungsproblematik im grenzüberschreitenden Amtshilfeverkehr auf ein Minimum reduziert und eine verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung der ausländischen Verkehrssünder wesentlich erleichtert und vereinfacht werden, da etwaige Fremdsprachenübersetzungen der Amtshilfeersuchen und -maßnahmen entfallen und somit auch eine Beschleunigung des grenzüberschreitenden Verwaltungsstrafverfahrens erreicht wird. Ein wesentlicher wirtschaftlicher Aspekt besteht auch darin, dass keine finanziellen Aufwendungen mehr für Übersetzungsdienste im Rahmen der bilateralen Amtshilfe anfallen.

Die für den grenzüberschreitenden Amtshilfeverkehr zu verwendenden Datasets werden mit den noch zu vereinbarenden technischen Spezifikationen in einem von den Vertragsparteien zu erstellenden Benutzerleitfaden zum CBE-Übereinkommen (Users Guide) publiziert.

Zu Artikel 4

In diesem Artikel werden die vier Amtshilfemaßnahmen, die mit dem CBE-Übereinkommen vereinbart wurden, taxativ angeführt und jeder Amtshilfemaßnahme ein bestimmtes Dataset zugeordnet:

1.      behördliche Lenkerausforschung: Dataset A

2.      behördliche Ermittlung der aktuellen Zustelladresse: Dataset B

3.      behördliche Zustellung von amtlichen Schriftstücken: Dataset C

4.      Abtretung der Vollstreckung der Verkehrsstrafe: Dataset D

Die personenbezogenen Daten, die im Rahmen der vier Amtshilfemaßnahmen verwendet werden dürfen, sind in den Anhängen abschließend angeführt.

Zu Artikel 5

Absatz 1 bestimmt, welches technische Datenübertragungssystem für den elektronischen Austausch der grenzüberschreitenden Amtshilfemaßnahmen zu verwenden ist. Wie schon unter Artikel 2 erläutert, wird das bei den Vertragsparteien bereits in Verwendung stehende EUCARIS-sTesta-System genutzt werden, das einen EU-weiten gesicherten interoperablen Datenaustausch gewährleistet.

Absatz 2 verweist darauf, dass die detaillierten technischen und administrativen Anwendungsvoraussetzungen für die Verwendung des EUCARIS-Systems im Benutzerleitfaden zum CBE-Übereinkommen (Users Guide) zu definieren sind.

Zu Artikel 6

Absatz 1 sieht vor, dass im Falle einer Vollstreckungsverweigerung der Vollstreckungsstaat den Entscheidungsstaat über die Gründe in Kenntnis zu setzen hat.

In Absatz 2 wird für Fälle einer teilweisen bzw. gänzlichen Uneinbringlichkeit der Geldstrafe im Vollstreckungsstaat auf die Anwendbarkeit etwaiger alternativer Sanktionsmöglichkeiten (Ersatzstrafen) eingegangen: Alternative Sanktionsmöglichkeiten können im Vollstreckungsstaat nur dann Anwendung finden, wenn der Entscheidungsstaat keine Vorbehalte dagegen anmeldet. Im Übrigen findet das nationale Recht des Vollstreckungsstaats Anwendung. Bei ausgehenden Vollstreckungsersuchen österreichischer Behörden bzw. Gerichte, ist die Anordnung einer Ersatzfreiheitsstrafe im Vollstreckungsstaat zu untersagen.

Absatz 3 verweist darauf, dass die Entscheidung dem Vollstreckungsstaat in der Originalsprache des Entscheidungsstaates zu übermitteln ist. Dies schließt jedoch nicht aus, dass der Entscheidungsstaat zusätzlich auch die Übersetzung in die Sprache des Vollstreckungsstaates übermittelt.

Zu Artikel 7

Es dürfen nur jene personenbezogenen Daten im grenzüberschreitenden elektronischen Amtshilfeverkehr Verwendung finden, welche in Artikel 4 der vorliegenden Vereinbarung genannt sind.

In Absatz 2 werden die Voraussetzungen für die Löschung der übermittelten personenbezogenen Daten im Vollstreckungsstaat geregelt.

Absatz 3 regelt die Protokollierungsvorschriften von personenbezogenen Daten, die im Rahmen des CBE-Übereinkommens übermittelt werden: Die bei der grenzüberschreitenden Übermittlung zu erstellenden Protokolldaten sind zwei Jahre zwecks Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Übermittlung aufzubewahren und dürfen lediglich zum Zwecke des Datenschutzes herangezogen werden. Ebenso wird die Rückführbarkeit jeder Maßnahme auf den durchführenden bzw. veranlassenden Organwalter gewährleistet. Nach Ablauf der vorgesehen Aufbewahrungsfrist sind die Protokolldaten unverzüglich zu löschen.

Zu Artikel 8

Der Artikel verweist darauf, dass die technische und praktische Umsetzung des Durchführungsübereinkommens im Wege einer Arbeitsgruppe nach Artikel 9 des CBE-Übereinkommens erfolgt.

Zu Artikel 9

Der Artikel stellt auf den Inhalt des noch zu vereinbarenden Benutzerleitfadens zum CBE-Übereinkommen (Users Guide) ab und zählt bestimmte Punkte auf, die jedenfalls umfasst sein müssen, wie u.a. die technischen Details der XML-Datasets, die technischen Details zur Nutzung des EUCARIS-Systems sowie die relevanten nationalen Rechtsvorschriften der Vertragsparteien im Zusammenhang mit der Anwendung des CBE-Übereinkommens. Des Weiteren wird auch das jeweilige nationale Muster des in Verwendung stehenden Informationsschreibens gemäß der CBE-RL Inhalt des Benutzerleitfadens sein.

Absatz 2 nimmt darauf Bezug, dass es jeder Vertragspartei frei steht, im gegenseitigen Einverständnis mit den anderen Vertragsparteien den Benutzerleitfaden sowie Unterlagen und Informationen betreffend die Anwendung des CBE-Übereinkommens auch in elektronischer Weise auf einer gesicherten Web-Seite zu publizieren. Die Vertragsparteien werden in diesem Zusammenhang angehalten, hiefür – so weit möglich – die erforderliche Unterstützung zu leisten.

Zu Artikel 10

Der Depositär des Durchführungsübereinkommens ist – wie auch schon für das CBE-Übereinkommen – die Regierung Ungarns.

Zu Artikel 11

Der Artikel legt fest, dass das Durchführungsübereinkommen für jeden künftig beitretenden Staat Anwendung findet.

Zu Artikel 12

Der Artikel regelt das Inkrafttreten bzw. Außerkrafttreten des Durchführungsübereinkommens zwischen den Vertragsparteien.

Zu Artikel 13

Der EUGH hatte 2014 im Nichtigkeitsverfahren C-43/12 die gesamte Richtlinie 2011/82/EU, die ursprüngliche CBE-RL, für nichtig erklärt. In weiterer Folge wurde am 11. März 2015 die Richtlinie 2011/82/EU durch die RL 2015/413/EU ersetzt.

Die CBE-RL ist die Grundlage des CBE-Übereinkommens und wird folglich im Text entsprechend referenziert. Die Vertragsstaaten kamen daher überein, dass Verweise im CBE-Übereinkommen auf die nichtige RL 2011/82/EU als Verweise auf die RL 2015/413/EU gelten.