41 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über die Regierungsvorlage (7 der Beilagen): Übereinkommen zwischen der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, Ungarn und der Republik Österreich über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Verfolgung von die Straßenverkehrssicherheit gefährdenden Verkehrsdelikten

Das Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode im Kapitel Inneres, Justiz, Landesverteidigung legte unter Punkt D.5. Verkehrssicherheit fest: „Im Interesse der Verkehrssicherheit werden auf nationaler, bi- und multinationaler als auch auf europäischer Ebene alle notwendigen Schritte gesetzt, um sowohl in- als auch ausländische Verkehrssünder gleichermaßen strafen zu können.“

Zuvor hatte bereits der Nationalrat in seiner XXIII. Gesetzgebungsperiode eine Entschließung (E 50-NR/XXIII.GP) angenommen, in der die Bundesregierung aufgefordert wurde, einen Bericht über die Erfahrungen der österreichischen Behörden auf dem Gebiet der Halter- und Lenkerauskunft im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten vorzulegen. In Entsprechung dieser Entschließung legte am 5. August 2010 die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie einen mit dem Bundeskanzler sowie der Bundesministerin für Inneres abgestimmten Bericht vor, in dem klar zum Ausdruck gebracht wurde, dass es Probleme bei der Durchführung von Strafverfahren bei der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten gibt, die sich aus fehlenden rechtlichen Grundlagen und unzureichender grenzüberschreitender Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Behörden ergeben.

Zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten wurden bereits im Jahr 2008 im Rahmen der Partnerstaaten des Forum Salzburg mögliche Maßnahmen diskutiert. Das Forum Salzburg ist eine Zusammenarbeit zwischen den Innenministern von Bulgarien, Kroatien, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn im Sicherheitsbereich und umschließt auch die Verkehrssicherheit.

Beim Ministertreffen des Forum Salzburg am 28. und 29. Juni 2011 in Kitzbühel schlug der Innenminister Ungarns die Aufnahme von Verhandlungen zu einem multilateralen Übereinkommen über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten vor. An diesen Verhandlungen nahmen die Vertreter Bulgariens, Kroatiens, Österreichs, Rumäniens, der Slowakei, Sloweniens, Tschechiens und Ungarns teil, wobei das fertig verhandelte Übereinkommen am 11. Oktober 2012 in Mátraháza vorerst nur von Bulgarien, Kroatien, Österreich und Ungarn unterzeichnet wurde.

Im Rahmen der Europäischen Union ist am 6. November 2011 die CBE-Richtlinie in Kraft getreten. Diese ermöglicht nunmehr einen EU-weit automatisierten Abruf von Kfz-Zulassungsdaten ausländischer Fahrzeughalter, sodass der jeweilige Fahrzeugzulassungsbesitzer/-halter nach Begehung eines Verkehrsdeliktes mittels eines sogenannten „Informationsschreibens“ zu einer Strafzahlung oder zur Bekanntgabe des tatsächlichen Lenkers aufgefordert werden kann. Es wurde damit ein Teil jener Probleme, die im erwähnten Bericht an den Nationalrat dargestellt wurden, gelöst.

Der EUGH hat 2014 im Nichtigkeitsverfahren C-43/12 die gesamte ursprüngliche CBE-Richtlinie (RL 2011/82/EU) wegen der falschen Rechtsgrundlage (Art. 87 Abs. 2 AEUV) für nichtig erklärt. In

weiterer Folge wurde am 11. März 2015 die ursprüngliche CBE-Richtlinie (RL 2011/82/EU) durch die – auf Grundlage Art. 91 Abs. 1 Buchstabe c AEUV – neu erlassene CBE-Richtlinie (RL 2015/413/EU), ersetzt.

Das gegenständliche CBE-Übereinkommen umfasst ganz allgemein den zwischenstaatlichen elektronischen Amts- und Rechtshilfeverkehr im Straf- und Vollstreckungsverfahren bei Verkehrsdelikten auf Basis interoperabler elektronischer Mittel (zwischenstaatlich im Wege einer eigenen EUCARISApplikation und über nationale Kontaktstellen, innerstaatlich über eine nationale Web-Applikation) und baut inhaltlich auf dem elektronischen Kfz-Halterdatenaustausch gemäß der CBE-Richtlinie auf. Die im CBE-Übereinkommen vereinbarten Formen der Zusammenarbeit zur Verfolgung von Verstößen gegen Vorschriften des Straßenverkehrs stellen, wie oben bereits dargelegt, Bestimmungen der Amts- und Rechtshilfe dar. Vergleichbare Formen der Zusammenarbeit finden sich in verschiedenen Rechtsakten der EU, die im CBE-Übereinkommen für die Schaffung des benötigten spezifischen Rechtsrahmens zur grenzüberschreitenden Durchsetzung von Verkehrsstrafen (Straf- und Vollstreckungsverfahren) punktuell rezipiert und adaptiert wurden:

˗ Rahmenbeschluss 2005/214/JI über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen (im Folgenden: „RB-Geld“, ABl. Nr. L 76 vom 22.03.2005 S. 16)

˗ Übereinkommen – gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union – über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (im Folgenden: „EURechtshilfeübereinkommen 2000“, ABl. C 197 vom 12.07.2000, S. 1; BGBl. III Nr. 65/2005).

Im Konkreten umfasst das CBE-Übereinkommen vier Amtshilfemaßnahmen:

1. (Ersuchen um) behördliche Lenkerausforschung (Art. 4)

2. (Ersuchen um) behördliche Zustellung von amtlichen Schriftstücken (Art. 5)

3. (Ersuchen um) behördliche Ermittlung der aktuellen Zustelladresse (Art. 5 Abs. 4)

4. (Ersuchen um) Vollstreckung der Verkehrsstrafe im Zulassungs- bzw. Aufenthaltsstaat (= Vollstreckungsstaat; Art. 6)

Die genannten Amtshilfemaßnahmen sind anzuwenden, wenn die Behörde des Deliktsstaates den direkten Kontakt mit dem Betroffenen bzw. Beschuldigten nicht herstellen konnte bzw. dieser nicht zum Erfolg führte (Bezahlung der Strafe bzw. Aufklärung des wahren Sachverhalts) und daher der Kontakt mit den Behörden des Zulassungsstaates bzw. Aufenthaltsstaat aufgenommen wird, um den Erfolg zu erzielen.

In technischer Hinsicht erfolgt die Zusammenarbeit gemäß CBE-Übereinkommen – analog der CBE-Richtlinie – auf Basis interoperabler elektronischer Mittel (EUCARIS) über das gesicherte sTesta-Behördennetzwerk („Gesicherter Transeuropäischer Telematikdienst für Behörden“) und nationale Kontaktstellen sowie auf innerstaatlicher Ebene über eine Web-Applikation.

Als Nationale Kontaktstelle im Sinne der multilateralen Zusammenarbeit gemäß Artikel 4, Artikel 5 und Artikel 6 fungiert in Österreich das Bundesministerium für Inneres (§ 47a Abs. 8 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG), BGBl. 1967 idgF)

In der Gesamtschau ist das CBE-Übereinkommen eine weiterführende Ergänzung der CBE-Richtlinie und soll eine Verbesserung der Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten bringen. Dies wird mittelfristig auch zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit in den beteiligten Staaten führen.

Mit der technischen Umsetzung des Übereinkommens – wie insbesondere mit der zwischenstaatlichen Entwicklung der EUCARIS-Salzburg-Applikation sowie der nationalen Salzburg-Web-Applikation – sind einmalige und laufende Kosten verbunden, die ihre Bedeckung in den Budgetansätzen des für die Umsetzung zuständigen Ressorts finden.

Die zusätzlichen Einnahmen aus der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten werden nach heutigem Gesichtspunkt die finanziellen Erfordernisse für die Umsetzung des Übereinkommens erheblich übersteigen.

Das CBE-Übereinkommen ist gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Da durch dieses Übereinkommen auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.


 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 7. März 2018 in Verhandlung genommen. Als Berichterstatter fungierte Abgeordneter
Werner Amon, MBA.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß
Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluss des Staatsvertrages: Übereinkommen zwischen der Republik Bulgarien, der Republik Kroatien, Ungarn und der Republik Österreich über die Erleichterung der grenzüberschreitenden Verfolgung von die Straßenverkehrssicherheit gefährdenden Verkehrsdelikten (7 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.

Wien, 2018 03 07

                            Werner Amon, MBA                                                              Angela Lueger

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau