93 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (66 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die Strafprozeßordnung 1975 und das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit in Finanz­strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geändert werden

1. Änderungen im EU-JZG

Seit der Tagung des Europäischen Rates in Tampere (15./16.10.1999) erfolgt der Ausbau der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen innerhalb der Europäischen Union nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung (und Vollstreckung) gerichtlicher Entscheidungen. In diesem Sinn hat der Rat im Jahre 2000 ein Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen beschlossen (ABl. C 2001/12, 10); darin werden 23 Maßnahmen unterschiedlicher Priorität angeführt.

Dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung wurde erstmals mit dem Rahmenbeschluss des Rates 2002/584/JI vom 13.6.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 2002/190, 1) Ausdruck verliehen. Er wurde in weiterer Folge zur wesentlichen Grundlage zahlreicher Rechtsakte der EU, die die strafrechtliche Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zum Inhalt haben.

Zuletzt wurde die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2014/41/EU vom 3.4.2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen, ABl. L 2014/130, 1 (im Folgenden: RL EEA), verabschiedet, die den Bereich der gegenseitigen Anerkennung vervollständigen und das bisherige System der Rechtshilfe im Verhältnis der an die RL EEA gebundenen Mitgliedstaaten ersetzen soll (vgl. Art. 34 Abs. 1 der RL EEA). Darüber hinaus ersetzt die RL EEA den Rahmenbeschluss des Rats 2003/577/JI vom 22.7.2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union (ABl. L 2003/196, 45) im Umfang der Sicherstellung von Beweismitteln (Art. 34 Abs. 2 RL EEA).

Die RL EEA sieht vor, dass die ausstellende Behörde unter Verwendung eines einheitlichen Formulars (Anhang XVII) eine Europäische Ermittlungsanordnung (im Folgenden: EEA) erlässt, die im Vollstreckungsstaat nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung vollstreckt wird. Die Vollstreckung kann nur aus den in der RL EEA abschließend vorgesehenen Ablehnungsgründen (Art. 11) verweigert werden (EuGH 26.2.2013, C-399/11, Melloni, Rz 38 ff). Es wurde ein System von abgestuften Ablehnungsgründen in die RL EEA aufgenommen: für die schwerwiegendsten Eingriffe bestehen – vereinfacht ausgedrückt, erweiterte Möglichkeiten, die Vollstreckung zu verweigern als für weniger eingreifende Maßnahmen (vgl. Art. 11 Abs. 2 iVm Art. 10 Abs. 2 RL EEA).

Räumlich ersetzt die RL EEA die Rechtshilfe nur im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten, die an die RL EEA gebunden sind. Dänemark und Irland haben entsprechend Art. 1 und 2 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 22 bzw. Art. 1, 2 und 4a des Protokolls Nr. 21 nicht an der Annahme der RL EEA teilgenommen (vgl. Erw 44 und 45 RL EEA).

Die Anwendung der RL EEA setzt deren Umsetzung voraus, eine unmittelbare Anwendung ist ausgeschlossen (vgl. auch Erlass vom 19. Jänner 2018 über die Verzögerungen bei der Umsetzung der Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen und Vorgehen bis zum Inkrafttreten der Umsetzungsgesetzgebung, BMJ-S884.087/0001-IV 2/2017). Auf der Website des Europäischen Justiziellen Netzwerks (EJN), www.ejn-crimjust.europa.eu, wird über den aktuellen Umsetzungsstand der RL EEA in den Mitgliedstaaten informiert. Darüber hinaus sind dort auch die Erklärungen der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der RL EEA ersichtlich.

2. Änderungen der StPO

Im Bereich der StPO beinhaltet der Vorschlag kleinere Anpassungen zur Umsetzung der RL EEA, die die Zuständigkeit der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) und die Bestimmungen über die kontrollierte Lieferung betreffen.

3. Änderungen des FinStrZG

Mit der vorgeschlagenen Novelle des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit in Finanzstrafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-FinStrZG), BGBl. I Nr. 105/2014, soll eine Anpassung der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI (RB Schwedische Initiative) vorgenommen und die Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung (RL EEA) für das verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren umgesetzt werden. Zudem soll der Anwendungsbereich des Gesetzes unter der Voraussetzung des Vorliegens entsprechender völkerrechtlicher Vereinbarungen auf die Zusammenarbeit mit Drittstaaten ausgeweitet und somit ein einheitlicher Rechtsrahmen für den verwaltungsbehördlichen Zuständigkeitsbereich geschaffen werden.

4. Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Der Entwurf dient der Umsetzung der erwähnten RL und des erwähnten RB der EU.

5. Kompetenzgrundlage:

Die Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung gründet sich auf Artikel 10 Abs. 1 Z 6 des Bundes-Verfassungsgesetzes (Strafrechtswesen).

 

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 5. April 2018 in Verhandlung genommen. Als Berichterstatter fungierte der Abgeordnete Christian Lausch.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, N, P, teilweise S) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (66 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2018 04 05

                               Christian Lausch                                                      Mag. Michaela Steinacker

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau