222 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (185 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2018 - UrhG-Nov 2018)

1. Die Verordnung (EU) 2017/1563 über den grenzüberschreitenden Austausch von Vervielfältigungsstücken bestimmter urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützter Werke und sonstiger Schutzgegenstände in einem barrierefreien Format zwischen der Union und Drittländern zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen (im Folgenden: „Verordnung“) und die Richtlinie (EU) 2017/1564 über bestimmte zulässige Formen der Nutzung bestimmter urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützter Werke und sonstiger Schutzgegenstände zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen und zur Änderung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (im Folgenden: „Richtlinie“) wurden am 20. September 2017 im Amtsblatt L 242 der Europäischen Union (S. 1 ff. und 6 ff.) veröffentlicht. Die Verordnung ist ab dem 12. Oktober 2018 anwendbar. Die Richtlinie ist bis zum 11. Oktober 2018 umzusetzen.

Beide Rechtsakte dienen der Umsetzung der Verpflichtungen, die sich aus der Ratifizierung des Vertrags von Marrakesch zur Erleichterung des Zugangs für blinde, sehbehinderte oder anderweitig lesebehinderte Personen zu veröffentlichten Werken (im Folgenden: „Vertrag von Marrakesch“) für die Union und ihre Mitgliedstaaten ergeben werden.

Mit Beschluss (EU) 2018/254 des Rates vom 15. Februar 2018 über den Abschluss — im Namen der Europäischen Union — des Vertrags von Marrakesch zur Erleichterung des Zugangs blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen zu veröffentlichten Werken wurde der Vertrag im Namen der Union genehmigt. Die Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde wird ab dem 12. Juli 2018 erfolgen, sodass der Vertrag gemäß seinem Art. 19 die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten nach dem Ende der Umsetzungsfrist für die Richtlinie und dem Geltungsbeginn der Verordnung bindet.

2. Der Vertrag von Marrakesch legt eine Reihe internationaler Regeln fest, um sicherzustellen, dass auf nationaler Ebene Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Urheberrecht zugunsten von blinden, sehbehinderten oder anderweitig lesebehinderten Personen (im Folgenden kurz: seh- oder lesebehinderte Personen) bestehen und der grenzüberschreitende Austausch von Kopien veröffentlichter Werke in einem barrierefreien Format, die unter Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Urheberrecht erstellt wurden, ermöglicht wird. Österreich hat den Vertrag von Marrakesch bereits mit der Urheberrechts-Novelle 2015, BGBl. I Nr. 99/2015, in § 42d UrhG umgesetzt. Dabei hat der österreichische Gesetzgeber sich nicht auf eine besondere freie Werknutzung für Menschen mit den in Art. 3 des Vertrags erfassten Seh- oder Lesebehinderungen beschränkt, sondern seinen Ansatz weiterverfolgt, die freie Werknutzung für alle Behinderungen weiter auszubauen.

3. Die Richtlinie setzt die Vorgaben des Vertrags von Marrakesch durch die Einführung zwingender harmonisierter Ausnahmen von den urheberrechtlichen Verwertungsrechten um, um Menschen mit Seh- oder Lesebehinderungen den Zugang zu Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen oder anderen Schriftstücken, Notationen einschließlich von Notenblättern, und zugehörigen Illustrationen in einer beliebigen Medienform, auch in Audioformat wie Hörbüchern, und in digitaler Form in barrierefrei zugänglichen Formaten innerhalb der EU zu erleichtern. Die Verordnung dient der Umsetzung der Verpflichtungen des Vertrags über einen grenzüberschreitenden Austausch von Kopien veröffentlichter Werke in einem barrierefreien Format zugunsten von Menschen mit Seh- oder Lesebehinderungen mit Drittländern, die Vertragspartei des Vertrags von Marrakesch sind.

Die Richtlinie lässt zwar in Art. 8 im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2001/29/EG eine weitergehende Ausnahme für Menschen mit anderen Behinderungen und für die nicht in ihren Anwendungsbereich fallenden Werke zu, regelt aber sonst Ausnahmen für Menschen mit Seh- oder Lesebehinderungen abschließend, sodass insofern den Mitgliedstaaten kein Umsetzungsspielraum bleibt. Vor diesem Hintergrund weicht der Text der Richtlinie doch deutlich vom Text des alle Behinderungen erfassenden § 42d UrhG ab, etwa bei den erfassten Werken und Schutzgegenständen und den erlaubten Nutzungshandlungen. Darüber hinaus verlangt die Richtlinie auch freie Nutzungen an Datenbanken, Darbietungen, Tonträgern, Filmen und Sendungen, wohingegen § 42d in die Kataloge der Verweisungsbestimmungen der verwandten Schutzrechte nicht aufgenommen wurde. Die Einbeziehung der verwandten Schutzrechte begründet der letzte Satz des Erwägungsgrundes 6 der Richtlinie damit, dass sich die nach dem Vertrag von Marrakesch erforderlichen Ausnahmen oder Beschränkungen auch auf Werke in Audioform wie Hörbücher erstrecken. Darüber hinaus sehen Richtlinie und Verordnung besondere Regeln für Nutzungshandlungen mit Auslandsbezug (also die Weitergabe an ausländische befugte Stellen oder den Bezug von Werken von ausländischen Stellen) und Beschränkungen für Vergütungsansprüche vor. Letztlich ergibt sich der Umsetzungsbedarf auch daraus, dass die Richtlinie die vertragliche Unabdingbarkeit der freien Nutzung vorgibt und über Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2001/29/EG hinausgehende Verpflichtungen für die Durchsetzung der freien Nutzung gegen technische Schutzmaßnahmen verlangt.

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Zivilrechtswesen, Urheberrecht).

 

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 21. Juni 2018 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Mag. Harald Stefan die Abgeordneten Dr. Irmgard Griss,
Dr. Alfred J. Noll und Dr. Harald Troch sowie der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf einstimmig beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (185 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2018 06 21

                              Mag. Harald Stefan                                                     Mag. Michaela Steinacker

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau