232 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 42/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Verschlechterungen bei der Arbeitszeit für ArbeitnehmerInnen

Die Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 20. Dezember 2017 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Schon jetzt können Beschäftigte in bestimmten Fällen 12 Stunden arbeiten. Etwa bei erhöhtem Arbeitsbedarf, das heißt in Zeiten von Auftragsspitzen, bei Tätigkeiten mit einem erheblichen und regelmäßigen Anteil an Arbeitsbereitschaft (z.B. Wachpersonal) oder bei Schichtarbeit. Das heißt, heute gibt es den 12 Stunden-Tag nur in Ausnahmefällen, künftig soll die Höchstarbeitszeit generell ausgeweitet werden.

Die derzeit geltende Regelung des § 7 Abs. 4 Arbeitszeitgesetz besagt, dass Unternehmen die Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden erhöhen können, wenn sich der Arbeitsbedarf in Zeiten von Auftragsspitzen erhöht und sonst ein schwerer wirtschaftlicher Schaden für das Unternehmen droht. Das Unternehmen muss die Kollektivvertragsparteien und das Arbeitsinspektorat über die Betriebsvereinbarung informieren. Die maximale Dauer ist begrenzt. Besteht kein Betriebsrat, müssen bis zu zwei Fachgutachten die arbeitsmedizinische Unbedenklichkeit dieser Maßnahmen bestätigen.

Bislang brauchen daher die gängigen Ausnahmen bei der täglichen Höchstarbeitszeit (wie Schichtarbeit oder bei Arbeitsbereitschaft) kollektivvertragliche Regelungen oder Ermächtigungen, also die Zustimmung der Gewerkschaft. Und das ist entscheidend: Denn die Gewerkschaft wird einer kollektivvertraglichen Regelung für den 12 Stunden-Tag oder einer kollektivvertraglichen Ermächtigung für Betriebsvereinbarungen nur zustimmen, wenn dies auch mit positiven Maßnahmen für die ArbeitnehmerInnen einher geht: Zum Beispiel mehr dienstfreie Wochenenden im Schichtbetrieb – und diese Änderungen würden dann für die Beschäftigen der gesamten Branche gelten.

Genau das will Schwarz-Blau verhindern: Geht es nach dieser Regierung, sollen Vereinbarungen zum 12 Stunden-Tag nur mehr auf betrieblicher Ebene oder mit jedem Arbeitnehmer einzeln ausgehandelt werden. Dann gibt es keine branchenweiten Verhandlungen und auch keine Gegenleistungen mehr. Starke Betriebsräte können vielleicht das Niveau des Kollektivvertrags halten, unter massivem Druck stehende Betriebsräte werden aber schlechtere Ergebnisse erzielen. ArbeitnehmerInnen ohne Betriebsrat werden in der Praxis wohl überhaupt keine Gegenforderungen durchsetzen können.

Arbeiterkammer und Gewerkschaft befürchten mit Recht, dass die Verlagerung auf die betriebliche Ebene Schule machen könnte. Und das wird die ArbeitnehmerInnen viel Verhandlungsmacht, Freizeit und Geld kosten. Dazu kommt ein drohender Wirrwarr: Unterschiedliche Regelungen in Betrieben und Einzelverträgen werden das Arbeitszeitrecht völlig unüberschaubar machen.

Schwarz-Blau behauptet, dass die generelle 60 Stunden-Woche mehr Freizeit am Stück mit sich bringen würde. Doch in Wahrheit bringt die Neuregelung nur Verschlechterungen für ArbeitnehmerInnen.

Derzeit gilt: Wenn regelmäßig an nur vier Tagen pro Woche gearbeitet wird, kann per Betriebsvereinbarung eine Ausweitung der täglichen Arbeitszeit auf 12 Stunden vereinbart werden. Da 12 Stunden arbeiten am Stück als besondere Belastung gilt, ist sie an die 4-Tage-Woche als Ausgleich dafür geknüpft. Wird die tägliche Höchstarbeitszeit aber generell und ohne Einschränkungen ausgeweitet, fallen auch verpflichtende Ausgleichsmaßnahmen wie die 4-Tage-Woche weg.

Wenn die Wirtschaft den 12 Stunden-Tag fordert, geht es ihr in den allermeisten Fällen um die Zuschläge für Überstunden. Denn die gesetzlichen Möglichkeiten, länger zu arbeiten, gibt es schon jetzt, sie sind aber an Gegenleistungen, an Bedingungen und Schutzregelungen gebunden. Die generelle Anhebung der Höchstarbeitszeiten bringt für Unternehmen nur den Vorteil, dass Gegenleistungen und Ausgleichsmaßnahmen für Arbeitnehmer wegfallen.

Entscheidend für die Zuschläge wird auch sein, ob sich bei den Durchrechnungsmodellen etwas ändert. Diese ermöglichen schon jetzt, dass die Arbeitszeit je nach Bedarf flexibel verteilt werden kann, ohne dass Überstunden anfallen: So kann eine Angestellte im Handel in einer Woche 44 Stunden arbeiten, wenn sie in der nächsten Woche nur 33 Stunden im Geschäft steht. Solange im Schnitt 38,5 Stunden nicht überschritten werden, fallen keine Überstundezuschläge an. Im Handel beträgt der Durchrechnungszeitraum derzeit maximal ein Jahr.

Und hier können bei der Gesetzesänderung noch böse Überraschungen auf uns zukommen. Dabei wird sich zeigen, ob nicht entgegen der bisherigen Ankündigungen, Änderungen bei den bestehenden ‚Durchrechnungsmodellen‘ vorgenommen werden. So können Überstundenzuschläge entfallen, ohne dass die gesetzlichen Regelungen zur Bezahlung von Überstunden verändert werden müssten.

Das Arbeitszeitrecht schützt die ArbeitnehmerInnen vor unternehmerischer Willkür. Es verhindert, dass sich Einzelne schinden und ihre Gesundheit gefährden. Das ist heute wichtiger denn je. Aktuelle Studien zeigen die negativen Auswirkungen überlanger Arbeitszeiten: Burn Out steigt in Folge regelmäßiger Überstunden rapide an, wie erst im Sommer eine Studie im Auftrag des Sozialministeriums gezeigt hat. So sind 8 Prozent von Burn Out betroffen und weitere 36 Prozent sind zumindest in einem Übergangsstadium dorthin. Dass dies Folgen einer immer schneller werdenden Arbeitswelt und auch des Drucks der Dauererreichbarkeit sind, liegt auf der Hand.

Mehr noch: Die Gefahr, nach 12 Stunden Arbeit am Heimweg einen Unfall zu haben, ist doppelt so hoch wie nach 8 Stunden. Aus einem 12 Stunden-Tag wird auch sehr schnell ein 15, 16 Stunden-Tag, wenn man nämlich als PendlerIn auch noch die Wegzeiten zum und vom Arbeitsplatz dazurechnet.

Auch die Leistungsfähigkeit sinkt bei längeren Arbeitszeiten rapide, wie internationale Studien belegen.

Von der Familienfeindlichkeit dieses Vorschlages ganz zu schweigen: Berufstätige Eltern sind jetzt schon häufig an ihren Belastungsgrenzen mit den täglichen Herausforderungen zwischen Beruf und Betreuungspflichten. Tatsächlich sind in den meisten Regionen Österreichs die Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen gar nicht auf 12 Stunden-Tage der Eltern ausgerichtet. Dann ist es schnell vorbei mit der Vereinbarkeit. Überhaupt unzumutbar ist dieser lebensfremde Vorschlag für AlleinerzieherInnen. ‚Wie soll denn das gehen, wenn es keine zweite Betreuungsperson gibt? Soll das Kind dann im Kindergarten übernachten?

Diese Maßnahme ist ein Geschäft zulasten der ArbeitnehmerInnen, bei dem die ArbeitgeberInnen die Bedingungen diktieren. Mit diesen schwarz-blauen Plänen werden die Machtverhältnisse zugunsten der ArbeitgeberInnen verschoben.

Die Arbeitswelt und die Bedürfnisse der Menschen verändern sich, auch die der ArbeitgeberInnen. Aber es kann nicht sein, dass einseitig Vereinbarungen getroffen werden, bei denen nur die ArbeitgeberInnen profitieren, denn das Kapital der Unternehmen sind ihre MitarbeiterInnen.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 21. Februar 2018 erstmals in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Ing. Markus Vogl die Abgeordneten Peter Wurm, Tanja Graf, Mag. Gerald Loacker, Karl Nehammer, MSc, Dietmar Keck und Josef Muchitsch. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

 

In seiner Sitzung am 27. Juni 2018 hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales den gegenständlichen Entschließungsantrag erneut in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Gerald Loacker, Josef Muchitsch, August Wöginger, Peter Wurm, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Ing. Markus Vogl und Dietmar Keck.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit (für den Antrag: S, P, dagegen: V, F, N).

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Peter Wurm gewählt.


 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2018 06 27

                                    Peter Wurm                                                                    Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann