Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002, das Immissionsschutzgesetz – Luft und das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (Aarhus-Beteiligungsgesetz 2018)

 

Zur Änderung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Umsetzungsbestimmungen zum Übereinkommen von Aarhus im Anwendungsbereich der Abfallrahmenrichtlinie im Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002):

Schwerpunkt dieser Novelle ist die Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten samt Erklärung, BGBl. III Nr. 88/2005 (im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus), bzw. ratifiziert von der Europäischen Union am 17.02.2005 mit Beschluss 2005/370/EG über den Abschluss des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten im Namen der Europäischen Gemeinschaft (Abl. Nr. L 124/1 vom 17.5.2005), im Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (im Folgenden: Abfallrahmenrichtlinie), ABl. Nr. L 312 vom 22.11.2008 S. 3, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2018/851, ABl. Nr. L 150 vom 14.06.2018 S. 109.

Entsprechend dem Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus hat jede Vertragspartei sicherzustellen, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben.

Gemäß Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus in Verbindung mit Art. 47 der Grundrechtecharta (GRC), sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechtes, zu gewährleisten.

Um der Verpflichtung aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus in Verbindung mit Art. 216 Abs. 2 AEUV und dem Effektivitätsgrundsatz (effet utile) des europäischen Umweltrechts im Anwendungsbereich des Art. 23 der Abfallrahmenrichtlinie für Abfallbehandlungsanlagen nachzukommen und so einen effektiven Schutz des EU Umweltrechts zu sichern, wird für Umweltorganisationen die Möglichkeit einer rechtlichen Überprüfung vor einem nationalen Gericht im Falle einer Verletzung von Umweltrecht im Rahmen des ordentlichen Genehmigungsverfahrens des § 37 Abs. 1 AWG 2002 vorgesehen.

Gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannten Umweltorganisationen wird daher eine nachträgliche Beschwerdemöglichkeit bei der Genehmigung und wesentlichen Änderung von Behandlungsanlagen gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002, die nicht bereits der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 40 AWG 2002 unterliegen, eingeräumt.

In §§ 40 ff AWG 2002 ist durch die Novelle des AWG 2002 im Jahr 2004, BGBl. I Nr. 155/2004, bereits eine umfassende, dem Übereinkommen von Aarhus entsprechende und in Einklang mit der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG stehende Öffentlichkeitsbeteiligung bei IPPC-Behandlungsanlagen und Verbrennungs- und Mitverbrennungsanlagen umgesetzt.

Auch für Anlagen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG, (ABl. Nr. L 197 vom 24.07.2012 S. 1) (im Folgenden: Seveso-III-Richtlinie) fallen, erfolgt eine legistische Klarstellung hinsichtlich der Öffentlichkeitsbeteiligung.

Kompetenzgrundlage:

Verfassungsrechtliche Grundlage für die vorgesehenen Regelungen ist der Kompetenztatbestand

„Abfallwirtschaft“ in Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG.

Besonderer Teil

Zu Z 4 bis 6 (§ 37 Abs. 3, Abs. 4 Z 4 und Abs. 5):

Unter Inanspruchnahme des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes bei der Umsetzung der Anforderungen des Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus, erfolgt die Abgrenzung durch eine systemkonforme Anpassung, die die bestehenden Gliederungselemente des AWG 2002 übernimmt. Dabei stellen Erstgenehmigungen und wesentliche Änderungen von Abfallbehandlungsanlagen des ordentlichen Genehmigungsverfahrens gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002, die nicht der Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 40 AWG 2002 unterliegen, den Anwendungsbereich für das nach dem Übereinkommen von Aarhus erforderliche nachträgliche Überprüfungsrecht dar. Die Bestimmungen über das nachträgliche Überprüfungsrecht gelten nicht für Bescheide gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002 betreffend Bodenaushubdeponien (geregelt im § 40a letzter Satz AWG 2002) und für Bescheide gemäß § 37 Abs. 3 und 4 AWG 2002 (vereinfachtes Verfahren und Anzeigeverfahren).

Durch die Konzentrationsbestimmungen der §§ 38 Abs. 1, 1a und 2 AWG 2002 bleiben die einzelnen landes- und bundesrechtlichen Bestimmungen über die Parteistellung und das Verfahren des jeweiligen Materienrechtes ex lege unangewendet. Diese Ausschlussbestimmungen genießen auch im Hinblick auf zukünftige Änderungen von Verfahrensbestimmungen in anderen Materienrechten Anwendungsvorrang.

Zu § 37 Abs. 3 Z 5 AWG 2002 ist klarzustellen, dass es sich jedenfalls auch um eine gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002 genehmigungspflichtige wesentliche Änderung handelt, wenn eine Änderung Umweltauswirkungen jenes Grades an Erheblichkeit herbeiführt, der nach den jeweiligen materienrechtlichen Bestimmungen in den Anwendungsbereich des Übereinkommens von Aarhus fällt, wie beispielsweise ein möglicher Verstoß gegen die Verpflichtung des § 104a WRG oder bestimmte artenschutzrechtliche Eingriffe (vgl. etwa LVwG OÖ, 06.02.2018, LVwG-551203/6/FP/BBa – 551209/2).

In Zusammenhang mit der Verfahrenswahl sei auf die höchstgerichtliche Judikatur zu § 359b GewO 1994 (vgl. etwa VwGH, 26.9.2005, 2003/04/0101) hingewiesen. Daraus kann abgeleitet werden, dass Mitbeteiligten im vereinfachten Genehmigungsverfahren zwar keine Parteistellung zukommt, in verfassungskonformer Interpretation dieser Bestimmungen aber insoweit Parteistellung zukommt, als es um die Frage geht, ob die Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens überhaupt vorliegen.

Zu Abs. 3:

Im Rahmen einer Auswertung der gemäß § 87d Abs. 1 AWG 2002 übermittelten Genehmigungsbescheide konnte erhoben werden, dass jeder der bisher zu genehmigenden Seveso Betriebe auch als IPPC-Behandlungsanlage bzw. Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlage, die bereits einer Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 40 unterliegt, zu qualifizieren war. Somit war bereits nach bestehendem Recht die Beteiligung von Umweltorganisationen gemäß § 42 Abs. 1 Z 13 oder 14 AWG 2002 bei Verfahren betreffend diese Anlagen möglich. Durch die legistische Klarstellung in § 37 Abs. 3 AWG 2002 wird sichergestellt, dass Verfahren (Erstgenehmigung, wesentliche Änderung) bei Betrieben, die die Definition des Seveso-Betriebes erfüllen, jedenfalls im ordentlichen Verfahren gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002 mit Öffentlichkeitsabteilung § 40 AWG 2002 abgeführt werden. Ein gesondertes Genehmigungsregime für Seveso-Betriebe, ausgelöst durch das bloße Erfüllen der Definition des Seveso-Betriebes, ist damit nicht verbunden.

Zu Abs. 4 Z 4:

Von der Z 4 werden nur jene sonstigen Änderungen betreffend die anzuwendenden Methoden und die Sicherheitsmaßnahmen erfasst, die nicht Gegenstand der Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus sind, aber der Genehmigungspflicht des Art. 23 der Abfallrahmenrichtlinie unterliegen. Von diesem Tatbestand werden zukünftig etwa Änderungen betreffend die Betriebsweise der Anlage oder auch, soweit abfallrechtlich relevant, emissionsneutrale Änderungen erfasst.

Zu Abs. 5:

Erfahrungen aus der Praxis haben gezeigt, dass die bestehende Möglichkeit des „Opt-Ins“ vom vereinfachten Verfahren bzw. Anzeigeverfahren in das ordentliche Genehmigungsverfahren von Antragstellern unter Ausnutzung der friedensstiftenden Funktion eines ordentlichen Genehmigungsverfahrens genutzt wird. Diese Möglichkeit erlaubt es dem Antragsteller Nachbarn, die schon im Vorfeld Einwände vorbrachten, bereits im Stadium des Genehmigungsverfahrens aktiv in den Genehmigungsprozess einzubinden. Auf diesem Weg können Konflikte, die anderweitig häufig durch zeit- und kostenintensive Verfahren betreffend die Verfahrenswahl oder auch durch Anzeigen betreffend nachträglicher Auflagen ausgetragen werden, bereits frühzeitig gelöst werden. Diese Vorteile kann der Antragsteller auch für die Verfahren im Anwendungsbereich des Übereinkommens von Aarhus nutzen. Für Genehmigungsverfahren gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002 kann der Antragsteller also auch die Durchführung eines Verfahrens mit Parteistellung von Umweltorganisationen, die gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannt sind, beantragen.

Zu Z 7 (§ 40 Abs. 1b):

Analog der Regelungen der Gewerbeordnung 1994 und der Regelungen des UVP-G 2000 wird auch im AWG 2002 im Hinblick auf das Urteil des EuGH in der Rs C-137/14 vom 15.10.2015 eine Zustellfiktion für Umweltorganisationen eingeführt. Die geeignete Form der Auflage wird durch die Wortfolge „auf der Internetseite der Behörde“ präzisiert. Die Zustellfrist für Umweltorganisationen wird ab dem Zeitpunkt der Kundmachung auf der Internetseite der Behörde berechnet. Zweckmäßigerweise ist das Kundmachungsdatum von der Behörde in der Kundmachung anzuführen.

Zu Z 8 (§ 40a samt Überschrift):

Die nach dieser Bestimmung zu veröffentlichenden Informationen orientieren sich inhaltlich an jener Kurzinformation, die nach § 40 AWG 2002 für die Öffentlichkeitsbeteiligungen für IPPC Behandlungsanlagen und Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlagen zu veröffentlichen ist (Projektwerber, Standort, Projektname und kurze Beschreibung des Projektes). Zweckmäßigerweise sollten sich in der kurzen Beschreibung des Projektes auch Hinweise auf die betroffenen Umweltgüter finden. In der Kundmachung ist darauf hinzuweisen, bei welcher Behörde ab welchem Zeitpunkt Einsicht in den Verwaltungsakt gewährt wird. Weiters hat die Kundmachung das Datum der Kundmachung und Angaben über den Rechtsschutz zu enthalten. Die Zustellfrist für Umweltorganisationen wird ab dem Zeitpunkt der Kundmachung auf der Internetseite der Behörde berechnet.

Im Sinne der Einheitlichkeit steht diese Bestimmung im Hinblick auf die jeweiligen Fristen auch in Einklang mit jenen des UVP-G 2000 bzw. jenen der Ediktsbestimmungen des AVG 1991. Die allgemeine, vierwöchige Rechtsmittelfrist ergibt sich aus dem VwGVG, BGBl I Nr. 33/2013 idgF.

Aufgenommen wird eine Zustellfiktion für jene Verfahren betreffend Behandlungsanlagen des § 37 Abs. 1 AWG 2002, die im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus sind. Die Zustellung der Bescheide an Umweltorganisationen, die gemäß § 42 Abs. 3 AWG 2002 zur Ergreifung eines Rechtsmittels berechtigt sind, erfolgt ex lege mit Ablauf von zwei Wochen ab Kundmachung der im Gesetzestext angeführten Informationen auf der Internetseite der Behörde, unabhängig davon, ob eine Umweltorganisation zu diesem Zeitpunkt bereits von ihrem Recht auf Akteneinsicht Gebrauch gemacht hat. Entsprechend dem Umfang des Rechtes auf Akteneinsicht der Parteien im Verwaltungsverfahren gemäß § 17 AVG 1991 ist auch Umweltorganisationen, die ein Beschwerderecht glaubhaft machen, Akteneinsicht, insb. die Einsicht in den Bescheid selbst, in jeder technisch möglichen Form zu gewähren. Ein über den Umfang des Akteneinsichtsrechts der Parteien im Verwaltungsverfahren des AVG 1991 hinausgehendes Recht wird damit nicht gewährt. Eine Umweltorganisation, die gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannt ist, kann ihre Rechtsmittelbefugnis durch Darlegung ihres örtlichen Anerkennungsbereichs glaubhaft machen.

Zu Z 9 bis 12 (§ 42 Abs. 1 Z 13, Abs. 1a, Abs. 3 samt Überschrift):

Zu Abs. 1 Z 13:

Die erforderlichen legistischen Anpassungen hinsichtlich der Seveso-Betriebe und hinsichtlich des Zulassungsbereichs einer Umweltorganisation werden vorgenommen.

Klargestellt wird, dass sich durch die hier vorgenommene Novellierung an der durch das Urteil des EuGH in der Rs C-137/14 vom 15.10.2015 geprägten Auslegung dieser Ziffer nichts ändert. Eine im gegenständlichen Verwaltungsverfahren verloren gegangene Parteistellung einer Umweltorganisation kann im gerichtlichen Überprüfungsverfahren wiederaufleben.

Zu Abs. 1a:

Analog der Regelungen der Gewerbeordnung 1994 werden auch im AWG 2002 Präzisierungen zur Geltendmachung von Einwendungen oder Gründen von Umweltorganisationen getroffen.

Zu Abs. 3:

Im Sinne der Einheitlichkeit wird auf den Begriff der Umweltorganisationen des § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 und auf deren örtliche Anerkennung, nach dem Modell des Bundesgesetzes über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Bundes-Umwelthaftungsgesetz – B-UHG), BGBl. I Nr. 55/2009, zurückgegriffen. Diesem Adressatenkreis wird zur Ausübung seiner Rechte im Einklang mit den Anforderungen des Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus eine nachträgliche Rechtsmittelbefugnis eingeräumt. Inhaltlich sind Umweltorganisationen in ihren Einwendungen auf Rechtswidrigkeiten wegen der Verletzung von unionsrechtlichen Umweltschutzvorschriften (insbesondere Abfallrahmenrichtlinie) eingeschränkt. Der im Anerkennungsbescheid ausgewiesene Zulassungsbereich ist auch für die Rechtsmittellegitimation des AWG 2002 ausschlaggebend.

Zu Z 13 (§ 78c samt Überschrift):

Nach dem Vorbild des deutschen Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – UmwRG), BGBl I S. 2816, wird eine Übergangsbestimmung für die Rechtsmittellegitimation von Umweltorganisationen bei Altbescheiden, deren Anträge und Bescheide nicht entsprechend § 40 AWG 2002 kundgemacht wurden, sodass keine Öffentlichkeitsbeteiligung am behörlichen Verfahren oder am Rechtsmittelverfahren stattfinden konnte, geschaffen.

Die sinngemäße Anwendung des § 40a Abs. 1 bezieht sich insb. auf die kundzumachenden Informationen im Internet, auf die Dauer der Bereitstellung, die Zustellung und die Akteneinsicht. Es gilt die allgemeine, vierwöchige Rechtsmittelfrist.

Zur Änderung des Immissionsschutzgesetzes – Luft

Erläuterungen

Besonderer Teil

Zu Z 1 bis Z 6 (§ 9a Abs. 1, 1a, 6, 7, 9, 11, 12 und 13):

Das Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Konvention), BGBl. III Nr. 88/2005 in der jeweils geltenden Fassung, bestimmt hinsichtlich des Zugangs zu Gerichten, dass Mitglieder der Öffentlichkeit – sofern sie etwaige im innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen – berechtigt sind, Verstöße gegen das Umweltrecht geltend zu machen (vgl. Art. 9 Abs. 3 leg. cit.). In Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist der Öffentlichkeit insbesondere der Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren von Handlungen und Unterlassungen, die gegen umweltbezogene Bestimmungen verstoßen, zu ermöglichen (vgl. EuGH 20.12.2017, C‑664/15, Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation, Rn. 45).

Für Richtlinien, die die Eindämmung und Reduzierung der Luftverschmutzung und damit den Schutz der menschlichen Gesundheit bezwecken, ergibt sich aus der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs, dass sich Personen, die von einer den Mitgliedstaaten durch eine Richtlinie auferlegte Verpflichtung unmittelbar betroffen sind, auf zwingende Bestimmungen des Unionsrechts berufen können müssen (unionsrechtlich garantierter Gesundheitsschutz des Einzelnen). Daraus folgt, dass Personen, die von der Gefahr einer Überschreitung der unionsrechtlich durch die Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa (im Folgenden: Luftqualitäts‑RL), ABl. Nr. L 152 vom 11.06.2008 S. 1, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2015/1480/EU, ABl. Nr. L 226 vom 29.08.2015 S. 4, vorgegebenen Grenzwerte unmittelbar betroffen sind, bei den zuständigen Behörden – gegebenenfalls unter Anrufung der zuständigen Gerichte – erwirken können müssen, dass beim Vorliegen einer solchen Gefahr ein Luftqualitätsplan gemäß Art. 23 der Luftqualitäts‑RL (im IG‑L als Programm bezeichnet) erstellt wird (vgl. EuGH 25.07.2008, C‑237/07, Dieter Janecek, Rn. 37 ff; 19.11.2014, C‑404/13, Client Earth, Rn. 55 f).

Als Mitglieder der Öffentlichkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 3 der Aarhus‑Konvention sind neben betroffenen Einzelnen vor allem auch Umweltorganisationen zu verstehen (vgl. EuGH 08.03.2011, C‑240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK, Rn. 51). Umweltorganisationen können auf Antrag bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 19 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP‑G 2000), BGBl. Nr. 697/1993, in der jeweils geltenden Fassung, durch die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus mit Bescheid anerkannt werden. Es ist naheliegend, dass auf die nach dem UVP‑G 2000 anerkannten Umweltorganisationen abgestellt wird (so auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.02.2018, Ra 2015/07/0074, Rn. 66) und das Modell des Bundes‑Umwelthaftungsgesetzes (B-UHG), BGBl. I Nr. 55/2009, herangezogen wird (vgl. § 11 Abs. 1 letzter Satz leg. cit.).

Der Verwaltungsgerichtshof folgt der Rechtsprechung des EuGH in den Rs Dieter Janecek und Client Earth. Er hat die Zulässigkeit des Antrags auf Erstellung oder Ergänzung von Programmen in Bezug auf inhaltlich langfristig wirksame Maßnahmen zur Einhaltung der unionsrechtlich vorgegebenen Grenzwerte dem Grunde nach bejaht, sofern keine Fristverlängerung gemäß Art. 22 der Luftqualitäts‑RL vorliegt, der betreffende Grenzwert überschritten ist und der Antragsteller von der Überschreitung unmittelbar betroffen ist (vgl. VwGH 28.05.2015, Ro 2014/07/0096, Pkt. 4.2.). Unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH in der Rs Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation hat der VwGH erkannt, dass neben unmittelbar betroffenen natürlichen Personen auch Umweltorganisationen, sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, grundsätzlich legitimiert sind, einen Antrag auf Erstellung oder Ergänzung eines Programms zu stellen (vgl. VwGH 19.02.2018, Ra 2015/07/0074).

Von der Überschreitung eines Grenzwerts unmittelbar betroffenen natürlichen Personen sowie nach UVP‑G 2000 anerkannten Umweltorganisationen im Rahmen ihrer örtlichen Anerkennung wird nach dieser Judikatur das Recht eingeräumt, die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften betreffend die Erstellung und Überarbeitung von Programmen zur Einhaltung der unionsrechtlich vorgegebenen Grenzwerte gerichtlich prüfen zu lassen. Sie können im Falle von Überschreitungen der unionsrechtlich vorgegebenen Grenzwerte erwirken, dass im Rahmen der Programme angemessene und schlüssige Politiken und Maßnahmen geplant oder eingeführt werden, die in ihrer Gesamtheit geeignet sind, den Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. Dabei ist der Ermessenspielraum zu beachten, der dem Landeshauptmann bei der Festlegung von Maßnahmen zukommt. Der Europäische Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass Luftqualitätspläne (im IG‑L als Programm bezeichnet) nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Luftverschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden können (vgl. EuGH 19.11.2014, C‑404/13, Client Earth, Rn. 57; 05.04.2017, C‑488/15, Europäische Kommission/Republik Bulgarien, Rn. 106 ff; 22.02.2018, C‑336/16, Europäische Kommission/Republik Polen, Rn. 93).

Nach dem vorliegenden Entwurf besteht die inhaltliche Überprüfungsmöglichkeit zeitlich befristet nach der Erstellung bzw. der in periodischen Abständen von drei Jahren zu erfolgenden Evaluierung und allfälligen Überarbeitung von Programmen. Weiters kann die Säumnis der Behörde bei der Erstellung oder Überarbeitung von Programmen gemäß den gesetzlichen Vorgaben releviert werden. Darüber hinaus kann gerichtlich geprüft werden, ob in einem bereits bestehenden Programm grundgelegte Maßnahmen gemäß dem 4. Abschnitt mit Verordnung gemäß § 10 vorgeschrieben wurden (vgl. VwGH 28.05.2015, Ro 2014/07/0096, Pkt. 7.).

Der rechtschutzlegitimierte Personenkreis kann einen Feststellungbescheid über die Eignung des gewählten Maßnahmenbündels, den Zeitraum der Nichteinhaltung der in Abs. 1 normierten Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten, beantragen. Es ist begründet darzulegen, weshalb das gewählte Maßnahmenbündel ungeeignet erscheint, die ehestmögliche Einhaltung der Grenzwerte sicherzustellen (vgl. Abs. 13). Der vom Landeshauptmann gemäß Abs. 1a zu erlassende Bescheid über die Eignung des im Programm enthaltenen Maßnahmenbündels zur Sicherstellung der ehestmöglichen Einhaltung der in Abs. 1 normierten Grenzwerte bei der Erstellung oder Überarbeitung eines Programms, stellt den Anknüpfungspunkt für das in Abs. 12 eingeräumte Beschwerderecht des rechtschutzlegitimierten Personenkreises in Bezug auf den Inhalt und das Zustandekommen des (überarbeiteten) Programms dar. Der Antrag ist innerhalb von acht Wochen nach Kundmachung des (überarbeiteten) Programms zu stellen. Da sich die Wirkung von Programmen und gesetzten Maßnahmen erst nach einem bestimmten Zeitraum erweisen, kann sich das Recht auf gerichtliche Überprüfung von Programmen im Rahmen ihrer Erstellung oder Überarbeitung darauf beschränkt, ob diese entsprechend den gesetzlichen Vorgaben erstellt oder überarbeitet worden sind und ob mit den fachlich angestellten Prognosen zur Maßnahmenwirksamkeit und den dazu erhobenen Grundlagen eine Maßnahmenwahl getroffen wurde, die eine ehestmögliche Einhaltung der Grenzwerte ermöglicht. Ein Antrag ist insbesondere dann zulässig, wenn die gesetzten Schritte zur Einhaltung der in den Spiegelstrichen des § 9a Abs. 1 für die dort angeführten Luftschadstoffe normierten Grenzwerte gemäß Luftqualitäts‑RL in ihrer Gesamtheit nicht so erfolgreich sind, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung im Sinne des Art. 23 der Luftqualitäts‑RL so kurz wie möglich gehalten werden kann. Der Landeshauptmann hat im Sinne der nachfolgenden gerichtlichen Überprüfbarkeit insbesondere Angaben darüber zu machen, wie die im (überarbeiteten) Programm vorgesehenen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit geeignet sind, den Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. Dabei ist insbesondere auf die Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit des gewählten Maßnahmenbündels zur ehestmöglichen Einhaltung der Grenzwerte einzugehen.

Weiters besteht für die von der Überschreitung eines Grenzwerts unmittelbar betroffenen natürlichen Personen sowie die nach UVP‑G 2000 anerkannten Umweltorganisationen im Rahmen ihrer örtlichen Anerkennung die Möglichkeit, bei Säumnis des Landeshauptmanns die Erstellung oder Überarbeitung eines Programms zu beantragen, wenn die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen für die Erstellung oder Überarbeitung eines Programms vorliegen (vgl. Abs. 11). Ein derartiger Antrag ist nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Erstellung eines Programms gemäß Abs. 1 oder dessen Überarbeitung gemäß Abs. 6 vorliegen. Das ist für die Erstellung eines Programms insbesondere dann der Fall, wenn sich aus den gemäß § 7 zu erstellenden Berichten sowie der gemäß § 8 zu erstellenden Statuserhebung ergibt, dass die für die in den Spiegelstrichen des § 9a Abs. 1 angeführten Luftschadstoffe normierten Grenzwerte gemäß Luftqualitäts‑RL überschritten sind und noch kein Programm erstellt wurde. Im Fall der Überarbeitung eines Programms ist die Zulässigkeit eines Antrags dann gegeben, wenn die Dreijahresfrist verstrichen ist, ohne dass mit der Evaluierung begonnen worden ist. Ein vor dem Ablauf der Frist gestellter Antrag ist daher zurückzuweisen. Zudem kann, soweit ein Programm bereits erstellt wurde, die Erlassung einer Verordnung gemäß § 10 beantragt werden, wenn die entsprechende Maßnahme, die gemäß dem 4. Abschnitt mit Verordnung des Landeshauptmanns anzuordnen ist, im Programm grundgelegt ist und die Verordnung noch nicht erlassen wurde. Dabei handelt es sich jedoch um kein Antragsrecht auf einzelne Maßnahmen, da es letztlich dem Ermessensspielraum des Landeshauptmanns obliegt, ein geeignetes Maßnahmenbündel zu wählen, mit dem die Einhaltung der Grenzwerte ehestmöglich sichergestellt werden kann. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen hat der Landeshauptmann unverzüglich die entsprechenden Verfahrensschritte zu setzen, um das Programm gemäß den gesetzlichen Vorgaben zu erstellen oder zu überarbeiten. Liegen die Voraussetzungen für die Erstellung oder Überarbeitung eines Programms nicht vor, hat der Landeshauptmann mit Bescheid festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erstellung oder Überarbeitung des Programms im Zeitpunkt der Antragstellung nicht vorliegen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass wegen der Relevanz der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung auch der Fall eintreten kann, dass ein ursprünglich zulässiger Antrag durch eine Änderung der Sachlage unzulässig wird und zurückzuweisen ist (vgl. VwGH 28.05.2015, Ro 2014/07/0096, Pkt. 8.). Wurde die Erlassung einer Verordnung gemäß § 10 beantragt und liegen die Voraussetzungen für ihre Erlassung nicht vor, hat der Landeshauptmann ebenso mit Bescheid die entsprechenden Feststellungen zu treffen.

Gegen die gemäß Abs. 1a, Abs. 6 iVm Abs. 1a und Abs. 11 vom Landeshauptmann innerhalb der in § 73 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, normierten Frist zu erlassenden Bescheide kann gemäß den Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht erhoben werden. Die entsprechende Bestimmung in Abs. 12 hat insofern eine bloß klarstellende Funktion. Die Beschwerde ist innerhalb von vier Wochen einzubringen (vgl. § 7 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013). Auch in diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass wegen der Relevanz der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung der Fall eintreten kann, dass ein ursprünglich zulässiger Antrag durch eine Änderung der Sachlage unzulässig wird und zurückzuweisen ist (vgl. VwGH 28.05.2015, Ro 2014/07/0096, Pkt. 8.).

Voraussetzung für das Antrags- oder Beschwerderecht und damit den Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren natürlicher Personen ist deren unmittelbare Betroffenheit, die sich in einer konkreten Gefährdung der Gesundheit des Antragsstellers bzw. Beschwerdeführers aufgrund einer Grenzwertüberschreitung, die sich in einen zeitlichen und räumlichen Bezug setzen lässt, manifestieren muss. Grundsätzlich sind alle in einem Gebiet lebenden Personen von Überschreitungen eines Grenzwerts unmittelbar betroffen. Konkret ist die unmittelbare Betroffenheit anhand ihres räumlichen und zeitlichen Aspekts zu beurteilen. Für den räumlichen Aspekt genügt es, nicht nur vorübergehend im betroffenen Gebiet zu leben oder zu arbeiten. Für die Beurteilung sind die Messwerte von Messstellen, die gemäß § 4 iVm den Bestimmungen der Verordnung über das Messkonzept zum IG‑L (IG-L-Messkonzeptverordnung 2012), BGBl. II Nr. 127/2012 in der jeweils geltenden Fassung, repräsentativ für das jeweilige Untersuchungsgebiet, in dem der Wohnort oder der Arbeitsplatz gelegen ist, heranzuziehen. Der zeitliche Bezug der Beurteilung der Betroffenheit setzt je nach Grenzwert einen Überblick über den jeweils für die Berechnung des Grenzwerts heranzuziehenden Zeitraum voraus. So bedarf beispielsweise die Beurteilung, ob eine Überschreitung eines Jahresmittelwerts vorliegt, einen Überblick über ein gesamtes Kalenderjahr (vgl. VwGH 28.05.2015, Ro 2014/07/0096, Pkt. 5; hinsichtlich der zeitraumbezogenen Anforderungen an Messdaten vgl. auch VwGH 25.10.2017, Ro 2017/07/0021). Natürliche Personen haben im Rahmen des Antragsrechts gemäß Abs. 1a, Abs. 6 iVm Abs. 1a und Abs. 11 sowie des daran anknüpfenden Beschwerderechts gemäß Abs. 12 jeweils Umstände anzuführen, die ihre persönliche Betroffenheit darlegen, um die Beurteilung ihrer Antrags- bzw. Rechtsmittellegitimation zu ermöglichen (vgl. Abs. 13).

Weist das Messkonzept (§ 4) für den betreffenden Luftschadstoff nur ein Untersuchungsgebiet aus (vgl. § 8 Abs. 8), hat die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus gemäß Abs. 7 das Programm zu erstellen, zu evaluieren und zu überarbeiten. Die Bestimmungen sind daher mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus die entsprechenden Bescheide zu erlassen hat, um die gerichtliche Überprüfung von Programmen zu ermöglichen. Gemäß dem Erkenntnis des VwGH vom 30.05.2017, Ro 2017/07/0008 zum Aktionsprogramm Nitrat 2012, ist in diesem Fall das Landesverwaltungsgericht Wien gemäß der Auffangregelung des § 3 Abs. 3 VwGVG für die Beschwerde zuständig.

Zu Z 7 (§ 30 Abs. 1):

Die Änderung ist durch die Korrektur eines legistischen Versehens bedingt, das im Zuge der Novellierung durch BGBl. I Nr. 58/2017 unterlaufen ist.

 

Zur Änderung des Wasserrechtsgesetzes 1959

 

Erläuternde Bemerkungen

Allgemeiner Teil

Mit Urteil des EuGH in der Rs C-664/15 vom 20.12.2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation hat dieser ausgesprochen, dass vor dem Hintergrund der Einhaltung der Vorschriften der Richtlinie 2000/60/EG zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (im Folgenden: Wasserrahmen-RL), ABl. Nr. L 327 vom 22.12.2000 S. 1, zuletzt geändert durch Richtlinie 2014/101/EU, ABl. Nr. L 311 vom 31.10.2014 S. 32, insbesondere des Verschlechterungsverbots, innerstaatlich anerkannte Umweltorganisationen Beteiligungs- bzw. Anfechtungsrechte in wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren haben müssen.

Mit der gegenständlichen Novelle werden den Umweltorganisationen, als Mitgliedern der Öffentlichkeit nach Art. 2 des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten samt Erklärung, BGBl. III Nr. 88/2005, bzw. ratifiziert von der Europäischen Union am 17.02.2005 mit Beschluss 2005/370/EG über den Abschluss des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten im Namen der Europäischen Gemeinschaft (Abl. Nr. L 124/1 vom 17.5.2005) Beteiligungs- und Anfechtungsrechte im Zusammenhang mit wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren eingeräumt.

Dieses Recht besteht für Umweltorganisationen die nach dem UVP-G 2000 anerkannt sind, jeweils im Rahmen ihrer örtlichen Anerkennung.

Damit ist für alle Verfahren, die in Umsetzung der Wasserrahmen-RL durchgeführt werden, gewährleistet, dass sich eine anerkannte Umweltorganisation etwa im Fall, wenn das Vorhaben im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b des Übereinkommens von Aarhus eine erhebliche negative Auswirkung auf den Gewässerzustand haben könnte, bereits im Verfahren beteiligen kann und ihr ein Anfechtungsrecht bezüglich des verfahrensabschließenden Bescheides zukommt. Insofern kann eine Umweltorganisation zur Wahrung der Interessen der Öffentlichkeit am Gewässerschutz beitragen.

Auch im Fall, in dem erhebliche negative Auswirkungen auf den Gewässerzustand ausgeschlossen werden können, steht einer anerkannten Umweltorganisation das Recht zu, gegen Bescheide bezüglich Vorhaben mit Auswirkungen auf den Gewässerzustand, die möglicherweise gegen die Verpflichtung des § 104a WRG 1959 verstoßen, ein Rechtsmittel zu ergreifen. Somit ist auch in diesen Fällen zur Wahrung der Interessen der Öffentlichkeit am Gewässerschutz ein Zugang zu einem Verwaltungsgericht und dadurch ein effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet.

Besonderer Teil

zu Z 1 (§ 21):

Bewilligungen für Wasserentnahmen sind aufgrund des Art. 11 Abs. 2 lit. e der Wasserrahmen-RL zu befristen. Die Befristung dient zur Sicherstellung und Steuerung einer bedarfsgerechten Verteilung der Ressource Wasser bzw. einer vorausschauenden Vorwegnahme von Ressourcenkonflikten unter Abwägung von Bedarf und wasserwirtschaftlichen Verhältnissen. Die derzeitige gesetzliche Maximalfrist bei Wasserentnahmen für Bewässerungszwecke von zwölf Jahren wird auf einen Zeitraum von 25 Jahren ausgedehnt. Die Festlegung der konkreten Dauer von wasserrechtlichen Bewilligungen zur Benutzung eines Gewässers erfolgt entsprechend den Vorgaben des WRG 1959 nach Abwägung des Bedarfes des Bewerbers und der wasserwirtschaftlichen und technischen Entwicklung. Bei der Befristung von Wasserentnahmen für Bewässerungszwecke auf die Maximaldauer von 25 Jahren wird auf das Vorliegen eines ausreichenden (Grund)wasserdargebots zu achten sein. Das wasserwirtschaftliche Interesse ist besonders in Gebieten mit absehbaren Problemen des Grundwasserspiegels von Bedeutung, sodass in solchen Fällen eine Befristung in einem entsprechend kürzeren Zeitraum festzulegen sein wird.

Z 2 (§ 102 Abs. 2):

Der EuGH hat in Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation unter der Schwelle der erheblichen Umweltauswirkung, für die das Regelwerk der Umweltverträglichkeitsprüfung Geltung hat, eine Unterscheidung dahingehend getroffen, wonach ein Vorhaben das zu einer Verschlechterung im Sinne von Art. 4 der Wasserrahmen-RL führen könnte, auch eine im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. b des Übereinkommens von Aarhus erhebliche negative Auswirkung auf den Gewässerzustand haben könnte. In einem solchen Fall sind anerkannte Umweltorganisationen zur Wahrung der Interessen der Öffentlichkeit am Gewässerschutz im Verfahren zu beteiligen.

Beteiligt sich eine anerkannte Umweltorganisation am Verfahren, so können von dieser als Beitrag zur Sachverhaltsfeststellung, insbesondere Stellungnahmen zum Vorhaben abgegeben oder eigene Gutachten vorgelegt werden.

Die Beteiligung einer Umweltorganisation bereits im Verfahren hat den Vorteil, dass möglichst frühzeitig Stellungnahmen etwa hinsichtlich einer möglichen Versagung oder Abänderung einer Bewilligung eines Vorhabens vorgebracht werden können, die in der Entscheidung der Behörde zu berücksichtigen sind.

Der anerkannten Umweltorganisation sind zu diesem Zweck die zur Wahrnehmung der Beteiligtenrechte erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Eine Zustandsverschlechterung (Art. 4 der Wasserrahmen-RL) kann nach dem EuGH in Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation sowohl eine erhebliche negative Auswirkung auf ein Gewässer bzw. auf die Umwelt haben als auch unter der Schwelle einer erheblichen negativen Auswirkung liegen.

Mit der neu eingefügten Ergänzung in § 102 Abs. 2 WRG 1959 wird den anerkannten Umweltorganisationen ausdrücklich das Recht eingeräumt sich am Verfahren zu beteiligen, wenn erhebliche negative Auswirkungen auf Gewässer zu erwarten sein könnten. Dies betrifft auch Fälle, in denen zu klären ist, ob erhebliche negative Auswirkungen auf Gewässer gegeben sein könnten.

zu Z 3 (§ 102 Abs. 3):

Das Übereinkommen von Aarhus gewährt der Öffentlichkeit u. a. das Recht, sich „effektiv während des umweltbezogenen Entscheidungsverfahrens“ zu beteiligen (Art. 6 Abs. 3), insbesondere, „alle von ihr für die geplante Tätigkeit als relevant erachteten Stellungnahmen, Informationen, Analysen oder Meinungen in Schriftform vorzulegen oder gegebenenfalls während einer öffentlichen Anhörung oder Untersuchung mit dem Antragsteller vorzutragen“ (Art. 6 Abs. 7 des Übereinkommens). Die Beteiligung der Öffentlichkeit soll frühzeitig erfolgen, „zu einem Zeitpunkt, zu dem alle Optionen noch offen sind und eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden kann“ (Art. 6 Abs. 4 des Übereinkommens von Aarhus; vgl. auch EuGH in Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation, Rz 63).

Das Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung ist bei der Entscheidung der Behörde angemessen zu berücksichtigen (Art. 6 Abs. 8 des Übereinkommens).

Anerkannte Umweltorganisationen können sich somit zur Wahrung des Gewässerschutzes bereits im Verfahren beteiligen.

Beteiligt sich eine anerkannte Umweltorganisation am Verfahren, so können speziell von dieser etwa Stellungnahmen zum Vorhaben als Beitrag zur Sachverhaltsfeststellung abgegeben oder eigene Gutachten vorgelegt werden.

Die Beteiligung einer Umweltorganisation bereits im Verfahren hat den Vorteil, dass möglichst frühzeitig Stellungnahmen etwa hinsichtlich einer möglichen Abänderung eines Vorhabens bzw. der geplanten Bewilligung vorgebracht werden können, die in der Entscheidung der Behörde zu berücksichtigen sind (zB. Vorschreibung von behördlichen Auflagen).

zu Z 4 (§ 102 Abs. 5):

Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus fordern eine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit im Zusammenhang mit Entscheidungen von Behörden.

Die Umweltorganisation ist im Rahmen ihrer örtlichen Anerkennung berechtigt, Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu erheben, um einen möglichen Verstoß eines wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides gegen die Verpflichtung, insbesondere eine Verschlechterung des Zustandes der Gewässer zu verhindern, geltend zu machen (vgl. EuGH in Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation).

Die Möglichkeit für eine anerkannte Umweltorganisation einen Verstoß gegen die Verpflichtung des § 104a WRG 1959 zu verhindern, umfasst unter anderem die Fragen:

1.      ob eine Verschlechterung infolge eines Vorhabens zu erwarten ist. Prüft eine Behörde den Fall einer Zustandsverschlechterung im Genehmigungsverfahren und kommt zu dem Schluss, dass eine Zustandsverschlechterung infolge eines Projektes nicht zu erwarten ist, so hätte die Umweltorganisationen das Recht dieses Ergebnis anzufechten.

2.      ob die Verschlechterung auch eine erhebliche negative Auswirkung auf den Gewässerzustand bewirken könnte. Kommt die Behörde in ihrer Entscheidung zu dem Ergebnis, dass in Folge eines Projektes eine Zustandsverschlechterung eintritt, die keine erhebliche negative Auswirkung auf den Zustand der betreffenden Gewässer hat, so ist der Umweltorganisation das Recht eingeräumt, diese Entscheidung insofern anzufechten, als sie die behördliche Entscheidung, es würden keine erheblichen negativen Auswirkungen auftreten, mit der nun eingeräumten nachträglichen Anfechtungsmöglichkeit aufgreifen kann.

3.      ob die Behörde den Abwägungsprozess der zur Ausnahmegenehmigung im Sinne des § 104a Abs. 2 WRG 1959 geführt hat, gesetzeskonform durchgeführt hat.

Da der EuGH in Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation davon ausgeht, dass auch in Fällen, in denen behördlich keine Prüfung der Frage einer Zustandsverschlechterung durchgeführt wird, eine Umweltorganisation dennoch die Frage einer allfälligen Verschlechterung aufgreifen können muss, wird einer Umweltorganisation das Recht eingeräumt, die Unterlassung der Prüfung einer Zustandsverschlechterung aufzugreifen.

zu Z 5 (§ 104 Abs. 1 lit. b):

Bereits bei der vorläufigen Überprüfung hat die Behörde im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung zu prüfen, ob die geplante Tätigkeit (dh das Vorhaben) eine erhebliche Auswirkung auf den Gewässerzustand haben kann, sodass Art. 6 des Übereinkommens von Aarhus auf diese Tätigkeit (dieses Vorhaben) Anwendung findet. Wenn die Vorprüfung einen derartigen Fall der Verschlechterung ergibt, so sind nach § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisationen als Beteiligte dem Verfahren beizuziehen (§ 102 Abs. 2 WRG 1959).

zu Z 6 (§ 104 Abs. 5):

Die Schwelle für das nachträgliche Anfechtungsrecht ist ein Verstoß gegen das Verbot, den Zustand eines Gewässers zu verschlechtern oder die Zielerreichung zu verhindern.

Eine Verschlechterung des Gewässerzustandes liegt dann vor, wenn der Zustand des Gewässers bleibend verschlechtert wird; das Gewässer somit die Fähigkeit verliert, sich in Folge eines Vorhabens in kurzer Zeit so weit zu regenerieren, dass ein Zustand erreicht wird, der im Vergleich zum Ausgangszustand zumindest annähernd als gleichwertig zu bewerten ist.

Nicht als Verschlechterung eingestuft werden können nachteilige Abweichungen, die geringer sind als die natürlichen Fluktuationen, die für das betreffende Gewässer als normal gelten oder nachteilige Abweichungen, die auf natürliche Ursachen zurückzuführen sind, sowie vorübergehende bzw. kleinräumige negative Auswirkungen.

Eine negative (erhebliche) Auswirkung ist anhand des IST-Zustandes im Vergleich zum Zielzustand im Zeitpunkt der Entscheidung zu beurteilen.

Fällt ein Wasserkörper aufgrund des Vorhabens für einen längeren Zeitraum in den „mäßigen“ Zustand oder darunter („unbefriedigend“, „schlecht“) ist von einer erheblichen negativen Auswirkung auf den Gewässerzustand auszugehen.

Schädigungen eines Gewässers, die sich auf die menschliche Gesundheit auswirken, sind von den in § 104 Abs. 5 genannten Fällen im Sinne einer dann vorliegenden erheblichen negativen Auswirkung bereits mitumfasst.

Nicht als erheblich negative Auswirkung auf den Gewässerzustand eingestuft werden kann etwa die alleinige Verschlechterung einer unterstützenden Qualitätskomponente (hydromorphologische oder chemisch-physikalische QK) von „sehr gut“ auf „gut“, ohne Verschlechterung des ökologischen Gesamtzustands. Eine erhebliche negative Auswirkung auf den Gewässerzustand wäre aber dann gegeben, wenn sich etwa ein Gewässer bereits im mäßigen Gesamtzustand befindet und eine biologische Qualitätskomponente von „gut“ auf „mäßig“ oder darunter verschlechtert wird.

Ergänzend darf darauf hingewiesen werden, dass von der Rechtsprechung des EuGH, wann eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers gegeben ist, nicht nur Neuanlagen betroffen sind, sondern z. B. auch Verfahren zur Änderung der Wasserbenutzung oder der der Benutzung dienenden Anlagen. Bei diesen Verfahren ist, sowie auch bei Wiederverleihungen, von einer faktischen Belastung (Zustand unter Berücksichtigung der bestehenden Anlage) auszugehen. Im Fall der Wiederverleihung wird auf § 21 Abs. 3 WRG 1959 hingewiesen, wonach bis zum Abschluss des Wiederverleihungsverfahrens bestehende Bewilligungen aufrecht bleiben (d.h. der Ablauf der Bewilligungsdauer ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Ansuchen um Wiederverleihung gehemmt. Dies gilt auch für die Dauer der Verfahren vor den Höchstgerichten).

zu Z 7 (§ 107 Abs. 1):

Bereits derzeit werden in Verfahren zur Bewilligung von Vorhaben nach dem WRG 1959 auch Beteiligte von einem Vorhaben nach den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes informiert. Die Verfahren, bei denen eine mündliche Verhandlung stattfinden soll, sind nach der speziellen Kundmachungsvorschrift des § 107 Abs. 1 WRG 1959 von der Behörde bekannt zu geben.

Für Verfahren mit möglichen erheblichen Auswirkungen auf den Zustand der Gewässer, die nicht durch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung fortgesetzt werden, wird mit der Novelle die Möglichkeit einer Kundmachung im Internet bzw. auf einer elektronischen Plattform geschaffen. Diese Kundmachung hat die gemäß § 41 Abs. 2 AVG notwendigen Angaben zum Vorhaben zu beinhalten. Es sind somit jene Angaben bereitzustellen, die auch im Zuge der Kundmachung einer mündlichen Verhandlung erforderlich wären.

Ab dem Tag der Bereitstellung auf der elektronischen Plattform ist den anerkannten Umweltorganisationen Zugang zu den notwendigen Unterlagen zu gewähren.

zu Z 8 (§ 107 Abs. 3):

Für die Bereitstellung der verfahrensabschließenden Bescheide wird eine elektronische Plattform im Internet eingerichtet, die für anerkannte Umweltorganisationen zugänglich gemacht wird.

Ab dem Tag der Bereitstellung auf der elektronischen Plattform ist anerkannten Umweltorganisationen Zugang zu den im Verwaltungsverfahren vorliegenden relevanten Informationen betreffend die Einhaltung der Umweltziele zu gewähren. Der Umfang der relevanten Informationen kann nicht generell festgelegt werden, sondern muss im Einzelfall beurteilt werden. Relevant sind jedenfalls jene noch nicht aus dem Bescheid ersichtlichen Informationen (insbesondere Gutachten betreffend die Einhaltung der Umweltziele), die zur Ausübung des Nachprüfungsrechts mittels Beschwerde an das LVwG erforderlich sind.

Mit Ablauf von zwei Wochen nach dieser Kundmachung im Internet soll eine Zustellfiktion greifen, damit aus Gründen der Rechtssicherheit die Rechtsmittelfrist zu laufen beginnen kann.

Beschwerden von Umweltorganisation sind binnen vier Wochen ab dem Tag der Zustellung schriftlich bei der Behörde einzubringen (vgl. § 7 VwGVG).

zu Z 9 (§ 145 Abs. 15):

Mit dieser Bestimmung wird anerkannten Umweltorganisationen die Möglichkeit gegeben, eine Beschwerde gegen Bescheide zu erheben, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Novelle noch nicht rechtskräftig sind. In diesem Zusammenhang wird nach dem Vorbild des deutschen Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – UmwRG), BGBl I S. 2816, eine Übergangsbestimmung für die Rechtsmittellegitimation von Umweltorganisationen bei Altbescheiden geschaffen.