292 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Familie und Jugend

über den Antrag 386/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

Die Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 26. September 2018 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Das System des österreichischen Familienlastenausgleiches ist grundsätzlich als horizontaler Lastenausgleich konzipiert, das heißt als Ausgleich zwischen unterhaltspflichtigen Eltern und Personen ohne Unterhaltspflichten. Es sollen dabei jene Unterhaltskosten ausgeglichen werden, die durch die Versorgung und Betreuung von Kindern verursacht werden.

Für Eltern von Kindern, die an einer erheblichen Behinderung leiden, besteht im Regelfall ein erhöhter finanzieller Mehraufwand. Die Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 berücksichtigen diese anfallenden behinderungsbedingten erhöhten Unterhaltslasten und auch die besondere Lebenssituation durch verschiedene Bestimmungen:

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 besteht für Kinder, die an einer erheblichen Behinderung leiden, ein Anspruch auf einen Erhöhungszuschlag zusätzlich zur allgemeinen Familienbeihilfe, der derzeit 155,9 € monatlich beträgt.

Für volljährige Kinder, die vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, kann die Familienbeihilfe ohne zeitliche Beschränkung gewährt werden.

§ 2 Abs. 5 lit. c FLAG 1967 ordnet eine fiktive Haushaltszugehörigkeit für jene Kinder mit Behinderung an, die wegen eines Leidens oder eines Gebrechens sich nicht nur vorübergehend in einer Anstaltspflege befinden. Sofern die Eltern eines erheblich behinderten Kindes einen Unterhaltskostenbeitrag zumindest in der Höhe der erhöhten Familienbeihilfe leisten, steht ihnen gemäß dieser Bestimmung ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe zu, auch wenn das behinderte Kind nicht mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebt.

Die Bestimmung § 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967 regelt die Voraussetzung zur Gewährung der Familienbeihilfe für Kinder, die an einer erheblichen Behinderung leiden und sich in einer Berufsausbildung befinden. Diese Bestimmung legt einen Verlängerungstatbestand bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres fest. Damit hat der Gesetzgeber den erschwerten Ausbildungs- bzw. Studienbedingungen für behinderte Kinder Rechnung tragen. In diesem Sinne ordnet die Bestimmung zusätzlich an, dass Studierende, die an einer erheblichen Behinderung leiden, auch ausdrücklich von der Erfüllung der strengen Anforderungen hinsichtlich des Studienerfolges in § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz FLAG 1967 ausgenommen sind.

Unabhängig davon, ob ein Kind an einer Behinderung leidet oder nicht, wird mit der Gewährung der Familienbeihilfe das familienpolitische Ziel verfolgt Eltern, die für ihre Kinder Unterhalt leisten, zu entlasten und den Mindestunterhalt des Kindes zu sichern.

Eltern, deren Kinder nicht zu ihnen haushaltszugehörig sind (ohne tatsächlicher oder fiktiver Haushaltszugehörigkeit im Sinne des § 2 Abs. 5) und die ihren Kindern nicht überwiegend Unterhalt leisten, haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

Für den Fall, dass keinem Elternteil ein Anspruch auf Familienbeihilfe zusteht, besteht durch eine Sonderregelung die subsidiäre Möglichkeit, dass das Kind für sich selbst die Familienbeihilfe beanspruchen kann (Eigenanspruch auf Familienbeihilfe). Ein solcher Eigenanspruch ist nach der derzeitigen Rechtslage ausgeschlossen, wenn sich die Kinder auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Judikatur zum Ausdruck gebracht, dass in Konstellationen, bei denen typischer Unterhalt der Kinder (überwiegend) durch die öffentliche Hand gedeckt ist, ein Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen ist, wobei es nicht auf die Form der Unterbringung ankommt. Die in diesem Zusammenhang stehende Thematik, inwieweit ein Beitrag zu den Unterhaltskosten trotzdem einen Anspruch vermitteln kann, ist durch eine gesetzliche Präzisierung zu lösen.

Es soll nun sichergestellt werden, dass ein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe auch dann gegeben ist, wenn das Kind selbst aufgrund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches (z.B. Pflegegeld) oder aufgrund einer eigenen Erwerbstätigkeit regelmäßig zur Deckung der Unterhaltskosten beiträgt. Gleiches soll gelten, sofern die Eltern zwar nicht überwiegend jedoch zumindest teilweise regelmäßig zum Unterhalt ihres Kindes beitragen.

Sofern der Unterhalt des Kindes zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe (bei Aufenthalt in einer sozialpädagogischen Einrichtung) oder zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand (zB durch eine Bedarfsorientierten Mindestsicherung oder die Grundversorgung) getragen wird, ohne dass ein oben angesprochener Beitrag geleistet wird, soll kein Anspruch auf die Familienbeihilfe bestehen, da in diesen Fällen der Mindestunterhalt des Kindes bereits vollständig durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt ist.

Diese Regelungen sollen in Bezug auf alle Kinder gelten, grundsätzlich auch für Kinder, die erheblich behindert sind und demzufolge die erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sowie in Bezug auf Vollwaisen.

In Bezug auf erheblich behinderte Kinder, die nicht fähig sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, soll durch eine Sonderregelung der Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe jedenfalls gegeben sein, wenn sie einen eigenständigen Haushalt führen. Eine eigenständige Haushaltsführung wird in der Regel dann vorliegen, wenn das Kind über eine Wohnung verfügt, in welcher es sich um die allgemeinen Dinge der Lebensführung - wenn auch mit punktueller Unterstützung - selbständig kümmert, keiner regelmäßigen Aufsicht unterliegt und seinen Tagesablauf selbst strukturieren kann. In diesem Fall soll die Leistung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung einem Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe nicht entgegenstehen.

Im Falle von Maßnahmen, die nach dem Strafvollzugsgesetz angeordnet werden, bei welchen es sich insbesondere um den Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme handelt, soll ein Eigenanspruch der betroffenen Personen ausgeschlossen werden.

Gemäß den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes besteht eine Verpflichtung der öffentlichen Hand für den Unterhalt dieser betroffenen Personen umfassend zu sorgen. Jene Unterhaltsbedürfnisse, die im Zuge des Vollzuges einer Freiheitsstrafe bzw. des Vollzuges einer vorbeugenden Maßnahme, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, typischerweise anfallen, werden von der öffentlichen Hand ausreichend gedeckt.“

 

Der Ausschuss für Familie und Jugend hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 09. Oktober 2018 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin Abgeordneten Edith Mühlberghuber die Abgeordneten Birgit Silvia Sandler, Carmen Schimanek, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Michael Bernhard und Melanie Erasim, MSc, sowie die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß und der Ausschussobmann Abgeordneter Norbert Sieber.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Birgit Silvia Sandler, Michael Bernhard und Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA einen Antrag auf Einholung von Stellungnahmen gemäß § 40 Abs. 1 GOG-NR eingebracht. Dieser Antrag fand keine Mehrheit (für den Antrag: S, N, P, dagegen: V, F).

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, N P, dagegen: ► S) beschlossen.

 

Ferner beschloss der Ausschuss für Familie und Jugend mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, N, P, dagegen: S) folgende Feststellung:

Der Familienausschuss geht davon aus, dass durch den gegenständlichen Antrag sichergestellt ist, dass alle Menschen mit Behinderung, die bisher einen Eigenanspruch hatten, die erhöhte Familienbeihilfe auch weiterhin beziehen können.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Familie und Jugend somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2018 10 09

                            Edith Mühlberghuber                                                             Norbert Sieber

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann