423 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über die Regierungsvorlage (256 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über die gegenseitige Hilfeleistung bei Naturkatastrophen oder technischen Katastrophen und die Zusammenarbeit bei deren Prävention

Österreich hat mit allen Nachbarländern (mit Ausnahme von Italien) sowie mit einer Reihe anderer Staaten (Albanien, Jordanien, Kroatien, Marokko, Moldau) Katastrophenhilfeabkommen abgeschlossen. Diese Abkommen bewähren sich sehr gut. Daher liegt der Abschluss eines derartigen Abkommens auch mit der Russischen Föderation als einem wichtigen Partner Österreichs in der internationalen Zusammenarbeit im Interesse Österreichs.

Am 11. April 2007 erteilte der Ministerrat seine Zustimmung zur Aufnahme der Verhandlungen mit der Russischen Föderation (sh. Pkt. 24 des Beschl.Prot. Nr. 9). Bei Verhandlungen in Moskau am 3. und 4. Mai 2007 konnte zwischen den Delegationen beider Seiten inhaltliches Einvernehmen über den Abkommenstext erzielt werden, wobei die russische Seite von der geplanten Unterzeichnung kurzfristig aus nicht näher ausgeführten Gründen Abstand nahm. Ende 2008 übermittelte die russische Seite den Abkommenstext mit Änderungsvorschlägen, was zu einer erneuten Abstimmung der Verhandlungspositionen beider Seiten führte. Nach einer weiteren Verhandlungsrunde im Februar 2010 in Wien konnte in weiterer Folge nach mehrmaliger Korrespondenz auf schriftlichem Weg Einigung über den Abkommenstext erzielt werden und dieser bei einem letzten Sprachabgleich im Jänner 2014 in Wien finalisiert werden.

Das Abkommen regelt die Zusammenarbeit der Vertragsparteien zur Vorbeugung möglicher und zur Bekämpfung eingetretener Katastrophen, insbesondere durch die Festlegung der Ansprechstellen, die Erleichterung des Grenzübertritts von Personen im Dienste der Katastrophenbekämpfung und der Ein- und Ausfuhr von Hilfsgütern und Ausrüstungsgegenständen, die Regelung von Schadensfällen, den grundsätzlichen Verzicht auf gegenseitige Kostenerstattung sowie die Verstärkung des einschlägigen wissenschaftlich-technischen Informationsaustausches und die Durchführung gemeinsamer Übungen zur Vorbereitung auf den Ernstfall.

Die aus der Durchführung des Abkommens entstehenden Kosten lassen sich in Hinblick auf die Nichtvorhersehbarkeit des Eintritts einer Katastrophe und des damit verbundenen Schadensausmaßes nicht beziffern. Soweit solche Kosten dennoch anfallen, sind sie aus dem veranschlagten Budget des jeweils zuständigen Ressorts zu bedecken.

Das Abkommen hat folgende Regelungsschwerpunkte:

–      Festlegung von zuständigen Behörden für die Stellung und die Entgegennahme von Hilfeersuchen,

–      einvernehmliche Festlegung von Art und Umfang der Hilfeleistung im Einzelfall,

–      Erleichterung des Grenzübertritts für die bei Hilfeleistungen notwendigen Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter,

–      Einsatz von Luftfahrzeugen für die schnelle Heranführung von Hilfsmannschaften,

–      Koordination und Gesamtleitung der Rettungs- und Hilfsmaßnahmen durch die Behörden der hilfeersuchenden Vertragspartei,

–      Regelung der Einsatzkosten,

–      Regelung des Schadenersatzes und der Entschädigung,

–      Ergreifen aller notwendigen Maßnahmen durch die zuständigen Behörden zur Gewährleistung sicherer Fernmeldeverbindungen zu den Hilfsmannschaften am Einsatzort,

–      demonstrative Aufzählung von weiteren Formen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit (etwa im Bereich des Experten- und Informationsaustausches).

Das Abkommen normiert zunächst, dass die Hilfeleistung bzw. Einsätze im Falle einer Naturkatastrophe oder technischen Katastrophe seitens österreichischer Kräfte grundsätzlich freiwillig erfolgen (Art. 1). Es steht somit jedem innerstaatlich zuständigen Rechtsträger, der über zur Hilfeleistung im konkreten Fall geeignete Personal- und Sachressourcen verfügt, frei, seine Hilfskräfte auf Ersuchen des Bundesministers für Inneres zur Durchführung der Hilfsaktionen im Ausland zur Verfügung zu stellen.

Der Bundesminister für Inneres wird daher einem Hilfeersuchen der Russischen Föderation nur dann entsprechen können, wenn seitens der maßgeblichen Trägerorganisationen (z. B. Feuerwehren und deren Verbände, Österreichisches Rotes Kreuz, Arbeiter-Samariterbund, Rettungsflugorganisationen) und der hiefür politisch und rechtlich Verantwortlichen die Bereitschaft zur Erbringung von Hilfeleistungen besteht.

Zweck des Abkommens ist es, rasch und unbürokratisch Hilfeleistungen zu ermöglichen; dieses Prinzip gilt auch für den Bereich des Ausgleiches für während der Einsätze rechtmäßig oder rechtswidrig zugefügte Schäden (Art. 10). Einsätze im Partnerstaat sollen nicht durch langwierige gegenseitige Abrechnungen nach ihrem Abschluss erschwert werden. Hingegen sollen die freiwilligen Helfer, die für den anderen Staat und dessen Angehörige beträchtliches Risiko an Leib, Leben, Gesundheit und Arbeitsfähigkeit auf sich nehmen, vor Ansprüchen der hilfeersuchenden Vertragspartei wie auch solchen Dritter geschützt werden (Art. 10 Abs. 1 bis 3).

Die Frage der Kostentragung ist zunächst hinsichtlich der Beziehungen der beiden Vertragsparteien von Bedeutung. Das Abkommen geht davon aus, dass die Hilfeleistung kostenlos erfolgt. Ausgangspunkt für die Beurteilung der innerstaatlichen Kostenfrage ist die Tatsache, dass die Hilfeleistungen bzw. Einsätze seitens österreichischer Kräfte grundsätzlich freiwillig erfolgen (Art. 1). Dies gilt sowohl für die Zusage von Hilfeleistungen durch die zuständigen österreichischen Behörden gegenüber der Russischen Föderation als auch für die Bereitschaft österreichischer Stellen, an einem Hilfseinsatz in der Russischen Föderation mitzuwirken.

Für österreichische staatliche Stellen besteht somit keine rechtliche Möglichkeit, unmittelbar auf Grund dieses Vertrages andere Rechtsträger zur Teilnahme an Hilfseinsätzen zu verpflichten; dies gilt insbesondere für die Beziehungen des Bundes zu den Ländern. Eine unmittelbare Entsendung von Hilfskräften durch den Bundesminister für Inneres ist nur in jenen Fällen möglich, in denen die entsendende Behörde auf Grund österreichischer Rechtsvorschriften über eigene Hilfskräfte verfügt. Die Zusage von Hilfeleistungen im konkreten Anlassfall setzt voraus, dass die Tragung der mit dem Hilfseinsatz verbundenen Kosten jeweils im Vorhinein geklärt wird.

Für die Tragung der Kosten der auf österreichischem Staatsgebiet von russischen Organisationen erbrachten Hilfseinsätze gilt der Kostentragungsgrundsatz gemäß § 2 F-VG 1948. Dies bedeutet im gegebenen Zusammenhang, dass die auf Grund dieses Vertrages den Körperschaften erwachsenden Kosten für die Leistung von Entschädigungen oder Ersätzen sowie die Kosten bestimmter Unterstützungsleistungen (etwa gemäß Art. 9) von jener Gebietskörperschaft zu tragen sind, deren Vollziehungsbereich die jeweils konkret gesetzte Maßnahme zur Bekämpfung der Katastrophe im Einzelfall zuzuordnen ist.

Bei konkreten Rettungs- und Hilfsmaßnahmen, die wegen ihres freiwilligen Charakters jeweils auf Grund einer ihr vorausgehenden ausdrücklichen politischen Entscheidung der in Art. 3 Abs. 1 genannten zuständigen Behörden erfolgen, ist in jedem Fall mit Kosten zu rechnen, deren Höhe nach den zugrunde gelegten Szenarien variiert; in der hier erforderlichen politischen Entscheidung werden sich die zuständigen Behörden demgemäß – wie bereits erwähnt – auch mit der Frage der Aufbringung der notwendigen finanziellen Mittel auseinander setzen müssen.

Das Abkommen hat gesetzesändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Abkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Abkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Es ist in Aussicht genommen, anlässlich der Ratifikation des Abkommens eine Erklärung abzugeben, dass hinsichtlich des territorialen Geltungsbereiches von mit Russland unterzeichneten Abkommen Österreich weiterhin davon ausgeht, dass das Gebiet der russischen Föderation dem international anerkannten Gebiet entsprechend der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen 68/262 vom 27. März 2014 entspricht.

Der gegenständliche Staatsvertrag hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat.

Der Staatsvertrag hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG nicht erforderlich ist.

 

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG ist erforderlich, da Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

 

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 29. November 2018 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten David Lasar die Abgeordneten
Dr. Alma Zadić, LL.M., Dr. Stephanie Krisper, Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Walter Rosenkranz sowie der Bundesminister für Inneres Herbert Kickl und die Ausschussobfrau Abgeordnete Angela Lueger.

 

Ein Vertagungsantrag fand keine Mehrheit.

 

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F dagegen: S, N, J) beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

 

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten vertritt weiters mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F
dagegen: S, N, J) die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.

 

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über die gegenseitige Hilfeleistung bei Naturkatastrophen oder technischen Katastrophen und die Zusammenarbeit bei deren Prävention (256 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.

Wien, 2018 11 29

                                     David Lasar                                                                      Angela Lueger

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau