440 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP

 

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über die Regierungsvorlage (337 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Patientenverfügungs-Gesetz geändert wird (PatVG-Novelle 2018)

Erste juristische und rechtspolitische Überlegungen zu Patientenverfügungen kamen in Österreich gegen Ende der 1980er bzw. zu Beginn der 1990er Jahre auf (siehe dazu Decker, Der Abbruch intensivmedizinischer Maßnahmen in den Ländern Österreich und Deutschland 129). Eine erste positivrechtliche Verankerung erfolgte sodann im Rahmen des Krankenanstaltenrechts durch die mit der KAG-Novelle BGBl. Nr. 801/1993 neu geschaffene Z 7 in § 10 Abs. 1 KAG (nunmehr KAKuG) und der darin enthaltenen Pflicht von Spitalsträgern, im Rahmen der Krankengeschichte Verfügungen zu dokumentieren, durch die ein Patient im Fall des Verlusts seiner Handlungsfähigkeit das Unterbleiben bestimmter Behandlungsmethoden wünscht (siehe die RV 1080 BlgNR 18. GP; weiters Aigner, Die Patientenverfügung de lege lata und de lege ferenda, in Barta/Kalschmid [Hrsg], Die Patientenverfügung – Zwischen Selbstbestimmung und Paternalismus). Die erforderliche klare Regelung war mit dieser krankenanstaltenrechtlichen Bestimmung freilich noch nicht geschaffen (siehe Kneihs, Grundrechte und Sterbehilfe 451 ff; weiters: Bernat, Behandlungsabbruch und [mutmaßlicher] Patientenwille, RdM 1995, 51 [60]).

Die endgültige Verankerung erfolgte gemäß der kompetenzrechtlichen Grundlage des Art. 10 Abs. 1 Z 12 Bundes-Verfassungsgesetz, Gesundheitswesen, schließlich mit dem mit 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Patientenverfügungs-Gesetz (PatVG), BGBl. I Nr. 55/2006. Zugleich wurde auch das Krankenanstaltenrecht mit dem Gesundheitsrechtsänderungsgesetz (GRÄG 2006), BGBl. I Nr. 122/2006, der neuen Rechtslage angepasst (siehe Kletečka-Pulker, Grundzüge und Zielsetzungen des Patientenverfügungs-Gesetzes, in Körtner/Kopetzki/Kletečka-Pulker [Hrsg], Das österreichische Patientenverfügungsgesetz – Ethische und rechtliche Aspekte).

In der Folge war das Patientenverfügungs-Gesetz Gegenstand intensiver, vom Gesundheitsressort beim Institut für Ethik und Recht in der Medizin der Medizinuniversität Wien (IERM) in Auftrag gegebener Begleitforschung. Die im Dezember 2014 veröffentlichte, im August 2014 fertiggestellte Studie über „Rechtliche Rahmenbedingungen und Erfahrungen bei der Umsetzung von Patientenverfügungen“, die an eine Erhebung aus dem Jahr 2009 anschloss („Studie über die rechtlichen, ethischen und faktischen Erfahrungen nach In-Kraft-Treten des Patientenverfügungs-Gesetzes [PatVG]“), zeigte eine steigende Zahl von Menschen, die über die Möglichkeit einer Patientenverfügung Bescheid wissen, jedoch eine weiter auf niedrigem Niveau stagnierende Zahl von Menschen, die diese Möglichkeit nutzen (laut Umfrage hatten bloß 4,1 Prozent der in Österreich lebenden Bevölkerung eine Patientenverfügung errichtet). Dabei zeigte die Studie als Grund nicht nur die Scheu vor der Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod auf, als weitere Ursachen wurden auch die mit der Errichtung verbundenen Kosten sowie mangelnde Information genannt (zu den Schlussfolgerungen der Studie siehe die Seiten 122 ff).

Zeitgleich mit der Fertigstellung der Studie des IERM im Sommer 2014 begannen die öffentlichen Beratungen der parlamentarischen Enquete-Kommission zum Thema „Würde am Ende des Lebens“. Einen Schwerpunkt der Arbeit dieser Enquete-Kommission bildete die Auseinandersetzung zum Themenkomplex „Patientenverfügung“. Die Beratungen der Sitzung vom 23. Jänner 2015 waren der Evaluierung des Patientenverfügungs-Gesetzes und allfälligen Maßnahmen zur Verbesserung gewidmet. Aus den diesbezüglichen Empfehlungen seien die Forderung nach Vereinfachungen der Errichtung, Maßnahmen zur Kostenerleichterung und Etablierung eines zentralen Registers zur jederzeit möglichen Feststellung, ob ein Patient eine Patientenverfügung errichtet hat, erwähnt (siehe insgesamt den Bericht der Enquete-Kommission unter AB 491 BlgNR 25. GP).

Die vorliegende Novelle zum Patientenverfügungs-Gesetz beinhaltet nun entsprechend den Studienergebnissen und dem Bericht der Enquete-Kommission einerseits Verbesserungen in den Rahmenbedingungen zur Errichtung einer Patientenverfügung, andererseits Bestimmungen hinsichtlich der zentralen Abfragemöglichkeit. Insbesondere sollen dabei Vorschläge zu Vereinfachungs- und Attraktivierungsmaßnahmen sowie bezüglich einer Fristverlängerung von verbindlichen Patientenverfügungen erwähnt sein. Die von der Enquete-Kommission geforderte Erweiterung der Instanzen, vor denen eine Verbindliche Patientenverfügung errichtet werden kann, ist auch dadurch gewährleistet, als dass es einschlägigen Verbänden wie etwa Behinderteneinrichtungen, Seniorenverbänden, etc. freisteht, für ihre Mitglieder Rechtsanwälte bzw. Notare (auch aus ihren Reihen) bereitzustellen.

Im Zuge der Diskussion im Rahmen der Enquete-Kommission wurde auch der Vorschlag eingebracht, die ärztliche Aufklärung im Rahmen der Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung als Kassenleistung zu definieren. Da man davon ausgehen kann, dass die Aufklärung im Prinzip Teil der ärztlichen Behandlung ist, hätte dies eine doppelte Abgeltung zur Folge, unabhängig davon, ob die Leistung ein zweites Mal der Sozialversicherungsanstalt oder dem Patient verrechnet wird.

Zum Verlangen nach einer zentralen Abfragemöglichkeit wählt der vorliegende Entwurf dem Gesundheitstelematikgesetz 2012 (GTelG 2012), BGBl. I Nr. 111/2012, insbesondere dessen § 27 Abs. 5 Z 1 folgend, den Weg der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA). Die einschlägigen Bestimmungen wurden in enger Zusammenarbeit nicht nur mit Experten der ELGA-GmbH erstellt, sondern auch mit solchen aus dem Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz sowie aus der Notariats- und der Rechtsanwaltskammer. Dies deshalb, da im Wege der ELGA-Technik auch der Zugang zu jenen Patientenverfügungen geschaffen werden soll, die in den Registern einer dieser beiden Kammern vorhanden sind. Ein weiterer Grund der engen Kooperation bei der Ausarbeitung liegt darin, dass nach § 27 Abs. 5 Z 2 GTelG 2012 künftig durch ELGA auch die Auffindbarkeit von Vorsorgevollmachten technisch erleichtert und sichergestellt sein soll.

Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kategorie Gesundheitsdaten findet ihre Rechtfertigung in Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO, ist es doch erklärter Wille der die Patientenverfügung erstellenden Person, dass die Patientenverfügung im Bedarfsfall auch zugänglich ist. Es liegt daher eine ausdrückliche Einwilligung im Sinne der genannten Stelle der DSGVO vor.

 

Der Gesundheitsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 4. Dezember 2018 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin Abgeordneten Ricarda Berger die Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Mag. Gerhard Kaniak, Mag. Gerald Loacker, Philip Kucher, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Gabriela Schwarz und Ing. Markus Vogl sowie die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, F, J, dagegen: N) beschlossen.

Ein von den Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen im Zuge der Debatte gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR eingebrachter selbständiger Antrag auf Beschlussfassung einer Entschließung betreffend Übernahme der Kosten für Patientenverfügungen durch den Bund fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (dafür: S, J, dagegen: V, F, N).

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (337 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2018 12 04

                                 Ricarda Berger                                                              Dr. Brigitte Povysil

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau