Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Die B‑VG-Novelle BGBl. I Nr. 14/2019 sieht den Entfall der Wortfolge „Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge;“ in Art. 12 Abs. 1 Z 1 B‑VG und damit die Überstellung dieser Angelegenheiten in die Kompetenz zur Gesetzgebung und Vollziehung der Länder gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG vor.

Nach Art. 151 Abs. 63 Z 5 erster Satz B‑VG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 14/2019 ist das Inkrafttreten der Änderung der Kompetenzrechtslage betreffend den Kompetenztatbestand „Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge“ davon abhängig, dass eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a Abs. 1 B‑VG über den Gegenstand des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2013 – B‑KJHG 2013, BGBl. I Nr. 69/2013, in Kraft tritt.

Entsprechend der Regierungsvorlage zu dieser B‑VG-Novelle (RV 301 d.B. XXVI. GP, 2) soll das bisherige Schutzniveau in den Angelegenheiten der Jugendfürsorge aufrechterhalten werden. Zu diesem Zweck sind der Bund und die Länder anlässlich der Tagung der Landeshauptleutekonferenz am 23. Oktober 2018 in Stegersbach in Anwesenheit des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz darin übereingekommen, im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B‑VG abzuschließen (vgl. auch den Bericht des Verfassungsausschusses des Nationalrates, AB 463 d.B. XXVI. GP, 3).

Besonderer Teil

Zu Art. 1:

Intention der Vertragsparteien ist es, den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe österreichweit einheitlich zu gestalten, gemeinsam zu standardisieren und ständig weiterzuentwickeln. Damit sollen eine harmonisierte Entwicklung der einzelnen Kinder- und Jugendhilfegesetze der Länder sowie die laufende Zusammenarbeit zwischen Ländern und Bund in diesem Bereich sichergestellt werden. Leitbild der Weiterentwicklung sind die „Kinderrechte“, wie sie sowohl bundesverfassungsrechtlich als auch in völkerrechtlichen Instrumenten garantiert werden. In der Zielbestimmung werden ferner die verschiedenen Präventionsebenen angesprochen, die allgemeine, selektive oder konkrete Maßnahmen im Blick haben, um das Auftreten, die Fortsetzung und die Folgen von Risikolagen für Kinder und Jugendliche zu verhindern.

Zu Art. 2:

Entsprechend der Intention, das bisherige Schutzniveau in den Angelegenheiten der Jugendfürsorge aufrechtzuerhalten, sollen sich die Länder verpflichten, ihre Gesetzgebung und Vollziehung einheitlich an jenen Grundsatzbestimmungen auszurichten, wie sie bislang im 1. Teil des B‑KJHG 2013 enthalten sind; ausgenommen ist § 8 B‑KJHG 2013 (Datenverarbeitung). Die Wortfolge „Instrumente, Mindeststandards und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe“ in Art. 2 Abs. 1 der Vereinbarung deckt sich mit der Wortfolge „Bestimmungen und Mindeststandards“ in Abs. 2. Dies betrifft Ziele und Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe, Begriffsbestimmungen, Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, die Verschwiegenheitspflicht, Auskunftsrechte, die schriftliche Dokumentation über die Erbringung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, die Trägerschaft der Kinder- und Jugendhilfe, private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, die fachliche Ausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe, Planung, Forschung und Statistik, Dienste für werdende Eltern, Familien sowie Kinder und Jugendliche, Gefährdungsabklärung und Hilfeplanung, Erziehungshilfen, Mitwirkung an inländischen und grenzüberschreitenden Adoptionen, die Einrichtung der Kinder- und Jugendanwaltschaft sowie die Normierung von Verwaltungsstrafbestimmungen. Auch in Art. 2 Abs. 2 der Vereinbarung beziehen sich die verwiesenen Vorschriften auf das B‑KJHG 2013 zuletzt in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 32/2018.

Zu Art. 3:

Art. 3 hat die bundesgesetzliche Normierung einzelner wesentlicher Bestimmungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich im bisherigen B‑KJHG 2013 als unmittelbar anzuwendendes Bundesrecht finden, zum Gegenstand. Damit sollen die Wahrnehmung wichtiger Aufgaben durch den Bund und die Zusammenarbeit mit den örtlich zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträgern sichergestellt werden. Auch dadurch wird gewährleistet, dass es zu keinem Unterschreiten des bisherigen Regelungsniveaus im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe kommt.

Zu Art. 4:

Art. 4 der Vereinbarung hat eine besondere Kooperationsverpflichtung der Länder zur Weiterentwicklung der Standards in der Kinder- und Jugendhilfe – und damit zur Anpassung der Vereinbarung insbesondere entsprechend dem jeweiligen fachlichen Erkenntnisstand – zum Gegenstand. Hinsichtlich der Bedeutung dieser Bestimmung ist auf die mehrheitlich angenommene Ausschussfeststellung des Verfassungsausschusses des Nationalrates hinzuweisen (siehe AB 463 d.B. XXVI. GP, 3):

„Der Verfassungsausschuss des Nationalrates begrüßt den Entwurf einer Artikel 15a B‑VG-Vereinbarung mit den Ländern über die Kinder- und Jugendhilfe, in dem insbesondere eine Weiterentwicklung der bestehenden Standards in der Kinder- und Jugendhilfe sichergestellt wird. Diese kann nicht nur nach Vorliegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse[,] sondern nach Expertisen aus den Fachkreisen der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern erfolgen. Damit werden neben dem Ziel einer qualitativen Weiterentwicklung auch einheitliche hohe Standards verfolgt. Jedes Land kann die Aufnahme solcher Verhandlungen verlangen.“

Zu Art. 5:

Die Vereinbarung soll am zweiten Monatsersten nach Erfüllung der erforderlichen bundesverfassungsrechtlichen Voraussetzungen und nach Einlangen aller Ländermitteilungen über die Erfüllung der erforderlichen landesverfassungsrechtlichen Voraussetzungen in Kraft treten. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung ist nach Art. 151 Abs. 63 Z 5 erster Satz B‑VG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 14/2019 für das Inkrafttreten der Änderung der Kompetenzrechtslage betreffend den Kompetenztatbestand „Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge“ maßgeblich.

Zu Art. 6:

Die Regelungen über den Abschluss der Vereinbarung auf unbestimmte Dauer sowie über die Auflösung der Vereinbarung im Einvernehmen aller Vertragsparteien sollen der besonderen Bedeutung der Vereinbarung Rechnung tragen, die das einheitliche Vorgehen der Länder und die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sicherstellen sollen. Nach Art. 4 der Vereinbarung kann jedes Land die Aufnahme von Verhandlungen über eine Anpassung der Vereinbarung zur Weiterentwicklung der Standards in der Kinder- und Jugendhilfe verlangen.

Zu Art. 7:

Die Hinterlegung der Urschrift erfolgt beim Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz. Allen Ländern ist eine beglaubigte Abschrift zu übermitteln.