583 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (508 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Unternehmensgesetzbuch, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Börsegesetz 2018, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert werden (Anti-Gold-Plating-Gesetz 2019)

Das Regierungsprogramm 2017 – 2022 sieht in seinem Kapitel „Moderner Verfassungsstaat“ eine „Deregulierung und Rechtsbereinigung“ vor, die die „Evaluierung von Rechtsnormen einschließlich Staatsverträgen auf ihre Notwendigkeit (inklusive Prüfung der Übererfüllung von EU-Recht)“ beinhaltet. Der durch den Österreich-Konvent begonnene Prozess der Rechtsbereinigung und Deregulierung soll damit fortgesetzt werden (vgl. S. 21). Die Bundesregierung hat dementsprechend in der Sitzung des Ministerrates am 5. Jänner 2018 die „Definition eines umfassenden Reformprozesses“ beschlossen, „in deren Rahmen die Übererfüllung von EU-Recht im Bereich des Bundes erhoben, evaluiert und adaptiert wird“.

Ziel dieses Reformprozesses ist es, belastende Übererfüllungen von Unionsrechtakten im Bundesrecht zu identifizieren und zu beseitigen. An national bestehenden höheren Schutzstandards, die über die Mindest­standards des Unionsrechts hinausgehen, insbesondere in den Bereichen Umwelt- und Arbeitnehmer­Innenschutz, sollen dadurch aber nichts geändert werden.

Im Rahmen der Deregulierungsoffensive der Bundesregierung soll nun die im Entwurf vorliegende erste „Anti-Gold Plating“-Sammelnovelle erlassen werden. Dieses erste „Anti-Gold-Plating-Paket“ stellt auch einen ersten Schritt im Prozess zur Ausarbeitung einer Better-Regulation-Strategie der Bundesregierung dar.

Unter dem Begriff „Gold Plating“ wird im Allgemeinen eine Rechtsetzungspraxis verstanden, bei der die nationale Gesetzgebung die Umsetzung eines Unionsrechtsaktes zum Anlass nimmt, zusätzliche Anforderungen, Verpflichtungen oder Standards für die Rechtsunterworfenen vorzusehen, die über die unionsrechtlich vorgesehenen Anforderungen hinausgehen. Ausgehend von diesem Begriffsverständnis wurden im Rahmen des Reformprojektes gewisse Faktoren näher bestimmt, die auf Gold Plating hindeuten:

–      Die Erlassung des nationalen Rechtsaktes muss in einem kausalen und/oder zeitlichen Zusammenhang mit dem Unionsrechtsakt stehen. Dementsprechend wurden zusätzliche Anforderungen, die bereits vor Erlassung des Unionsrechtsaktes im nationalen Recht bestanden, nicht erfasst.

–      Der betreffende Unionsrechtsakt muss den Mitgliedstaaten einen gewissen Umsetzungsspielraum überlassen. Das ist in der Regel bei Richtlinien und Verordnungen mit Öffnungsklauseln der Fall.

–      Inhaltlich ist eine Übererfüllung anhand der im Unionsrechtsakt vorgegebenen Zielsetzung zu beurteilen. Eine Abweichung der unionsrechtlichen Vorgaben im Sinne der vorgegebenen Zielsetzung ist als Übererfüllung, eine Abweichung entgegen der vorgegebenen Zielsetzung als (unionsrechtswidrige) Schlechterfüllung zu beurteilen. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Richtlinie kann zwar grundsätzlich Gold Plating darstellen. Erfolgt die Erweiterung auf rein innerstaatliche Sachverhalte aber ausschließlich zur Vermeidung von Inländerdiskriminierung, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts und ist daher nicht als Gold Plating zu beurteilen.

In Anlehnung an das zweite Bundesrechtsbereinigungsgesetz, BGBl. I Nr. 61/2018, wurde im Rahmen dieses Projektes ein formeller Verständnisansatz des Begriffes „Gold Plating“ gewählt, um den Fokus des Projektes zunächst auf eine Bestandsaufnahme des aktuellen Rechtsbestandes und der Umsetzungspraxis in Österreich zu legen, auf deren Grundlage die Zurücknahme konkreter Fälle von Gold Plating erfolgt.

Die Bundesministerien waren daher grundsätzlich aufgefordert, in ihren Meldungen jede Übererfüllung von Unionsrecht in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich anzuführen – unabhängig davon, ob sie als belastend angesehen wird oder nicht – und gleichzeitig, soweit möglich, die Gründe für die Übererfüllung bzw. deren Vorteile anzugeben. Dadurch konnten jene Übererfüllungen, die ohne sachliche Begründung erlassen worden waren oder bei denen die Ressorts selbst die Aufhebung bzw. Abänderung indizierten, schnell identifiziert werden.

Die in den vorliegenden Entwurf einer Sammelnovelle einbezogenen Rechtsvorschriften wurden in einem mehrstufigen Verfahren unter Einbeziehung aller beteiligten Verkehrskreise von den fachlich zuständigen Ressorts identifiziert, wobei stets ein Höchstmaß an Sorgfalt angewendet wurde.

 

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 11. April 2019 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Johanna Jachs die Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Mag. Harald Stefan, Dr. Alfred J. Noll, Hermann Brückl, MA, Melanie Erasim, MSc und Dr. Peter Wittmann sowie der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, N, dagegen: S, J) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (508 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2019 04 11

                             Mag. Johanna Jachs                                                    Mag. Michaela Steinacker

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau