588 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (514 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Das Regierungsprogramm sieht – in begrifflicher Abkehr vom zuletzt verwendeten Begriff der Mindestsicherung – die Schaffung eines Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes auf Basis der im Regierungsprogramm und im Ministerratsvortrag vom 27. Mai 2018 formulierten Eckpunkte vor. Der Bundesgesetzgeber betritt mit der Neuregelung nicht legistisches Neuland, sondern orientiert sich am Sozialhilferecht einzelner Bundesländer und kann damit an Regelungen anknüpfen, die in einzelnen Bundesländern bereits die Zustimmung von ÖVP, SPÖ und FPÖ gefunden haben.

Wie im Regierungsprogramm festgehalten, stellt die Sozialhilfe ein wesentliches Instrument dar, um Armut zu vermeiden und gleichzeitig die Betroffenen so rasch wie möglich zur (Re-)Integration in den Arbeitsmarkt zu führen. Mit der Neugestaltung der Sozialhilfe werden Anreize zur Zuwanderung in das österreichische Sozialsystem eingedämmt.

Das Schaffung eines Grundsatzgesetzes des Bundes gem. Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG markiert einen Meilenstein in der Weiterentwicklung des österreichischen Sozialwesens. Der letzte Versuch zur Einführung eines Grundsatzgesetzes in dieser Materie ist in den 1960er-Jahren gescheitert. Seitdem regelten die Länder diese Materie frei. Dies führte zu unterschiedlichsten Ausgestaltungen und Anfang 2007 zu den ersten ernsthaften Bestrebungen einer bundesweiten Harmonisierung der Sozialhilfesysteme der Länder. Letztendlich kam es zum Abschluss einer Art. 15a B-VG Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über eine Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Allerdings ist diese Vereinbarung mit Ende 2016 ausgelaufen, da die Verhandlungen zu einer Verlängerung und zukünftigen Gestaltung an den kontroversiellen Positionen der Vertragsparteien (Bund – Länder) scheiterten.

Die Rechtsentwicklung im Bereich der Sozialhilfe hat seitdem zu einer noch stärker differenzierten Gesetzeslandschaft geführt, als vor Einführung der Mindestsicherung im Jahr 2011. Dies liegt derzeit vor allem an den unterschiedlichen Modellen, die in mehreren Ländern ausgerollt wurden. Dazu gehören diverse Ansätze zur Deckelung von Leistungen oder der leistungsrechtliche Umgang mit zugewanderten Personen. Auch die Höchstgerichte haben sich bereits mit einzelnen Bestimmungen in den neuen Sozialhilfegesetzen beschäftigt.

Eine negative Entwicklung der vergangenen Jahre wurde in der wachsenden Anzahl der Leistungsbezieher und den daraus resultierenden budgetären Folgekosten sichtbar. Diese sind der gestiegenen Arbeitslosigkeit im Zeitraum der Wirtschaftskrise und der steigenden Zuwanderung in den österreichischen Sozialstaat geschuldet. Durch die mit dem neuen Grundsatzgesetz angestoßenen Reformen soll es durch einen optimierten Ressourceneinsatz auch künftig möglich sein, dass diese Leistungen all jenen zu Gute kommen, die der Unterstützung der Solidargemeinschaft tatsächlich bedürfen.

Zentrale Ziele der bundesweiten Neuregelung der Sozialhilfe sind

-       zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs der Bezugsberechtigten beizutragen,

-       die (Wieder-) Eingliederung von Bezugsberechtigten in das Erwerbsleben und die optimale Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes zu fördern und

-       zentrale integrationspolitische und fremdenpolizeiliche Ziele zu berücksichtigen.

Die Neuregelung soll Geld- und Sachleistungen umfassen, die zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes gewährt werden.

Um diese Ziele zu erreichen, sind durch die Landesgesetzgebung folgende Maßnahmen vorzusehen:

-       Verpflichtung der Länder zur Erfassung und Übermittlung einer Reihe von Daten zu den Bezieherinnen und Beziehern einer Leistung der Sozialhilfe, um dadurch die nötige Datentransparenz zu erlangen.

-       Bundesweite Sicherstellung eines wirksamen Kontroll- und Sanktionssystems durch die Landesgesetzgebung. Bei unrechtmäßigem Bezug, zweckwidriger Verwendung der Leistung, Arbeits- und Integrationsverweigerung sowie nachgewiesener Schwarzarbeit sind wirksame Sanktionen, Reduktionen bzw. völlige Einstellung und Rückforderung der Leistung vorzusehen.

Folgende allgemeine Grundsätze sollen gelten:

-       Leistungen der Sozialhilfe sind nur Personen zu gewähren, die von einer sozialen Notlage betroffen und bereit sind, sich um die Abwendung, Milderung oder Überwindung dieser Notlage zu bemühen.

-       Sozialhilfeleistungen sind subsidiär und nur insoweit zu gewähren, als der Bedarf nicht durch eigene Mittel des Bezugsberechtigten oder durch zustehende und einbringliche Leistungen Dritter abgedeckt werden kann.

-       Die Leistungen sind von der Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft und der Bereitschaft zur Überwindung einer eingeschränkten Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt abhängig zu machen.

-       Leistungen der Sozialhilfe sind als Sachleistungen vorzusehen, soweit durch diese eine höhere Effizienz der Erfüllung der Leistungsziele zu erwarten ist. Leistungen für den Wohnbedarf sind, wenn möglich, in Form von Sachleistungen zu gewähren.

Die Novellierung des Integrationsgesetzes verfolgt das Ziel der Anpassung der im Rahmen des Integrationsgesetzes angebotenen Maßnahmen an die Vorgaben des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes.

Dieses Ziel soll durch folgende Maßnahmen erreicht werden.

-       Verpflichtung der Personen zum Nachweis der Sprachkenntnisse B1 durch ÖIF Prüfung

-       Schaffung eines Angebotes von Werte- und Orientierungskursen für Drittstaatsangehörige

-       Unterzeichnung einer Integrationserklärung durch Drittstaatsangehörige

-       Deutschkurse zur Erreichung des Zielniveaus B1

-       Evaluierung der Deutschkurse und Zertifizierung von Kursträgern bzw. Standorten

 

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes gründet sich hinsichtlich Artikel I auf Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG („Armenwesen“) und hinsichtlich Artikel II auf Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG („sonstige Statistik, soweit sie nicht nur den Interessen eines einzelnen Landes dient“). Die Kompetenz des Bundes bezüglich des Artikel III gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 3 B-VG („Ein- und Auswanderungswesen einschließlich des Aufenthaltsrechtes aus berücksichtigungswürdigen Gründen“; „Asyl“).

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 15. April 2019 in Verhandlung genommen. Vor Beginn der Verhandlungen wurde einstimmig die Durchführung eines öffentlichen Hearings gemäß § 37a Abs. 1 Z 3 GOG-NR beschlossen, dem nach § 40 Abs. 1 GOG-NR einstimmig folgende Expertinnen und Experten beigezogen wurden:

- Elisabeth Bruckmüller

- Univ.-Prof. DDr. Nikolaus Dimmel

- Univ.-Prof. Dr. Karin Heitzmann, MSc

- Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal

- Dr. Wolfgang Nagl

- Univ.-Prof. Dr. Walter Pfeil

- Dr. Michael Schilchegger

- Hon.-Prof. Dr. Wolfgang Steiner

 

Im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Mag. Ernst Gödl gaben die Expertinnen und Experten ihre Einleitungsstatements ab. Im Anschluss ergriffen die Abgeordneten August Wöginger, Mag. Klaus Fürlinger, Kira Grünberg, Mag. Michael Hammer, Alois Stöger, diplômé, Nurten Yılmaz, Birgit Silvia Sandler, Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Selma Yildirim, Mario Lindner, Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Mag. Gerald Loacker und Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA sowie der Ausschussobmann Abgeordneter Josef Muchitsch das Wort. Die aufgeworfenen Fragen wurden von den Expertinnen und den Experten beantwortet.

 

Nach Beendigung des öffentlichen Hearings gaben die Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Mario Lindner, Birgit Silvia Sandler, Nurten Yılmaz, Mag. Gerald Loacker, Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Selma Yildirim, August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Klaus Fürlinger, Peter Wurm sowie der Ausschussobmann Abgeordneter Josef Muchitsch und die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein weitere Wortmeldungen ab.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

Zu Z 1:

Die vorgeschlagene Änderung ist einem Tippfehler im Wort „Staatsbürgerschaft“ geschuldet.

Zu Z 2 (Art. I § 2 Abs. 4):

Durch die Aufnahme des Kriteriums „Alter“ in Abs. 4 soll sichergestellt werden, dass Leistungen, die für Personen aufgrund ihres Alters bzw. zur Abdeckung von altersbedingten Sonderbedarfen vorgesehen sind, auch weiterhin gewährt werden können.

Zu Z 3 (Art. I § 5 Abs. 2):

Mit der zu § 5 Abs. 2 Z 4 vorgeschlagenen Änderung wird ein redaktionelles Versehen bereinigt.

Zu Z 4 (Anlage zu Art. II):

Gemäß § 1 Abs. 4 des Artikels II der gegenständlichen Regierungsvorlage (Sozialhilfe-Statistikgesetz) hat die Bundesanstalt Statistik Österreich die Daten gemäß der Anlage in die Transparenzdatenbank zu Zwecken der Vollziehung des TDBG 2012 zu übermitteln. Die Verarbeitung personenbezogener Daten natürlicher Personen in der Transparenzdatenbank erfolgt anhand des bereichsspezifischen Personenkennzeichens für die Verarbeitung in der Transparenzdatenbank (bPK-ZP-TD). Zu diesem Zweck ist es erforderlich, dass die Datenübermittlung durch die Länder an die Bundesanstalt Statistik Österreich nicht nur das vbPK‑AS enthält, sondern auch das vbPK-ZP-TD (das ist das verschlüsselte bereichsspezifische Personenkennzeichen für die Verarbeitung in der Transparenzdatenbank) und dass dieses in der Folge durch die Bundesanstalt Statistik Österreich an die Transparenzdatenbank übermittelt wird.

Zu Z 5 (Art. III Einleitungssatz):

Es erfolgt eine Anpassung an das Brexit-Begleitgesetz 2019.

Zu Z 6 und Z 7 (Art. III § 15 Abs. 1 und Abs. 2, § 16b Abs. 5):

Die Ergänzung der Sozialversicherungsnummer ist erforderlich, um die jeweilige Person eindeutig zuordnen zu können.

Zu Z 8 (Art. III § 24 Abs. 1)

Mit der Änderung soll klargestellt werden, dass der neue Zweck zur Datenverarbeitung (Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse im Sinne des § 5 Abs. 7 Z 1 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes) den bisherigen Datenverarbeitungszweck (Integration der Zielgruppe gemäß § 3) nicht einschränken, sondern ergänzen soll.

Zu Z 9 (Art. III § 27 Abs. 7)

Hier erfolgt eine redaktionelle Anpassung beim Datum des Außerkrafttretens.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, dagegen: S, N, J) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2019 04 15

                                 Mag. Ernst Gödl                                                                 Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann